Im Land der Magie: Drei Fantasy Romane - Alfred Bekker - E-Book

Im Land der Magie: Drei Fantasy Romane E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Im Land der Magie: Drei Fantasy Romane von Alfred Bekker Über diesen Band: Der Magier der Elben (Alfred Bekker) Die Magie der Zwerge (Alfred Bekker) Die Gefährten von Elfénia (Alfred Bekker) Sein Name ist Branagorn von den Elben, Krieger und Magier aus dem Zwischenland der Elben. Er suchte die Seele seiner verlorenen Liebe Cherenwen und führte magische Experimente durch, die ihn in andere Welten verschlugen. In einer dieser Welten trifft er auf den Wikinger Gunnar und dessen wilde Horde nordländischer Barbaren. Die Suchen nach einem mächtigen Artefakt führt sie beide durch ein magisches Tor und in ein Land jenseits der Zeit... Das Zwischenland ist in großer Gefahr. Um sie abzuwenden, folgt der Elbenkrieger Lirandil einer alten Prophezeiung. Drei Zwergenkinder muss er finden: Eines ist ein Zauberlehrling, eines kennt die Zukunft und eines hat die Kraft und das Geschick eines Schmieds. Diese drei ahnen noch nicht, dass nur sie allein die Macht haben, ihre Welt vor dem Untergang zu bewahren. Wird ihnen das gelingen? Ein Suchender, ein Barbar und ein Zwerg - sie suchen das rätselhafte Land Dhum, oder Elfénia, wie es auch genannt wird, weil angeblich die Elfen es zuerst entdeckten. Der Barbar Mergun steht Edro ebenso zur Seite wie Lakyr, der Mann mit der zweiköpfigen Katze. Eine abenteuerliche Queste voller Schrecken und Wunder nimmt ihren Anfang.

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Im Land der Magie: Drei Fantasy Romane

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker, 2021.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Im Land der Magie: Drei Fantasy Romane

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Der Magier der Elben

Der Magier der Elben

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About the Author

About the Publisher

Die Magie der Zwerge: Zwergenkinder #1

DIE MAGIE DER ZWERGE

Copyright

„Drei Zwergenkinder musst du finden!“

Tomli, der Zauberlehrling

In der Klemme

In die Stadt der Zwerge!

Olba, das Zwergenmädchen

Arro der Starke

Erd-Alben

Zwei Elben in Ara-Duun

Im Thronsaal des Zwergenkönigs

Die Gefahr aus der Tiefe

Das Amulett des Ubrak

Gefährten in der Finsternis

Am Weltenriss

In der Dunkelmetall-Schmiede

In der Halle der Diebe

Nachwort

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About the Author

About the Publisher

Das Buch Edro: Die Gefährten von Elfénia (Fantasy-Roman)

Die Gefährten von Elfénia

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Im Land der Magie: Drei Fantasy Romane

von Alfred Bekker

Über diesen Band:

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Der Magier der Elben (Alfred Bekker)

Die Magie der Zwerge (Alfred Bekker)

Die Gefährten von Elfénia (Alfred Bekker)

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Sein Name ist Branagorn von den Elben, Krieger und Magier aus dem Zwischenland der Elben. Er suchte die Seele seiner verlorenen Liebe Cherenwen und führte magische Experimente durch, die ihn in andere Welten verschlugen. In einer dieser Welten trifft er auf den Wikinger Gunnar und dessen wilde Horde nordländischer Barbaren. Die Suchen nach einem mächtigen Artefakt führt sie beide durch ein magisches Tor und in ein Land jenseits der Zeit...

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Das Zwischenland ist in großer Gefahr. Um sie abzuwenden, folgt der Elbenkrieger Lirandil einer alten Prophezeiung. Drei Zwergenkinder muss er finden: Eines ist ein Zauberlehrling, eines kennt die Zukunft und eines hat die Kraft und das Geschick eines Schmieds. Diese drei ahnen noch nicht, dass nur sie allein die Macht haben, ihre Welt vor dem Untergang zu bewahren. Wird ihnen das gelingen?

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Ein Suchender, ein Barbar und ein Zwerg - sie suchen das rätselhafte Land Dhum, oder Elfénia, wie es auch genannt wird, weil angeblich die Elfen es zuerst entdeckten. Der Barbar Mergun steht Edro ebenso zur Seite wie Lakyr, der Mann mit der zweiköpfigen Katze.

Eine abenteuerliche Queste voller Schrecken und Wunder nimmt ihren Anfang.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker (https://www.lovelybooks.de/autor/Alfred-Bekker/)

© Roman by Author / COVER Jean Lon Gerone Motiv - Steve Mayer 2020

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Der Magier der Elben

Der Magier der Elben

Alfred Bekker

Published by Alfred Bekker präsentiert, 2019.

Table of Contents

UPDATE ME

Der Magier der Elben

von Alfred Bekker

Der Umfang dieser Geschichte entspricht 160 Taschenbuchseiten.

Sein Name ist Branagorn von den Elben, Krieger und Magier aus dem Zwischenland der Elben. Er suchte die Seele seiner verlorenen Liebe Cherenwen und führte magische Experimente durch, die ihn in andere Welten verschlugen. In einer dieser Welten trifft er auf den Wikinger Gunnar und dessen wilde Horde nordländischer Barbaren. Die Suchen nach einem mächtigen Artefakt führt sie beide durch ein magisches Tor und in ein Land jenseits der Zeit...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author /COVER TONY MASERO

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

1

"Herr Schmitt ..."

"Mein Name ist Branagorn. Branagorn der Elbenkrieger. Ihr könnt mich auch Branagorn den Suchenden nennen. Oder Branagorn den Elbenmagier. Oder Branagorn-der-in-vielen-Welten-war."

"In meinen Unterlagen stehen Sie als Frank Schmitt."

"Das ist eine Fehlinformation."

"Dann ist es auch eine Fehlinformation, dass Sie auf einem Hochhaus standen und sich herunterstürzen wollten?"

"Das wurde falsch interpretiert."

"Herr Schmitt ..."

"Nennen Sie mich bitte Branagorn. Nicht Herr Schmitt. Die Zeiten, da ich mich mit falschen Namen tarnen musste, sind vorbei. Viele Zeitalter lang habe ich das immer wieder tun müssen, seit dem Tag, an dem ich auf diese Welt gelangte ... Übrigens hat Ihre Vorgängerin mich ebenfalls Branagorn genannt."

"Gut. Wenn es unsere Arbeit erleichtert."

"Ich nenne Euch auch bei Eurem wahren Namen. Das ist eine Frage des Respekts, werter Herr Therapeut, der Ihr Euch des ehrgeizigen Vorhabens stellt, meine Seele zu heilen. Ich weiß, dass das nicht möglich ist und dass es für mich nur eine Linderung des Schmerzes gibt, seit ich meine große Liebe Cherenwen verlor und ihrer Seele durch Zeiten und Welten folgte ..."

"Gut, Herr Branagorn ... Darf ich fragen, was der Grund dafür war, dass Sie den Therapeuten gewechselt haben?"

"Meine vorhergehende Therapeutin war eine wundervolle Person. In ihr fand ich die Seele meiner geliebten Cherenwen wieder, denn es ist tatsächlich so, dass Seelen über den Abgrund der Welten hinweg wandern können ..."

"Nun, bei dieser ... Seelenverwandtschaft ... stellt sich ja umso mehr die Frage, weshalb es diesen Therapeutenwechsel gab."

"Es erschließt sich mir nicht, weshalb das wichtig wäre."

"Meine Vorgängerin fand, dass es ihr gerade auf Grund dieser engen Verbindung, die Sie offenbar empfinden, unmöglich sei, Ihnen zu helfen, Herr Branagorn."

"Und dabei wäre es so leicht gewesen, mir zu helfen."

"Inwiefern?"

"Ihre Seele hätte sich nur daran erinnern müssen, wer sie wirklich ist. Cherenwen! Meine geliebte Cherenwen ..."

"Erzählen Sie mir von Cherenwen ..."

