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3 Romane in einem Band 1. Rausch der Sinne Dem Zauber der Frauen ist Weingutbesitzer Alexandre Dupree schon oft erlegen. Aber keine hat ihn je so gefesselt wie die schöne Charlotte - und keine ihn je so abblitzen lassen. Bis er zufällig ihr Tagebuch findet. Jetzt weiß er, was er tun muss ... 2. Secrets - Was niemand weiß Eine unerwartete Schwangerschaft zerstört alle Pläne: Vicki wollte die Scheidung, stattdessen verlangt Caleb eine zweite Chance. Vicki ist bereit. Unter einer Bedingung: Diesmal soll nicht hilfloses Schweigen die wichtigste Rolle spielen - sondern die Leidenschaft im Ehebett. 3. Die Unbezähmbare "Du willst mich als Sklavin!" Wütend schleudert Jasmine es dem glutäugigen Tariq entgegen. Und weiß genau: Sie wird sich nicht von ihm zähmen lassen. Und auch nicht von ihm bestrafen, weil sie ihn schon einmal verlassen hat! Wenn sie kapituliert, dann nur vor ihrem eigenen Verlangen.
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Seitenzahl: 592
Im Bann der Sinne
Nalini Singh
Rausch der Sinne
Aus dem Englischen von Brigitte Marliani-Hörnlein
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Nalini Singh
Secrets - Was niemand weiß
Aus dem Englischen von Claudia Biggen
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Nalini Singh
Die Unbezähmbare
Aus dem Englischen von Christiane Bowien-Böll
MIRA® TASCHENBUCH
MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg
Geschäftsführer: Thomas Beckmann
Copyright dieser Ausgabe © 2014 by MIRA Taschenbuch
in der Harlequin Enterprises GmbH
Titel der englischen Originalausgaben:
Awaken the Senses
Copyright © 2005 by Harlequin Books S.A.
Übersetzung von Brigitte Marliani-Hörnlein
Secrets in the Marriage Bed
Copyright © 2006 by Nalini Singh
Übersetzung von Claudia Biggen
Desert Warrior
Copyright © 2003 by Nalini Singh
Übersetzung von Christiane Bowien-Böll
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
Published by arrangement with
HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln
Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln
Redaktion: Maja Gause
Titelabbildung: pecher und soiron, Köln
ISBN eBook 978-3-95576-352-7
www.mira-taschenbuch.de
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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder
auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich
der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
Nalini Singh
Rausch der Sinne
Aus dem Englischen von Brigitte Marliani-Hörnlein
Vor einunddreißig Jahren
"Ich muss mit dir reden."
Spencer blickte von seinen Papieren auf, als Lilah in sein Büro stürmte. Verärgert runzelte er die Stirn. Normalerweise hätte sie das sofort zum Schweigen gebracht.
Sie sprach aber weiter. "Wenn du dich nicht endlich von Caroline scheiden lässt, dann verlasse ich dich." Ihre Stimme bebte, doch in ihren Augen entdeckte er eine Entschlossenheit, die schon fast an Drohung grenzte.
Kalte Wut stieg in ihm hoch. Er sprang auf und fegte um den Schreibtisch herum, bis er beunruhigend nah vor der gertenschlanken Rothaarigen stand, die die Frechheit besaß, ihm ein Ultimatum zu stellen.
Dank ihrer Größe war Lilah mit ihm auf gleicher Augenhöhe. Unerschrocken erwiderte sie seinen Blick.
"Du bist wunderschön, Lilah." Er sah ihren Stolz, merkte, dass sie unsicher wurde und hätte fast darüber gelacht, wie einfach es war, sie zu manipulieren. "Aber in dem Moment, in dem du mich verlässt …", er wusste genau, wo er den Stachel ansetzen musste, "reißen sich schon zehn andere attraktive junge Frauen darum, deinen Platz einzunehmen."
Lilah gefiel ihm, er liebte ihren Körper und ihr Gesicht, und vor allem mochte er es, wie sie sich seinen Wünschen unterwarf. Sie war ihm rettungslos verfallen und würde alles für ihn tun.
"Ich meine es ernst", sagte sie trotzig. "Ich will, dass du Caroline verlässt. Du bist seit sechs Jahren mit ihr verheiratet – jetzt bin ich an der Reihe."
Er war sofort heiß auf sie, als sie ihm zeigte, wie sehr sie ihn wollte, doch er unterdrückte seine Begierde. "Und wenn ich es nicht tue?" Seine Stimme war gefährlich ruhig geworden.
Sie straffte die Schultern. "Dann suche ich mir einen anderen Mann. Und du kannst eine neue … Sekretärin einstellen."
Niemand ließ Spencer Ashton einfach stehen. Niemand. Er streckte die Hand aus und zog Lilah brutal an den Haaren zu sich. Es kümmerte ihn nicht, dass er ihr wehtat. Er riss ihren Kopf zurück, ihre Blicke trafen sich, und er sah die Angst in ihren blauen Augen.
Er beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte: "Was hast du gesagt?"
Sie wimmerte, als er ihren Kopf noch weiter zurückzog. "Tut mir leid, Spencer. Ich habe es nicht so gemeint."
Die Panik in ihren Augen wirkte auf ihn wie ein Aphrodisiakum. Und er war sich sicher, dass Lilah Jensen in wenigen Minuten willig unter ihm liegen würde. "Gut." Er strich mit dem Finger über ihren Hals. "Und was sollte das, dass du mich verlassen willst, wenn ich mich nicht von Caroline scheiden lasse?" Ihre Haut war so zart unter seinen Fingerspitzen.
"Ich … es tut mir leid", sagte sie wieder. "Ich mache es wieder gut." Zaghaft berührte sie seine Brust und begann, die Hemdknöpfe zu öffnen. "Es ist nur, dass ich dich so sehr will."
Er lächelte. Sie begehrte ihn wirklich sehr. Und sie war wunderschön. Und verdammt gut im Bett. Vielleicht würde er sie wirklich heiraten, wenn er Caroline abserviert hatte, aber die Entscheidung lag ausschließlich bei ihm. Lilah musste lernen, wo ihr Platz war, bevor sie seinen Namen tragen durfte.
"Ich tue alles, was du willst, Spencer." Ihr Blick war nicht mehr ganz so ängstlich, sondern eher lockend.
Spencer fand sie jetzt ausgesprochen verführerisch und charmant, doch sie musste auch wissen, dass dies ihre letzte Chance war. Mit einer Hand zog er immer noch an ihren Haaren, während er mit der anderen zu ihrer Brust glitt und dabei flüsterte: "Im Laufe der Jahre haben ganz andere Leute versucht, mir zu drohen." Er sprach ganz ruhig, denn er war sich der Macht bewusst, die er über diese Frau hatte.
Sie öffnete die Lippen, um etwas zu sagen. Er drückte leicht ihre Kehle. Sie schwieg.
"Aber niemand hat es je geschafft, die Drohung in die Tat umzusetzen. Niemand." Er lächelte und beugte sich hinunter, um sie zu küssen. "Haben wir uns verstanden?"
Lilah nickte. Sie machte gar nicht erst den Versuch, überhaupt etwas zu sagen.
Spencer liebte es, wenn sie sich ihm total unterwarf, genoss es, dass sie endlich erkannt und akzeptiert hatte, wo ihr Platz in seinem Leben war. Er betrachtete sie als sein Eigentum. Sie war sein Besitz, wie sein Auto und sein Haus.
Heiße Lust überkam ihn, angeheizt durch ihre Angst und vielleicht auch ihre eigene Begierde. Er presste sie enger an sich und sagte: "Willst du mir jetzt nicht zeigen, wie leid es dir tut?"
Alexandre fragte sich, ob es wirklich richtig gewesen war, Trace Ashtons Einladung anzunehmen, in der Villa der Ashtons zu wohnen. Er hatte es für sinnvoll gehalten, weil er in den kommenden Wochen viel Zeit auf dem Weingut der Ashtons verbringen würde.
Seine Ankunft am späten gestrigen Abend war unspektakulär verlaufen. Die elegante Lilah Jensen Ashton hatte ihm das protzige Haus gezeigt und dafür gesorgt, dass er gut untergebracht war. Spencer Ashton hatte sich nicht blicken lassen. Doch Alexandre, der den Mann erst kurz zuvor kennengelernt hatte, war darüber nicht traurig gewesen. Der Patriarch der Ashtons war ein arroganter Kerl, für den Alexandre nicht viel übrig hatte.
Er lief durch die Reihen zwischen den Reben. Die Pflanzen, noch feucht von dem Regen, glitzerten in der Morgensonne. Der Boden war dunkel und schwer, der ganze Weinberg voller Leben. Frische grüne Blätter bedeckten die alten Reben. Alexandre blieb einen Moment stehen, um einige der Blüten genauer zu betrachten. Schon bald würden daraus Trauben entstehen. Doch auch der Gedanke konnte ihn nicht lange von seinem Problem mit der Unterkunft ablenken.
Obwohl er ein Frühaufsteher war, hatten ihn heute Morgen laute Stimmen auf dem Flur der zweiten Etage geweckt. Kurz darauf, er war mittlerweile hellwach, knallte eine Tür, und der heftige Streit ging hinter verschlossenen Türen weiter. Doch das, was er gehört hatte, hatte gereicht. Um die Ehe von Lilah und Spencer war es offensichtlich nicht zum Besten bestellt. Anschließend war Spencer in mörderischem Tempo davongerast.
Nun, Alexandre hatte schon schlimmere Ehen in diesen Kreisen erlebt. Aber es ließ darauf schließen, dass die Atmosphäre im Haus während seines Aufenthalts nicht besonders angenehm sein würde.
