"Ich schaffs!" in Aktion - Ben Furman - E-Book

"Ich schaffs!" in Aktion E-Book

Ben Furman

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Beschreibung

Das aus Finnland stammende Motivationsprogramm "Ich schaffs!" ruft auch in deutschen Kindergärten, Schulen und sozialen Einrichtungen viel Begeisterung hervor. Was bislang fehlte, war ein Buch, das die Umsetzung in konkreten Situationen vermittelt. Die Fallgeschichten, die der Psychotherapeut Ben Furman in diesem Buch zusammengetragen hat, umfassen eine große Bandbreite an Problemen, vom regelmäßigen Toilettengang bis zur Kontrolle des eigenen Gewaltpotenzials. Im ersten Teil führt Furman kurz in die Grundlagen des Programms ein, stellt dessen 15 Schritte vor und erklärt sie anhand von Beispielen. Das Herzstück bilden 22 Fallgeschichten, die anschaulich zeigen, wie "Ich schaffs!" einzelnen Kindern geholfen hat, neue Fähigkeiten zu erlernen und ihre Probleme zu überwinden. Weitere Beispiele illustrieren die Anwendung der Methode in Gruppen, Schulklassen und einer ganzen Schule. So entsteht ein Praxishandbuch, das Pädagogen, Therapeuten und Erziehenden im Alltag hilft, individuelle Wege für die Motivation und die Erfolge von Kindern zu finden. Ein Lehrer aus Freising mit einem Beispiel aus seinem "Ich schaffs"-Alltag: "Letzte Woche gab es so eine schöne Szene in einer 4. Klasse. Ich fragte nach, was den Kindern hilft, wenn sie Stress haben. Spontan nahm ein Schüler eine Postkarte heraus, die ich mit ihm mal gestaltet hatte vor ein paar Monaten. Auf dieser Karte standen Ermutigungssätze und es war der Ich schaffs-Aufkleber darauf platziert. Dies hilft ihm immer, sich daran zu erinnern, wenn er Stress mit dem Lernen hat."

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Ben Furman

»Ich schaffs!« in Aktion

Das Motivationsprogramm für Kinderin Fallbeispielen

Aus dem Englischen von Nicola OffermannsMit Vorworten von Jesper Juul und Thomas Hegemann

Vierte Auflage, 2021

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlagmotiv: © 2010, Kai Kujasalo, Helsinki

Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Vierte Auflage, 2021

ISBN 978-3-89670-743-7 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8288-7 (ePub)

© der deutschen Ausgabe 2010, 2021

Carl-Auer-Systeme Verlag und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Das Original erschien unter dem Titel: »Muksuopin lumuos – Uusi tapa auttaa lapsia voittamaan psyykkiset ongelmat« im Verlag Kustannusosakeyhtiö Tammi, Helsinki, 2010. Copyright: © Ben Furman 2010

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Informationen zu unserem gesamten Programm, unseren Autoren und zum Verlag finden Sie unter: https://www.carl-auer.de/.

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Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

[email protected]

Inhalt

Vorwort von Jesper Juul

Vorwort von Thomas Hegemann

Danksagung

1Was ist »Ich schaffs«?

Häufig gestellte Fragen

Was ist »Ich schaffs«?

Für welches Alter ist »Ich schaffs« geeignet?

Wer kann die Methode anwenden?

Welche Idee steckt hinter »Ich schaffs«?

Was ist das Besondere an »Ich schaffs«?

Für welche Probleme ist die Methode geeignet?

Gibt es moralische Bedenken bei der Anwendung von »Ich schaffs«?

Wie »Ich schaffs« entstanden ist

Die Inspirationsquellen von »Ich schaffs«

Milton Erickson

Jay Haley

Insoo Kim Berg und Steve DeShazer

Michael White und David Epston

2»Ich schaffs« – Schritt für Schritt

Die 15 Schritte von »Ich schaffs«

1. Probleme in Fähigkeiten verwandeln

2. Sich auf eine zu erlernende Fähigkeit einigen

3. Den Nutzen der Fähigkeit herausfinden

4. Der Fähigkeit einen Namen geben

5. Eine Kraft-Figur aussuchen

6. Helfer einladen

7. Vertrauen aufbauen

8. Die Feier planen

9. Die Fähigkeit beschreiben

10. Öffentlich machen

11. Die Fähigkeit üben

12. Erinnerungshilfen erfinden

13. Den Erfolg feiern

14. Die Fähigkeit an andere weitergeben

15. Zur nächsten Fähigkeit übergehen

3»Ich schaffs« mit Kindern im Alter von 3 bis 14 Jahren

Der Dialog mit der Toilette

Fertig zum Aufbruch

Töpfchen-Training mit dem »Poop-King«

Schluss mit dem Einnässen

Hunde an sich schnüffeln lassen

Der Junge, der zum Brandschutzexperten ernannt wurde

Mit der kleinen Schwester Freundschaft schließen

Ohne Gewalt geht’s besser

Ein erfreulicher Hausbesuch

Pünktlichkeit kann man lernen

Wer hat Angst vor Masken?