"Ich wurde während der großen Seereise der Elben geboren. Unser Volk brach von seiner alten Heimat Athranor auf, um die Gestade der erfüllten Hoffnung zu erreichen. Endlos irrten wir im zeitlosen Nebelmeer herum. Wir erreichten die Gestade der erfüllten Hoffnung nie. Stattdessen fanden wir nur das Zwischenland, wo wir ein neues Elbenreich gründeten. Es war nicht das, was uns verheißen worden war, aber immer noch besser, als die Fortsetzung der endlosen Irrfahrt im Nebelmeer. Während dieser äonenlangen Seereise wurden nicht viele Kinder geboren. Da wir Elben so langlebig sind, dass uns Menschen und Zwerge für unsterblich halten, hat es in unserem Volk ohnehin nie viele Kinder gegeben. Aber während der Seereise waren es noch weniger als sonst. Ich selbst wurde während dieser Seereise geboren – und auch Cherenwen. Wir wuchsen heran und schienen füreinander bestimmt zu sein."

"Und doch haben Sie sie verloren."

"Sie litt unter einer Krankheit, die unter unseresgleichen grassierte. Wir nannten sie den Lebensüberdruss. Ihm ist auch sie erlegen, wie so viele von uns. Ich versuchte, ihrer Seele zu folgen. Seit vielen Zeitaltern war die Magie der Elben immer schwächer geworden und ich versuchte, das alte Wissen neu zu entdecken, nur angetrieben von dem Wunsch, Cherenwen wiederzufinden. Die magischen Experimente, die ich dazu durchführte, verschlugen mich in andere Welten. Es waren so viele – und auch diese, in der ich jetzt schon seit so vielen Zeitaltern lebe, wird nicht die letzte sein ..."

"Eine schöne Geschichte", sagte der Therapeut.

"Es ist die Geschichte meines Lebens", sagte Branagorn. "Eines Lebens, das verglichen mit dem Euren so unfassbar lang ist, dass Ihr Euch dies kaum vorzustellen vermögt!"

"Was hat Ihre vorhergehende Therapeutin zu diesen Geschichten gesagt?"

"Sie hat gesagt, dass wir damit arbeiten sollten."

"Ah, ja ... Und hat Sie Ihnen auch irgendwann mal gesagt, dass es vielleicht produktiver wäre, sich der Realität zu stellen?"

"Es gibt so viele Realitäten in der ganzen Vielfalt des Polyversums .... Aber Sie haben Recht, ich muss mich früher oder später einer Wahrheit stellen, die alle erwartet, selbst die vermeintlich unsterblichen Elben. Die Wahrheit der Endlichkeit. Die Wahrheit des Todes."

"Ich dachte, Elben sind unsterblich."

"Nur extrem langlebig ..."

"Ah, ich verstehe. Aber vielleicht ist das ja jetzt auch schon eine Annäherung an die Realität."

"Manchmal ist es nicht leicht, sich der Wirklichkeit zu stellen", gab Branagorn zu.

"Dann fangen Sie jetzt behutsam damit an, Herr Branagorn."

"Einverstanden."

"Und vielleicht kommen wir ja sogar so weit, dass ich Sie eines Tages Frank Schmitt nennen darf."

"Nein, der Name Frank Schmitt ist nur eine der vielen Worthülsen und Erklärungen, ohne die man in einer Welt wie dieser, in der die Magie nichts zählt, überleben kann. Man braucht einen Namen, der klingt wie tausend andere, um nicht aufzufallen. Wenn man sagt, dass die spitz zulaufende Form meiner Ohren eine Eigenart des Elbenvolkes sind, erntet man nur nur Stirnrunzeln. Man hat es leichter, wenn man sagt, dass die Form dieser Ohren Ergebnis einer Krebsoperation war."

"Das steht auch in meinen Unterlagen."

"Und Sie haben es ohne Nachzufragen akzeptiert. Hätte dort die Wahrheit gestanden ..."

"Wahrheit ist ein gutes Stichwort, das ich gerne wieder aufnehmen möchte."

"Ich wollte Ihnen von der Wahrheit meiner Endlichkeit berichten. Ich wollte Ihnen davon berichten, wie ich starb ..."

"Aber ... Verzeihen Sie mir, Herr Branagorn. Sie leben doch noch."

"Ja, aber auch mein unendlich langes Leben wird enden."

"Sie berichten mir von der Zukunft? Von etwas, dass sich noch nicht ereignet hat?"

"Die Zeit ist eine Illusion, Her Therapeut. Alle Zeiten aller Welten existieren im selben Moment. Alles, was getan werden könnte, ist schon getan. Alles, was geschehen könnte, ist schon geschehen. Und alles, was nur gedacht werden kann, ist auch irgendwo in irgendeinem Universum auch geschehen."

"Jetzt bewegen wir uns im Bereich der esoterischen Spekulation und wir wollten uns doch eigentlich der Wahrheit nähern."

Branagorn lächelte.

"Das ist keine Esoterik. Das sagen selbst jene Wissenschaftsmagier Ihrer Welt, die bei Euch theoretische Physiker oder Kosmologen heißen und die andauernd hochkomplizierte Messungen an unvorstellbar weit entfernten Objekten anstellen, nur um diese Erkenntnis, die die Elbenweisheit seit jeher kannte."

"Gut, wenn Sie das so sehen ..."

"Es kann nichts an Information gewonnen oder verloren werden, nicht einmal in einem Schwarzen Loch – und zwar deshalb, weil immer schon sämtliche Information des Universums vorhanden war."

"Ehrlich gesagt, ist das nicht so ganz mein Fachgebiet, Herr Branagorn. Ich beschäftige mich eher mit den schwarzen Löchern der Seele als den Schwarzen Löchern im Kosmos."

"Ich habe Ihnen versprochen, über die Wahrheit zu berichten. Über die letzte Wahrheit, Herr Therapeut. Ich will Ihnen berichten, wie ich gestorben bin."

Der Therapeut seufzte.

"Einverstanden, vielleicht ..."

"... können wir damit arbeiten?"

"Ja."

"Sie werden verstehen, dass man über seinen eigenen Tod nicht in der Ich-Form berichten kann. Ich werde also von mir als Branagorn in der dritten Person sprechen. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen."

"Man könnte darin eine Form der Distanzierung von der eigenen Person sehen, aber ..."

"Und es mag Sie noch etwas anderes wundern. Nämlich dass ich teilweise Dinge aus der Perspektive anderer Personen schildern werde. Das Sehen mit den Augen anderer ist eine Fähigkeit, die vielen Elben eigen ist. Wir verfügen über besondere Sinne, die das bisweilen erlauben."

"Wie auch immer ... Wenn es Ihnen ein Bedürfnis ist, darüber zu sprechen, sollten wir diesen Weg gehen."

"Gut. Sein Name war Branagorn. Und sein Leben währte schon sehr viel länger, als sich die meisten lebenden Wesen vorstellen können. Sein Verhältnis zu dem, was man die Zeit nennt, war deshalb ein vollkommen anderes, als es bei so gut wie allen anderen Geschöpfen der Fall ist, die die Vielfalt der Welten und Universen bevölkern ..."

2

Er war fremd in jener Welt.

Ein Magier aus dem Volk der Elben.

Ein Elbenkrieger, der durch magische Experimente die Seele seiner verlorenen Geliebten Cherenwen gesucht und dadurch in andere Welten gelangt war.

Sein Name war Branagorn.

Branagorn der Sucher, so hatte man ihn einst genannt.

Inzwischen hatte er nicht nur nichts von dem gefunden, was er gesucht hatte. Er hatte sich selbst verloren.

Verloren in der Vielfalt des Polyversums und seiner sich teilweise widersprechenden Möglichkeiten und Alternativen.

Sein Name war nun Branagorn der Verlorene.

Ein hochgewachsener Mann in dunkler Kutte, deren Kapuze tief ins Gesicht gezogen war, ging durch die verfallenden Straßen des nächtlichen Thalassa.

Die Stadt stellte heute nur einen Abklatsch früherer Größe dar. War sie einst die zweite Hauptstadt des Reiches der Seemeister gewesen, so wurde sie jetzt von dem sagenumwobenen Bettlerkönig beherrscht, der seine Anhänger in alle Welt aussandte. Einst, zur Zeit des Reiches der talianischen Seemeister, war Thalassa eine Weltstadt gewesen. Jetzt rochen ihre zerbröckelnden Mauern nach Moder und eine Aura des Verfalls hatte sich dieses Ortes bemächtigt. Thalassa bot dem Gesindel der gesamten Hemisphäre Unterschlupf. Piraten und Ausgestoßene trafen sich hier, Sonderlinge, Propheten verschrobener Kulte und Gelehrte, deren Lehren andernorts als Ketzerei galten.

