Im Kopf ist es dunkel - Matthias Behrens - E-Book

Im Kopf ist es dunkel E-Book

Matthias Behrens

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  • Herausgeber: TWENTYSIX
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Maria Kiefer ist eine 50jährige Kriminalkommissarin. Seit ihrer Scheidung ist ihr Leben eintönig und trist. Bei einer Ermittlung lernt sie den wesentlich jüngeren Polizisten Mario kennen. Mit ihm kommt wieder Spaß und Sex in ihr Leben. Maria und Mario sind beide mit der Aufklärung einiger mysteriöser Mordfälle beauftragt. Zweifel kommen auf, ob sie Mario vertrauen kann. War er ein Verräter? Bei einer Auslandsmission gerät Maria in tödliche Gefahr. Schließlich decken die Ermittler ein unheimliches Verbrechen auf.

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Seitenzahl: 231

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Inhaltsverzeichnis

Deutsche Ostseeküste

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

Europäisches Nordmeer

1. Kapitel

2. Kapitel

Grönlandsee

1. Kapitel

Rostock - Deutschland

1. Kapitel

2. Kapitel

Unbekannter Ort

Rostock - Deutschland

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

Amazonas - Brasilien

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

Rostock - Deutschland

Amazonas - Brasilien

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

Rostock - Deutschland

Orinoco - Venezuela

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

Caracas - Venezuela

Orinoco - Venezuela

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

Amazonas – Brasilien

1. Kapitel

2. Kapitel

Lima - Peru

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

Rostock - Deutschland

I. Deutsche Ostseeküste

1.

Leichter Morgendunst liegt über der Stadt. Die Sonne ist gerade aufgegangen. Im alten Fachwerkhaus im Zentrum der Stadt regte sich noch nicht viel. Nur eine Amsel sang auf dem Dach schon ihr Morgenlied. Einige Fenster standen offen. Es war ein schöner Junimorgen. In die Ruhe drang plötzlich eine Schrille Melodie.

Maria nahm ihr Kopfkissen und versteckte sich darunter. Die laute Melodie drang trotzdem durch. Sie schlug die Augen auf und schaute auf den Wecker. Es war 4.30 Uhr. Sie drückte auf den Wecker. Die Melodie hörte nicht auf. So im Halbschlaf registrierte sie, dass ihr Smartphone dieses ohrenbetäubende Geräusch macht. Sie nahm es und meldete sich: „Ja, hallo?“

„Guten Morgen Maria. Hier ist Hans. Ich störe dich nur ungern. Wir haben einen dringenden Einsatz.

Komm bitte an den Strand von Fiethagen. Hier wurde in der Nacht eine Leiche angespült.“ Hans Wegner war Kriminalkommissar aus Rostock.

Maria antwortete: „Okay. Ich komme.“

Maria Kiefer war ebenfalls Kriminalkommissarin.

Sie lebte allein in einer kleinen Wohnung. Sie war schon seit einigen Jahren geschieden. Ihr Leben war von Eintönigkeit und Tristheit geprägt.

Manchmal sehnte sie sich nach Zärtlichkeit.

Manchmal war sie einsam. Trotzdem legte sie viel Wert auf ihre Äußerlichkeit. Sie trug halblange schwarze Haare und hatte einen leicht südlichen Teint. Ihre schlanke Figur wurde durch enge Hosen und Blusen noch betont. Sie wusste, dass sie von den meisten Männern als attraktiv empfunden wurde. Aber der richtige scheint noch nicht gekommen zu sein. Somit lebte Maria nun schon drei Jahre allein. Ihre beiden Söhne zogen in die Welt. Der Ältere war Architekt in London und ihren jüngeren Sohn zog es nach Sydney. Er hatte dort eine Jacht und fuhr Touristen jeden Tag durch die Bucht am Hafen. Ihr geschiedener Mann verließ sie mit einer sehr jungen Frau. Er ist ebenfalls Architekt und brannte mit seiner Sekretärin durch. Nun lebten sie zusammen in Stockholm.

Maria stand noch schwerfällig auf. Sie zog sich den Pyjama aus, setzte sich noch total verschlafen nackt auf ihren Bettrand und rief: „Tommy, liegt heute was vor?“

Tommy, ihr digitaler Assistent, antwortete: „Heute, Freitag, dem 15. Juni 2030, liegen keine Termine vor.“

Maria gähnte genüsslich und ging ins Badezimmer unter die Dusche. Danach sah sie in den Spiegel.