Von einer Fähigkeit zur nächsten

Von der Schwierigkeit, langsam zu gehen

Schluss mit dem Fluchen

Die Angst vor Spinnen besiegen

Wasser zu Milch

Ein Familienspiel gegen Essstörungen

»Ich schaffs« und der Koran

Nach der Scheidung der Eltern geht das Leben weiter

Einen Modus vivendi mit der Lehrerin finden

Lernen, wie man von Computerspielen loskommt

4»Ich schaffs« in Gruppen

Der Faulpelz und die fleißige Ameise

Eine Schule namens »Children’s Joy«

Kinder, die neue Fähigkeiten erlernen

Wie kann unsere Klasse noch besser werden?

Die Atmosphäre in einer Sonderschulklasse verbessern

5Informieren, motivieren und ermutigen mit Briefen

Die Eltern informieren

Die Suche nach der Meisterklasse

Ermutigungsbriefe

6Ein paar Tipps zum Schluss

Stellen Sie zunächst guten Kontakt mit dem Kind her

Das Kind muss damit einverstanden sein, die Fähigkeit zu lernen

Die Fähigkeit muss machbar sein

Besser Symptome bearbeiten als Störungen

Flexibel bleiben

Auf Hindernisse und Rückschläge vorbereiten

Den Blick fürs Ganze nicht verlieren

Literatur

Über den Autor

Vorwort von Jesper Juul

Als ich dieses Buch zum ersten Mal las, hat es mich begeistert und gleichzeitig in Verlegenheit gebracht. Ich musste mir selbst die Frage stellen, weshalb um alles in der Welt weder ich noch andere die logischen Schlüsse aus den Fakten hatten ziehen können, die uns allen bekannt und die zugleich die Grundlage dieses Buches sind, nämlich: Kinder wollen keine Probleme haben, sie wissen auch gar nicht, was sie mit ihren Problemen anfangen sollen, und nicht zuletzt sind Kinder grundsätzlich lernbegierig.

Der Unterschied zwischen Ich schaffs und konventionellen Methoden zur Unterstützung und Therapie von Kindern ist, dass die meisten dieser Methoden versagen, wenn es darum geht, dass sich das Kind von den Eltern oder sonstigen primären Bezugspersonen wertgeschätzt fühlt. Wir können noch so freundlich und empathisch mit einem Kind, das in Not ist, arbeiten – es wird immer den Eindruck haben, dass es für seine Eltern eine Last ist. Mit dem Ansatz von Ich schaffs! kann sein Selbstwertgefühl jedoch von Tag zu Tag wachsen.

Die Kindheit ist ein langer Lernprozess, in dem die Kinder sich selbst und ihre Umwelt rund um die Uhr erforschen. Ein großer Teil dieser Aktivitäten wird von Erwachsenen als Spielen definiert – als ob dies eine weniger ernsthafte Kategorie wäre als das, was Erwachsene als Lernen bezeichnen. Gleichermaßen entwickeln viele Kinder aus verschiedensten Gründen Verhaltensweisen, die sich von innen ganz anders anfühlen als von außen. Darüber hinaus werden diese Verhaltensweisen von Erwachsenen als »Probleme« bezeichnet, und es macht einem fast schon Angst, wie schnell wir nach der Aufdeckung eines Problems dabei sind, das Kind selbst zum Problem zu erklären, ihm somit eine ganz neue soziale Rolle zuschreiben und Experten hinzubitten.

Das vorliegende Buch veranschaulicht, dass sich solche sogenannten Probleme besser und schneller überwinden lassen, wenn wir sie stattdessen als Lernprozesse verstehen und bezeichnen und wenn das Kind sozusagen die Projektleitung für den eigenen Prozess übernimmt und eine enge Zusammenarbeit mit seinem Umfeld und einer Fachkraft als Berater und Betreuer etablieren kann. Dieser Zugang ist nicht nur für das Kind ganz offensichtlich von Vorteil, sondern er führt auch dazu, dass die Erzieher und Lehrer, die das Kind begleiten, die Verantwortung für eine Aufgabe erhalten, die sie bereits gut beherrschen – nämlich die Organisation von Lernprozessen. So müssen sie nicht in die Rolle eines »Mini-Therapeuten« schlüpfen.

Die in diesem Buch präsentierte Arbeitsmethode beinhaltet u. a., dass das Kind eine Reihe von Unterstützern in seinem eigenen Umfeld auswählen muss – z. B. einen Erzieher, ein paar Freunde, eine Großmutter und nicht zuletzt die Eltern. Mit der richtigen Beratung heißt das, dass die Eltern ganz konkret neue Verhaltensweisen erlernen – die in vielen Fällen ihre vorhergehenden und unzweckmäßigen Verhaltensweisen ersetzen. Der therapeutische Fokus lag bisher häufig darauf, die weniger geeigneten Verhaltensweisen der Eltern kritisch zu beleuchten, sie durch das Verständnis, die Einsicht und neue Erfahrungen zum Wohle des Kindes zu verändern und die Eltern-Kind-Beziehung zu verbessern. Oft führte dies aber dazu, dass das Selbstbewusstsein und das Selbstbild der Eltern geschwächt wurde und die ungünstigen Verhaltensweisen sich nur sehr langsam änderten.