Wie ein Schatten wirkte der Kuttenmann.

Das Licht des fahlen Mondes drang nicht in das Dunkel, das seine Kapuze erfüllte.

Von seinem Gesicht war nichts zu sehen.

Eiligen Schrittes und fast lautlos ging er durch die engen, finsteren Gassen.

Lärm, Musik und zänkisches Stimmengewirr drang aus den vereinzelten Schänken.

Hier und da wurde eine Tür oder ein Fenster geöffnet und für kurze Augenblicke drang etwas Licht in die Finsternis der Straßen Thalassas.

Die Schritte des Kuttenträgers waren schnell und zielstrebig. Er schien sehr genau zu wissen, wo sein Ziel lag.

Die sich nähernden kehligen Stimmen einiger Männer ließen ihn aufhorchen, als er in eine weitere Gasse bog.

Drei lärmende Männer kamen ihm entgegen, die offenbar schon einiges getrunken hatten. Seeleute irgendeines Piratenschiffs.

Der Kapuzenmann verbarg sich im Schatten einer Türnische und ließ die drei vorbeiziehen. Sie waren zu betrunken, um ihn zu bemerken.

Dann setzte er seinen Weg fort.

Vor der hölzernen Tür eines zweigeschossigen Hauses blieb er stehen. Er benutzte den Schlagring, um anzuklopfen.

Zunächst erfolgte keinerlei Reaktion. Erst nach dem zweiten Versuch öffnete ein alter, gebeugter Mann mit wirren weißen Haaren und einem dünnen Bart.

"Wer seid Ihr?", fragte der Alte.

"Einer, der mit dem Gelehrten Tabrimedes zu sprechen wünscht!", war die Antwort des Kuttenträgers. Er sprach leise und mit tiefer, etwas rauer Stimme. Es klang beinahe wie ein düsteres Flüstern. Er sprach zwar Bryseisch, aber mit einem eigentümlichen Akzent, der keinen Zweifel daran ließ, dass er aus einem anderen Teil Erdgards stammen musste.

Der Alte runzelte die Stirn.

"Ich bin Tabrimedes", erklärte er.

"So lass mich eintreten. Ich habe mit Euch über eine Schriftrolle zu reden, die sich gegenwärtig in Eurem Besitz befindet, Tabrimedes."

"Ich weiß nicht, wovon Ihr redet!", erwiderte der Gelehrte.

Eigentlich widerstrebte es ihm ganz offensichtlich, diesen Fremden hereinzulassen.

Aber der Kuttenmann setzte einfach einen Fuß nach vorn. Zwei Schritte und er stand in dem spärlich beleuchteten Haus. Kerzenlicht flackerte in der Zugluft. Mit dem Absatz gab der Kuttenträger der Tür einen Stoß, sodass sie zurück ins Schloss fiel.

Tabrimedes wich zurück.

Der Kuttenträger schob den Riegel vor die Tür.

"Es ist viel Gesindel in der Stadt", erklärte er dazu.

"Jetzt sag mir, was Ihr wollt, Fremder!", forderte Tabrimedes jetzt unmissverständlich.

Aber ein angstvolles Zittern schwang in seiner Stimme mit. Sie hatte einen leicht vibrierenden Klang, drohte sich zu überschlagen. Der Gelehrte schluckte.

Der Kuttenträger legte seine Kapuze zurück. Das hagere Gesicht eines grauhaarigen, bärtigen Mannes wurde sichtbar. Der Teint war dunkel. Und der Blick der dunklen, beinahe schwarzen Augen hatte eine geradezu hypnotische Intensität, die Tabrimedes unwillkürlich erschauern ließ.

Nie zuvor war ihm ein vergleichbarer Blick begegnet.

"Verzeiht meine Unhöflichkeit", sagte der Kuttenträger schließlich nach einer längeren Pause des Schweigens. "Mein Name ist Branagorn. Und genau wie Ihr habe ich Jahre meines Lebens dem Studium der Magie und der alten Schriften gewidmet."

"Ich habe Euren Namen noch nie zuvor gehört", meinte Tabrimedes stirnrunzelnd.

Ein dünnes Lächeln spielte um Branagorns Lippen.

"Das ist gut möglich", sagte er und hob dabei die Schultern. "Ich bin hier, um mit Euch über eine Schrift zu sprechen, die über verschlungene Pfade in Euren Besitz gelangt ist ..."

"Oh, das gilt gewiss für viele Schriften, die ich in meiner Privatbibliothek im Laufe vieler Jahrzehnte gesammelt habe!", erwiderte Tabrimedes.

"Ich spreche von der Rolle der geheimen Worte ..."

Tabrimedes schluckte. Er öffnete halb den Mund, so als wollte er etwas erwidern. Aber kein einziges Wort kam über seine Lippen.

"Ich bin nicht im Besitz dieser Rolle!", behauptete er schließlich und wich noch ein paar Schritte weiter vor dem Fremden, der sich Branagorn genannt hatte, zurück.

Dessen Stimme bekam jetzt einen bedrohlichen Unterton.

"Jahre schon jage ich dieser Schrift hinterher, habe jede Station ihres Aufenthalts verfolgt, bin ihr über Meere und Kontinente nachgereist. Ich verfolgte ihren Weg über Meknesch und Lyonesse, über das Meer der fünf Winde nach Bryseia. So traf ich einen Händler von zweifelhaftem Ruf, der sich mitunter wohl auch als Pirat versucht, wenn die Geschäfte schlecht gehen. Ein schmalgesichtiger Khaaradin namens Salid al-Dosi. Ich bin überzeugt davon, dass Ihr Euch an seinen Namen erinnern werdet!"

"Nein! Ich habe diesen Mann nie getroffen!"

Branagorn lächelte zynisch. "Ich glaube kaum, dass dieser Salid al-Dosi mich angelogen hat. Mir stehen nämlich sehr wirkungsvolle Methoden zur Verfügung, um die Wahrheit aus jemandem herauszuholen. Wenn Ihr versteht, was ich meine ..."

Tabrimedes versuchte, sich vor dem Kuttenträger in Sicherheit zu bringen. Aber sein Körper war von einem Augenblick zum nächsten wie gelähmt. Er vermochte sich nicht mehr zu bewegen. Alles, was er noch vermochte, war seine Augäpfel zu drehen und zu sprechen.

Branagorn trat nahe an den Gelehrten heran.

Tabrimedes starrte den Fremden entsetzt an. Für einige Augenblicke waren Branagorns Augen vollkommen schwarz. Nicht ein bisschen Weiß war noch zu sehen. Diese Erscheinung verschwand allerdings schon nach einigen Momenten. "Ich verfüge über Kräfte, von denen selbst ein Mann wie Ihr keinen Begriff haben dürfte. Und jetzt zeigt mir die Schriftrolle, die ich suche ..."

"Nein ...", krächzte der Gelehrte.

Dann begann er plötzlich zu röcheln, so als ob er keine Luft mehr bekam. Sein Gesicht verfärbte sich, wurde dunkelrot.

"Nicht ...nein ...", keuchte er.

Noch einmal wurden die Augen des Kuttenträgers für einen kurzen Moment vollkommen schwarz. Branagorns Gesicht verwandelte sich dabei in eine hasserfüllte, verzerrte Maske.

Tabrimedes schrie auf.

Dann entließ Branagorn den Gelehrten aus dem Griff seiner magischen Kräfte.

Tabrimedes rang nach Luft, keuchte. Er hielt sich an der Wand fest.

"Ihr müsst ein Hexer sein, der sich der schwarzen Magie bedient!", brachte er dann hervor. "Anders kann ich mir das nicht erklären ..."

"Es ist mir gleichgültig, was Ihr darüber denkt, Tabrimedes. Mich interessiert nur die Schriftrolle. Und Ihr werdet sie mir geben."

Tabrimedes nickte. Er sah wohl ein, dass er keine Möglichkeit hatte, sich gegen das Ansinnen dieses Mannes zu wehren.

"Folgt mir, Branagorn."

Während Tabrimedes das sagte, rieb er sich den Hals.

