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Jeder Tag von Stephanie ist minutiös geplant: An erster Stelle steht ihre kleine Tochter, die sie alleine großziehen muss, da Emmas Vater sie noch vor der Geburt im Stich ließ. Daneben versucht die Marketingmanagerin ihrem stressigen Beruf gerecht zu werden - für die Liebe bleibt da wirklich keine Zeit mehr. Diese Erkenntnis dämmert auch Raoul Lanier langsam, der erfolglos versucht, Stephanie zu erobern. Seine Einladungen lehnt sie ab - auf seine Blumensträuße gibt es keine Resonanz. Noch einen letzten Versuch will Raoul wagen: Eines Abends steht er vor ihrer Tür - und zum ersten Mal erkennt er an ihrem sehnsüchtigen Blick, dass seine Gefühle keineswegs einseitig sind ...
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Seitenzahl: 170
IMPRESSUM
Ich will mehr, viel mehr! erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2000 by Helen Bianchin Originaltitel: „The Husband Assignment“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 1504 - 2002 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Dr. Susanne Hartmann
Umschlagsmotive: GettyImages_LightFieldStudios
Veröffentlicht im ePub Format in 12/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733745349
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Raoul Lanier nickte der attraktiven Stewardess zu, die den Passagieren beim Verlassen des Flugzeugs Auf Wiedersehen sagte. Ihr Lächeln wurde ein bisschen breiter, und ihr Blick versprach ihm sinnliche Freuden, falls er sich entschließen sollte, sie während ihres Aufenthalts zu einem Drink einzuladen. Sie hatte ihm auf dem Langstreckenflug eine Aufmerksamkeit geschenkt, die über die höflichen Bemühungen um seine Mitreisenden hinausgegangen war.
Wenn flüchtige sexuelle Begegnungen auf meiner Tagesordnung stehen würden, hätte es eine interessante Ablenkung sein können, dachte Raoul. Als ältester Sohn Henri Laniers und Teilerbe eines Familienvermögens von einer Milliarde Dollar war er schon in jungen Jahren vorsichtig und zynisch geworden.
Gute Gene hatten ihm eine beneidenswerte Größe, einen herrlichen Körperbau und markante Gesichtszüge beschert. Da er auch noch durchtrainiert war und sich elegant kleidete, faszinierte er Frauen jeden Alters. Was sowohl ein Vorteil als auch ein Fluch ist, räumte Raoul humorvoll ein, während er mit dem Aufzug von der Ankunftshalle ins Erdgeschoss fuhr und zum Gepäckband ging. Er sah auf die Uhr. Bis zu seiner geschäftlichen Besprechung hatte er noch zwei Stunden Zeit. Er musste durch den Zoll, sich ein Taxi zum Hotel in Double Bay nehmen und sich umziehen.
In erster Linie war er nach Australien gekommen, um für den multinationalen Lanier-Konzern einen Standort in Sydney zu schaffen. Die Vorbereitungen liefen bereits seit einigen Monaten, und wenn er mit allen Details zufrieden war, würde er das Geschäft abschließen. Allerdings nicht ohne Weiteres. Er war ein erfahrener Taktiker, dessen Verhandlungsgeschick von seinen Geschäftspartnern und Mitarbeitern anerkannt und gelobt wurde.
Raoul entdeckte sein Gepäck, zog es vom Band, verließ den Terminal und winkte ein Taxi herbei. Die strahlende Sommersonne blendete ihn, und er setzte seine Sonnenbrille auf, bevor er dem Fahrer den Namen des Hotels nannte und sich zurücklehnte. Die Sitzung am Nachmittag war wichtig. Er hatte vor, sich noch nicht festzulegen und nach diesem ersten Gespräch für mehrere Tage an die Gold Coast zu fliegen.
Sich um die Familie kümmern. Raoul presste die Lippen zusammen und runzelte nachdenklich die Stirn. Er liebte beide Brüder. Sebastian, der jüngste von ihnen, hatte vor Kurzem geheiratet und machte zurzeit mit seiner neuen Ehefrau einen ausgedehnten Urlaub in Europa. Michel war derjenige, der ihm Sorgen bereitete. Gerade sechs Monate verheiratet, steckte seine Ehe offensichtlich in einer Krise. Vor sieben Wochen war seine Frau von New York nach Australien geflogen, um in einem Film mitzuspielen, der in den Studios von „Warner Brothers“ an der Gold Coast gedreht wurde. Michel hatte an wichtigen Sitzungen in Europa teilgenommen und war Sandrine dann gefolgt, um eine Versöhnung zustande zu bringen. Die Produzenten hatten finanzielle Probleme bekommen, und Raoul vermutete, dass sein Bruder vorhatte, als Retter des gefährdeten Projekts aufzutreten und Sandrine damit unter Druck zu setzen.