Seine zweite Sorge war, dass er in die unangenehmen Familiengeschichten der Ashtons hineingezogen werden könnte, woran er überhaupt kein Interesse hatte. Schließlich war er hier, um Trace im Weinanbau zu beraten – mehr nicht. Er verzog das Gesicht und ging in die Hocke, um die Beschaffenheit des Bodens zu testen.
Als Ausländer war er vielleicht nicht in der Lage, emotionale Strömungen im Haus zu erfassen, doch er konnte sich einiges zusammenreimen angesichts des Skandals, den es vor einem Monat in Zusammenhang mit Spencers erster Ehe gegeben hatte.
Alexandre war Winzer, kein Gesellschaftslöwe, doch der Eklat war bis zu ihm durchgedrungen. Seine maman betrachtete es als ihre Pflicht, ihn über die Schwächen seiner Konkurrenten und Geschäftsfreunde zu informieren. Er lächelte bei dem Gedanken an die Frau, die trotz aller Fehler die einzige Konstante in seinem Leben gewesen war.
Ein merkwürdiges Geräusch, gefolgt von einer plötzlichen Bewegung links von ihm, erregte seine Aufmerksamkeit und lenkte seine Gedanken von seinen problematischen Gastgebern ab. Er blieb in der Hocke und fragte sich, wer außer ihm zu dieser frühen Stunde wach sein könnte.
"Warum gibst du diese komischen Geräusche von dir?", sagte eine angenehme weibliche Stimme. "Du bist doch erst gestern in der Werkstatt durchgesehen worden!"
Alexandre richtete sich auf. Der Anblick, der sich ihm bot, machte alle Unannehmlichkeiten auf dem Gut wett.
Sie war klein und zierlich, aber mit Kurven an den richtigen Stellen. Verführerisch sah sie aus, wie sie auf dem Boden kniete und das Vorderrad ihres Fahrrades betrachtete. Die langen, glatten schwarzen Haare fielen ihr über den Rücken bis zum Po.
Plötzlich erwachte sein Interesse, heiße Begierde, die im scharfen Gegensatz zu der stumpfsinnigen Langeweile stand, die ihn seit einem Jahr begleitete. "Brauchen Sie Hilfe, mon amie?"
Charlotte drehte sich so schnell um, dass sie fast ihr Fahrrad umgeworfen hätte. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass irgendjemand zu dieser Zeit schon unterwegs sein könnte. Und dieser Jemand war auch noch der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte.
Die dunklen Augen des Fremden funkelten amüsiert, als er die Hand ausstreckte. "Entschuldigen Sie. Ich wollte Sie nicht erschrecken."
Sie ließ sich von ihm auf die Füße helfen. Seine Hand war stark und warm. Ihr wurde heiß, und das Blut stieg ihr in die Wangen. Kaum stand sie, entriss sie ihm ihre Hand. Ihre heftige Reaktion auf die Berührung brachte sie total aus dem Gleichgewicht.
"Wir kennen uns noch nicht", sagte er mit seinem charmanten französischen Akzent. "Ich bin Alexandre Dupree."
Alexandre. Der Name passte zu ihm.
"Charlotte", stellte sie sich vor.
"Charlotte", wiederholte er, und aus seinem Mund klang ihr gewöhnlicher Name plötzlich exotisch. "Und was machen Sie hier so früh, petite Charlotte? Sie arbeiten auf dem Weingut, oui?"
Vielleicht sollte sie beleidigt sein, weil er in ihr eine Angestellte und nicht ein Familienmitglied der privilegierten Ashtons sah. Andererseits hatte sie nie ein Mitglied dieser Familie sein wollen. "Nein." Sie hatte noch nie einen Mann wie ihn kennengelernt. Er strahlte Sinnlichkeit aus, und es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen.
"Nein?" Er verzog die vollen Lippen zu einem erotischen Lächeln. "Sie wollen ein Mysterium bleiben?"
"Was ist mit Ihnen?", stieß sie neugierig hervor.
Wer war dieser Mann, der sie angelächelt und es in einem einzigen Moment geschafft hatte, sie vollkommen aus der Bahn zu werfen? Sie spürte, dass ihr Körper zum Leben erwachte und zu glühen begann. Es war, als hätte sie schon immer auf diesen Mann gewartet.
Seine Augen, so dunkel wie Schokolade, ruhten auf ihren Lippen. Sie wollte ihn auffordern, sie nicht so anzusehen, doch sie brachte keinen Ton heraus. Es war, als würde er sie mit seinen Blicken küssen, und sie empfand plötzlich Gefühle, die so früh am Morgen verboten sein sollten.
"Ich arbeite für Trace Ashton."
Der Winzer, dachte sie. Sie kannte Trace' Ehrgeiz, für Ashton Estate Winery einen Wein zu kreieren, der Preise gewann. Dennoch machte Alexandre nicht den Eindruck eines normalen Angestellten. Obwohl er im Freizeitlook war, schwarze Hose und offenes Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln, erkannte sie, dass die Kleidung von bester Qualität war, genau wie die Uhr an seinem Handgelenk.
"Wohin gehen Sie, ma chérie?" Er sah den Pfad entlang, der sich durch die Weingärten schlängelte. "Darf ich Sie begleiten?"
Sie machte große Augen. "N…nein", stammelte sie. Sein charmantes Lächeln und seine unglaublichen Augen brachten sie total aus der Fassung. "Ich … ich muss los. Ich bin schon spät." Sie stieg auf ihr Fahrrad und trat in die Pedale.
Ratsch, ratsch, ratsch.
Das Geräusch erinnerte sie daran, warum sie eigentlich angehalten hatte. Sie stoppte erneut und wollte gerade absteigen, als sie merkte, dass Alexandre näher gekommen war.
"Warten Sie, Charlotte. Ich weiß, wo das Problem liegt." Er ging in die Hocke und bog den rückwärtigen Reflektor zurecht. "Hier. Das Katzenauge war verrutscht und hat an den Speichen gescheuert", erklärte er.
Das Blut stieg ihr in die Wangen. Sie wusste, dass selbst ihr dunkler Teint nicht verbergen konnte, wie verlegen sie seine Gegenwart machte. "Danke."
"Gern geschehen. Bon voyage." Er lächelte verschmitzt, und sie hätte sich am liebsten auf die Lippe gebissen. Oder auch auf seine …
Sie holte tief Luft und trat energisch in die Pedale, wohl wissend, dass sein Blick auf ihr ruhte, bis sie um die Ecke bog. Erst dann atmete sie aus und dachte über das gerade Erlebte nach.
Hatte er mit ihr geflirtet?
Was für eine blödsinnige Idee, dachte sie und schüttelte den Kopf. Männer wie Alexandre Dupree flirteten nicht mit einer schüchternen Floristin. Doch das erste Mal in ihrem Leben wünschte sich Charlotte, dass der charmante, weltgewandte Mann, der in einer ganz anderen Liga spielte als sie, tatsächlich mit ihr geflirtet hätte.
Alexandre musste den ganzen Tag an die Frau denken, der er am frühen Morgen begegnet war. Ein paar kurze Nachforschungen hatten erstaunliche Informationen zutage gefördert. Die schüchterne Schönheit war eine Ashton – Charlotte Ashton.
Und nicht nur das, sie betrieb das Gewächshaus, das auf dem Anwesen der Ashtons lag. Trace hatte ihm unbeabsichtigt die Information gegeben, als er ihm eine Karte von dem Anwesen zeigte.
"Dies ist Charlottes Gewächshaus." Trace deutete auf ein Gebäude, das etwa zwei Meilen östlich des Haupthauses lag. "Das ist das Cottage, und hier ist ihr Blumenstudio."
"Ein Gewächshaus?", fragte Alexandre betont beiläufig. "Wofür?"
"Charlotte ist verantwortlich für den Blumenschmuck bei den Events hier im Haus. Das Gewächshaus ist ihr Lebensinhalt." Der eher zurückhaltende Trace lächelte. "Sie sollten es sich ansehen – ich bin sicher, sie führt Sie gern herum."
"Wie komme ich zu Charlottes Gewächshaus?"
"Nehmen Sie einen der Caddys – der Weg dorthin ist leicht zu finden."
Charlotte fuhr offensichtlich lieber mit ihrem klapprigen Fahrrad. Alexandre lächelte insgeheim bei dem Gedanken, sie auf ihrem Territorium aufzusuchen. Vielleicht war sie inmitten ihrer Pflanzen entspannter … und eher bereit, sich auf ihn und die Ideen einzulassen, die ihm bei ihrem Anblick gekommen waren.
Wegen seiner beruflichen Verpflichtungen bekam Alexandre erst lange nach dem Lunch die Gelegenheit, Charlotte aufzusuchen. Gegen drei Uhr nachmittags forderte er einen Caddy an und fuhr gen Osten. Das Gewächshaus war leicht zu finden. Es erhob sich klar und deutlich über den Weingärten.
Er parkte vor dem ersten Gebäude, dem Cottage. Der Anblick der leuchtenden Wildblumen vor dem Cottage erinnerte an etwas aus einem Märchen und passte zu der Frau, die er heute Morgen überrascht hatte. Bezaubernd.
Direkt hinter dem Cottage lag ein Gewächshaus, ein weiteres schloss sich rechts davon an. Ashton Estate Botanicals stand an dem kleineren Gebäude, offensichtlich das Blumenstudio, auf das Trace hingewiesen hatte.