Er führte den Kuttenträger in einen anderen, von Kerzenlicht erfüllten Raum. Der flackernde Schein ließ Schatten an den Wänden tanzen. Überall lagen alte Folianten und Schriftrollen herum.

"Wie ich sehe, habe ich Euch bei Euren Studien gestört, Meister Tabrimedes ..."

Der Gelehrte holte einen zylindrischen Behälter hervor und reichte ihn Branagorn. "Die Rolle, die Sie suchen, befindet sich darin!", behauptete er.

Branagorn öffnete den Behälter, holte vorsichtig die enthaltene Rolle hervor. Den Behälter ließ er zu Boden fallen. Dann entrollte er vorsichtig das Schriftstück.

Jahrelang bin ich diesem Schatz hinterhergejagt!, ging es ihm durch den Kopf. Ein Magier aus der Spätzeit des untergegangenen Reiches Kal-Makat hatte die 'Rolle der geheimen Worte' verfasst. Eine schier unvorstellbare Irrfahrt hatte dieses Dokument anschließend hinter sich gebracht. Aber jetzt gehört es mir!, dachte Branagorn. Das letzte Stück, das mir in dem großen Mosaik noch gefehlt hat ...

Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte Branagorn eine Bewegung.

Tabrimedes schnellte auf ihn zu. In seiner Rechten blitzte ein Dolch.

Der Gelehrte holte zum Stoß aus.

Mitten in der Bewegung hielt er inne. Seine Hand mit der Klinge zitterte. Wie von einer unsichtbaren Kraft abgelenkt, fuhr ihm der Dolch dann selbst in die Brust. Röchelnd sank er zu Boden.

Für Sekunden waren Branagorns Augen wieder vollkommen schwarz.

Er blickte zu den am Boden liegenden Gelehrten hinab.

Wie es scheint, habe ich ihn unterschätzt!, überlegte er. Tabrimedes kannte offenbar die immense Bedeutung dieser Schriftrolle ...

"Makanet Tephrenet ktogafon ...", murmelte der Mann in der Kutte. Formelhafte Worte in einer längst vergessenen Sprache, die schon Äonen über keines Menschen Lippen mehr gekommen waren.

3

Wochen später ...

"Bei Thors Hammer!", entfuhr es Gunnar Erixon Wolfsauge. "Ein bryseisches Handelsschiff! Darauf habe ich gewartet!" Der große, hellhaarige Kapitän und Schiffseigner stand am Bug des Wikinger-Langschiffs MEERWOLF. Die Gischt spritzte hoch empor, das Segel wurde von dem kräftigen Wind gebläht, der über die Meeresstraße zwischen den Küsten Talians und Bryseias wehte.

Die MEERWOLF war eine Skaid, worunter man ein nordisches Kampfschiff neuerer Bauart verstand, vierzig Meter lang, acht Meter breit und mit etwa zweihundert Kriegern bemannt. Am Bug befand sich der charakteristische Drachenkopf, der die Wikinger-Schiffe als Schrecken der Meere kennzeichnete.

"Es wurde Zeit, dass wir endlich auf Beute stoßen", murmelte Ragnor Einauge, ein mächtiger Mann mit grauem Bart, der jetzt neben Gunnar Erixon getreten war. "Die Männer wurden schon unruhig."

Gunnars Hand schloss sich um den Griff des Breitschwertes, das er an der Seite trug.

"Ich hoffe nur, dass dieser bryseische Segler die Mühe auch lohnt und wertvolle Fracht an Bord hat."

Ragnor Einauge lachte rau.

"Wie die Barkasse eines Stadtfürsten sieht diese Nussschale nicht gerade aus, Gunnar!"

Die Männer stimmten ein wildes Kriegsgeheul an.

Die MEERWOLF fuhr seitlich auf den bryseischen Segler zu, näherte sich ihm von der dem Wind zugewandten Seite. Das war Taktik. Irgendwann würde das Quadratsegel, das von dem Gaffel der MEERWOLF hing, dem bryseischen Handelssegler im wahrsten Sinn des Wortes den Wind aus den Segeln nehmen.

Das Handelsschiff war ohnehin viel schwerfälliger, was die Manövrierfähigkeit anging.

Unter den Bryseiern brach offensichtlich Panik aus. Hektische Aktivität war zu beobachten. Die wirren Schreie drangen durch das Tosen der Gischt bis zu den Wikingern an Bord der MEERWOLF hinüber und stachelte die Freibeuter nur noch mehr an.

"Mehr Steuerbord!", rief Gunnar in Richtung von Krune Drygvarrson, dem ersten Steuermann des Drachenschiffs. "Diese fette Beute soll uns nicht entkommen."

Bogenschützen gingen in Stellung und schossen ihre Pfeile in Richtung des Handelsseglers. Manche der Pfeilspitzen schnitten in die Segel hinein, andere bohrten sich in die Körper der bryseischen Seeleute.

Erste Todesschreie gellten über das Meer.

Einige Bryseier versuchten ebenfalls, mit dem Bogen zurückzuschießen. Pfeile sirrten durch die Luft. Aber kaum einer erreichte auch die MEERWOLF. Hastig und schlecht gezielt glitten die meisten von ihnen ins Wasser.

Dann war die MEERWOLF bis auf wenige Meter an das Handelsschiff herangekommen.

Einer der Wikinger schleuderte eine Wurfaxt über die Reling des Handelsschiffs und traf einen der Bryseier mitten in der Stirn.

Die Segel des bryseischen Schiffes hingen schlaff vom Mast. Enterhaken wurden hinübergeworfen, hakten sich fest.

An dicken Tauen zogen die Krieger des Nordens den bryseischen Segler näher an ihr eigenes Schiff heran.

Gleichzeitig wurden die Segel der MEERWOLF losgelassen, sodass das Drachenschiff innerhalb weniger Augenblicke fast vollkommen die Fahrt verlor.

Die MEERWOLF legte sich jetzt längsseits des bryseischen Seglers.

Ein Pfeil durchdrang die Brust eines Wikingers. Getroffen kippte er über die Reling der MEERWOLF hinein in die Fluten.

Doch der bryseische Schütze kam nicht mehr dazu einen zweiten Pfeil einzulegen, denn Yggron Schädelspalter hatte seine Wurfaxt herausgerissen und mit einer wuchtigen Bewegung in Richtung des Gegners geschleudert.

Mitten in die Stirn wurde der bryseische Bogenschütze getroffen. Nicht einmal mehr für einen Schrei blieb ihm noch Zeit.

Für die nordischen Seefahrer gab es jetzt kein Halten mehr. Gunnar Erixon, der Kapitän der MEERWOLF, kletterte als einer der Ersten an Bord des bryseischen Seglers.

Dicht hinter ihm Thorbjon Axtmann, der eine gewaltige Streitaxt schwang, um damit Tod und Verderben unter den bryseischen Seeleuten zu säen.

Etwas zischte durch die Luft.

Gunnar duckte sich im letzten Moment. Eine scharfe, blitzende bryseische Klinge schnellte dicht über ihn hinweg.

Den nächsten Hieb parierte Gunnar mit seinem eigenen Schwert. Metall schlug klirrend auf Metall.

Der Bryseier holte erneut aus, aber ehe er seinen Schlag wirklich anbringen konnte, hatte Gunnar Erixon Wolfsauge ihm den Kopf vom Rumpf getrennt.

Überall auf dem Schiff war jetzt Waffengeklirr zu hören. Es mischte sich mit den Schreien der Sterbenden und den barbarischen Kriegsrufen der Wikinger.

Der Übermacht der geballten Kampfkraft der Wikinger hatten die bryseischen Seeleute auf Dauer nichts entgegenzusetzen.

Die Verteidiger waren zum Untergang verurteilt. Einer nach dem anderen sank blutüberströmt auf die Planken oder in die salzige See.

Thorbjon Axtmann ließ seine gewaltige, fast schon monströs wirkende Streitaxt kreisen.

Yggron Schädelspalter hieb mit einem einzigen Schwertstreich seinen Gegner in der Mitte durch.

Gunnar drang indessen ins Innere des Schiffes vor. Es stieg eine schmale Treppe hinab, die unter Deck führte.

Ein Mann in einem dunkelroten, tunikaartigen Gewand stürmte ihm entgegen.