Mit Ich schaffs! erhalten die Eltern unverzüglich eine vernünftige Antwort auf ihre beharrliche Frage: »Was sollen wir denn sonst machen?« Das ist für alle Beteiligten eine große Hilfe – auch für die Fachleute, die in den gut gemeinten und zugleich fehlgeschlagenen Versuchen, eine Hilfestellung anzubieten, in ähnlicher Weise festgefahren waren.

Genau diese Elemente – die neuen Verhaltensweisen und die Unterstützung der Umgebung – machen den Kern dieser Methode aus, die weit mehr ist als eine neue, schlaue Art der Motivation von Kindern. In einem unserer Gespräche sagte Ben Furman mir mal, dass die Änderung der selbstdestruktiven Verhaltensweisen seitens des Kindes eigentlich nur eine »erfreuliche Nebenwirkung« der Methode sei. Das letztlich Entscheidende für die Integration des neu Erlernten in die eigene persönliche Entwicklung seien die Veränderungen im Umfeld des Kindes und damit auch die Qualität seiner Beziehungen zu anderen Menschen.

Dieser Ansatz stellt große Anforderungen an die Fachleute, die Kinder in ihren Lernprozessen begleiten und beraten sollen. Sie müssen darauf vertrauen, dass die Kinder zu diesen Veränderungen fähig sind, und sie müssen in der Lage sein, das Kind in seinem eigenen Tempo zu begleiten. Außerdem müssen sie bereit sein, sich auf das Spiel einzulassen und das Umfeld des Kindes sowohl zu mobilisieren als auch zu stabilisieren. Diese Methode zur Veränderung von Verhaltensweisen geht von den Voraussetzungen des Kindes aus und passt sich diesen an. Sie lädt die Erwachsenen ein, an der Welt des Kindes teilzuhaben, anstatt das Hauptaugenmerk auf mehr oder weniger zufällige Symptome zu richten. Die Methode stellt für diejenigen Therapeuten eine Herausforderung dar, die sich nur schwer vom problembezogenen Ansatz lösen können, und sie ist für diejenigen ein Geschenk, die Vertrauen in die Verantwortlichkeit und Kreativität von Kindern haben und um die Bedeutung der Qualität von engen Beziehungen wissen.

Dieses Buch und die zugrunde liegende Haltung sind auch für Eltern sehr wertvoll. Nach meiner Erfahrung mit vielen Familien hilft es den Eltern, sich klarzumachen, dass sich ein großer Teil der täglichen Konflikte mit Babys, Kindern und sogar Jugendlichen wesentlich besser lösen lässt, wenn sie sich vor Augen führen, dass ihr Kind kein Entwicklungsproblem hat, sondern dass es einfach eine weitere Fähigkeit gibt, die es noch lernen muss.

Jesper Juul1

1Vorwort zur dänischen Ausgabe, Børn kan – i praksis, Kopenhagen (Reitzel), 2010.

Vorwort von Thomas Hegemann

Dank der weltweiten Vortragstätigkeit des finnischen Psychiaters Ben Furman erfreut sich das Motivationsprogramm »Ich schaffs«, das er gemeinsam mit seinen Kollegen vom Helsinki Brief Therapy Institute entwickelt hat, immer größerer Beliebtheit. »Ich schaffs« bzw. sein englisches Pendant »Kids’ Skills« wird in immer mehr Sprachen übersetzt, so zuletzt ins Griechische, Portugiesische und Polnische. Auch in Ostasien wird das Programm immer bekannter. Chinesische, japanische und koreanische Versionen wurden in den letzten Jahren veröffentlicht.

Das zeigt, dass »Ich schaffs« zu einem viel geschätzten Lernprogramm für eine große Breite von Fähigkeiten geworden ist: für soziale Kompetenzen, die im Leben mit anderen gebraucht werden; für psychische Kompetenzen, um mit sich selbst und seinen Affekten gut zurecht zu kommen; für »akademische« Fertigkeiten, um in Schule und Ausbildung gut zu bestehen; für motorische und sensorische Fähigkeiten, um Einschränkungen kompensieren zu können oder einfach immer besser zu werden.

Und Ben Furman ist immer für eine weitere Überraschung gut! »Von Praktikern für Praktiker« könnte man die Idee umschreiben, die hinter seinem neuen Buch »Ich schaffs« in Aktion steht. Es beschreibt Erfolgsgeschichten aus Schulen und Horten, Kindergärten und Tagesstätten, Einrichtungen der Jugendhilfe und der Jugendarbeit, kinderpsychiatrischen Praxen und Kliniken, ergotherapeutischen und logopädischen Praxen und vielen anderen Einrichtungen, die mit Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern arbeiten – in jüngster Zeit sogar auch in Sportvereinen.