Da er davon ausging, Charlotte in dem Gewächshaus zu finden, nahm er den Weg. Sein Körper reagierte mit heftigem Verlangen, als er eintrat und sie sah. In den verwaschenen Jeans, die ihre Rundungen betonten, und dem kurzärmeligen pinkfarbenen T-Shirt wirkte sie so frisch wie die Blumen um sie herum. Ihre Haare hatte sie zu einem dicken Zopf geflochten, der ihr fast bis zum Po reichte.
Sie stand mit dem Rücken zu ihm und arbeitete an dem Arbeitstisch aus massiven Holz, der mitten im Gewächshaus stand. Offensichtlich topfte sie gerade einige Pflanzen um.
Plötzlich wirbelte sie herum, obwohl er kein Geräusch gemacht hatte, die Pflanzenkelle wie eine Waffe in der Hand haltend. Ihre ohnehin großen Augen wirkten noch größer, als sie ihn sah. "Was machen Sie denn hier?"
"Ich bin gekommen, um meine geheimnisvolle kleine fleur zu finden." Er blickte auf das Gerät, das sie immer noch auf ihn gerichtet hielt, und hob langsam die rechte Augenbraue.
Verlegen legte sie die Kelle auf den Arbeitstisch. "Warum?"
"Sind Sie immer so direkt?"
Alexandre kam näher. Ihr Anblick gefiel ihm noch besser als am Morgen. Sie war tatsächlich klein und zierlich, hatte jedoch eine verführerische Figur. In der Vergangenheit hatte er sich eher für langbeinige Schönheiten interessiert. Wenn er Charlotte so ansah, verstand er nicht mehr, warum. "Es ist sehr warm hier. Macht Ihnen das nichts aus?"
"In diesem Klima gedeihen die Pflanzen auch außerhalb der Saison." Wachsam wie ein scheues Reh beobachtete sie seine Bewegungen. "Ich mag die Wärme."
Sein Blick fiel auf ein kleines blaues Notizbuch auf dem Arbeitstisch. "Was schreiben Sie in das Buch?", frage er neugierig.
Er könnte schwören, dass ihre Augen vor Panik noch dunkler wurden. "Darin protokolliere ich alles, was mit den Pflanzen zu tun hat."
Offensichtlich hatte er sich getäuscht. "Hier riecht es nach Sonne und Wachstum", murmelte er und verlangsamte seinen Schritt, ohne jedoch die Richtung zu ändern.
"Was wollen Sie?", wiederholte sie.
"Sie mögen mich nicht, ma petite?" Alexandre fragte sich, ob sein Gespür für Frauen ihn das erste Mal im Stich gelassen hatte. Er gehörte nicht zu den Männern, die sich einer Frau aufdrängten. Frauen wollten umschmeichelt, hofiert und verwöhnt werden, ganz sicher aber nicht bedrängt.
"Das habe ich nicht gesagt."
Er witterte den Sieg, trat näher und berührte ihre warme Wange mit dem Finger. "Non?"
"Ich …" Sie wich zur Seite. "Bitte, dies ist mein Bereich."
"Und Sie wollen, dass ich gehe?" Er war zwar kein Mann, der schnell aufgab, wollte aber auch nicht aufdringlich sein.
Dann kam ihm ein beunruhigender Gedanke: Vielleicht hatte sie erkannt, was er nicht wahrhaben wollte, seit sie ihn das erste Mal aus ihren großen dunklen Augen angesehen hatte – dass er mit vierunddreißig Jahren viel zu alt für sie war. Diese Frau war so frisch und schön und unverbraucht wie die Blumen, die sie hegte und pflegte.
Alexandre dagegen hatte seine Unschuld schon vor sehr, sehr langer Zeit verloren. Er kämpfte gegen den Drang an, sie noch einmal zu berühren, und verbeugte sich leicht. "Dann gehe ich. Tut mir leid, dass ich Sie gestört habe." Er drehte sich um und ging die ersten Schritte zur Tür. Irgendwie fühlte er sich unerklärlich verloren.
"Warten Sie!"
Er blieb stehen und blickte über die Schulter. Charlotte gab ihm, ohne ihn anzusehen, eine zarte, weiße Blume. "Stellen Sie sie in Ihr Zimmer. Dann duftet es dort nach Sonne … und Wachstum."
Verwundert nahm er das Geschenk. "Merci, Charlotte. Ich glaube, ich habe noch nie eine Blume geschenkt bekommen." Er hielt die Blume unter die Nase und schnupperte.
Sie lächelte ihn zögernd an. "Bitte schön."
In dem Moment wusste er, dass sie nichts gegen ihn persönlich hatte. Sie fühlte sich in seiner Gegenwart nur unbehaglich. Alexandre konnte nicht verstehen, weshalb. Sie war wie eine wunderschöne Blume, so exotisch wie die Orchideen, die sie in diesem Glashaus züchtete. Seine maman würde sie mögen.
"Erzählen Sie mir etwas über Ihr Gewächshaus", bat er.
Wieder errötete sie leicht, doch zumindest war sie bereit, über dieses Thema zu sprechen. "Ich züchte viele Pflanzen. Angefangen bei Gänseblümchen bis hin zu Farnen und exotischen Pflanzen."
"Bitte führen Sie mich herum."
Ihre Augen strahlten. Sie drehte sich um und ging durch die Reihen mit hohen Tischen, auf denen Kästen mit herrlich blühenden Blumen standen.
Alexandre folgte ihr in gebührendem Abstand, damit sie sich nicht eingeengt fühlte. Ab und zu musste er sich bücken, um nicht gegen die Pflanzen zu stoßen, die in Hängekörben wuchsen.
Charlotte deutete auf den üppig grünen Garten zu ihrer Linken. "Das sind meine Farne. Und dort …", sie zeigte zur anderen Seite, "… sind meine tropischen Pflanzen. Riechen Sie mal."
Er beugte sich vor und atmete den betörenden Duft einer cremeweißen Pflanze mit einem sonnengelben Herzen ein. "Der Duft weckt den Wunsch, am Südseestrand zu sein."
Ihr Lächeln rührte ihn. "Es ist eine Plumeria – eine Wachsblume. Einmal schnuppern, und ich beginne zu träumen."
"Das ist genau der Duft, den Sie auch tragen." Er verfolgte ihn seit dem Morgen.
Überrascht riss sie die Augen auf. "Stimmt."
Ein Hauch von Intimität lag in der Luft. Bevor die Atmosphäre zu erotisch wurde und sie vielleicht erschreckte, fragte er: "Was züchten Sie sonst noch?"
Sie wirkte erleichtert. "Neben den Wachsblumen steht ein Hibiskus, den ich seit einem Jahr pflege. Er will einfach nicht blühen."
Alexandre lachte. "Vielleicht ist er wie Sie. Er will geheimnisvoll bleiben."
Sie senkte den Blick. "An mir ist nichts Geheimnisvolles."
"Da muss ich Ihnen widersprechen." Ermutigt durch das Funkeln in ihren Augen, riskierte er es, einen Schritt weiterzugehen. "Darf ich Sie morgen zum Essen einladen? Heute muss ich leider zurück an die Arbeit."
Sofort ging sie wieder auf Distanz. "Ich … ich habe schon etwas vor. Trotzdem, vielen Dank für die Einladung."
Am liebsten hätte er sie in seine Arme gezogen und sie geküsst, bis ihr Widerstand dahingeschmolzen war. "Ah, ma chérie, Sie brechen mir das Herz. Wollen Sie es sich nicht noch einmal überlegen? Sie erreichen mich im Haupthaus." Mit diesen fröhlichen Worten verließ er das Gewächshaus, ihr Geschenk in der Hand.
Jetzt, da er wusste, dass sie ihn zumindest nicht verabscheute, hatte er nicht vor, so schnell aufzugeben. Wenn er nur eine Ahnung hätte, wie er ihr Vertrauen gewinnen konnte.
Sicher, sie war zu jung für ihn. Trotzdem wollte er sie haben. Er würde diese scheue, junge Frau mit allen Mitteln der Kunst verführen. Nie wieder sollten diese braunen Augen einen anderen Mann ansehen.
Doch dann runzelte er die Stirn angesichts der Verantwortung, die dieser plötzliche Gedanke mit sich brachte. Er hatte nicht die Absicht zu heiraten, dazu kannte er die Schwächen einer Ehe viel zu gut. Charlotte war aber eine Frau, die heiraten wollte. Keine Frau für eine Nacht.
Die Falten auf seiner Stirn wurden tiefer. Warum gingen seine Gedanken plötzlich in diese Richtung? Erotik und sinnlicher Genuss war bisher alles gewesen, was er je einer Frau versprochen hatte. Charlottes Zurückhaltung sagte ihm, dass sie das instinktiv erkannt hatte. Er würde ihr keine falschen Versprechungen machen, aber er wollte mit ihr schlafen.
Die meisten Frauen sahen nur seinen Charme, nicht aber die Entschlossenheit, die sich dahinter versteckte. Ein Sandsturm war nichts dagegen. Wenn Alexandre Dupree sich einmal etwas vorgenommen hatte, dann wich er nicht vom Kurs ab. Und jetzt hatte er Richtung auf die süße, kleine Charlotte Ashton genommen.
In der Sicherheit ihres Gewächshauses beobachtete Charlotte, wie Alexandre in den Caddy stieg und sich entfernte.
"Oh", murmelte sie vor sich hin, als er schließlich außer Sicht war. Der Mann war gefährlich. Diese dunklen Augen, das charmante Lächeln und vor allem seine Art, sie anzusehen, sie mit seinen Blicken zu verschlingen. Charlotte war nicht der Typ Frau, mit dem gefährliche Männer spielten.