Sein dunkles Haar kräuselte sich etwas und zeigte Ansatz zur Lockenbildung. Die eine Hand umklammerte ein langes, schlankes Schwert, die andere einen Wurfspeer. Das Gesicht dieses Mannes war zu einer Maske der Wut verzerrt.

Er schleuderte seinen Speer. Gunnar wich zur Seite. Nur eine Handbreit neben ihm fuhr der Speer entlang und zerschmetterte eine der Sprossen jener Holztreppe, über die Gunnar soeben hinabgestiegen war.

Mit der Wucht derselben Bewegung stürzte der Bryseier nun vorwärts, ließ dabei das Schwert kreisen. Seine Hiebe folgten rasch aufeinander.

Gunnar vermochte sie nur mit Mühe zu parieren. Er wich aus, taumelte zu Boden.

Der Bryseier war über ihm, fasste das Schwert mit beiden Händen, um Gunnar Erixon Wolfsauge den Todesstoß zu versetzen, als sich ein Pfeil in die Brust des Bryseiers bohrte.

Mit einem verständnislosen Ausdruck in den Augen sank er zu Boden.

Gunnar kam wieder auf die Füße. Er atmete tief durch, blickte dann hinauf zu jener Luke durch die er hinabgestiegen war.

Dort sah er das breite bärtige Gesicht von Yssgar Bogenschütze.

"Das war knapp, Kapitän", sagte Yssgar. Er stieg jetzt ebenfalls hinab, übertrat dabei die von dem Speerwurf zerstörte Sprosse.

Oben, an Deck, war der Kampflärm inzwischen abgeebbt. Die Schreie der Sterbenden verstummten.

Gunnar legte Yssgar eine Hand auf die Schulter.

"Du hast etwas gut bei mir, Yssgar."

Yssgar Bogenschütze lachte dröhnend.

"Ich denke, bei dieser Fahrt werden sich noch genügend Gelegenheiten ergeben, bei denen du dich revanchieren kannst, Kapitän."

"Da magst du wohl Recht haben", nickte Gunnar.

Yssgar ließ kritisch den Blick umherschweifen.

Einige Kisten und Fässer standen in diesem Raum herum und waren durch Taue gut befestigt, damit sie während der Fahrt bei hohem Seegang nicht in Bewegung gerieten.

Yssgar zog sein Schwert, hieb eines der Taue durch und kantete eine der zugenagelten Kisten auf.

Er verzog angewidert den Mund.

"Eingelegtes Salzfleisch, pah und Stockfisch."

"Hast du Kisten voller Gold erwartet?", fragte Gunnar.

Yssgar grinste.

"Jedenfalls wäre mir das lieber als dieser Fraß hier."

Eine hochaufgeschossene Gestalt schälte sich aus dem Halbdunkel des Laderaums heraus.

Die Gestalt trug einen kuttenartigen Kapuzenmantel. Unwillkürlich fasste Gunnar den Schwertgriff fester und auch durch die Gestalt von Yssgar Bogenschütze ging ein Ruck. Seine Rechte ließ das Schwert fallen. Mit einer behänden, sehr schnellen Bewegung zog er einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn in den Bogen ein.

"Ich warne euch", sagte die Gestalt mit dunkler Stimme. "Wenn ihr mich tötet, so werdet ihr es bereuen."

Der Unbekannte hatte Bryseisch gesprochen, eine Sprache, die Gunnar Erixon einigermaßen beherrschte.

Gut zehn Sommer war es jetzt schon her, dass Gunnar auf dem Handelsschiff seines Onkels Magnus Leifson angeheuert hatte und zum Steuermann ausgebildet worden war.

Magnus Leifson Fahrten hatten oft in die Städte Bryseias geführt und in jener Zeit hatte Gunnar Erixon gelernt, wie man ein Schiff führte und wie man es dabei anstellte, dass man die Elemente zu Freunden hatte.

All dies kam dem Kapitän, da er mit eigenem Schiff und auf eigene Rechnung auf Raubfahrt ging, sehr zugute.

Ebenso die Kenntnisse über die bryseischen Städte und Handelsplätze, die er damals erworben hatte. Denn auch geraubtes Gut wollte irgendwo und irgendwann wieder in klingende Münze verwandelt werden, wobei es Gunnar Erixon Wolfsauge ziemlich einerlei war, welcher Herrscher diese Münzen jeweils geprägt hatte.

Der Unbekannte legte jetzt seine Kapuze zurück. Sein grauhaariger Kopf kam zum Vorschein.

Die spitzen Ohren gaben ihm etwas Nichtmenschliches. Die Augen schienen eine beinahe hypnotische Kraft zu haben, der man sich schwer entziehen konnte.

Mit einem stechenden Blick musterte der Bärtige die beiden Wikinger.

"Ich bin der Kartenleser dieses Schiffes und mein Wissen könnte euch von großem Nutzen sein."

Die Augen des Unbekannten verengten sich plötzlich, wurden zu schmalen Schlitzen. Sein Gesicht bekam einen äußerst angespannten Ausdruck.

Yssgar Bogenschütze schrie auf, riss den Bogen empor. Der Pfeil schoss in die Decke, blieb in dem dunklen Holz stecken und zitterte dabei, während der Bogenschütze rückwärts zu Boden ging.

Yssgars Augen waren schreckgeweitet.

Gunnar stand wie erstarrt da, musterte kurz den Bogenschützen. Nie zuvor hatte Yssgar so etwas erlebt.

Gunnar nahm das Schwert mit beiden Händen.

"Bei den einfältigen Göttern Bryseias, wer bist du?", fragte er den Fremden.

Das Lächeln, das jetzt auf seinem Gesicht erschien, troff nur so vor Verachtung und Zynismus.

"Immerhin beherrschst du die Sprache der Zivilisation gut genug, um in ihr fluchen zu können", stellte er fest. "Das kann nicht jeder Barbar von sich behaupten."

Vollkommen unerschrocken trat der Mann einen Schritt nach vorn.

"Mein Name ist Branagorn", erklärte er.

"Das ist kein bryseischer Name", stellte Gunnar fest. "Und selbst ich, der ich ja nur ein Barbar bin, höre den Akzent mit dem du sprichst."

"Du hast Recht. Ich bin kein Bryseier."

Yssgar Bogenschütze, der kaum Bryseisch sprach und diese Unterhaltung nicht verstanden hatte, streckte die Hand aus. Er schluckte dabei.

"Dieser Mann ist von einem Dämon besessen", stieß er hervor. "Er hat Kräfte, die sich nicht mit den Gesetzen der Natur in Einklang bringen lassen. Irgendeine Art von Magie scheint er anzuwenden."

Yssgar erhob sich. Er wollte nach dem Bogen greifen, aber Gunnar schüttelte den Kopf.

"Bevor wir ihn erschlagen, lassen wir ihn doch noch erzählen", forderte der Kapitän.

Gunnar war sich nicht sicher, ob sein Gegenüber auch Nordska verstand.

"Du hast gesagt, du seiest Kartenleser", wandte er sich dann in bryseischer Sprache an Branagorn.

"Das ist richtig", nickte dieser.

"Wohin wart ihr unterwegs?"

"Die Reise dieses Schiffes sollte nach Deshor führen. Es ging darum, einen Schatz von kaum vorstellbarem Wert zu bergen."

"In Deshor?", höhnte Gunnar. "Nach allem, was ich über dieses Land gehört habe, besteht es aus Wüsten, Sand und Ruinen, die hin und wieder vom Wind freigelegt werden."

"Du bist vielleicht nicht ganz so weltläufig wie du glaubst, Barbar. Im Übrigen habt ihr alle erschlagen, die mit mir diesen Schatz zu bergen hofften. Ich schlage daher vor, dass wir uns zusammentun. Ich brauche ein Schiff und eine Mannschaft und nach allem, was ich über die Wikinger weiß, sind sie für die Aussicht auf Reichtum jedes nur erdenkliche Risiko einzugehen."

"Gut", sagte Gunnar. "Wir nehmen dich mit, als unseren Gefangenen."

Branagorn lachte laut auf.

"Du kannst das nennen wie du willst, Barbar, aber im Endeffekt werden wir beide Partner sein, gleichberechtigte Partner. Denn ohne mein Wissen wirst du diesen Schatz nie erringen können. Dir wird nichts anderes übrig bleiben, als mit mir zusammenzuarbeiten. Mal davon abgesehen, dass es nicht so leicht ist, mich zu erschlagen. Das haben schon ganz andere versucht."