Neben Büchern, die die Grundlagen von »Ich schaffs« erläutern, entwickelten Ben Furman und seine Partner in den letzten Jahren auch Materialien und anwenderbezogene lösungsfokussierte Programme für die Arbeit mit Jugendlichen, mit Teams und Elterngruppen. In seiner Begeisterung für computergestütztes Lernen hat Ben Furman dabei ganz neue Wege beschritten und mediengestützte Lernprogramme für ganz unterschiedliche Anwender ausgearbeitet.

In den Workshops und schulischen Programmen, in denen wir engagierten Pädagogen und Therapeuten »Ich schaffs« vermitteln, werden wir immer wieder gefragt: »Wie mache ich das denn jetzt genau? Was mache ich, wenn die Kinder oder die Eltern nicht kooperieren? Was tue ich, wenn die Klasse zu unruhig ist? Wie kann ich vorgehen, wenn Kinder mehrere Probleme haben? Was … wenn …?« Ganz häufig kommen auch Fragen nach den »richtigen« Formulierungen, die das Gespräch über eine zu lernende Fähigkeit auf den Punkt bringen.

Diese Lücke wird jetzt von Ben Furmans neuestem Buch geschlossen. Es stellt die Grundidee von »Ich schaffs« und den zugrundeliegenden lösungsfokussierten Ansatz noch einmal kompakt vor, so dass auch Neueinsteiger gut folgen können. Ganz offen werden auch häufig formulierte skeptische Fragen angesprochen.

Herzstück dieses Buches sind aber die Praxisbeispiele, die Ben Furman bei erfahrenen »Ich schaffs«-Ambassadors und Fortbildnern aus vielen Ländern gesammelt hat. Nach Themengebieten und Einsatzfeldern geordnet, stellt er sie uns in der gewohnt anschaulichen Sprache sehr plastisch vor, sodass man sich schnell an vergleichbare Fälle aus der eigenen Arbeit erinnert fühlt. Detailliert werden Formulierungen präsentiert, die Kinder anregen, für sich ganz persönliche Lernziele zu entwickeln, die sie dann auch über längere Zeit verfolgen können.

Besonders gefallen haben mir die vielen praktischen Beispiele für die Arbeit mit Gruppen und Klassen. In der Arbeit mit Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen wird einfach deutlich, dass dort langfristig nur Methoden hilfreich sind, die Kinder für ein gemeinsames Lernen motivieren können. Gerade Lehrer erhalten hier viele nützliche Tipps.

Ich bin sicher, dass dieses Praxisbuch das bisherige »Ich schaffs«-Programm um ganz neue Facetten bereichern wird.

Dr. Thomas Hegemannich schaff’s InstitutMünchen, im Juli 2010

Danksagung

Ohne die Erfahrungsberichte von Menschen aus aller Welt wäre dieses Buch nicht möglich gewesen. Den betroffenen Kindern und ihren Familien danke ich für ihre Einwilligung, dass ich diese Geschichten, die man mir so großzügig zur Verfügung gestellt hat, veröffentlichen darf.

»Ich schaffs« in Aktion ist das Ergebnis der langfristigen Zusammenarbeit mit meinen Kollegen und Koautoren Tapani Ahola, Tuija Terävä und Sirpa Birn. Der Austausch mit ihnen, ihre Beiträge und Kommentare sind für mich während der Arbeit an diesem Buch außerordentlich wichtig gewesen.

Ihnen allen danke ich von Herzen!

Ben Furman

1Was ist »Ich schaffs«?

Häufig gestellte Fragen

Was ist »Ich schaffs«?

»Ich schaffs« ist ein Stufenprogramm, das Kindern hilft, Fähigkeiten zu erlernen und emotionale sowie Verhaltensprobleme mit Unterstützung ihrer Familie, ihrer Freunde oder anderer Bezugspersonen zu überwinden.

Für welches Alter ist »Ich schaffs« geeignet?

»Ich schaffs« wurde für Kinder zwischen 3 und 12 Jahren entwickelt, aber seine Prinzipien sind auch auf Teenager und sogar Erwachsene übertragbar.

Wer kann die Methode anwenden?

»Ich schaffs« war ursprünglich als Arbeitsmethode für Therapeuten, Berater, Sozialarbeiter, Sonderschulpädagogen usw. gedacht, zu deren Aufgaben es gehört, Kindern beim Überwinden von Problemen zu helfen. Die Vorgehensweise ist allerdings so einfach und unproblematisch, dass Eltern die Methode mit minimaler professioneller Anleitung auch bei ihren eigenen Kindern anwenden können.

Welche Idee steckt hinter »Ich schaffs«?