Sie rieb die Hände an ihren Jeans ab und schluckte, weil sie doch tatsächlich darüber nachdachte, Alexandres Einladung zum Dinner anzunehmen. Eine Sekunde später verwarf sie die Idee schon wieder. Worüber sollte sie mit ihm sprechen? Wenn es nicht gerade um ihre geliebten Pflanzen ging, etwas, worüber sie stundenlang reden konnte, würde sie in seiner Gegenwart kaum einen Ton herausbringen.
Wahrscheinlich war sie die einzige Ashton auf dem Anwesen, die sich nicht in der exklusiven Gesellschaft bewegen konnte, die sich in dem Haus traf. Deshalb hatte sie sich zu ihren Pflanzen zurückgezogen. Die Blumen erwarteten von ihr nichts außer Freundlichkeit.
Sie wusste, dass es teilweise ihre Schuld war, dass sie nicht über die nötige Sicherheit im Umgang mit Menschen verfügte. Wenn sie in dem Haupthaus geblieben wäre, hätte sie von Lilah eine entsprechende Erziehung bekommen.
Sie presste die Lippen zusammen.
Lilah, die elegante rothaarige Frau, hatte es gehasst, die Verantwortung für zwei Mischlingskinder übernehmen zu müssen. Charlottes Bruder Walker, der total vernarrt in Spencer war, hatte diese Abneigung kaum bemerkt. Aber Charlotte hatte eine Frau in ihrem Leben gebraucht, und Lilah hatte von Anfang an klargestellt, dass sie diese Frau niemals sein würde.
Charlotte schüttelte den Kopf und kehrte zu den Setzlingen zurück, die sie gerade umtopfte. Vielleicht frage ich Jillian um Rat, überlegte sie. Ihre ältere Cousine strahlte eine Anmut aus, die Charlotte normalerweise eingeschüchtert hätte, aber die schlanke, dunkelhaarige Jillian war dabei so warmherzig, dass Charlotte ihr Dinge erzählen wollte, über die sie sonst nicht sprach.
Wie zum Beispiel ihre Vermutung, dass ihre Mutter noch lebte.
Seit Spencers erste Ehe publik geworden war, glaubte Charlottes mehr und mehr daran. Wenn der Mann einmal lügen konnte, warum dann nicht auch zweimal?
Obwohl sie über ihre Gedanken sprechen wollte, war es ihr sogar bei Jillian schwergefallen, das Thema auf den Tisch zu bringen, denn es erforderte ein Maß an Vertrauen, das Charlotte eigentlich niemandem entgegenbrachte.
Sie schüttelte den Kopf über ihre abschweifenden Gedanken. "Sieh zu, dass du mit dem Umtopfen fertig wirst." Doch ihre Gedanken kehrten immer wieder zu dem einen Thema zurück, und sie wusste auch, warum. Weil sie aus Angst vor dem Ergebnis die Suche abgebrochen hatte.
Ihr Leben könnte sich für immer ändern. Und allein und ohne Hilfe ins Ungewisse zu gehen, machte ihr Angst. Nach Jahren harter Arbeit hatte sie es geschafft, sich hier auf dem Anwesen, wo sie sich nie wirklich zu Hause gefühlt hatte, ihr eigenes kleines Paradies zu schaffen. Der Gedanke, dieses Gefühl der Sicherheit an die grausame Wahrheit zu verlieren, erschreckte sie.
Alexandre Dupree hat sicherlich nie Angst gehabt und ist nie so ein Feigling wie ich gewesen, dachte sie. Ohne dass sie es wollte, kehrten ihre Gedanken immer wieder zu dem charmanten Franzosen zurück, der sie schon nach so kurzer Zeit faszinierte.
Der Mann besaß Charisma, Sinnlichkeit und einen scharfen Verstand.
Sie vermutete, dass er wegen seines Charmes von vielen als Playboy abgestempelt wurde. Das war er aber offensichtlich nicht. Nachdem er fort war, hatte sie im Internet ein paar Nachforschungen angestellt. Alexandre Dupree war einer der renommiertesten Winzer der Welt. Sie hatte seinen Namen nur noch nicht gehört, weil sie sich mehr für ihre Pflanzen als für Weinanbau interessierte.
Er war aber nicht nur ein angesehener Winzer, sondern auch sehr wohlhabend. Er besaß ein sehr erfolgreiches kleines Weingut in Frankreich und war Besitzer mehrerer exklusiver Restaurants. Es passte schon zusammen, dass ein Mann, der berühmt für "Weine von erstaunlicher Komplexität" war, Restaurants besaß, in denen zu den kulinarischen Spezialitäten auch seine Weine gereicht wurden.
Das Außergewöhnliche an ihm aber war, dass er seine Fachkenntnisse auch weitergab. Zum Beispiel an Trace, dessen Traum es war, einen ganz großen Wein zu kreieren.
Und wenn Alexandres Reichtum und Können nicht ausreichten, Charlotte einzuschüchtern, dann waren es die Fotos, die ihn als Gast bei wichtigen Events zeigten. Er war mehrere Male bei den Filmfestspielen in Cannes fotografiert worden, immer in Begleitung von langbeinigen, eleganten Frauen in atemberaubenden Kleidern. Diese Frauen waren nicht nur einige Zentimeter größer als Charlotte, sondern schöner und gebildeter, und sie strahlten Eleganz und Anmut aus und waren in jeder Hinsicht vollkommen.
Sosehr sie sich bemühte, sie schaffte es nicht, sich den Mann aus dem Kopf zu schlagen. Resigniert räumte sie im Gewächshaus auf und ging zurück in ihr Cottage. Dort trat sie unter die Dusche in der Hoffnung, endlich auf andere Gedanken zu kommen.
Eine Viertelstunde später verließ sie die feuchte Glaskabine und schlüpfte in einen flauschigen weißen Bademantel. Als sie im Schlafzimmer vor dem Spiegel stand und ihre Haare bürstete, sah sie nicht sich als Frau, sondern das schrecklich schüchterne Mädchen, das sie gewesen war.
Unfähig, sich dem Leben der Ashtons anzupassen, hatte sie sich in sich selbst zurückgezogen, als Walker immer mehr Zeit mit Spencer verbrachte. Sie hatte ihren Onkel dafür gehasst, dass er ihr den Bruder wegnahm … genau, wie er es mit ihrer Mutter getan hatte.
Das Telefon klingelte. Vor Schreck ließ sie die Bürste fallen. "Charlotte Ashton", meldete sie sich.
"Ma chérie, was ist los?"
Beim Klang der tiefen, männlichen Stimme ging sie sofort in Alarmbereitschaft. "Alles in Ordnung."
Pause. "Haben Sie es sich noch einmal überlegt? Gehen Sie morgen mit mir essen?" Einfache Worte, doch der Tonfall ließen sie zu einer Liebkosung werden.
"Ich …" Die Versuchung, Ja zu sagen, war fast überwältigend, doch die Angst hielt sie zurück. Nur in ihren Träumen war sie geistreich und raffiniert genug für ihn. "Nein."
Er seufzte, als hätte sie ihm das Herz gebrochen. "Kann ich Sie denn wenigstens zu einem Spaziergang überreden?"
"Ein Spaziergang?"
Als spürte er einen Sieg, wurde seine Stimme noch verführerischer. "Ich komme morgen gegen sechs zu Ihrem Cottage, und dann machen wir einen Spaziergang durch die Weingärten. Sagen Sie Ja, Charlotte."
Ihre Hände wurden feucht. "Ich werde fertig sein." Sie konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich zugesagt hatte.
"Dann also bis morgen. Gute Nacht … und schlafen Sie gut."
Als sie auflegte, fragte Charlotte sich, wie viele Frauen diese Worte wohl schon in einer wesentlich intimeren Situation gehört hatten. Einem so aufregenden Mann wie Alexandre fehlte es ganz sicher nicht an Begleiterinnen. Kraftvoll bürstete sie sich das Haar und versuchte, sich nicht länger mit diesen Gedanken zu quälen.
Leider konnte sie aber ihre Träume nicht kontrollieren.
Alexandre verbrachte die Nacht allein. Es war lange her, dass er eine Frau im Bett gehabt hatte. Obwohl er gesunde körperliche Bedürfnisse hatte, reichte ihm Sex allein nicht mehr.
Keine Frau hatte es geschafft, seine selbst auferlegte Enthaltsamkeit zu unterbrechen.
Bis jetzt.
Charlotte Ashton hatte sein sexuelles Verlangen wieder erweckt – und wie. Natürlich könnte er diese starken Bedürfnisse auf die lange Zeit der Abstinenz zurückführen, wenn nicht alles, was er früher erlebt hatte, ein Schatten dessen war, was zwischen ihm und Charlotte passierte.
Sie ist … einzigartig, dachte er und legte die Hände unter den Kopf. Er lag auf seinem Bett im Gästezimmer.
Charlotte faszinierte und frustrierte ihn gleichermaßen. Das erste Mal seit über einem Jahr hatte er eine Frau kennengelernt, die ihn Tag und Nacht beschäftigte. Eine Frau, die vorsichtig wie ein Schmetterling und naiv und unschuldig wie ein Teenager war. Er fragte sich, ob sie wirklich so unschuldig war, wie sie wirkte. Das musste er unbedingt herausfinden.
Überrascht holte Alexandre tief Luft.
Noch nie hatte er den Wunsch verspürt, eine Frau zu besitzen. Frauen waren zwar schön und liebenswert, aber sie waren auch flatterhaft und konnten einem Mann nicht treu bleiben. Deshalb hatte er Sex mit ihnen zwar genossen hatte, war aber emotional auf Distanz geblieben.