Er streckte die Hand aus. Der Bogen, den er zuvor Yssgar mit Hilfe seiner geheimnisvollen Kräfte entrissen hatte, schwebte jetzt empor direkt in die Hand des Bogenschützen. Branagorn murmelte dabei etwas vor sich hin, das in den Ohren der beiden Nordmänner wie sinnlos aneinandergereihte Silben klang.

4

Gunnar und seine Männer ließen den bryseischen Segler brennend zurück. Hoch loderten die Flammen empor. Die Rauchfahne wurde vom Wind in Richtung der Küste Bryseias geweht.

An Bord der MEERWOLF wurde das Segel gesetzt. Der stärker werdende Wind drehte und kam nun zunehmend aus Richtung Nord, aber er war stark genug die Segel zu blähen und sehr schnell eine immer größer werdende Distanz zu dem Wrack des bryseischen Seglers zu schaffen.

Branagorn, dieser geheimnisvolle mit magischen Fähigkeiten ausgestattete Mann, hielt sich im Heck der MEERWOLF auf, dort wo Krune Drygvarrson mit seinen kräftigen Pranken das Ruder hielt.

Die Ruderriemen waren eingezogen worden. Ein Wikinger ruderte normalerweise nur dann, wenn es aus irgendwelchen Gründen nicht möglich war segelnd vorwärtszukommen, bei Flaute oder wenn man einen Flusslauf stromaufwärts fahren wollte.

"Ich weiß nicht, ob es wirklich eine gute Idee war, diesen eigenartigen Mann an Bord zu nehmen", sagte Yssgar Bogenschütze an Thorbjon Axtmann gewandt.

Die beiden Männer hielten sich am Bug des Schiffes auf.

Thorbjon zuckte die Achseln. "Unser Kapitän wird schon wissen, was er tut."

"Das will ich hoffen."

"Du bist doch sonst nicht so ängstlich, Yssgar", lächelte Thorbjon.

Yssgar ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. "Bei Kjull, dem Gott des Schabernacks und der Zauberei, ich habe die Kraft gespürt, die in diesem Mann schlummert."

Thorbjon Axtmann hörte stirnrunzelnd zu, während sein Gegenüber zu einer dramatischen Erzählung jener Ereignisse ansetzte, die sich unter Deck abgespielt hatten.

Schließlich zuckte Thorbjon mit den Schultern.

Gunnar, der sich unterdessen im Heck der MEERWOLF befand, wandte sich an Krune Drygvarrson, dem Steuermann, und machte eine Bewegung mit der Hand.

"Halte dich weiterhin in Richtung der bryseischen Küste", forderte er. "Dort ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass wir noch auf lohnendere Beute stoßen als auf diesen Segler."

"Eine so armselige Beute habe ich selten erlebt", meinte Krune.

Ein paar Waffen, Ausrüstungsgegenstände und Vorräte hatten die Wikinger an Bord der MEERWOLF gebracht. Eine Beute, die den Aufwand kaum gelohnt hatte.

Wenn diese Pechsträhne weiter anhält, werden die Männer unruhig werden, dachte Gunnar Erixon Wolfsauge.

Von früheren Fahrten wusste er nur zu gut, dass es in so einem Fall kritisch werden konnte.

Gunnar drehte sich zu Branagorn herum, der gedankenverloren der Rauchsäule des brennenden bryseischen Seglers nachsah.

"Was ist das für ein Schatz, von dem du gesprochen hast?", fragte der Kapitän.

Branagorn lächelte mild.

"Ich sehe du hast Blut geleckt, Wikinger. Genauso wie ich es mir gedacht habe. Der Gedanke daran, mit wenig Mühe einen sagenhaften Reichtum ernten zu können, lässt dich nicht los."

Ein spöttischer Zug erschien in Gunnars Gesicht.

"Mehr als hohle Worte scheint mir bisher nicht hinter deinem Gerede zu stecken, Branagorn. Oder willst du etwa behaupten, dass du mit dieser bryseischen Nussschale wirklich und wahrhaftig Richtung Deshor unterwegs warst?"

Branagorn hob die Schultern.

"Es war mir leider nicht möglich in Thalassa ein besseres Schiff zu bekommen", erklärte er.

"So, von Thalassa aus bist du aufgebrochen", echote Gunnar.

Die Ruinenstadt stellte heute nur einen Abklatsch einstiger Größe dar. War sie früher die zweite Hauptstadt des Reiches der Seemeister gewesen, so wurde sie jetzt von dem sagenumwobenen Bettlerkönig beherrscht und bot dem Gesindel der gesamten Hemisphäre Unterschlupf. Piraten und Ausgestoßene trafen sich dort.

Branagorn trat einen Schritt auf Gunnar zu.

Er machte jetzt einen geradezu beschwörenden Gesichtsausdruck. Die kühle abgeklärte Distanziertheit, die sonst sein Mienenspiel kennzeichnete war von einem Augenblick zum anderen von ihm abgefallen.

"Ich brauche ein neues Schiff", stieß er hervor. "Und ganz gleich, wer der Kapitän dieses Schiffes sein wird, er wird als reicher Mann von dieser Reise zurückkehren."

"Du verkennst deine Lage, Branagorn", lachte Gunnar. "Du bist ein Gefangener und den Kurs bestimme ich ganz allein."

"Du magst ein Barbar aus dem Norden sein, aber du bist nicht dumm", stellte Branagorn fest. "Einst erstreckte sich zu beiden Seiten des großen Stromes Sabil das uralte Reich Kal-Makat. Seine erhabenen Tempel, die Häuser seiner Städte sind größtenteils zu Staub zerfallen, aber ein Teil davon liegt noch unversehrt unter dem Wüstensand. Immer wieder stoßen khaaridische Karawanen auf vor Jahrtausenden verlassene Geisterstädte."

"Geisterstädte?"

"Der Sabil hat oft sein Bett verändert und so lagen sie ehedem wohl in der Uferzone. In einer dieser Ruinenstädte stieß ich auf einen Schatz von schier unvorstellbarer Größe. Gold, Silber, mehr davon, als man auf deinem Schiff laden könnte."

"Warum hast du diesen Schatz nicht selbst geborgen, wenn du schon einmal da warst?", fragte Gunnar.

Branagorn hob die Augenbrauen.

"Ich war mir einer kleinen Gruppe khaaridischer Begleiter dort", berichtete er. "Karawanenführer, die ich angeheuert hatte. Durch das Studium uralter Karten war mir die Lage dieser Ruinenstadt bekannt. Ich ließ die Khaaradin so viel von dem Zeug aufladen, wie die wenigen Kamele, die wir bei uns hatten, zu tragen vermochten. Allerdings wurden wir unterwegs von Räubern überfallen. Nur wenige Stücke konnte ich retten."

Er griff in die Taschen seines weiten Mantels, holte ein Amulett hervor. Zweifellos war es aus Gold. Fremdartige Schriftzeichen, die Gunnar Erixon Wolfsauge nie zuvor gesehen hatte und denen er auch kein bekanntes Alphabet zuzuordnen vermochte, waren in das Edelmetall eingraviert worden.

Branagorn gab Gunnar das Amulett.

"Behalte es, Kapitän."

Gunnar hielt das Amulett ins Licht, fuhr dann mit der Fingerkuppe darüber. Immerhin gab es jetzt so etwas wie einen greifbaren Beweis für die Geschichte Branagorns. Aber noch immer hatte Gunnar Erixon Zweifel. Er traute diesem Mann einfach nicht.

"Zurück zu deiner Geschichte", begann der Wikinger. "Unter Deck des bryseischen Seglers habe ich gesehen, dass du über erstaunliche Kräfte verfügst. Immerhin hast du meinen besten Bogenschützen außer Gefecht gesetzt, der dir liebend gern einen Pfeil ins Auge gejagt hätte."

"Ich bin ein umfassend gebildeter Gelehrter und war als solcher in verschiedenen Städten Bryseias tätig", berichtete Branagorn. "Unter anderem habe ich mich auch mit der Kunst der Magie befasst."