„Oh Maria. Du musst dir wieder die Haare färben.

Du bist 50 und siehst schon wieder recht grau aus.

So wird dich kein Mann mehr anfassen. Es ist auch schon sehr lange her, dass dich ein Mann angefasst hat. Also, tu was für dich!“ sprach sie zu sich selbst und zupfte hier und da an ihren schulterlangen, schwarzen Haaren. Dann zog sie sich an und verließ das Haus.

Eine Stunde später kam sie in Fiethagen an. Der Strand war weitläufig abgesperrt. Von weitem sah sie ihre Kollegen. Eilig kam ihr ein junger Wachtmeister entgegen. Er stürzte plötzlich zum Wasser und übergab sich heftig. Maria schaute verwundert zu ihm. In der Nähe war ein kleiner Leuchtturm. Da kam auch schon ein Mann mittleren Alters zu ihr.

Maria rief: „Guten Morgen Hans. Was ist mit dem jungen Wachtmeister dort los?“

Hans schaute zu dem Wachtmeister und sprach nur: „Er kotzt sich nur den Magen aus. Du wirst gleich sehen warum. Hier, schmiere dir etwas Minzsalbe unter die Nase. Und nimm noch eine Gesichtsmaske dazu. Ist besser so.“ Er hielt ihr eine Maske und eine Tube Minzsalbe hin.

Maria fragte: „So schlimm?“ Sie strich sich etwas Salbe unter die Nase und setzte die Maske auf.

„Kann man wohl sagen!“ war die Antwort von Hans.

In zehn Meter entfernt hockte Dr. Wolfram, der Rechtsmediziner. Er beugte sich über einen Haufen Seegras und Tang. Maria und Hans kamen langsam näher. Da nahm Maria war, was Hans meinte. Es war ein unerträglicher Gestank, der ihnen entgegen kam. Sie nahm noch ein Taschentuch und hielt es sich vor die Nase. Als sie an der Leiche ankamen, musste sich Maria kurz wegdrehen. Was sie sah, war schon sehr grausig.

Sie schaute die Überreste der Leiche an und sagte mit etwas zittriger Stimme: „Moin Doktor! Was haben wir hier?“

Dr. Wolfram schaute sie an: „Tja, diese Leiche wurde, oder was von ihr übrig ist, wurde heute Nacht hier angespült. Wie lange sie im Wasser lag, kann ich nicht genau sagen. Bestimmt schon etliche Monate. Vielleicht sogar ein Jahr. Hier unten am Bein ist der Rest von einem Tau. Dort war bestimmt ein schwerer Gegenstand befestigt, welche die Leiche unter Wasser hielt. An der Leiche selbst sind sehr viele Bissspuren. Ich denke, dass viele Fische, Krebse und andere Tiere die Leiche so zugerichtet haben. Ein Bein und ein Arm fehlen ganz. Vom Torso und Kopf ist ebenfalls nicht sehr viel übrig. Alles in allen ein sehr unvollständiges Skelett, ein paar Hautfetzen, sonst nichts. Mehr kann ich im Moment nicht sagen.“

„Danke Doktor. Da der Körper ganz offensichtlich beschwert war, liegt wahrscheinlich ein Gewaltverbrechen oder Suizid vor. Gibt es sonst noch etwas? Spuren von Kleidungsresten?“ sprach Maria und schaute auf die Leiche.

Dr. Wolfram sagte weiter: „Keine Kleidung. Er war wahrscheinlich nackt. So auf dem ersten Blick sehe ich noch eine Verletzung am Schädel. Aber unter diesen Umständen kann ich erst später genaueres sagen. Ich denke, dass die Leiche, wenn man das überhaupt noch so nennen kann, schon vier bis fünf Stunden hier draußen am Strand liegt.“

Maria und Hans sahen sich die Leiche noch etwas genauer an. Maria stand auf und ging ein paar Meter nach hinten. Hans folgte ihr.

„Dort hinten, der ältere Herr mit dem Hund dort auf der Düne hat die Leiche gefunden.“ sprach Hans und zeigte auf einen Mann.

Inzwischen kam auch der junge Wachtmeister zurück. Er hatte lange schwarze Haare, die er sich zu einem Pferdeschwanz hinten zusammengebunden hatte. Er sah etwas südländisch aus.

