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Als Frau, die sich am öffentlichen politischen Diskurs beteiligt, bekommt Sarah Bosetti fast täglich Hasskommentare im Internet. Doch die radioeins- und WDR2-Kolumnistin hasst nicht zurück, sondern nutzt den Hass als kreatives Rohmaterial und verwandelt ihn in seine schöne große Schwester: Liebe! In diesem Buch versammelt sie die schlimmsten Kommentare, macht aus ihnen pointierte, charmante Liebesgedichte – und setzt damit ein kluges, scharfzüngiges und sehr unterhaltsames Zeichen gegen den Hass in unserer Gesellschaft.
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Seitenzahl: 49
Sarah Bosetti
«Ich hab nichts gegen Frauen, du Schlampe!»
Mit Liebe gegen Hasskommentare
Als Frau, die sich am öffentlichen politischen Diskurs beteiligt, bekommt Sarah Bosetti fast täglich Hasskommentare im Internet. Doch die radioeins- und WDR2-Kolumnistin hasst nicht zurück, sondern nutzt den Hass als kreatives Rohmaterial und verwandelt ihn in seine schöne große Schwester: Liebe! In diesem Buch versammelt sie die schlimmsten Kommentare, macht aus ihnen pointierte, charmante Liebesgedichte – und setzt damit ein kluges, scharfzüngiges und sehr unterhaltsames Zeichen gegen den Hass in unserer Gesellschaft.
Sarah Bosetti findet Feminismus anstrengend und ist zugleich eine der präsentesten und witzigsten feministischen Stimmen auf Deutschlands Bühnen und im Internet. Sie ist bekannt aus «Die Anstalt» im ZDF, «extra3», «Nuhr im Ersten», der «ARD Ladies Night», den «Mitternachtsspitzen» im WDR und als Kolumnistin bei radioeins (RBB) und WDR2.
«Wir wollen kämpfen mit Liebe aus Hass. Also eigentlich andersrum. Aber nee du, klar, wenn es so besser in dein Buch passt … Ist ja nur mein geistiges Vermächtnis, das du da … Ach, schreib doch, was du willst, du ***** ********!»
_tucholsky 1890
Für Mila
Die Menschen hassen zu viel und lieben zu wenig.
Guter erster Satz! Ist aber Quatsch. Natürlich lieben die Menschen. Sie lieben manchmal die Richtigen und häufig die Falschen, lieben inbrünstig und verzweifelt und glücklich und unglücklich und «jetzt aber wirklich für immer». Und manchmal lieben sie sogar sich selbst, ein bisschen zumindest.
Der Welt mangelt es nicht an Liebe, aber der Hass ist das einfachere Hobby. Hass funktioniert im Gegensatz zur Liebe auch, wenn er einseitig ist. Er ist eine leicht zu tragende Waffe. Er macht die anderen klein und einen selbst unverwundbar.
Also hassen die Leute. Sie hassen Veganer, und sie hassen Flüchtlinge, hassen Frauen und Männer und diejenigen, die sich weder als Frau noch als Mann definieren. Sie hassen Tiere und Tierquälerinnen, den Islam und «die da oben». Sie hassen ihre Eltern und ab und zu auch ihre Kinder. Sie hassen morgens, mittags, abends und besonders gerne nachts, in Internetkommentarspalten, in sozialen Netzwerken und in ihren Herzen. Sie hassen «linksgrünversiffte Zecken» und «Asyltouristen», «Kamelficker», «Echsenmenschen» und «Feminazis». Und sie hassen Juden, die sie aber vorsichtshalber «die Rothschilds dieser Welt» nennen.