Alle drei Brüder besaßen ein großes Privatvermögen, und einige Millionen Dollar in einen Film zu investieren würde Michel nicht arm machen.
Bremsen quietschten, der Taxifahrer fluchte, und entschuldigte sich dann. Aus seinen Gedanken gerissen, nahm Raoul den stärker gewordenen Verkehr wahr. Der Fahrer wechselte rasant auf die Außenspur. Raoul sah in der Ferne Hochhäuser in den Himmel ragen und schätzte, dass sie das „Ritz-Carlton“ in Double Bay in zehn, höchstens fünfzehn Minuten erreichen würden. Ihm war Sydney nicht fremd, und er mochte die Großstadt wegen ihrer landschaftlichen Schönheit und Architektur, auch wenn sich hier keine so alten Bauwerke wie in seiner Heimat Frankreich fanden.
Ihm gehörte eine luxuriöse, zweistöckige Wohnung in Auteuil. Auf den Marmorböden lagen kostbare Orientteppiche, und die Zimmer waren voller antiker Möbel und wertvoller Kunstgegenstände. Er war in Paris geboren und aufgewachsen, hatte an einer der besten Universitäten studiert und war danach in das Familienunternehmen aufgenommen worden. Raoul lächelte grimmig, als er an jene erste Zeit unter der Anleitung seines Vaters dachte. Henri Lanier war ein harter Arbeitgeber gewesen. Hart, aber fair, räumte Raoul ein. Inzwischen leiteten Michel und er den multinationalen Mischkonzern, während Henri nur dem Namen nach den Vorsitz führte. Sebastian hatte Jura studiert, als Anwalt praktiziert und dann seinen ersten Roman geschrieben und verkauft. Der Rest war, wie man so sagte, Geschichte.
Der Taxifahrer hielt vor dem Eingang des Luxushotels in dem Viertel am Hafen. Raoul gab ihm einen Geldschein und stieg aus, während der Portier das Gepäck aus dem Kofferraum holte.
Das Einchecken war problemlos. In seinem Zimmer nahm Raoul eine Flasche Mineralwasser aus dem Barkühlschrank, schenkte sich ein Glas ein und trank es aus, bevor er sich ein leichtes Mittagessen für dreizehn Uhr dreißig bestellte. Dann packte er einige unentbehrliche Sachen aus, duschte, rasierte sich, zog den Hotelbademantel an und erledigte wichtige Anrufe. Gerade als der Zimmerkellner das Essen brachte, beendete Raoul das letzte Gespräch. Er aß schnell, zog sich an, überprüfte seinen Aktenkoffer und fuhr mit dem Lift in die Eingangshalle. Die Besprechung war für zwei Uhr angesetzt. Jetzt war es drei Minuten nach zwei. Wichtige Minuten, die ihm einen Vorteil verschafften, es sei denn, sein Verhandlungspartner kannte sich in taktischen Spielen auch gut aus. Der Wunsch, ein Geschäft erfolgreich abzuschließen, führte unweigerlich zu Pünktlichkeit, besonders wenn es um eine große Investition ging.
Die Besprechung hätte durchaus eine Stunde dauern können. Raoul beendete sie nach einer halben, gab klare Anweisungen, stellte Forderungen und ließ keinen Zweifel, wer das Kommando hatte. Er kehrte in sein Zimmer zurück, öffnete seinen Laptop, tippte Daten ein und verschickte sie per E-Mail nach Paris. Danach führte er noch zwei Telefongespräche, eins davon mit Michel, dem er mitteilte, dass er am nächsten Tag an die Gold Coast kommen würde.
Raoul streckte sich. Er brauchte Bewegung. Der Fitnessraum? Nein, zuerst würde er einen Trainingsanzug und Joggingschuhe anziehen und einen Spaziergang an der frischen Luft machen. Für den Abend hatte er nichts geplant. Er würde auf dem Zimmer essen, ein oder zwei Stunden am Laptop arbeiten und früh ins Bett gehen.
Die Gegensprechanlage summte, und Stephanie drückte die Taste.