Maria winkte ihn heran: „Na junger Mann? Geht es wieder? Wie heißen Sie?“

„Ich bin Mario Herber. Entschuldigung, aber so etwas habe ich noch nie gesehen. Ich bin erst seit ein paar Tagen hier im Dienst. Ich war vorher ein Jahr in Thüringen.“

„Ist schon gut. Sie müssen sich nicht entschuldigen. Wenn es Ihnen besser geht, befragen Sie den älteren Herrn dort. Er hat wohl die Leiche gefunden.“ sprach Maria verständnisvoll.

Mario Herber nickte: „Okay. Es geht schon wieder.“ Er ging zur Düne hinauf zu dem älteren Herrn. Maria sah im nach und lächelte.

2.

Später saßen Maria, Hans und Wachtmeister Mario Herber im Polizeirevier in Rostock zusammen.

Maria sah zu den beiden Männern: „So, was haben wir alles?

Hans: „Nicht viel, männliche Leiche, nur Teile des Körpers übrig, Alter noch unbekannt, lag vermutlich ein Jahr im Wasser, hatte wahrscheinlich mal eine Schädelverletzung, kein natürlicher Tod, Kleidungsreste nicht vorhanden, Identität unbekannt! Wir haben Reste von einem Tau gefunden. Es ist aber nur ein kläglicher Rest.

Mehr haben wir nicht!“

„Die Befragung des älteren Herren?“ wollte Maria wissen.

„Hat natürlich nichts ergeben. Er ist gegen vier Uhr kurz vor Sonnenaufgang mit seinem Hund spazieren gegangen. Der Hund hat die Leiche gewittert. Er ist hingegangen, musste sich kurz übergeben und hat dann die Polizei gerufen! Das war es!“ antwortete Mario.

Maria sah zu Hans: „Hans, fahr in das Institut für Rechtsmedizin nach Rostock. Ich brauche einen Bericht über die Obduktion.“

Hans stand auf, ging zum Wagen und fuhr weg.

Maria holte unterdessen für sich und Mario Herber einen Kaffee am Automaten.

„Danke!“ sagte Mario.

Maria schaute Mario Herber direkt an: „Also Herr Wachtmeister, erzählen Sie mal. Was hat Sie hier an die Küste verschlagen? Erzählen Sie was über sich!“

Mario antwortete: „Warum interessieren Sie sich für mich?“

Maria lachte und sprach: „Ich weiß gern mehr über die Leute in meinem Team!“

Mario schaute etwas verwundert. „Ich gehöre zu Ihrem Team? Davon weiß ich ja noch gar nichts!“

„Jetzt schon. Mit ihrem Revierleiter habe ich gesprochen. Das ist okay!“ sagte Maria.

„Wer gehört noch zum Team?“ wollte Mario wissen.

„Nur wir drei. Bei einer Leiche, welche so lange im Wasser gelegen hat, kommt wahrscheinlich nicht allzu viel heraus. Erfahrungsgemäß werden die Ermittlungen nicht sehr lange andauern. Also junger Mann, erzählen Sie was von sich!“ forderte Maria Mario auf.

Mario hatte großen Respekt vor Maria. Er räusperte sich und sprach: „Also, ich bin 32 Jahre alt. Ich stamme aus Manaus in Brasilien. Eigentlich heiße ich Mario Antonio. Mein Rufname ist aber Mario. In Manaus habe ich auch eine Ausbildung zum Polizisten gemacht. Bin dort viel Streife gelaufen und gefahren. Es war die Hölle. Die Kriminalität ist in Brasilien sehr hoch. Kein Vergleich mit Deutschland. Da ich aber schon immer als Kind zur See fahren wollte, hatte ich den Entschluss gefasst, an die Küste zu ziehen.

Meine Urgroßeltern sind nach dem zweiten Weltkrieg von Deutschland nach Brasilien ausgewandert. Einer meiner Urgroßväter war Offizier in der deutschen Wehrmacht. Ich bin hier zwar allein. Aber das stört mich zunächst nicht.

Die Polizeiarbeit in Brasilien ist äußerst gefährlich.

Ich wollte einfach wieder dahin zurück, wo meine Familie ursprünglich herkommt. Meine Mutter ist Floristin in Manaus und mein Vater Arzt in einem Krankenhaus in Manaus.“

Maria schaute Mario etwas überrascht an: „Sie sind aber Polizist geworden. Warum sind sie nicht zur See gefahren?“

Mario holte tief Luft und sprach: „Nun ja, auch als Matrose ist es in Brasilien kein Zuckerschlecken.