Und ich verstehe das nicht. An sich finde ich Abneigung eine tolle Erfindung. Kaum etwas würde mich mehr anstrengen, als immer alle Menschen gut finden zu müssen. Aber Vollzeithass auf alles, was uns fremd ist? Wie langweilig! Wir betreiben viel zu viel emotionalen Aufwand für Menschen, die uns egal sein könnten. Doch so funktionieren wir nun mal. Wir wollen uns freuen, und wir wollen uns ärgern, und beides ist ein bisschen wie Sex: geht auch alleine, macht aber mehr Spaß, wenn andere Menschen involviert sind. Geteilter Hass ist potenzierter Hass. Also teilen wir ihn, prügeln ihn buchstabenweise ins Internet und wundern uns dann, dass die Welt dadurch nicht besser wird. Einer der härtesten Jobs in diesem Land dürfte der einer Hasskommentar-Tastatur sein. Sie ist die moderne Version eines geschundenen Esels mit cholerischem Besitzer. Sie allein kennt das physische Pendant zum digitalen Wutausbruch, und sie allein weiß, wie sich ins Internet gehämmerte Großbuchstaben anfühlen. Ich beneide sie nicht um dieses Wissen.
Ein bisschen enttäuscht der Internethass dadurch, dass er so unpersönlich ist. Er ist wahllos und zufällig und vor allem: schlecht begründet. Eigentlich ist Hass etwas sehr Intimes. Damit dich etwas abstoßen kann, muss es dir nah sein. Aber das ist dem Internet egal. Mir wünschen zum Beispiel völlig fremde Menschen, dass ich vergewaltigt werde. Oder sie finden, man solle mir den Kopf abschneiden. Das finden sie aber nicht, weil ich ihren Vater getötet oder ihr Haustier entführt habe, sondern nur, weil ich die Frechheit besessen habe, irgendwo öffentlich zu verkünden, möglicherweise seien gar nicht alle Flüchtlinge kriminell oder nicht alle Frauen dumm. Falls ihr in meiner Radiokolumne ein leises Pochen im Hintergrund vernehmt, dann ist das der Redakteur, der während der Aufnahme seinen Kopf auf die Tischkante schlägt, weil ich irgendwas über Feminismus gesagt habe, und er weiß: Jetzt schreiben sie wieder, die Wütenden, die sich ganz sicher sind, dass lustige Frauen nicht zu existieren und wenn doch, dann ausschließlich Witze über ihre Problemzonen zu machen haben, während sich die Männer ums Weltgeschehen kümmern. Ich würde ihnen den Gefallen ja sogar tun, doch stellen sich mir zwei Dinge in den Weg: Erstens habe ich einen perfekten Körper. Zu Problemzonen fällt mir also nichts ein. Und zweitens bin ich Teil dieses ominösen Weltgeschehens, und ich finde, es geht auch mich etwas an.
Mindestens Letzteres sehen natürlich ein paar der Kommentierfreudigen anders. Eine Frau, die spricht, scheint unabhängig vom Inhalt des Gesagten noch immer ein diskussionswürdiges Phänomen zu sein. Also schreiben sie, dass mein Ausschnitt beim Zuhören stört, dass mein Hintern leichter zu betrachten wäre, wenn sich mein Mund dabei nicht bewegen würde, oder dass man mich vielleicht einfach nur mal «richtig hart nehmen» müsste. Natürlich nicht ausschließlich. Nicht alles ist schlimm. Der Großteil der Reaktionen ist sogar sehr freundlich. Viele Menschen hören zu und schreiben danach nette, kluge Dinge. Manchmal machen mir Leute Heiratsanträge, und ab und zu fragen mich Achtundsiebzigjährige ehrlich interessiert, ob es allzu sexistisch oder noch erträglich wäre, wenn sie mir ein höfliches Kompliment zu meinen Brüsten machen würden. Das ist zwar creepy, aber vermutlich zumindest nicht böse gemeint.
Doch es gibt ihn, den Hass. Eine Handvoll gewiefter Unsympathen schürt die Wut und Feindseligkeit in unserer Gesellschaft, und der gesamte Rest des Landes fragt sich, wie wir selbige wieder loswerden. Das Problem ist: Das ist die falsche Frage. Hass ist Energie! Und vielleicht erinnert ihr euch noch an den Energieerhaltungssatz, der besagt: Energie wird man nicht los. Sie kann sich in eine andere Energieform umwandeln, aber sie löst sich nicht einfach auf. Die Frage sollte also nicht sein, was wir gegen den Hass tun können, sondern was wir mit