Selbst das eine Mal, als er im Überschwang jugendlicher Gefühle alle Vorbehalte Frauen gegenüber vergessen hatte, war da immer noch ein Rest von Distanz geblieben. Und als Celeste ihn dann betrog, war er zwar in seiner Eitelkeit verletzt gewesen, aber weit davon entfernt, am Boden zerstört zu sein.
Doch jetzt erwachte etwas in ihm, das tief in ihm geschlummert hatte. Er hatte Charlottes unwiderstehlichen Duft geschnuppert und entschieden, dass sie zu ihm gehörte. Ohne Kompromisse.
Alexandre lächelte. Er wusste, dass er sich auf gefährliches Gebiet begab, doch diese Gefahr nahm er gern auf sich.
"Charlotte, ma petite", flüsterte er. "Ich freue mich auf unseren Tanz."
Den größten Teil des folgenden Tages verbrachte Alexandre mit Gesprächen mit James, dem Winzer. Erleichtert stellte er fest, dass sich der Mann durch seine Anwesenheit keineswegs bedroht fühlte. James wusste, dass er die Aufgabe, für die er eingestellt war – gängige Ashton-Weine zu produzieren – gut erfüllte. Alexandres Aufenthalt auf dem Weingut diente einem ganz anderen Zweck.
Der Tag begann mit einer ausgedehnten Tour durch das Weingut, einschließlich des Kellers. Angesichts der Wirkung, die Sauerstoff auf reifenden Wein hatte, interessierte Alexandre sich besonders für die Beschaffenheit und Größe der Fässer, in denen die Ashton-Weine lagerten.
Die restliche Zeit verging mit der Untersuchung der Gärungstanks und Diskussionen über technische Dinge wie den Zusatz von Schwefel und die Kühlung. Dies war notwendiges Hintergrundwissen – bevor er Trace Ratschläge für den weiteren Anbau unterbreiten konnte, musste er wissen, wie das Gut jetzt arbeitete.
Als er schließlich Feierabend machte, blieb ihm gerade noch genug Zeit, kurz zu duschen, bevor er zu Charlotte fuhr. Zu seiner Freude wartete sie draußen auf ihn.
In ihren verwaschenen Jeans und der figurbetonten, kurzärmeligen weißen Bluse bot sie einen sehr reizvollen Anblick. "Bonjour, Charlotte."
"Hallo."
"Sollen wir?" Jeder anderen Frau hätte er die Hand auf den Rücken gelegt, aber bei Charlotte hielt er sich zurück. Er spürte instinktiv, dass selbst so eine kleine Geste für den Moment zu viel war.
Nach kurzem Zögern lief sie neben ihm den Weg entlang, der zum Haupthaus führte. Es war hell genug, dass Alexandre seine faszinierende, geheimnisvolle Begleiterin betrachten konnte.
"Sie kennen sich sicher gut im Weinbau aus." Trotz der sinnlichen Spannung zwischen ihnen zwang er sich, im Plauderton zu sprechen.
Charlotte zuckte bemüht gleichgültig mit den Schultern, war jedoch angespannt. Gleichzeitig flackerte etwas in ihren Augen auf, und er bekam den Eindruck, dass sie nicht gern über die Welt sprach, in der sie lebte.
"Nein, eigentlich nicht." Sie sah ihn an. "Der Weinbau interessiert mich nicht besonders. Natürlich habe ich im Laufe der Jahre das eine oder andere aufgeschnappt."
"Interessieren Sie sich nur für Blumen?" Er blieb stehen. Sie hielt ebenfalls an und drehte sich zu ihm.
"Nicht nur. Aber hauptsächlich." Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. "Ich muss zugeben, dass ich die Weinberge zu dieser Jahreszeit liebe."
"Warum?"
"Weil die Reben zu neuem Leben erwachen." Mit den Fingerspitzen liebkoste sie die Kante eines neuen Blatts. Ihm wurde heiß. Würde sie ihren Mann genauso zärtlich berühren? "Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, müssen die richtigen sein – sonst kann der Schaden für die Ernte beträchtlich sein."
"Das stimmt", sagte er und hatte das Gefühl, als würde sie nicht über Weinreben, sondern über ihr Verhältnis sprechen. "Aber manchmal muss man auch Risiken eingehen."
"Es ist sicherer, dem gewohnten Pfad zu folgen."
Sein Mund zuckte bei der Herausforderung. "Damit erzielt man aber keine neuen Ergebnisse. Ich ziehe einen Wein vor, der körperreich ist, eine Symphonie von Aromen und Geschmack, um die Sinne zu erfreuen. Sie nicht, chérie?"
"Doch." Eine verträumte Sinnlichkeit lag in ihrer Stimme. "Ich weiß nicht viel über die Herstellung von Weinen."
"Ich kann Ihnen alles beibringen. Fragen Sie, was immer Sie wollen."
Ihre Lippen öffneten sich, als wollte sie etwas sagen. In dem Moment war es passiert. Das Knistern zwischen ihnen war spürbar. Sie riss die Augen auf, doch sie wich nicht zurück, wie er fast erwartet hatte. Stattdessen waren ihre sinnlichen Lippen eine einzige Einladung.
Alexandre hatte sich zur Zurückhaltung gezwungen – er wollte umwerben, nicht drängen –, doch in diesem Moment war sein Kopf leer. Er konnte sich an nichts mehr erinnern, sondern verspürte nur noch heftiges Verlangen. Er streckte die Hand aus und berührte ihre Wange. Dann senkte er den Kopf. Charlottes Lippen öffneten sich noch weiter, und um seine Beherrschung war es geschehen.
Sie war weich und schmeckte aufregender, als er es sich in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hatte. Ein Geschmack, der im krassen Gegensatz zu ihren unschuldigen Augen stand und ihn berauschte. Eigentlich hatte es nur ein flüchtiger Kuss werden sollen, doch er wurde leidenschaftlicher. Einen Moment lang reagierte sie mit einer Begierde, die so wild und heftig war wie seine eigene.
Doch der Moment war viel zu kurz. Sie wich zurück. "Was …?" Verwirrt sah sie ihn an und berührte mit zittriger Hand ihre feuchten Lippen. Die andere lag flach auf seiner Brust.
Alexandre konnte sehen, dass sie noch nicht für ihn bereit war. Selbst er war aufgewühlt, und er war wesentlich erfahrener als sie. Er konnte ihr nicht verdenken, dass sie das Gefühl hatte, als wäre die Welt gerade unter ihren Füßen zusammengebrochen.
"Es war nur ein Kuss." Er ließ die Arme baumeln, obwohl er Charlotte am liebsten in die Arme geschlossen hätte. "Das hat nichts weiter zu bedeuten." Er hatte sie beruhigen wollen. Doch als sie zurückwich und er den Schmerz in ihren Augen sah, erkannte er, dass er genau das Falsche gesagt hatte.
"Ich fürchte, Sie schätzen mich falsch ein, Mr. Dupree." Tränen glitzerten in ihren Augen, doch ihre Stimme klang fest und kompromisslos. "Für unbedeutende Küsse müssen Sie sich eine andere Frau suchen. Ich bin nicht daran interessiert, Ihnen während Ihres Aufenthalts hier die Langeweile zu vertreiben."
"Charlotte." Er fragte sich, ob sie auf die Wahrheit besser reagiert hätte – dass er sie, obwohl sie sich erst so kurz kannten, heftiger begehrte als je eine Frau zuvor.
Von der ersten Sekunde an hatte er sie begehrt. Er wollte mit ihr schlafen. Und dieser Kuss zeigte ihm, dass es irgendwann so weit sein würde. Etwas, was seine unschuldige Partnerin noch nicht akzeptieren wollte.
"Nicht." Sie kehrte um. "Ich hätte gar nicht mit Ihnen mitgehen sollen."
Die Worte kränkten ihn. "Ich würde Sie niemals verletzen."
"Doch, genau das tun Männer wie Sie", flüsterte sie, und dann war sie fort.
Er hätte sie ohne Probleme einholen können, wusste aber, dass es sinnlos war. Sie war nicht in der Stimmung, ihm zuzuhören. Bei dem Versuch, sie zu schützen, hatte er ihren Stolz verletzt.
Was wusste sie über Männer wie ihn? Steckte sie ihn in dieselbe Schublade wie Spencer Ashton? Ärgerlich schob er die Hände in die Hosentaschen und schlenderte zurück zum Haupthaus. Er würde jemanden bitten, morgen den Caddy abzuholen. Jetzt musste er seine Wut und die aufgestaute sexuelle Spannung abreagieren.
Genau das tun Männer wie Sie.
Vielleicht hatte sie recht. Er hatte nicht die Absicht, sie zu heiraten. Und Charlotte war eine Frau, für die die Institution Ehe geschaffen war.
Aber er würde sich von ihr auch nicht zurückweisen lassen. Dazu knisterte es zu sehr zwischen ihnen. Charlotte Ashton gehörte zu Alexandre Dupree – egal, was sie sich einzureden versuchte, nachdem der heiße Kuss ein Feuer in ihr entfacht hatte.
Charlotte war eigentlich sonst nicht aufbrausend, aber als sie ihr Cottage erreichte, knallte sie wütend die Tür zu. Wie konnte Alexandre es wagen, sie so leidenschaftlich zu küssen, und dann behaupten, es hätte nichts zu bedeuten? Wieso hatte er nicht ebenso empfunden wie sie? Seine Reaktion verletzte sie, gab ihr das Gefühl, wieder dieser unbeholfene, einsame Teenager zu sein. Und das ärgerte sie.