"Warum habt ihr diese Kunst dann nicht gegen jene Räuber angewandt, die euch damals in der Wüste von Deshor überfielen?"

"Gleich zu Beginn des Kampfes bekam ich einen Pfeil in den Rücken", sagte Branagorn. "Diese Verwundung setzte mich zunächst vollkommen außer Gefecht und ohne meine magischen Heilkräfte hätte ich jenen Tag auch nicht überlebt. Im Übrigen machst du dir vielleicht eine falsche Vorstellung von meinen Fähigkeiten."

"Dann erkläre es mir genauer", forderte Gunnar.

"Ich verfüge über gewisse Kräfte, die ich durch Konzentration meines Geistes mobilisieren kann, aber das ist oft abhängig von den Umständen, von der Umgebung. Die Hilfe übernatürlicher Wesen lässt sich nicht überall herbeirufen und im Übrigen sind meine Kräfte begrenzt, auch wenn dich mein Kunststück im Lagerraum des bryseischen Seglers anscheinend beeindruckt hat."

Gunnar verzog das Gesicht.

"In einem scheinst du jedenfalls unschlagbar zu sein, Branagorn."

Der Magier hob die Augenbrauen. "Wovon sprichst du?"

"Von deiner Fähigkeit für alles eine Erklärung zu finden."

"Ich spreche nichts als die Wahrheit und ich gebe dir, unverdientermaßen und nur durch die Umstände begründet, die Möglichkeit, ein reicher Mann zu werden. Alles, was du tun musst, ist zur Mündung des Sabil zu segeln, dann flussaufwärts bis zu einem Punkt, den nur ich kenne, um schließlich ein paar Meilen landeinwärts zu der Ruinenstadt zu reisen, von der ich gesprochen habe. Ein Ort voller Reichtümer, den die Zeit und die Welt vergessen haben."

Der Magier machte eine weit ausholende Handbewegung. "Frage deine Männer, was sie darüber denken. Vielleicht können sie deine Zweifel zerstreuen."

Ein teuflisches Lächeln spielte jetzt um seine dünnen Lippen. "Oder sollte ich das vielleicht tun?"

Bis jetzt hatten sie Bryseisch miteinander gesprochen, sodass die Männer von dieser Unterhaltung kaum etwas mitbekommen hatten. Sofern überhaupt, so sprachen die Besatzungsmitglieder der MEERWOLF nur sehr schlecht die Sprache Bryseias.

"Vielleicht ist es doch besser, wenn du sie vor diese Frage stellst", fuhr der Magier indessen fort, "denn meine Kenntnisse in Nordska sind nicht so gut, dass ich mich besonders gewählt ausdrücken könnte."

Diese Sprache spricht er auch, ging es Gunnar durch den Kopf. Dieser Mann schien tatsächlich so etwas wie ein Universalgelehrter zu sein. Ein Mann allerdings, der mit seinen Fähigkeiten eher hinter dem Berg hielt als sie offen zu demonstrieren.

Gunnar betrachtete das goldene Amulett mit den eigenartigen Schriftzeichen. Warum eigentlich nicht, ging es ihm dann durch den Kopf. Nicht zum ersten Mal würde er mit der MEERWOLF einen Fluss hinaufrudern.

"Ich werde die Männer fragen", versprach Gunnar, aber im Grunde seines Herzens war die Entscheidung längst gefallen. Die Neugier hatte ihn gepackt, was es mit diesem Schatz auf sich hatte. Die Gier nach Reichtum hatte Besitz von ihm ergriffen.

"Solltest du gelogen haben, Magier, dann werde ich dich töten!"

5

Stunden vergingen.

Die MEERWOLF war mit gutem Wind in südliche Richtung gesegelt.

Gunnar zögerte noch, auf den Vorschlag des Magiers einzugehen. In der rechten Hand hielt er das goldene Amulett.

Immerhin, ganz aus der Luft gegriffen konnten die Erzählungen des Magiers nicht sein. Irgendwoher musste das Gold, aus dem dieses Amulett geschmiedet war, schließlich stammen.

"Hört her, ihr Männer!", rief er schließlich. Er hielt das Amulett empor. "Dieses Gold stammt aus einem Schatz, der in einer Ruinenstadt in Deshor verborgen liegt. Jedenfalls sagt das unser Gefangener Branagorn. Wir werden also zur Mündung des Sabil segeln und dieser Mann hier", Gunnar deutete auf Branagorn, "wird uns zu jenem Ort führen, an dem er dies hier fand."

Ein Großteil der Männer war hellauf begeistert.

"Das hört sich endlich mal nach guter Beute an", rief Yggron Schädelspalter und Thorbjon Axtmann teilte seine Begeisterung. "Zu lange hat uns das Pech verfolgt, aber es scheint als würden wir jetzt auf der Gewinnerseite stehen."

Als der erste Tumult sich gelegt hatte, meldete sich Yssgar Bogenschütze zu Wort. Sein Gesicht wirkte grimmig, die Augen waren zu schmalen Schlitzen zusammengezogen. Seine ausgestreckte Hand deutete auf Branagorn.

"Ich traue diesem Burschen nicht. Er verfügt über dämonische Kräfte und um ehrlich zu sein, ich segle nicht gerne mit jemandem an Bord desselben Schiffes, der offenbar in der Anwendung übernatürlicher Kräfte ausgebildet ist."

"Bei Thors Hammer!", fluchte Krune Drygvarrson, der 1. Steuermann der MEERWOLF. "Rufen wir nicht alle den Beistand des Übernatürlichen herbei, wenn wir in Gefahr sind? Oder vor dem Kampf?"

"Der Unterschied ist nur, dass die übernatürlichen Kräfte auf diesen Mann zu hören scheinen", entgegnete Yssgar.

Krune Drygvarrson machte eine wegwerfende Handbewegung. "Bei den Göttern Thulelands, das ist doch kein Grund, jemandem zu misstrauen!"

"Du hast seine Kraft nicht zu spüren bekommen", erwiderte Yssgar. Seine Hände waren zu Fäusten geballt.

"Es hat keinen Sinn, wenn wir uns streiten", meinte Gunnar Erixon. "Ich bin der Kapitän. Mir gehört dieses Schiff und ich entscheide. So ist es immer gewesen und so ist es auch diesmal. Es gibt keinen vernünftigen Grund, diesem Mann zu misstrauen. Er wird uns schon deswegen nicht betrügen, weil er selbst einen Teil dieses Schatzes haben will."

Der Magier trat jetzt vor, stellte sich neben Gunnar. Er hatte die Kapuze aufgesetzt. Sein Gesicht lag bis auf die Kinnspitze im Schatten.

Die Sonne stand schon tief.

"Ich will nichts von dem Gold. Das könnt ihr alles haben. Ich will einzig und allein ein einzelnes unscheinbares Juwel, das ich für meine magischen Studien benutzen möchte, die ich betreibe."

Branagorn hatte sehr langsam gesprochen und zum ersten Mal auf Nordska. In dem Moment, in dem er die Stimme erhoben hatte, war es augenblicklich ruhig gewesen, so als ob eine Art natürlicher Autorität diesen Mann wie eine Art Aura umgab.

"Jeder von euch wird diese Reise als reicher Mann beenden, jeder von euch wird sich, wenn er nach Thuleland zurückkehrt ein eigenes Schiff kaufen können, eine eigene Mannschaft anheuern und auf eigene Rechnung auf Fahrt gehen können. Zugegeben, es braucht etwas Mut dafür. Ich habe schon viel über die Männer Thulelands gehört, aber noch nicht, dass sie feige sind. Also dürfte dieser Punkt kein Hinderungsgrund sein."

Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen und das Rauschen der Gischt war zu hören, die hoch aufspritzte, während die MEERWOLF durch diese hindurchpflügte.

"Redet so ein Gefangener", rief Yssgar. "Pah, wahrscheinlich steht ihr alle unter seinem magischen Einfluss. Wer weiß schon, über welche Kräfte er wirklich verfügt. Bei Kjulls Hinterlist!"

"Wenn dem so wäre, dann hätte ich doch leicht auch dich beeinflussen können, Bogenschütze", erwiderte Branagorn auf seine schleppende akzentbeladene Art und Weise.