Ich habe in Brasilien viel Gewalt gesehen und wollte etwas dagegen tun. Bei meinem Dienst in Manaus hatte ich aber meistens mit Drogenkrieg, Einbrüchen und Autokontrollen auf Waffen zu tun.

Auch gibt es viel Korruption. Da ich nicht hineingezogen werden wollte, wurde ich oft bedroht. Zuletzt habe ich Morddrohungen bekommen. Auch ein Grund, warum ich raus wollte aus Brasilien. Ich habe schon viele Tote gesehen. Aber so etwas wie heute habe ich dort allerdings noch nie gesehen. Deswegen musste ich mich auch übergeben. Nochmals Entschuldigung!“

Maria schüttelte den Kopf: „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Und, ich habe so etwas auch noch nicht gesehen. Ich hatte zwar schon mit ein paar Morden und Selbstmorden zu tun, aber das hier ist schon sehr heftig!“

„Naja, ein bisschen komisch ist es schon, wenn ein Polizist beim Antlitz einer Leiche kotzt, oder?“

Mario schaute Maria etwas fragend an.

Maria entgegnete: „Ach kommen Sie. Gehen wir etwas essen. Und zur Feier des Tages lade ich Sie ein. Kennen Sie sich in Rostock schon etwas aus?

Nein?“ Mario schüttelte den Kopf. „Ich kenne da ein sehr schönes kleines Restaurant am alten Hafen. Dort kann man hervorragend Fisch essen.“

Beim Essen plauderten Maria und Mario ganz ungezwungen. Mario verlor ein wenig seine Hemmungen: „Ich habe Ihnen nun viel von mir erzählt. Was ist mit Ihnen?“

Maria hob den rechten Zeigefinger und sagte lächelnd: „Oh, oh, ich bin Ihre Chefin. Ich bin eine Respektsperson! Wir arbeiten erst einen Tag zusammen.“ Sie lachte.

„Ich finde es einfach unfair.“ entgegnete Mario.

Maria nickte und sagte: „Okay. Sie haben Recht.

Also, ich lebe schon immer hier an der Küste. Ich bin hier in Rostock geboren, zur Schule gegangen, habe meine Ausbildung zur Polizistin gemacht.

Dann bin ich nach Berlin gezogen und habe dort Kriminalistik studiert. Nach dem Studium bin ich wieder hierher zurück. Hier habe ich geheiratet, zwei Söhne geboren. Seit zwanzig Jahren bin ich nun hier als Kommissarin tätig.“ Maria hielt sich kurz.

Mario ließ aber nicht locker: „Und ihr Mann, ihre Söhne?“

Maria mit gespielter Entrüstung: „Hey, wir haben kein Date! Sie wollen es aber genau wissen.“

Mario etwas verlegen: „Sie haben angefangen.

Ausgleichende Gerechtigkeit.“

Maria nickte wieder: „Na gut. Also, ich bin geschieden. Mein Ex ist Architekt und hat mich mit seiner Sekretärin betrogen. Sie ist erst Anfang zwanzig, jung und hübsch. Mein Mann verdiente sehr gut. Naja, sie kennen solche Geschichten.

Jetzt leben beide in Schweden. Mein Ältester ist Architekt wie sein Vater und lebt in London, mein Jüngster lebt in Sydney und arbeitet als Touristenführer. Ich bin also auch allein. Allerdings habe ich hier viele Freunde.“

Mario sprach leise: „Das tut mir Leid mit der Scheidung.“

Maria schüttelte den Kopf und lächelte: „Ach, das muss Ihnen nicht leid tun. Er hat mich betrogen.

Ich bin froh, dass er weit weg wohnt. Jetzt bin ich 50 und frei.“ Maria lachte. Mario sah auf und lächelte.

Da klingelte Maria ihr Mobilphone: „Hans?“

Hans: „Hallo, ich bin schon auf dem Rückweg. In zehn Minuten bin ich da.“

Maria: „Okay, bis gleich.“

Maria rief den Kellner und bezahlte. Dann gingen Sie und Mario zum Präsidium zurück. Als sie dort ankamen war Hans schon im Büro. Er zeigte Bilder auf dem großen Monitor.