Sie war vielleicht nicht so gewandt wie er, aber sie hatte ihren Stolz, und den ließ sie sich von keinem Mann nehmen. Auch nicht von einem Alexandre Dupree. Sie war fertig mit ihm. Er konnte sich ein neues Spielzeug suchen.
Oh, sie verspürte immer noch ein Flattern im Bauch, wenn sie an ihn dachte. Mit seinem Charme hatte er es geschafft, dass sie sich begehrenswert fühlte.
Aber sie musste stark bleiben und durfte sich nicht mit ihm einlassen. Alexandre war ein einflussreicher, erfahrener Mann, der schöne Frauen und diskrete Affären liebte. Er würde ihr nur das Herz brechen.
Am nächsten Morgen wollte Alexandre direkt zu Charlotte gehen. Beim Frühstück informierte Trace ihn jedoch, dass für ihn eine weitergehende Besichtigung des Weinguts mit anschließender Weinprobe auf dem Programm stand.
Da er sein Interesse an Charlotte nicht zeigen und eine ohnehin komplizierte Situation nicht noch schwieriger machen wollte, akzeptierte er die Pläne. Die Tour besänftigte seine Seele. Die Weinprobe allerdings war eine Katastrophe – Charlottes süßer Duft erfüllte seine Sinne so sehr, dass er nichts anderes mehr wahrnahm.
Keine Frau hatte ihn bisher so beschäftigt, worüber er jedoch nicht besonders glücklich war.
Es war schon fast Abend, als er endlich Feierabend hatte und zum Cottage fahren konnte. Überrascht stellte er fest, dass Charlotte nicht in ihrem Haus war. Missmutig wanderte er zum Gewächshaus. Vielleicht kümmerte sie sich ja um ihre Treibhausblumen.
In dem Gewächshaus brannte jedoch nur ein einziges Licht – unwahrscheinlich, dass sie dort war. Er ging trotzdem um das Haus herum. Wegen der Lage des Hauses war es unmöglich, von einem Ende des Gewächshauses zum anderen zu sehen.
Er wollte gerade den Gartenbereich verlassen, als etwas Glänzendes seine Aufmerksamkeit erregte. Neugierig blieb er stehen. Halb versteckt unter üppigen Grünpflanzen entdeckte er das blaue Notizbuch.
Da Charlotte sicher nicht begeistert wäre, wenn die automatische Bewässerungsanlage ihre Notizen ruinierte, nahm er das Buch und steckte es in die Innentasche seines Sakkos.
Er verließ das Gewächshaus und stellte überrascht fest, dass im Cottage jetzt Licht brannte. Mit großen Schritten legte er die kurze Entfernung zwischen den beiden Gebäuden zurück und klopfte.
Kurz darauf wurde die Tür geöffnet. "Was machen Sie denn hier?", fragte sie unfreundlich.
Am liebsten hätte er sie einfach in die Arme geschlossen und sie gebeten, nie wieder so eine dumme Frage zu stellen. Falls sie ihn für einen Mann hielt, der so leicht aufgab, dann würde sie noch eine Überraschung erleben.
Er lehnte sich lässig gegen den Türpfosten und drängte sie zurück ins Haus. "Ich wollte Sie sehen, ma petite. Sie sind gestern so wütend weggelaufen – ich wollte Ihnen nicht wehtun."
"Haben Sie auch nicht. Es ist alles in Ordnung."
Er nahm ihr Kinn zwischen Zeigefinger und Daumen. "Wo waren Sie? Warum habe ich Sie nicht auf dem Weg hierher gesehen?"
Sie zog ihr Gesicht zurück. "Das geht Sie nichts an."
"Ich habe mir Sorgen gemacht."
Ihr Gesichtsausdruck wurde sanfter. "Das wäre nicht nötig gewesen. Ich war in der Stadt einkaufen. Sie haben mich wahrscheinlich nicht nach Hause kommen sehen, weil ich durch die Weingärten gekommen bin."
"Sind Sie mehr als zwei Meilen in der Dunkelheit gelaufen?"
"Ich kenne die Gegend."
"Charlotte, wissen Sie denn nicht, wie gefährlich das ist? Sie kennen die Saisonarbeiter doch gar nicht, die sich zurzeit hier herumtreiben. Wenn ich nicht so ein geduldiger Mann wäre …"
"Wer hat behauptet, Sie seien geduldig?", unterbrach Charlotte ihn.
Seine Sorge hatte offensichtlich bewirkt, dass sie auftaute. Und als er ihre Hand nahm, zog sie sie nicht sofort zurück. Er bildete sich ein, ihren beschleunigten Herzschlag zu spüren.
"Ich habe eine Engelsgeduld", sagte er. "Sonst hätte ich es längst aufgegeben, Sie zu umschmeicheln, sondern Sie einfach in mein Chalet in den Schweizer Bergen entführt."
Fasziniert sah sie ihn an.
Er beugte sich vor, bis sich ihre Lippen fast berührten. "Und dort würde ich dann ganz schamlose Dinge mit Ihnen tun." Als sie nach Luft schnappte, fuhr er fort: "Der Kuss war alles andere als unbedeutend – das wissen wir beide. Verzeihen Sie mir, dass ich ihn herunterspielen wollte. Chérie, bitte seien Sie nicht mehr böse auf mich."
Alexandres verführerische Stimme betörte ihre Sinne. Ihr wurde heiß. Und als sie in seine Augen blickte, wusste sie, dass ihm der Kuss wirklich etwas bedeutet hatte. Es lag so viel in diesen dunklen, lebhaften Augen, eine Besessenheit, eine unglaubliche Sehnsucht.
Charlotte bekam Angst. Sie passte nicht zu diesem tollen Mann. Alexandre brauchte eine Frau, die selbstbewusst und ungezwungen mit ihrer Sexualität umging, die sich ihrer weiblichen Ausstrahlung sicher war, eine Frau, die ihm gleichermaßen eine Partnerin auf Partys und im Bett war – und sich nicht dauerhaft binden wollte. Und diese Frau war Charlotte nicht.
Sie erstarrte. "Bitte", flüsterte sie. "Bitte gehen Sie."
Bleib, flüsterte ihr Herz. Bleib, flehte ihr Körper. Bleib. Aber natürlich konnte sie das nicht sagen. Nur in ihren Träumen konnte sie einen Mann wie Alexandre in ihren Bann ziehen und seine sexuellen Wünsche erfüllen.
"Charlotte." Er wollte ihre Hand nicht loslassen. "Halten Sie mich wirklich für einen Mann, der Frauen wehtut?"
Es war die Verletzlichkeit in seiner Stimme, die ihr unter die Haut ging. "Nein. Sie … Sie sind der geborene Frauenverführer."
"Dann lassen Sie sich von mir verführen." Schon seine Stimme war die reinste Versuchung, sein Blick purer Zauber.
Mit aller Macht kämpfte Charlotte gegen die Anziehungskraft. Sie entzog ihm ihre Hand und versuchte, die Tür zu schließen. "Tut mir leid, aber ich will es nicht." Mit jedem Wort fühlte sie sich feiger. Der Drang, ihm zu sagen, was sie in Wirklichkeit für ihn empfand, war fast übermächtig und erschreckte sie.
"Warum nicht?" Er blockierte den Eingang. Groß und stolz.
Sie schluckte. "Sie sind nicht der Mann, den ich brauche."
Sein attraktives Gesicht glich plötzlich einer Maske. "Das war klar und deutlich. Tut mir leid, wenn ich Sie belästigt habe." Aufrecht trat er zurück. "Schließen Sie die Tür ab."
Dieses Mal widersprach sie nicht. Vielleicht war sie ein Feigling. Aber war es wirklich feige, einer Demütigung aus dem Weg zu gehen? Denn sie würde sich gedemütigt fühlen, wenn Alexandre erkannte, dass sie seinen Ansprüchen nicht genügte.
Alexandre verließ das Anwesen der Ashtons in seinem gemieteten schwarzen Ferrari. Statt frustriert ziellos durch die Gegend zu fahren, lenkte er den schnellen Wagen in Richtung San Pablo Bay.
Charlotte hatte ihn gebeten zu gehen. Sie hatte gesagt, dass er nicht der Mann sei, den sie brauchte. Deutlicher konnte eine Frau nicht werden – er hatte das Gefühl, als hätte sie ihm das Herz aus der Brust gerissen.
Wie konnte es sein, dass ihm eine Frau innerhalb so kurzer Zeit so viel bedeutete? Selbst nach ihrer schonungslosen Abfuhr sehnte er sich noch nach ihr. Bis jetzt hatte er geglaubt, dass die Anziehungskraft auf Gegenseitigkeit beruhte. Offensichtlich hatte er sich getäuscht.
Er schaltete und fuhr eine leichte Steigung hinauf. Wieso spürte sie nicht, dass schon der Gedanke an sie und an ihre großen braunen Augen, so voller Leidenschaft und so unschuldig, ihn in Flammen aufgehen ließ? Die Vorstellung, dass irgendein anderer Mann ihre schlummernde Sinnlichkeit wecken würde, war ihm unerträglich.
Sein Blick fiel auf den Tacho. Er fluchte und reduzierte die mörderische Geschwindigkeit. Der Wagen verführte zum Rasen, doch das war nicht die richtige Methode, Frust abzubauen. Alexandre würde es sich nie verzeihen, wenn irgendjemand durch seine schlechte Laune zu Schaden kam. Daher parkte er den Wagen auf der Kuppe des kleinen Hügels. Er löste den Sicherheitsgurt und stieg aus, ließ den Motor jedoch laufen. Es war kalt. Als er die Hände in die Hosentaschen stecken wollte, runzelte er die Stirn. Irgendetwas zog die eine Seite seines Sakkos hinunter. Er griff in die Innentasche und zog ein kleines Buch hervor.