Erwachsene tendieren dazu, Probleme als Symptome einer tiefer liegenden, behandlungsbedürftigen Störung zu betrachten, wohingegen Kinder eher dazu neigen, Probleme als Mangel an Fähigkeiten zu sehen, die sie noch erlernen müssen. »Ich schaffs« hält sich an diese kindliche Perspektive. Das Ziel der Methode ist es, Kinder zu ermutigen und ihnen beim Erlernen von Fähigkeiten zu helfen, die sie zur Problemlösung benötigen. Da es zu der Methode dazugehört, die Familie, Schule und Freunde zur Unterstützung des Kindes mit einzubeziehen, hat sie nicht nur Auswirkungen auf das Kind, sondern auch auf sein gesamtes soziales Umfeld.

Was ist das Besondere an »Ich schaffs«?

Der Hauptvorteil von »Ich schaffs« besteht darin, dass Kinder, obwohl sie sich in der Regel scheuen, über ihre Probleme zu reden, das Erlernen von Fähigkeiten genießen und es lohnend finden. Darüber hinaus fördert »Ich schaffs« die Zusammenarbeit mit den Eltern, indem man sie als Partner ansieht und sie die Rolle der Helfer für ihre Kinder übernehmen lässt.

Für welche Probleme ist die Methode geeignet?

»Ich schaffs« eignet sich für eine große Bandbreite von Problemen, u. a. Ängste, unangemessenes Betragen, Konzentrationsschwierigkeiten, schlechte Angewohnheiten, Wutanfälle sowie Probleme mit dem Essverhalten, dem Schlafen oder dem Toilettengang.

Indem man den Kindern hilft, ihr Verhalten besser zu kontrollieren, kann man auch die Symptome von schwerer wiegenden psychiatrischen Störungen lindern, so z. B. bei ADHS, Autismus, tiefgreifenden Entwicklungsstörungen, Depressionen und Zwangsstörungen, Hyperaktivität und aggressiven Anfällen.

Eigentlich eignet sich »Ich schaffs« immer dann, wenn das Kind ein Problem hat, welches sich durch Erlernen einer bestimmten Fähigkeit lösen oder verbessern lässt.

Gibt es moralische Bedenken bei der Anwendung von »Ich schaffs«?

Grundsätzlich ist »Ich schaffs« eine sichere Methode, und das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass sie nicht funktioniert. Allerdings kann sie wie jedes andere Instrument, das auf Veränderungen abzielt, auch dazu verwendet werden, unangemessene oder ethisch fragwürdige Verhaltensweisen zu fördern, wie z. B., Kindern beizubringen, wie man lügt oder dass man sich immer noch mehr anstrengen muss, auch wenn das Kind schon sein Allerbestes gibt. Dieses Risiko wird glücklicherweise dadurch gering gehalten, dass das Kind bei der Auswahl der angestrebten Fähigkeit mitbestimmen darf, und dass wichtige Bezugspersonen als Helfer in das Projekt einbezogen werden.

Es kann natürlich auch vorkommen, dass jemand, der mit der Methode nur oberflächlich vertraut ist, sie rein schematisch anwendet, ohne dabei ihre zentralen Grundsätze zu beherzigen: den Respekt dem Kind gegenüber und den Aufbau einer echten Zusammenarbeit mit seinen Bezugspersonen.

Schließlich sollte noch einmal darauf hingewiesen werden, dass »Ich schaffs« keine Heilmethode ist. Es ist einfach nur ein Programm, mit dem man Kindern helfen kann, ihre Probleme durch neue Fähigkeiten zu bewältigen, aber es ist kein Ersatz für eine notwendige medizinische Behandlung oder für vorbeugende Maßnahmen.

Wie »Ich schaffs« entstanden ist

Mein Kollege Tapani Ahola und ich haben »Ich schaffs« in den 1990er Jahren entwickelt. Wir sind beide Dozenten und Gründer des Helsinki Brief Therapy Institute und arbeiten mit Sirpa Birn und Tuija Terävä zusammen, die Sonderschullehrerinnen am Keula-Kinderzentrum sind – einer Vorschule für 4- bis 6-jährige Kinder mit unterschiedlichen emotionalen und Verhaltensproblemen.

Wir haben »Ich schaffs« ursprünglich als praktische Methode entwickelt, mit der man Probleme von Vorschulkindern konstruktiv angehen kann. Sie ist im Grunde genommen eine Sammlung nützlicher Ideen, die sich in der Arbeit mit Kindern und ihren Familien an der Keula-Schule bewährt haben. Nach und nach ist durch einen Prozess von Versuch und Irrtum das Konzept der 15 Schritte von »Ich schaffs« entstanden.

Wir haben ein Arbeitsbuch für Kinder mit einer Doppelseite für jeden Schritt herausgebracht und zusätzlich ein weiteres Handbuch mit Anweisungen für die Lehrer. Außerdem ist ein Leitfaden für Eltern erschienen, der ihnen das Verständnis der Methode und die Zusammenarbeit mit den Lehrern erleichtern soll.