„Also Hans, was hast du?“ fragte Maria Hans antwortete: „Naja. Die Leiche, oder das was von ihr übrig blieb, gibt nicht sehr viel her. Sie haben eine Genanalyse gemacht. Die DNA ist in keiner Datei. Es ist aber eindeutig eine männliche Leiche. Das Alter liegt etwa zwischen 70 und 75. Es war also ein älterer Herr. Von den Organen ist gar keine Spur mehr vorhanden. Was auffällig ist, die Schädeldecke fehlt. Es ist nicht so, dass sie durch was auch immer weggebrochen ist, sondern sie wurde höchstwahrscheinlich chirurgisch entfernt.

Dafür sind deutliche Spuren vorhanden. Es fehlen auch zwei Rippen, Bein- und Armknochen. Beim Schädel ist dies anders. Der Schädel wurde chirurgisch sehr weit geöffnet. Schnitte waren oberhalb der Augenbrauen zu sehen. Und die Schnitte waren rings um den ganzen Kopf zu sehen. Die Schädeldecke ist nur noch zum Teil vorhanden.“

Maria schaute ungläubig: „Moment mal. Willst du sagen, da hat jemand den Schädel so geöffnet, dass das gesamte Gehirn freigelegt wurde?“

sprach sie.

Hans nickte: „Genauso. Doktor Wolfram hat dir den Bericht gesendet. Er hat das noch einmal genau beschrieben.“

„Eine Hirn-OP. Aber so großflächig!“ meldete sich Mario.

Hans zeigte auf den Bericht: „Dr. Wolfram kann es nicht genau sagen, was da gemacht wurde. Vom Gehirn ist nichts mehr zu sehen. Nur am Kinn und an den Wangen sind noch ein paar Hautreste.

Und, wie gesagt, die Schädeldecke fehlt zum größten Teil.“

„Wie lange lag die Leiche, oder das Skelett im Wasser?“ wollte Maria wissen.

Hans hatte gerade einen Schluck Kaffee genommen und verschluckte sich. Nach einem Räuspern antwortete er: „Laut Dr. Wolfram lag sie etwa acht bis zehn Monate im Wasser. Es gibt Spuren an den Knochen, die, wie schon vermutet, von Zangen von Krebsen und Krabben herführen.

Ebenso gibt es Bissspuren von Fischen. Einige Spuren lassen darauf schließen, dass auch Hundsrobben dabei waren. Auch wenn diese eigentlich kein Aas fressen.“

„Hans, ich brauche eine Liste der Vermissten des letzten Jahres. Und frag auch bei Kollegen in Schweden, Dänemark und Polen nach.“ sprach Maria.

Hans: „In Ordnung.“

Maria sah zu Mario: „Mario, Sie machen mir eine Übersicht über Kliniken, welche komplizierte Hirn-OP in Deutschland, Schweden, Polen und Dänemark machen.“

Mario sah auf seinen Monitor und sagte kurz: „Okay.“

3.

Am Abend saß Maria mit ihrer Freundin Katja bei sich zu Hause zusammen. Katja war Lehrerin und ebenfalls geschieden. Sie lebte aber mit einer Frau zusammen, welche ebenfalls Lehrerin war.

Maria machte eine Flasche Rotwein auf und goss den Wein in eine große Karaffe und stellte diese auf den Couchtisch. Katja und Maria saßen beide in den Ecken der Couch und machten es sich bequem.

Maria holte tief Luft und sprach: „Heute war ein schlimmer Tag. Was wir da in Fiethagen gefunden haben, war einfach grauenvoll!“

Katja nickte: „Ja, ich habe es in den Nachrichten gehört. Muss ja ekelig sein!“

Maria verzog das Gesicht: „Ja, sehr. Ich will jetzt nicht weiter ins Detail gehen, darf ich auch gar nicht, aber es ist sehr ekelig. Wir haben da einen neuen jungen Wachtmeister. Der musste sich erst einmal übergeben.“

„Der ist wohl etwas zart besaitet?“ sagte Katja und lachte.

Maria schüttelte den Kopf: „Naja, so etwas bekommt man nicht alle Tage zu sehen. Mir war auch etwas übel.“

„Aber als Polizist sich am Tatort übergeben...!“

entgegnete Katja.

„Er ist halt noch sehr jung. Damit er sich gut ins Team einfügt habe ich ihn dann zum Mittag eingeladen.“ sprach Maria.