Charlottes Duft hing an dem Buch – Wachsblume. Er trat ins Licht der Scheinwerfer und öffnete das Buch, neugierig, was Charlotte über ihre Pflanzen schrieb. Er wollte wirklich alles über die Frau erfahren, die ihn in seinen Gedanken verfolgte.
Mit den Fingerspitzen fuhr er über die Worte auf der ersten Seite, als könnte er Charlotte spüren. Da es zu dunkel war, um sie lesen zu können, setzte er sich wieder in den Wagen und schaltete die Innenbeleuchtung ein.
Mein Geliebter,
Die Worte trafen ihn wie ein Faustschlag. Gott sei Dank saß er. Seine süße, unschuldige Charlotte hatte einen Liebhaber? Einen Liebhaber, an den sie Briefe schrieb? War dies ihre Kopie der Briefe?
Mein Geliebter,wirst du behutsam sein, wenn wir uns das erste Mal lieben? Wirst du zärtlich sein? Wirst du verstehen, dass mir dieser Akt mehr bedeutet als die Verbindung zweier Körper, mehr als nur Vergnügen, mehr als nur Sex?
Ich würde nicht mit dir schlafen, wenn du mir nicht etwas bedeuten würdest.
Liebe ich dich? Ich habe so viel Leid und Untreue in dieser Familie erlebt – ich bin nicht einmal sicher, ob ich weiß, was Liebe ist. Aber ich weiß, wenn ich mit dir schlafe, bedeutet das, dass ich dich mag … sehr sogar.
Alexandre warf einen Blick auf das Datum des Eintrags. Es war vor fast sechs Monaten gewesen. Sicherlich hatten Charlotte und ihr Lover mittlerweile miteinander geschlafen. Er blätterte um.
Mein Geliebter, ich war immer ein anständiges Mädchen.
Außer in meinen Fantasien. Natürlich weißt du das. Wie solltest du auch nicht? Du weißt, dass ich in meinen Fantasien ein anderer Mensch bin, eine andere Charlotte, die wild und hemmungslos ist und sogar ein bisschen gefährlich. In meinen Fantasien tue ich Dinge, die ich bei Tag nicht aussprechen kann, ja, nicht einmal in der Nacht.
In meiner Fantasie bin ich eine sehr sinnliche Frau, verführerisch und betörend wie die Sirenen, eine Frau, die die Männer nicht anlockt, um sie zu töten … sondern um ihnen Liebeslust zu bereiten.
Die Worte waren nicht besonders provozierend, dennoch erregten sie ihn heftig. Vor allem die letzten Worte prägten sich in sein Gehirn ein.
Alexandre wusste, dass er auf nicht zu rechtfertigende Weise in ihre Privatsphäre eindrang. Doch das Bedürfnis, die unangenehme Wahrheit zu begreifen, ließ ihn weiterlesen.
Die Wahrheit, dass Charlotte einem anderen Mann gehörte.
Er verspürte rasende Eifersucht – wer zum Teufel hatte es gewagt, sie anzufassen? Ausgerechnet die Frau, die es geschafft hatte, bis zu seiner Seele vorzudringen. Die es geschafft hatte, seine erloschene Leidenschaft wieder anzufachen. Er blätterte um.
Manchmal frage ich mich, wie es wäre, dir so sehr zu vertrauen, dass ich alles tun würde, worum du bittest. Ohne Fragen zu stellen … ohne zu zögern. Ich kann dich fast sehen, mein Geliebter – deine Stärke, deine heiße Leidenschaft, dein etwas machohaftes Gehabe.
In meinen Fantasien bist du stark genug, meine Gefügigkeit als Geschenk zu betrachten. Stark genug, mir mit einem gewissen Maß an Zärtlichkeit Befehle zu erteilen, und offen meinen Körper zu bewundern, ohne es als Schwäche anzusehen. Und du bist stark genug zu verstehen und zu akzeptieren, dass du dich mir und meinen Wünschen unterwirfst, indem du tust, worum ich dich bitte.
Ich habe noch nie einen Mann kennengelernt, der diese Fantasien erfüllen kann. Wirst du der einzige Lover sein, den ich jemals habe?
Alexandre wurde immer eifersüchtiger. Da er es nicht ertragen konnte, noch mehr über Charlottes erste sexuelle Erfahrungen mit einem anderen Mann zu lesen, wollte er das Buch schon schließen. Doch ein unerklärliches Bedürfnis ließ ihn auch noch den letzten Abschnitt lesen.
Mein Geliebter, bis heute hattest du kein Gesicht …
Alexandre riss die Augen auf.
… hattest keinen Namen. Du warst einfach der Liebhaber, den ich brauche. Du warst meine Schöpfung, dich konnte ich formen, verändern, wenn mir etwas nicht an dir gefiel. Du warst meine ultimative Fantasie, ein Mann, allein für mich geschaffen, ein Mann, dessen einziges Ziel es war, mich zu befriedigen, und dem meine lustvollen Schreie bei seinem Liebesspiel Belohnung genug waren.
"Natürlich wäre es das, ma chérie", murmelte Alexandre. "Warum sollte es anders sein?"
Aber heute hast du plötzlich ein Gesicht und eine Stimme bekommen. Du könntest mich allein mit einem charmanten Akzent verführen. Ich höre in meiner Fantasie die Liebesworte, die du mir ins Ohr flüsterst, wenn wir in inniger Umarmung auf dem Bett liegen. Deine Stimme schickt wohlige Schauer über meinen Rücken und lässt mich dahinschmelzen wie heißer Honig.
Alexandre war plötzlich ganz aufgeregt. Täuschte er sich, oder war es seine Stimme, die Charlotte sexuell erregte? Er holte tief Luft und las weiter.
Dann sehe ich in deine Augen, und ich bin verloren, gehöre ganz dir. Du bist so verführerisch, so unwiderstehlich, so unglaublich männlich und attraktiv, dass es mir den Atem nimmt. Ich weiß, ich bin nicht die Frau, die du brauchst, aber ich würde es gern probieren.
Wenn du mich so voller Verlangen ansiehst, dann könnte ich fast glauben, dass ich doch die Frau bin, für die du mich hältst. Die Frau, die ich in meiner Fantasie bin, eine Frau, die sich dir hemmungslos hingibt.
Zärtlichkeit ergriff ihn. Es schockierte ihn, dass Charlotte sich ihrer Sinnlichkeit so unsicher war. Sie hatte keinen Grund dazu.
Selbst jetzt zögere ich noch, deinen Namen zu schreiben. Aus Angst, ich könnte das Schicksal herausfordern, mir das kurze Vergnügen deiner Gegenwart zu nehmen. Ich sehne mich danach, dich zu sehen, dich zu berühren, dir zuzuhören.
Und doch, wenn du näher kommst, laufe ich weg, denn ich erkenne den Jäger in dir und bin nicht sicher, ob ich schon bereit bin, deine Beute zu sein … Alexandre.
Ein Adrenalinstoß schoss durch seinen Körper. Alexandre atmete schwer. Schweißperlen liefen ihm den Rücken hinunter. Wer hätte gedacht, dass die ruhige Charlotte so heiße Fantasien hatte?
Noch aufregender war, dass er es kaum abwarten konnte, jede dieser Fantasien zu erfüllen. Er würde ihre Spielchen im Bett mitspielen, ihr alles geben, was sie sich ersehnte. Wenn sie ihm dafür ihr Vertrauen schenkte, war das genug. Doch würde sie ihm dieses Geschenk machen?
Warum gab es diesen Unterschied zwischen Realität und Fantasie? Um das herauszufinden, musste er das ganze Buch lesen. Ein Gentleman hätte es vielleicht zurückgelegt, ohne noch tiefer in ihre Privatsphäre einzudringen, doch wenn es um Charlotte ging, war Alexandre kein Gentleman.
Alexandre war entschlossen, die süße Charlotte Ashton für sich zu gewinnen. Alle Vorbehalte gegen eine feste Beziehung lösten sich in nichts auf. Er war einfach nur noch heiß auf sie und wollte sie besitzen.
Charlotte war verzweifelt. Sie konnte ihr Tagebuch nicht finden. Das ganze Cottage hatte sie schon auf den Kopf gestellt. Ohne Erfolg. Die Panik ließ sie fast hyperventilieren. Was, wenn jemand darin gelesen hatte?
Plötzlich kam ihr ein Gedanke. In der Nacht nach Alexandres erstem Besuch im Gewächshaus hatte sie wie eine Verrückte in ihr Tagebuch geschrieben. Sie rannte zum Gewächshaus … und blieb abrupt stehen. Ihr Blick fiel auf die lange, muskulöse Gestalt des Mannes, der sie in ihren Träumen verfolgte. Er lehnte gegen eine Glaswand.
"Sie haben es eilig, Charlotte."
Sie konnte den Blick nicht von seinen sinnlichen Lippen wenden. Sie schluckte. "Ich muss etwas in meinem … Gartentagebuch nachsehen."
Seine Augen blitzten auf, und dann verzog er die Lippen zu einem Lächeln. "Natürlich." Er streckte den Arm aus und stieß die Tür auf.
Sie tauchte unter seinem Arm durch und ging hinein. Im nächsten Augenblick fand sie das Tagebuch genau dort, wo sie es vermutet hatte.