„Michel Lanier ist hier.“
Die Empfangsdame bemühte sich um eine französische Aussprache, was so entsetzlich klang, dass Stephanie zusammenzuckte. Dann lächelte sie über die junge Frau, die offensichtlich einen guten Eindruck auf Michel Lanier machen wollte. Stephanie musste zugeben, dass er ein imposanter Mann war, auch wenn sie für große, attraktive dunkelhaarige Männer nicht empfänglich war. „Geben Sie mir eine Minute, dann führen Sie ihn bitte herein.“
Diskussionen in Gang zu setzen, Meinungen zu äußern und Vorschläge zu unterbreiten gehörte zu ihrem Job als Marketingmanagerin. Ihr gefiel, womit sie ihren Lebensunterhalt verdiente. Die Arbeit wurde gut bezahlt, und es war befriedigend, ihre Fachkenntnisse auf dem Gebiet des Films verwerten zu können. Außerdem hatte sie ein Gespür dafür, was allgemeines Interesse erregte, somit mehr Besucher in die Kinos lockte und die Rentabilität der Filmstudios, der Investoren steigerte.
Bei diesem besonderen Film waren das Budget und der Zeitplan überzogen worden. Alle Geldquellen waren erschöpft gewesen, sodass es vor einer Woche ganz danach ausgesehen hatte, als würde der Film nicht fertiggestellt werden. Entscheidend war gewesen, dass Sandrine Lanier, Model und Schauspielerin, eine Nebenrolle in dem Film hatte. Ihr Mann war bereit, eine große Summe zu investieren, um das Projekt zu retten.
Es klopfte, und Stephanie schob die Unterlagen, die sie durchgelesen hatte, in einen Schnellhefter, bevor sie aufstand.
„Michel und Raoul Lanier.“
Sie verbarg ihre Überraschung und lächelte die beiden Männer freundlich an. „Bitte nehmen Sie Platz“, sagte sie und zeigte auf zwei bequeme Ledersessel.
„Mein Bruder hat darum gebeten, bei dieser Besprechung dabei zu sein. Es stört Sie doch nicht?“, fragte Michel Lanier.
Was konnte sie schon sagen? „Nein, natürlich nicht.“
Michel übernahm die Vorstellung. „Stephanie Sommers. Raoul Lanier.“
Ende dreißig, schätzte sie. Und der ältere der Brüder, wenn auch nur um wenige Jahre. Raoul Lanier war noch einige Zentimeter größer als Michel. Was die kräftige Figur und die Gesichtszüge betraf, war die Familienähnlichkeit unverkennbar, aber Raouls Haar war dunkler, fast schwarz, und der Schatten an seinem Kinn verriet, dass er ein Mann war, der sich morgens und abends rasieren musste. Er hatte schiefergraue Augen, und sein Blick war viel zu scharfsinnig für den Seelenfrieden einer Frau. Der sinnliche Mund deutete große Leidenschaft an.
Warum war Raoul Lanier mitgekommen? Wollte er ebenfalls Geld investieren, um den Film zu retten, in dem Michels Frau eine Nebenrolle spielte?
„Stephanie.“ Raoul schüttelte ihr kräftig die Hand.
Die Berührung war wie ein kleiner Stromschlag, der durch ihre Adern pulsierte. Das bildest du dir nur ein, sagte sich Stephanie und blickte ihn kühl an. „Guten Tag, Mr. Lanier.“
Er zog die Augenbrauen hoch und lächelte spöttisch. „Raoul.“ Er zeigte auf seinen Bruder. „An der förmlichen Anrede festzuhalten wird uns verwirren.“
Seine tiefe Stimme und der schwache französische Akzent erregten sie. Ihre Reaktion auf ihn gefiel ihr nicht und verschärfte ihre Abwehr. Raoul Lanier besaß Charme. Außerdem verriet sein wissender Blick sexuelle Erfahrung und nachdrückliches Interesse. Ein Mann mit einer verheerenden Wirkung auf Frauen, dachte Stephanie sarkastisch. Er sah umwerfend gut aus, hatte einen herrlichen Körper und war reich. Wahrscheinlich musste er sich nicht einmal bemühen.