Katja lächelte vieldeutig: „Zum Mittag eingeladen ... Na?“

Maria lachte. „Er könnte mein Sohn sein. Er ist gerade mal 32.“

Nun lachte auch Katja: „Na und? Es wird Zeit, dass du dir wieder einen Mann suchst. Sonst wirst du noch alt und schrullig.“

Maria winkte ab: „Ach hör auf.“

„Nein. Du bist erst 50. Such dir einen Mann! Du bist doch eine attraktive Frau. Eine etwas modernere Frisur, etwas Farbe in die Haare, etwas Rouge auf die Wangen und ein zarter Lippenstift und schon wirkst du zehn Jahre jünger. Willst du den Rest deines Lebens allein im Bett verbringen?

Such dir einen Mann. Und wenn er jünger ist, als du, umso besser. Da macht es wenigstens richtig Spaß.“ Katja lächelte verschmitzt.

„Nee, nee, du denkst immer nur an das Eine.“

Maria lachte.

Katja lachte ebenso: „Naja, nicht nur, aber viel.“

Maria überlegte kurz und sprach: „Ich gebe zu. Er ist charmant, noch etwas naiv und sieht auch süß aus. Aber er ist auch ein Kollege.“

Katja entgegnete: „Na und? Dein Mann hat sich seine Sekretärin geangelt. Auf Arbeit gibt es die meisten Affären.“

Maria winkte erneut ab: „Wechseln wir das Thema. Hast du am Wochenende was vor?“

Katja nickte mit dem Kopf: „Ja habe ich. Svenja und ich müssen ihre Mutter in Wismar besuchen.

Tut mir leid.“

Maria: „Macht nichts.“

„Warum zeigst du nicht deinem jungen Kollegen ein paar Sehenswürdigkeiten in Rostock, macht eine Hafenrundfahrt. Dann lädst du ihn zu dir nach Hause ein und dann macht ihr ...!“ Katja schaute vielsagend zu Maria.

Maria unterbricht sie und winkt lachend ab: „Du bist verrückt.“

„Ich meine es nur gut mit dir. Wie lange hattest du keinen Sex mehr? Na?“ Katja ließ einfach nicht locker.

Maria wurde das Gespräch zusehends peinlich: „Hör jetzt auf mit diesem Thema!“

„Nein. Du hattest bestimmt schon ein paar Monate keinen Sex mehr! Habe ich Recht?

Bestimmt seit dem dein Mann dich verlassen hat.

Da wird es wirklich Zeit. Also, dann mal ran!“

forderte Katja Maria auf.

Maria wirkte noch einmal ab. Dann lachten beide.

Sie unterhielten sich noch bis Mitternacht. Dann verabschiedete sich Katja und ging nach Hause.

Maria räumte noch auf. Dann ging sie unter die Dusche. Danach betrachtete sie sich im Schrankspiegel. Ihr Kleiderschrank hat Spiegeltüren. Sie betrachtete sich von oben bis unten. Maria war 1,65 m groß, schlank und hatte ein rundliches Gesicht.

'Naja, so schlecht siehst du wirklich nicht aus.', dachte Maria, 'vielleicht solltest du dir wirklich einen Mann suchen. Und wenn er jünger ist? Ach Quatsch. Dir geht es doch gut Maria! Du kommst allein sehr gut zurecht.'

Als Maria zu Bett ging, lag sie noch eine ganze Weile wach. Irgendwann schlief sie dann doch ein.

Am nächsten Morgen war sie trotzdem als erste im Büro. Sie kochte erst einmal eine große Kanne Kaffee. Als Mario das Büro betrat schaute Maria ihn lächelnd an.

„Guten Morgen. Ist irgendwas? Sie schauen mich so eigenartig an!“ sprach Mario verdutzt.

Maria räusperte sich: „Nein, nein. Alles in Ordnung. Alles gut. Haben sie schon irgendwas für uns? Wie sieht es mit den Kliniken aus?“

Mario antwortete: „Deutsche Kliniken habe ich.

Heute bekomme ich Bescheide aus Polen, Dänemark und Schweden.“

„Dann geben Sie mir schon mal die deutschen Kliniken. Ich werde offizielle Anfragen machen zur Herausgabe der Daten.“ sprach Maria.

Da kam auch Hans ins Büro. Statt der Begrüßung kam zunächst nur ein lautes und genüssliches Gähnen: „Moin, Entschuldigung. Ist gestern etwas spät geworden.“

„Aja, Fußball Länderspiel. Und, haben wir gewonnen?“ wollte Maria wissen.