Durch unsere Vorträge und Workshops über »Ich schaffs« hat sich die Methode allmählich im ganzen Land verbreitet. Leute, die in verschiedenen Teilen von Finnland mit Kindern arbeiten, aber auch Leute von auswärts besuchten die Keula-Schule, um sich zu informieren, wie »Ich schaffs« in der Praxis funktioniert. Nach und nach bekamen wir immer mehr Einladungen, bei unterschiedlichen Anlässen über unsere Methode zu referieren. Durch die positive Resonanz ermutigt richteten wir eine Website für »Ich schaffs« ein (www.kidsskills.org), die aktuelle Informationen bereitstellt und den Anwendern der Methode die Möglichkeit gibt, uns ihr Feedback zu übermitteln.

Im Jahre 2003 haben wir ein Buch über »Ich schaffs« mit einer detaillierten Beschreibung der Schritte in finnischer Sprache publiziert. Das Buch ist inzwischen bereits in zehn Sprachen übersetzt, darunter Englisch, Japanisch und Chinesisch. Auf Deutsch erschien es unter dem Titel »Ich schaffs!« Spielerisch und praktisch Lösungen mit Kindern finden – Das 15-Schritte-Programm für Eltern, Erzieher und Therapeuten (Furman 2005).

Inzwischen ist »Ich schaffs« international verbreitet. Es gibt bereits eine Reihe von zertifizierten Organisationen rund um den Globus, die ein Trainingsprogramm für professionelle Helfer anbieten, mit dem man sich zu einem sogenannten »Ich schaffs«-Botschafter qualifizieren kann. Auf der Website finden Sie ein internationales Verzeichnis dieser Botschafter.

Es gibt immer noch zu wenige Studien über »Ich schaffs«, und die Beweislage zur Wirksamkeit dieser Methode ist relativ mager. Aber zahlreiche Berichte von Leuten aus aller Welt zeigen uns, dass »Ich schaffs« erstaunlich gut funktioniert – zumindest, wenn es von Personen praktiziert wird, die sich der zugrunde liegenden Idee von Respekt und Zusammenarbeit verschrieben haben.

Die Inspirationsquellen von »Ich schaffs«

»Ich schaffs« ist durch zahlreiche Ideen beeinflusst worden, mit denen wir über die Jahre in Berührung gekommen sind. Es wäre unmöglich, eine vollständige Auflistung dieser unterschiedlichen Inspirationsquellen zu liefern, aber wir sollten zumindest Milton H. Erickson, Jay Haley, Insoo Kim Berg, Steve DeShazer, Michael White und David Epston erwähnen.

Milton Erickson

Milton H. Erickson (1901–1980) war ein legendärer amerikanischer Psychiater, der als Pionier der Kurzzeittherapie gilt. Er war ein kreativer Therapeut, der eine ungeheure Vielfalt an Techniken angewandt hat, um seinen Patienten zu helfen – darunter Hypnose, Hausaufgabenerteilung und das Erzählen von metaphorischen Geschichten. Erickson arbeitete sowohl mit Erwachsenen als auch mit Kindern, und seine Berichte darüber, wie er Kindern bei unterschiedlichsten Problemen – z. B. Daumenlutschen, Bettnässen oder Phobien – geholfen hat, gehörten für uns zu den wichtigsten Inspirationsquellen. Der folgende von Sidney Rosen (2009) nacherzählte Fall vermittelt Ihnen einen Eindruck von Ericksons Kreativität und seiner Fähigkeit, sich mit Kindern zu verständigen.

Die Eltern eines 6-jährigen Mädchens kamen in Ericksons Sprechstunde. Das Mädchen klaute in Geschäften, von ihren Eltern und von anderen Leuten und erfand dann Lügen, wie sie an die Dinge gekommen war. »Was kann man mit einer Ladendiebin und Lügnerin tun, die erst sechs Jahre alt ist?«, hatten die aufgebrachten Eltern gefragt.

Nachdem Erickson mit den Eltern gesprochen hatte, entschloss er sich, dem Mädchen einen Brief zu schreiben. Dieser begann mit der Erklärung, dass das Mädchen eine Größerwerde-Fee für 6-Jährige habe und diese die Absenderin des Briefes sei. Alle Kinder, so der Brief, hätten Feen für das Größerwerden, auch wenn sie sie noch nie gesehen hätten. Nun folgte eine detaillierte Beschreibung, wie die Fee für das Größerwerden aussah, wie viele Augen, Ohren und Beine sie hatte, wie sie sich fortbewegte und wie sie alles, was das Mädchen tat, sehen und hören konnte. Nach dieser Einleitung erklärte die Größerwerde-Fee für 6-Jährige, dass sie das Mädchen genau beobachtet habe und beeindruckt sei, wie viele Fähigkeiten es sich bereits mit 6 Jahren angeeignet habe. Dann erläuterte sie, dass einige Fähigkeiten einfach zu erlernen seien, während das Aneignen anderer sehr schwierig sei.

Laut Erickson war der Brief ein voller Erfolg. Die Eltern berichteten, dass das Mädchen aufgehört hatte zu stehlen. Bald danach bekam die Fee für das Größerwerden einen Brief von dem Mädchen mit einer Einladung zu ihrem 7. Geburtstag. Erickson schrieb dem Mädchen einen zweiten Brief und bedauerte, dass er nicht kommen könne, denn er sei ihre Größerwerde-Fee für 6-Jährige und nicht die für 7-Jährige.