Sie ging bewusst langsam um ihren Schreibtisch und setzte sich in den Chefsessel aus Leder. Der Platz verlieh Autorität, und sie nutzte es aus. „Ich habe die Zahlen, um die Sie gebeten haben.“ Sie sah Michel an und ignorierte Raoul völlig. „Zusammen mit Vorschlägen, wie wir für den Film Werbung machen wollen.“ Sie nahm einen Umschlag und schob Papiere hinein. „Ich bin sicher, Sie werden zufrieden sein. Natürlich können wir mit der Promotion erst beginnen, wenn der Film abgedreht ist. Wir vom Marketing werden den Film in einer privaten Vorführung zu sehen bekommen und danach besprechen, welche Aspekte hervorgehoben werden sollten, damit wir ein großes Publikum ansprechen. Der Produktionsleiter erwartet, dass die Dreharbeiten in einer Woche beendet sind. Vielleicht muss noch einige Tage nachgedreht werden.“ Sie konzentrierte sich noch immer ausschließlich auf Michel. „Es wäre von Interesse, Sie in die Werbekampagne einzubeziehen, als Investor und Sandrines Ehemann. Ich hoffe, Sie sind damit einverstanden.“
Michel Lanier sagte nichts.
„Schließlich versuchen wir mit all dem, Ihre Investition zu schützen.“ Hatte sie zynisch geklungen? Das war nicht ihre Absicht gewesen, aber sie hatte einen langen Arbeitstag hinter sich.
Michel Lanier schwieg weiter.
„Wollen wir es dann erst einmal dabei belassen?“
„Haben Sie heute noch einen anderen Termin?“, fragte Raoul sanft.
„Ja.“ Stephanie sah auf ihre Armbanduhr und stand auf. „Es tut mir leid, aber mehr Zeit kann ich Ihnen nicht erübrigen.“ Sie erwiderte Michels rätselhaften Blick, nahm den Umschlag und hielt ihn ihm hin. „Wenn Sie die Unterlagen geprüft und noch Fragen haben, rufen Sie mich bitte an.“
„Ich hätte gern Gelegenheit, über die von Ihnen erwähnten Vorschläge zu sprechen“, sagte Raoul. „Heute Abend beim Essen? Michel und Sandrine werden auch kommen. Ich wohne im ‚Sheraton Mirage‘. Halb sieben in der Eingangshalle?“
Stephanie fand es unerträglich, dass er ihre Zusage als selbstverständlich betrachtete. „Tut mir leid, das ist nicht möglich.“
„Können Sie Ihre Verabredung fürs Geschäft nicht verschieben?“
Für ein wichtiges Geschäft mit den Laniers, meinte er. „Ich verbringe den Abend mit meiner Tochter, die ich in einer halben Stunde von der Tagesstätte abholen muss, Mr. Lanier.“ Leute wie Michel und Raoul Lanier hatten die richtigen Beziehungen und konnten zweifellos problemlos an ihre Personalakte herankommen oder sich auf anderem Wege Informationen verschaffen. Dass sie alleinerziehende Mutter war, wussten sie sicher.
Raoul Lanier blickte sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Ist es Ihnen nicht möglich, einen Babysitter zu engagieren?“
Sie wollte ihn ohrfeigen, weil er versuchte, sich in ihr Privatleben einzumischen. „So kurzfristig ist das schwierig“, erwiderte sie kühl.
„Machen Sie den Anruf, Stephanie.“
Sie mochte es nicht, herumkommandiert zu werden. Außerdem ärgerte sie sich über die Autorität, die dieser Mann ausstrahlte. Sie war in Versuchung, ihm zu sagen, er solle zur Hölle fahren. Es gelang ihr gerade noch, sich auf die Zunge zu beißen. Michel Lanier besaß ein großes Privatvermögen, aber sie konnte nicht sicher sein, dass nicht ein Teil seiner Investition über den Familienkonzern lief. In dem Fall hätte Raoul Mitspracherecht. Und es wäre töricht, ihn gegen sich aufzubringen.
Sie blickte ihn kühl an und nickte. „Würden Sie mich bitte entschuldigen?“ Sie ging zur Tür, öffnete sie und wartete darauf, dass die beiden Männer ihr Büro verließen. Raoul Laniers dunkelgraue Augen funkelten vor Belustigung. Ihm machte es Spaß, seinen Willen durchzusetzen. Anscheinend verschwendete er keinen Gedanken daran, wie viel Zeit und Mühe sie dieses Abendessen kosten würde. Sie schloss die Tür, kehrte zum Schreibtisch zurück und rief die Studentin an, auf die sie zählte, wenn sie einen Babysitter brauchte.