Alexandre schlenderte hinter ihr her.
Charlotte dankte Gott, dass er nicht schon früher hier gewesen war. Was, wenn er die Dinge gelesen hätte, die sie ihrem Tagebuch anvertraut hatte? Das Blut stieg ihr in die Wangen. Wahrscheinlich hätte er lauthals über ihre Fantasien gelacht.
"Was wollen Sie hier?" Sie drehte sich um. Ihr war bewusst, dass ihre Stimme plötzlich belegt und sanft klang. Sie hatte ihn barsch abgewiesen, und trotzdem war er wiedergekommen. Insgeheim jubelte sie.
"Ich habe einen Auftrag für Sie." In seiner sandfarbenen Hose und dem schlichten weißen Hemd sah er elegant und weltmännisch aus. Und doch wirkte er in ihrem Paradies aus wilden Dschungelpflanzen und edlen Rosen nicht fehl am Platz.
Es dauerte einen Moment, bis die Worte zu ihr durchgedrungen waren. "Einen Auftrag. Wollen Sie eine Party veranstalten?" Noch als sie sprach, griff sie in ihre Gesäßtasche und zog einen Block hervor. Sie legte ihn auf ihren Arbeitstisch.
"Warum schreiben Sie nicht in Ihr Gartenbuch?"
Sie erstarrte. Hatte er doch darin gelesen? Energisch schüttelte sie den Gedanken ab. "Darin mache ich mir nur Notizen über die Pflanzen, keine Aufträge. Also, was wollen Sie – und wann?" Sie war sich bewusst, dass ihr letzter Satz zweideutig war, und rechnete damit, dass Alexandre entsprechend reagieren würde, wie er es schon einmal bei ihrem Spaziergang durch die Weingärten getan hatte.
"Ich brauche eine einzelne Blume, schön gebunden. Ein persönliches Geschenk." Seine Stimme klang nüchtern und geschäftsmäßig. "Bis heute Abend. Wegen der Kürze der Zeit bin ich bereit, das Doppelte zu bezahlen." Er zückte sein Scheckbuch.
Charlotte blickte auf. Sie hatte ein flaues Gefühl im Magen. "Ich übernehme keine Aufträge für private Anlässe."
"Für eine Freundin der Familie können Sie doch sicherlich eine Ausnahme machen, oder?"
Charlotte war schockiert über die ruhig gestellte Frage. Von dem Charme, mit dem er sie die letzten zwei Tage überschüttet hatte, war nichts mehr zu spüren. Offenbar hatte er ihre Worte doch ernst genommen. Es würde von diesem Raubtier keine Annäherungsversuche mehr geben.
"Heute Abend?", fragte sie und kam sich plötzlich einsam und verloren vor. Wie war es möglich, dass er ihr in so kurzer Zeit so wichtig geworden war? "Ich habe zu viel Arbeit."
"Bitte. Es ist wichtig." Seine Stimme war die reinste Versuchung.
Ihr Widerstand schmolz dahin. "Okay. Ist es für eine Geschäftspartnerin, eine Freundin …?"
"Eine Geliebte", sagte er leise.
Charlotte erstarrte, doch sie konnte den Auftrag nicht mehr ablehnen. Sie hatte ihn bereits angenommen. "Wollen Sie Rosen?"
"Non, Rosen sind zu gewöhnlich für eine Frau wie sie. Ich möchte etwas Einzigartiges, Schönes, Elegantes und Bezauberndes. Etwas, was zu ihrem Charakter passt."
Vor Eifersucht hätte Charlotte ihm am liebsten in sein attraktives Gesicht geschlagen. Die ganze Zeit hatte er mit ihr geflirtet, sie mit seinem Charme bezirzt, obwohl er eine Geliebte hatte, die all das verkörperte, was sie nicht war.
"Das Gebinde soll auffallend, aber nicht aufdringlich sein." Alexandres Blick wurde verträumt. "Sie ist wie eine zarte Knospe, von strahlender Schönheit, und mein Geschenk soll ihr zeigen, dass ich ihr Bedürfnis verstehe, es langsam angehen zu lassen, und jeden Moment ihres Aufblühens genieße. Es soll eine Entschuldigung dafür sein, dass ich sie zu sehr bedrängt habe. Aber ich begehre sie so sehr, dass ich nicht anders konnte."
Charlotte umklammerte krampfhaft den Stift. Sie brauchte kein einziges Wort aufzuschreiben. Jede Silbe würde sie im Kopf behalten. "Kommen Sie um sieben", sagte sie knapp.
Sie hatte den Punkt erreicht, an dem sie Alexandre nicht mehr ertragen konnte. Am liebsten würde sie ihn mit irgendetwas bewerfen. Okay, er würde sein Gebinde bekommen – aber so etwas Abscheuliches, dass seine Geliebte nie wieder mit ihm sprach.
Doch als sie sich schließlich an die Arbeit machte, schuf sie etwas Graziles und Schönes, dezent duftend, in den Farben Weiß und Gelb mit einem Hauch von Rot für Leidenschaft. Denn Alexandres Liebhaberin musste eine leidenschaftliche Frau sein. Sonst hätte er von ihr nicht so sehnsuchtsvoll gesprochen.
Weil seine Geliebte einzigartig war, wählte sie eine seltene Orchideenart aus, dazu weiße Stiefmütterchen, die so empfindlich waren, dass sie abbrachen, wenn sie zu fest berührt wurden. Sie wollten wie Alexandres Geliebte sanft behandelt werden. Um einen Hauch Rot hinzuzufügen, einen Touch Leidenschaft, benutzte sie winzige, perfekt geformte Blätter von lebendiger Anmut.
Das Herzstück bildete eine weiße Rose von unübertrefflicher Schönheit, verborgen hinter den Orchideenblüten, schüchtern, aber so unwiderstehlich, dass der Blick auf sie fallen musste.
Und dann war das Gebinde fertig.
Charlotte empfand für einen Moment Freude. Sie hatte ein Kunstwerk geschaffen. Wie gern wäre sie selbst die Beschenkte. All die Anweisungen, die Alexandre ihr gegeben hatte, passten genau zu der Frau, die sie gern sein wollte.
Als sie auf ihre Uhr blickte, stellte sie fest, dass es schon fast sieben war. Sie hatte viel zu viel Zeit und Gefühle in dies Kunstwerk investiert. Aber sie hatte zumindest die Genugtuung, dass Alexandre einen Wucherpreis bezahlt hatte.
Sie vernahm leise Schritte hinter sich. Ohne sich umzudrehen, sagte sie: "Es ist fertig."
Alexandre stellte sich direkt hinter sie und streckte die Hand aus, um ein Stiefmütterchen vorsichtig zu berühren. "Sie sind wirklich sehr talentiert, ma petite."
"Nennen Sie mich nicht so", fuhr sie ihn an. So wie er es sagte, klang es wie ein Kosewort, und sie war nicht seine Geliebte.
"Wie Sie wünschen." Er lächelte.
Doch als sie sich umdrehte, war sein Blick eher feierlich. "Ich bin sicher, sie wird mein Geschenk zu schätzen wissen. Danke, Charlotte."
Im nächsten Moment war er weg – und mit ihm ihre Kreation. Für eine andere Frau.
Wie schon am Abend zuvor klingelte das Telefon genau in dem Moment, als Charlotte aus der Dusche trat. Sie wickelte hastig ein großes Handtuch um sich, steckte ihre Haare hoch und nahm dann den Hörer. "Charlotte hier."
"Sie klingen etwas atemlos. Was haben Sie gemacht?" Alexandre klang amüsiert, doch es schwang ein leicht herrischer Unterton mit.
"Stimmt etwas mit den Blumen nicht?"
"Non. Das Bukett war perfekt. Ich rufe nur an, um Ihnen zu sagen, dass ich Ihnen ein kleines Dankeschön vor die Tür gelegt habe."
"Das war nicht nötig", sagte sie. Nichts konnte das leere Gefühl in ihrem Magen kompensieren. Sie selbst hatte zerstört, was vielleicht zwischen ihnen hätte wachsen können. Eigentlich sollte sie froh darüber sein, angesichts der Tatsache, wie schnell er sich mit einer anderen Frau getröstet hatte. Aber warum war ihr dann zum Heulen zumute?
"Doch, es war nötig", sagte er. Bei seiner erotischen Stimme wurde ihr wieder so heiß, dass sie sich am liebsten auf seinen Schoß kuscheln und an ihn schmiegen würde. "Es liegt vor Ihrer Tür. Ich hoffe, es gefällt Ihnen." Er legte auf.
Charlotte überlegte, ob sie nachsehen sollte. Wahrscheinlich ist es bloß eine Flasche Wein oder Schokolade, schmollte sie. Vermutlich hatte er in ein Geschenk an sie nicht mehr Gedanken verschwendet, als er es bei irgendeinem Angestellten tun würde. Schließlich war sie nicht seine Geliebte, der er mit Blumen zeigen wollte, dass sie für ihn einzigartig, schön, elegant und bezaubernd war.
Am Ende siegte ihre Neugier. Sie ging an Tür, obwohl sie nicht angezogen war. Wer sollte sie hier schon sehen? Sie öffnete die Tür und blickte nach unten. Ihre Augen wurden groß, und plötzlich begann sie zu zittern.
Ungläubig ging sie in die Hocke. Sie wagte kaum zu berühren, was sie zuvor so geschickt in den Händen gehalten hatte. Vorsichtig strich sie über die winzige weiße Blüte, die so unglaublich perfekt war.
Was hatte er gesagt?
Sie ist wie eine zarte Knospe, von strahlender Schönheit …