An dieser Geschichte finde ich besonders aufschlussreich, dass sich Erickson auf das Kind statt auf seine Eltern konzentrierte. Er schien nicht in den für Therapeuten üblichen Mustern zu denken und hatte offensichtlich nicht die Haltung, dass man erst die Eltern ändern müsse, um das Kind verändern zu können. Er nahm das Problem ganz wörtlich und konzentrierte sich scheinbar ausschließlich auf das Mädchen. Aber auch wenn der Eindruck entsteht, dass er sich nur mit dem Kind beschäftigte, hatte seine Vorgehensweise wahrscheinlich auch einen Einfluss auf die Eltern.

»Ich schaffs« folgt einer ähnlichen Logik. Der Fokus liegt darauf, Kindern beim Überwinden ihrer Probleme zu helfen, aber die Art der Intervention hat auch Auswirkungen auf die Eltern und auf andere Beteiligte.

Das Konzept, Fähigkeiten zu erlernen, ist ein zentraler Aspekt in Ericksons gesamter Arbeit. Im Kommentar zu diesem Fall schrieb Sidney Rosen: »Erickson vermeidet vor allem Verbote, Maßregeln und Worte wie ›Du solltest‹. Er betont wie immer den Wert des Lernens. Als Erzieher ist er nicht böse, sondern lehrt auf anregende Weise. In all seinen Geschichten ist Erickson zwar sehr bestimmt, bestraft aber nicht. Seine Absicht ist es, Kindern dabei zu helfen, ihr eigenes Gefühl für Willen und Autonomie zu entwickeln« (Rosen 2009, S. 284 f.).

Der Einsatz der »Größerwerde-Fee für 6-Jährige« ist ein essenzielles Element in dieser Geschichte. Kinder lassen sich durch Fantasiegestalten bezaubern, und es macht ihnen Spaß, mit solchen Wesen zu kommunizieren. Die Idee von hilfreichen Wesen haben wir für das »Ich schaffs«-Programm übernommen, bei dem Kinder sich eine Kraft-Figur auswählen, die ihnen beim Erlernen der jeweiligen Fähigkeit helfen soll.

Jay Haley

Die Arbeit von Milton Erickson hat viele Pioniere aus dem Bereich der Kurzzeittherapie inspiriert. Einer von ihnen, der Familientherapeut Jay Haley (1923–2007), nannte seinen Ansatz strategische Therapie. Er konzentrierte sich auf die Kinder statt auf die Eltern, um signifikante Veränderungen in der Funktionalität der gesamten Familie herbeizuführen. Das folgende Beispiel für seinen Ansatz hat Haley in den frühen 1980er Jahren bei einem Familientherapie-Kongress in Tel Aviv vorgetragen.

Eine Familie war zur Therapie geschickt worden, weil ihr 12-jähriger Sohn Michael sich zu einem echten Pyromanen entwickelt hatte, der bereits drei ernst zu nehmende Brände mit erheblichem materiellen Schaden verursacht hatte. Haley beobachtete hinter einer Spiegelwand, wie der Therapeut die Familie interviewte, supervidierte ihn von dort aus und kam zu dem Schluss, dass die Familienstruktur aus den Fugen geraten war. Er war der Ansicht, dass die elterliche Zweierbeziehung nicht funktionierte und die Mutter zu ihrem Sohn hielt, während der Vater so im Clinch mit dem Jungen lag, dass er scheinbar kurz davor stand, ihn zu verstoßen.

Bei einer kurzen Unterredung hinter der Spiegelwand forderte Haley den Therapeuten auf, der Familie als »Ursache« des Problems mitzuteilen, dass Michael die Handhabung von Feuer nicht beherrschte, und dass er dies testen wolle, indem er ihn im Therapieraum ein harmloses kleines Feuer mit Papier entzünden ließe. Der Junge tat das mit Begeisterung, und wie erwartet zeigte sich, dass er viele Fehler beim Anzünden der Streichhölzer, beim Anbrennen des Papiers und beim Löschen des Feuers machte. Sowie der »Beweis« von Michaels Inkompetenz erbracht war, wendete sich der Therapeut dem Vater zu und fragte ihn, ob er die Aufgabe übernehmen würde, seinen Sohn im kompetenten Umgang mit Feuer zu unterrichten. Der Vater stimmte zu, und kurz darauf waren die beiden intensiv damit beschäftigt, ein straffes Trainingsprogramm auszuarbeiten, bei dem der Vater seinen Sohn jeden Tag eine Stunde in den zu erlangenden Fähigkeiten zum sicheren Umgang mit Feuer unterrichten sollte.

Vater und Sohn trainierten mehrere Wochen lang täglich sehr gewissenhaft, und Michael wurde ein richtiger Feuerexperte. Außerdem kamen die beiden sich als Ergebnis der intensiven Zusammenarbeit wieder viel näher, und auch die Eltern, die vorher so ziemlich über alles geteilter Meinung gewesen waren, begannen, am gleichen Strang zu ziehen. Michaels Faszination für Feuer legte sich wieder, und nach einigen Wochen gab der Therapeut den beiden die Erlaubnis, das Trainingsprogramm zu beenden und stattdessen nun etwas anderes gemeinsam zu unternehmen.