Einige Minuten später legte Stephanie den Hörer auf, seufzte laut und ging nach draußen zum Empfang. Michel Lanier telefonierte gerade. Er hatte sich mit seinem Handy in eine ruhige Ecke zurückgezogen. Stephanie war sich bewusst, dass Raoul Lanier abschätzend den Blick über sie gleiten ließ, als sie sich ihm näherte. „Halb sieben, in der Halle des Sheraton Mirage. Ich freue mich darauf“, sagte sie zynisch.
Er holte seine Brieftasche heraus. „Meine Karte, mit Handynummer.“
Stephanie wollte sie ignorieren und ihm sarkastisch erwidern, dass sie nicht im Traum daran denke, sich freiwillig mit ihm in Verbindung zu setzen. Als könnte er ihre Gedanken lesen, sah er sie amüsiert an. Sie nahm die Visitenkarte und achtete sorgfältig darauf, dass sie dabei seine Finger nicht berührte. Verzog er spöttisch den Mund? Sie sagte sich, es sei ihr völlig gleichgültig. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und ging zurück.
Es war fast fünf. Sie hatte eine Stunde und zehn Minuten. In der Zeit musste sie Emma von der Tagesstätte abholen, nach Mermaid Beach fahren, ihrer Tochter Abendessen machen und sie baden, dann selbst duschen, sich anziehen und wieder losfahren. Machbar, vorausgesetzt, dass keine Schwierigkeiten auftauchten. Zum Glück hatte Sarah angeboten, früh zu kommen und ihr abzunehmen, was sie nicht mehr schaffte.
Dafür war Stephanie wirklich dankbar, als sie ein enges schwarzes Kleid anzog, mit einigen Bürstenstrichen das zu einem modischen Bob geschnittene rotblonde Haar in Form brachte, sich schminkte und ihr Lieblingsparfüm auf die Handgelenke sprühte. Dann zog sie schwarze Pumps mit Stilettoabsätzen an, schnappte sich eine kleine schwarze Umhängetasche und ging schnell ins Wohnzimmer. „Tschüss, Liebling.“ Sie beugte sich zu Emma hinunter und umarmte sie, bevor sie die Babysitterin ansah. „Wenn Sie irgendwelche Probleme haben, rufen Sie mich an. Sie haben ja meine Handynummer. Ich komme nicht spät nach Hause. Danke, Sarah“, sagte sie herzlich.
„Gern geschehen. Amüsieren Sie sich gut.“
Das ist fraglich, dachte Stephanie. Sie stieg ins Auto, fuhr rückwärts von der Auffahrt und erinnerte sich daran, dass das Abendessen im Sheraton Mirage rein geschäftlich war. Und warum hatte sie dann das Gefühl, manipuliert worden zu sein?
Die Fahrt von Mermaid Beach zum Hotel in Main Beach dauerte fünfzehn Minuten, zwei oder drei weniger, wenn sie an allen Kreuzungen Grün hatte. Es war ein schöner Sommerabend. Die Hitze des Tages hielt sich noch, und Stephanie stellte die Klimaanlage ein. Hochhäuser und Luxushotels säumten die sanft geschwungene Küste. Seit fast vier Jahren wohnte sie jetzt schon an der Gold Coast. Jahre, in denen sie sich damit herumgeschlagen hatte, eine gescheiterte Beziehung hinter sich zu lassen und die bittere Erfahrung zu bewältigen, dass der Mann in ihrem Leben sie darum gebeten hatte, eine ungewollte Schwangerschaft abzubrechen, weil ein Baby zu viel Verantwortung bedeuten und seine Zukunftspläne zunichtemachen würde. Ruhig und kühl hatte sie ihm den Verlobungsring zurückgegeben und ihn verlassen.
Es war schwer gewesen. Aber Emma lohnte jede Mühe. Sie war ein liebes Kind und ihr wie aus dem Gesicht geschnitten, mit blonden Locken, die einen Stich ins Rotgold hatten.
Ein Hupen riss Stephanie aus ihren Gedanken. Sie spürte einen schwachen Ruck und wusste nicht, ob sie fluchen oder weinen sollte, als sie an den Straßenrand fuhr und anhielt. Das hatte ihr gerade noch gefehlt! Eine Reifenpanne ausgerechnet dann, wenn sie in ihrem Zeitplan keine Minute übrig gelassen hatte. Verdammt. Sie streckte die Hand aus, öffnete den Kofferraum, stieg aus und holte den Wagenheber heraus. Links vorn, stellte sie fest. Stilettoabsätze und ein hautenges Kleid waren für einen Reifenwechsel nicht gut geeignet. Und es machte keinen Spaß, mit ungewohnten Werkzeugen widerspenstige Muttern zu lösen.