„Nein.“ kam die unwirsche Antwort. „Scheiß Spiel!“

Maria sah zu Mario: „Mario, nehmen sie sich heute vor Hans in acht. Er hat heute mit Sicherheit den ganzen Tag schlechte Laune.“

Hans nickte zustimmend: „Mindestens.“ sagte er.

Dann ging er zur Kaffeemaschine und nahm sich einen Kaffee. Mit hörbarem Schlürfen trank er Schluck für Schluck. Als er seinen Rechner hochgefahren hatte, blinkte auch schon eine E-Mail auf.

Hans sagte: „Ich habe hier die Liste der vermissten Personen. Also, sie ist ziemlich lang. Vom Alter her kommen mehrere Personen in Frage. Aber sie werden nicht nur in Deutschland vermisst. Auf der Liste stehen auch zwei Ärzte und zwei Ärztinnen, deutsche Staatsbürger, welche aber die letzten Jahre in Brasilien gelebt und gearbeitet haben. Sie sind wohl von einem Ausflug ins Amazonasbecken nicht mehr zurückgekommen. Die Suche hat mehrere Wochen gedauert. Sie sind nirgends wieder aufgetaucht. Eine der Ärztinnen ist hier in Mecklenburg-Vorpommern geboren. Ansonsten zwei Rentner in Dänemark, einer in Polen und einer in Deutschland, allerdings in Baden-Württemberg, und etliche Vermisste, welche aber älter oder jünger sind. Die Liste ist sehr lang.“

„Wie heißen die Ärzte?“ wollte Mario wissen.

Maria erklärte: „Hans, du musst wissen, dass unser junger Freund in Brasilien aufgewachsen ist!“

„Aha, na gut. Also, die Ärztinnen heißen Dr. Eva Hofmeier und Dr. Franziska Veloso, die Ärzte sind Dr. Paul da Silva und Dr. Claudio Branco.“

antwortete Hans.

Maria schaute zu Mario: „Und? Kennen sie einen oder eine?“

„Nein. Nie gehört.“ war die Antwort von Mario.

Maria nickte und sprach: „Gut. Der Amazonas liegt zwar bekanntlich nicht an der Ostseeküste, aber wir werden dennoch ein DNA-Profil aus Brasilien erbitten. Das werde ich tun. Ich gehe nachher zur Staatsanwaltschaft deswegen. Das gleiche gilt für die anderen Vermissten. Hans, ruf du mal in Baden-Württemberg an und erbitte Auskünfte über den vermissten Rentner dort.“

Hans hob leicht die rechte Hand: „Okay, mache ich.“

Mario meldete sich: „Ich habe gerade eine E-Mail erhalten zu den Kliniken in Dänemark und Schweden.“

„Wunderbar. Das passt ja. Geben Sie mir die Liste.

Die nehme ich gleich mit. Ich sage dem Staatsanwalt gleich, dass mit einer Liste aus Polen auch noch zu rechnen ist.“ Maria stand auf und ging zum Staatsanwalt Sörensen.

„Guten Morgen Herr Dr. Sörensen!“ sprach sie, als sie sein Zimmer betrat.

„Guten Morgen Frau Kiefer. Nehmen Sie Platz.

Was kann ich für Sie tun? Was macht der Fall des Toten aus Fiethagen?“ wollte Dr. Sörensen wissen.

Maria antwortete: „Naja, wir kommen nicht voran. Einen passenden Vermissten gibt es hier in der Gegend nicht. Wir müssen die Suche auch ausweiten auf das Ausland. Ich habe hier eine Liste von Kliniken in Dänemark und Schweden, welche Hirn-OP's durchführen. Eine Liste von vergleichbaren Kliniken aus Polen bekomme ich auch noch. Wir brauchen auch eine Rechtshilfe aus Brasilien. Dort werden vier deutsche Staatsbürger vermisst. Zwei Ärztinnen und zwei Ärzte. Eine davon ist in Stralsund geboren. Und hier ist eine Liste von deutschen Kliniken.“

Dr. Sörensen schaute sich die Liste an: „Gut. Ich kümmere mich darum. Brasilien dauert bestimmt etwas länger.“

Maria nickte: „Ich mache ebenfalls eine Anfrage an Interpol. Vielleicht gibt es ähnliche Fälle irgendwo.“

„Und sonst? Wie macht sich unser neuer junger Kollege?“ fragte Dr. Sörensen.