Auch hier war der Fokus also nicht auf die Familie, sondern den Jungen gerichtet. Dennoch hatte die Intervention nicht nur Auswirkungen auf das Kind, sondern auch auf die Beziehungen zwischen allen Familienmitgliedern. »Ich schaffs« stützt sich auf genau diese Logik. Indem man sich auf das Kind konzentriert, eine neue Fähigkeit identifiziert, die es erlernen soll, und dann die Eltern und andere Bezugspersonen dazu bringt, ihm beim Erlernen der Fähigkeit zu helfen, lassen sich positive Veränderungen sowohl bei dem Kind als auch in seinem gesamten sozialen Umfeld erreichen.

Insoo Kim Berg und Steve DeShazer

Die lösungsfokussierte Therapie ist eine psychotherapeutische Richtung, die durch die Ideen von Milton Erickson inspiriert worden ist. Sie wurde während der 1970er und 1980er Jahre am Brief Family Therapy Center in Milwaukee/USA von einem Therapeutenteam – geleitet von Steve de Shazer (1940–2005) und Insoo Kim Berg (1934–2007) – entwickelt. In der lösungsfokussierten Therapie liegt der Fokus nicht auf Problemen (und dem, was sie möglicherweise verursacht hat), sondern auf Zielen, die die Klienten erreichen möchten, und darauf, was sie für das Erreichen dieser Ziele tun können.

Bei dieser Art der Behandlung muss der Therapeut als Erstes vom Klienten erfragen, wie dieser ein gutes Ergebnis der Intervention definieren würde: »Wie würde eine bessere Zukunft nach Ihren Wünschen aussehen?« ist ein Beispiel für eine Frage, die er in der ersten Sitzung stellen könnte. Wenn er erst einmal ein klares Bild davon hat, was der Klient möchte, konzentriert er sich darauf, ihm beim Erreichen seines Ziels zu helfen.

»Ich schaffs« folgt demselben Muster – mit der Ausnahme, dass die einleitende Frage »Wie könnte sich die Situation in Zukunft verbessern?« zu folgender Formulierung abgeändert wurde: »Welche Fähigkeit musst du entwickeln, damit sich die Situation in Zukunft verbessert?« Diese Modifikation basiert auf folgender Beobachtung: Bei der Anwendung des lösungsfokussierten Ansatzes in der Arbeit mit Kindern impliziert die Frage nach einem wünschenswerten Ausgang unweigerlich die Erwartung, dass das Kind sein Verhalten ändert bzw. lernt, sich zu benehmen oder anders auf eine bestimmte Situation zu reagieren.

Ein anderes Charakteristikum der lösungsfokussierten Therapie ist die Betonung jeglicher Anzeichen von Fortschritt: Dieser Fokus ist auch typisch für »Ich schaffs«, wo Kinder enorm viel Aufmerksamkeit erhalten, indem sie über die Fähigkeiten, die sie gerade erlernen, sprechen und sie üben bzw. demonstrieren können.

Michael White und David Epston

Noch eine andere Schule der Psychotherapie hat uns geprägt, nämlich der narrative Ansatz mit seinen Wegbereitern Michael White (1945–2008) in Australien und David Epston in Neuseeland. Mitte der 1980er Jahre stießen wir auf einen Artikel von Michael White mit dem Titel »Pseudo-encopresis: From avalanche to victory, from vicious to virtuous cycles« (White 1984). In diesem wegweisenden Artikel beschrieb White einen spielerischen Familientherapieansatz, den er entwickelt hatte, um Kindern zu helfen, die unter Einkoten (wissenschaftlich als Enkopresis bezeichnet) oder Kotschmieren leiden, weil sie sich weigern, altersentsprechend aufs Klo zu gehen. Whites Ansatz basierte auf der Idee, dass man die Schuld und Verantwortung für das Problem des Kindes auf eine externe Figur schiebt, die er »Sneaky Poo« nannte.

Der Artikel beschreibt ein systematisches Verfahren, bei dem das Kind mit der Unterstützung seiner Eltern in ein Spiel verwickelt wird, um »Sneaky Poo« zu besiegen (auf Deutsch wird das Vorgehen in dem Buch Die Zähmung der Monster [White u. Epston 1990] beschrieben). Das Spiel besteht aus verschiedenen Aktivitäten – zum Beispiel, so schnell wie möglich von Orten, an denen »Sneaky Poo« das Kind attackiert oder es in die Hose machen lässt, ins Badezimmer zu rennen, oder eine Routine einzuführen, bei der das Kind nach den Mahlzeiten 20 Minuten auf der Toilette sitzt, oder dem Kind zur Unterstützung in seinem Kampf gegen »Sneaky Poo« einen Tiger zu geben.