Ein Mal wäre sie bereit gewesen, ihre Unabhängigkeit beiseite zu schieben und von einem Mann Hilfe anzunehmen. Nur dass kein Autofahrer hielt. Stephanie wechselte den Reifen allein, legte die Werkzeuge zurück und säuberte sich mit Erfrischungs- und Kosmetiktüchern. Sie war schon zehn Minuten zu spät, deshalb griff sie nach ihrem Handy, holte Raoul Laniers Visitenkarte heraus und tippte die Nummer ein.
Er meldete sich nach dem zweiten Klingeln, und sie erklärte, was passiert war, entschuldigte sich und beendete den Anruf, bevor er noch ein Wort sagen konnte. Fünf Minuten später parkte sie in der Tiefgarage des Sheraton Mirage und fuhr mit dem Lift in die Eingangshalle.
Sie entdeckte Raoul sofort. Ein maßgeschneiderter Anzug betonte seine Größe und die breiten Schultern. Während sie auf ihn, seinen Bruder und dessen Frau zuging, blickte Raoul sie unverwandt prüfend an, sodass sich Stephanie fragte, ob sie bei ihrer eiligen Säuberungsaktion vielleicht einen Schmutzfleck auf der Nase oder Wange übersehen hatte. Lass dich nicht nervös machen, befahl sie sich energisch und lächelte freundlich. Sie wusste sich in der Gesellschaft zu benehmen und konnte mit jeder Situation fertig werden. Dass irgendetwas oder irgendjemand sie aus der Fassung brachte, passierte sehr selten.
Du musst nur würdevoll durch die nächsten zwei Stunden kommen, versicherte sie sich, als sie bei ihnen ankam. „Sandrine, Michel“, sagte sie ruhig und nickte Raoul zu. „Die Verspätung tut mir leid.“ Nimm die Sache in die Hand, flüsterte eine innere Stimme. „Wollen wir hineingehen?“ Er blickte sie mit zusammengekniffenen Augen an, und sie erkannte, dass seine Gelassenheit nur gespielt war. Sie weigerte sich, ihr Erschauern zu beachten. Raoul Lanier war einfach nur ein Mann, dessen Reichtum und Macht in der Geschäftswelt beneidenswerte Vorzüge waren. Privat hatte sie kein Interesse an ihm.
Und warum kam sie sich dann so nervös und ungefähr so selbstbewusst wie eine Siebenjährige vor, anstatt sich wie die siebenundzwanzig Jahre alte Frau zu fühlen, die sie tatsächlich war?
Der Maître d’hôtel führte sie zu einem Tisch am Fenster mit einer herrlichen Aussicht auf den Pool und das Meer, wartete höflich, bis sie Platz genommen hatten, und winkte den Weinkellner heran. Stephanie kannte sich mit australischen Weinen sehr gut aus. Sie las mühelos die Karte, dann fragte sie die anderen, ob sie roten oder weißen bevorzugen würden.
„Welchen würden Sie vorschlagen?“, fragte Raoul spöttisch. Er amüsierte sich darüber, dass sie unbedingt die Gastgeberin spielen wollte.
„Das Hotel hat eine Auswahl an Weinen, die von einem mit vielen Goldmedaillen ausgezeichneten Winzer geliefert werden. Ich kann den Chardonnay oder den Pinot Noir empfehlen.“
Raoul bestellte von beiden eine Flasche. Als der Weinkellner ihr einschenken wollte, lehnte Stephanie ab und bat um Mineralwasser.
„Möchten Sie einen klaren Kopf behalten?“
„Natürlich“, erwiderte sie kühl. „Schließlich sind wir heute Abend hier, um die Marketingstrategien für den Film zu besprechen.“ Sie sah Michel an. „Ich hoffe, Sie hatten Gelegenheit, die Unterlagen zu prüfen?“
„Vielleicht sollten wir mit dem Geschäftlichen warten, bis wir unser Essen bestellt haben“, schlug Raoul vor.
Stephanie warf ihm einen Blick zu. „Wenn Ihnen das lieber ist, Mr. Lanier.“
„Raoul.“
„Raoul“, gab sie nach. Wollte er ein Wortgefecht mit ihr anfangen? Sie würde ihm beweisen, dass sie ihm ebenbürtig war!