Maria errötete: „Herr Herber? Ähm, gut, der macht sich gut.“

„Das freut mich. Nehmen Sie ihn ruhig richtig ran!“ meinte der Staatsanwalt.

Maria nickte hastig: „Ähm, ja, natürlich. Werde ich machen.“

Maria stand auf und verabschiedete sich. Draußen holte sie tief Luft und sprach zu sich selbst: „Maria, Maria. Was ist los mit dir?“

Als sie zurück in ihr Büro kam, stürmte Mario Herber zu ihr: „Soeben ist die Liste aus Polen gekommen!“

Maria etwas verlegen: „Okay. Ahm, ich gehe gleich noch mal zu Sörensen.“

Maria schaute Mario Herber an. Der fragte: „Was ist los?“

„Ach nichts. Gar nichts. Ich überlege nur... Ach, ich gehe mal gleich zu Sörensen.“ entgegnete Maria.

Sie nahm die Liste und verließ das Zimmer. Mario sah ihr achselzuckend nach. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch und stierte aus dem Fenster.

Hans bemerkte dies. Er räusperte sich laut.

Mario zuckte zusammen: „Entschuldigung. Ich war in Gedanken.“

Hans lächelte zweideutig: „Hab ich bemerkt. Wo warst du denn? Ist sie hübsch?“

Mario winkte ab: „Was? Ach Quatsch. Ich hab nur so an gar nichts gedacht.“

Hans wiegte den Kopf hin und her: „Na klar.“

„Frau Kiefer scheint eine ganz umgängliche Frau zu sein. Etwas direkt, aber unkompliziert.“ sprach Mario so ganz nebenbei.

Hans schaute zu Mario: „Wie kommst du jetzt darauf?“

Mario holte tief Luft und sprach: „Ach, nur so.“

Hans Wegner sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen fragend an. Bevor er was sagen konnte, kam eine junge Frau ins Zimmer und brachte eine Unterlage, welche Hans Wegner entgegennahm. Dabei lächelte er die Kollegin an.

Als Maria ins Büro zurückkam, übergab ihr Hans schon die richterliche Genehmigung zur Befragung der deutschen Kliniken.

„Ging aber schnell. Hans, dann klemm dich ans Telefon.“ sprach Maria zu Hans.

„Ich habe noch etwas! Die Kriminaltechnik hat das Tau untersucht, welches bei dem Toten gefunden wurde. Zumindest den Rest.“ sprach Hans.

„Und? Spann uns nicht auf die Folter!“ sprach Maria.

„Es ist aus Sisal. Und wo wird Sisal hauptsächlich produziert?“ Hans schaute schlau in die Gesichter der Anderen.

„In Brasilien!“ sprach Mario.

„Genau!“ bestätigte Hans.

„Es wird aber auch in anderen Ländern produziert.

Und kaufen kann man das Zeug überall auf der Welt.“ meinte Mario.

„Das stimmt. Aber es ist ein Indiz. Ein sehr schwaches, aber es ist eines.“ sagte Hans.

Nach Feierabend ging Maria zum Friseur. Sie hatte zwar keinen Termin, kam aber trotzdem dran. Gut gelaunt ging sie anschließend nach Hause.

4.

Am nächsten Tag kam Maria als letztes ins Büro.

Natürlich bemerkte jeder, dass sie beim Friseur war und sich auch dezent geschminkt hatte.

Hans konnte sich eine Bemerkung nicht verkneifen: „Na Maria? Was ist denn mit dir los?

Bist wohl des Alleinseins überdrüssig?“

„Es gefällt dir wohl?“ fragte Maria zurück.

„Ja, sieht gut aus. Siehst zwanzig Jahre jünger aus.

Du passt jetzt zu unserem neuen jungen Kollegen!“ Hans lacht.

Mario schaute verlegen auf, musterte Maria und errötete etwas. Maria schaute zu ihm und fragte unverblümt: „Na? Gefalle ich Ihnen?“

Mario nickte nur kurz: „Ja. Es sieht gut aus.“ war seine kurze Antwort. Hans lachte laut auf. Jetzt wurde es auch Maria peinlich. Sie fragte schließlich: „Wie sieht es mit den angeforderten Unterlagen aus?“

Hans kramte ein paar Unterlagen vor: „Es sind alle Unterlagen im Revier. Nur eine Antwort aus Brasilien liegt noch nicht vor.“

Die Antworten aus den Kliniken waren klar und deutlich. Keine Klinik hatte Operationen