Yssgar machte eine betreffende Handbewegung. Er spürte, dass die anderen Männer sich nichts sehnlicher wünschten als in den Besitz des Schatzes zu gelangen, von dem Branagorn gesprochen hatte. Er wandte sich an Gunnar Erixon Wolfsauge.

"Du bist der Kapitän", sagte er. "Ich habe bei dir angeheuert und ich folge dir, aber das heißt noch lange nicht, dass ich diesem Kapuzenmann hier auch nur einen Meter über den Weg traue."

Yssgar spuckte aus.

"Mir ist ehrliche Feindschaft lieber als falsche Freundschaft", sagte Branagorn als Yssgar sich bereits umgedreht und der See zugewandt hatte. "Aber spätestens in dem Augenblick, in dem du mehr Gold besitzt als du tragen kannst, wirst du einsehen, dass du Unrecht hattest, Bogenschütze."

Unterdessen wandte sich Gunnar an den Steuermann. "Wir ändern den Kurs in Richtung Südwesten."

"Wir werden ziemlich nah an den Gewässern Talians vorbeikommen", erwiderte Krune.

"Fürchtest du dich? Unsere Skaid ist schneller als jede talianische Galeere, aber der Wind steht günstig für diesen Kurs und wir könnten auf diese Weise wesentlich schneller an der Mündung des Sabil sein, als wenn wir uns entlang der Küste orientieren."

Krune Drygvarrson zuckte die Achseln. "Du bist der Kapitän, Gunnar."

"Ich weiß."

Krune Drygvarrson umklammerte das Steuerruder. Er ließ die MEERWOLF eine halbe Drehung vollführen. Sie fuhr jetzt nicht mehr mit seitlichem, sondern mit Rückenwind.

In den nächsten Tagen geschah nichts Besonderes, außer dass der Wind immer mehr nachließ. Die See wurde spiegelglatt. Das Quadratsegel der MEERWOLF hing schlaff vom Gaffel herunter.

Schließlich gab es keine andere Möglichkeit, als dass die Männer der MEERWOLF an die Ruderriemen gingen, sollte die schnittige Skaid nicht mehr oder weniger ohne Kurs dahindümpeln.

Keiner der nordischen Seefahrer murrte.

Es ist die Aussicht auf schnellen Reichtum, die ihre Arme stark macht, ging es Gunnar Erixon Wolfsauge durch den Kopf. Die blanke Gier nach Gold. Aber ist sie nicht auch in deinem Fall die treibende Kraft, überlegte der Kapitän.

Er stand am Bug der MEERWOLF, dort wo der imposante Drachenkopf begann, der weit nach vorn ragte.

Einen Fuß stellte er auf die Außenwandung und blickte dem immer dunstiger werdenden Horizont entgegen.

Es ist nichts dagegen einzuwenden, Gunnar, sagte eine Stimme in seinem Hinterkopf. Du darfst nur nicht zu leichtsinnig werden. Gier betäubt die Sinne und macht dich verwundbar.

Gunnar lauschte dem regelmäßigen Geräusch, das das Eintauchen der Ruderblätter in das glatte grünblaue Wasser verursachte.

Aus dem Hintergrund heraus, wie aus weiter Ferne, hörte Gunnar die Stimme von Yssgar Bogenschütze. Provozierend wandte sich der Wikinger an Branagorn, den Magier.

"Was ist, wie wäre es, wenn du deine Kräfte darauf verwendest für Wind zu sorgen, Magier?"

"Ich glaube, du überschätzt meine Möglichkeiten", erwiderte Branagorn in seinem akzentschweren Nordska. Ätzender Spott mischte sich dann in seinen Tonfall, als er fortfuhr. "Dafür, dass ihr zu Reichtum kommt, werdet ihr schon noch einiges tun müssen."

Gunnar nahm diese Unterhaltung nur ganz am Rande wahr. Er verengte ein wenig die Augen. Einige dunkle Punkte am Horizont fesselten seine Aufmerksamkeit.

Die Punkte wurden größer.

Gunnar drehte sich plötzlich herum.

"Riemen aus dem Wasser!", rief er. "Sofort!"

Der Befehl des Kapitäns wurde befolgt.

Er wandte sich an Thorbjon Axtmann, deutete gen Horizont. "Wofür hältst du diese kleinen Punkte dort, die durch den Dunst hindurchscheinen?"

Thorbjon blickte angestrengt drein, dann zuckte er die Achseln. "Schiffe, würde ich sagen."

"Gegen ein talianisches Handelsschiff hätte ich nichts einzuwenden", rief Krune Drygvarrson.

Branagorn, der Magier, mischte sich jetzt ein. Er ging in Richtung Bug, blieb in einigen Schritten Entfernung von Gunnar stehen.

"Das sind keine Handelsschiffe", sagte er im Brustton der Überzeugung. "Es sind Kriegsgaleeren."

"Woher weißt du das?", fragte Gunnar.

"Ich weiß es eben. Das sollte dir genügen."

Gunnar gab Krune Drygvarrson den Befehl, den Kurs zu ändern, um der herannahenden Flotte auszuweichen.

Die Punkte am Horizont wurden indes rasch größer. Es dauerte nicht lange, bis Gunnar erkannte, dass der Magier Recht hatte. Es handelte sich tatsächlich um talianische Kriegsgaleeren.

Das Reich der Seemeister war längst untergegangen. Die Inselgruppe, über die das talianische Imperium heute herrschte, stellte nur einen Abklatsch der einstigen Größe dar. Nominell unterstanden dem Imperium zwar noch immer die Küstenstaaten im Norden Lamarans, aber faktisch waren diese seit Langem vollkommen unabhängig. Auf einen kärglichen Rest der ehemaligen Größe war das ruhmreiche Imperium geschrumpft und doch waren die Talianer noch eine bedeutende Seefahrernation, deren Schiffe an allen Küsten Erdgards zu finden waren.

Ihre schnellen und wendigen Kriegsschiffe waren berüchtigt und bei den Gegnern gefürchtet.

Unter normalen Umständen wäre die Skaid der Wikinger gegenüber den Kriegsgaleeren im Vorteil gewesen. Sofern es Wind gegeben hätte, wäre die MEERWOLF um einiges schneller als diese talianischen Kriegsgaleeren. Aber es herrschte Flaute, absolute Windstille und das Meer war spiegelglatt.

Das bedeutete, dass die größere Zahl der Ruderer über das Tempo entschied und dieser Vorteil lag nun eindeutig auf Seiten der Talianer.

Sie kamen rasch heran. Die Trommeln, die den Rhythmus für die Ruderer angaben, waren bereits dumpf zu hören.

Den Männern an Bord der MEERWOLF war ziemlich schnell klar, dass sie gegen diese Übermacht keine Chance hatten, wenn es zum Kampf kam. So gab es nur die Flucht.

Die Galeeren näherten sich. Der Trommelrhythmus wurde beschleunigt. Offenbar strebten die Talianer an, das Tempo noch weiter zu erhöhen.

Es ist die Frage, wie lange sie es durchhalten können, dachte Gunnar.

Sie bewegten sich in einer weit auseinandergezogenen, halbkreisförmigen Formation und versuchten ganz offensichtlich, der nordischen Skaid den Weg abzuschneiden.

Gunnar gab Anweisung den Kurs entsprechend zu korrigieren, aber auch das konnte nichts daran ändern, dass die Talianer immer mehr aufholten.

Wind hätte sie vielleicht retten können, aber es sah nicht danach aus, als ob sich etwas an der Flaute ändern würde.

Die Stunden krochen dahin.

Die Wikinger an Bord der MEERWOLF legten sich nach Kräften in die Riemen, aber die talianischen Galeeren holten immer mehr auf. Gleichgültig, wohin diese Flotte unterwegs war, ein einzelnes Drachenschiff der Wikinger würden sie sich auf keinen Fall entgehen lassen.

Zu oft hatten Wikinger-Piraten auch die Gewässer Talians unsicher gemacht, Schiffe aufgebracht, brennend zurückgelassen und Siedlungen geplündert.

Was die Wendigkeit und die seglerischen Qualitäten anging, waren die nordischen Skaids den talianischen Galeeren natürlich überlegen, aber der fehlende Wind machte diesen Vorteil so gut wie vollkommen wett und wenn es einer der Galeeren erst einmal gelang einen Rammstoß gegen die MEERWOLF auszuführen, war das Schicksal von Gunnar Erixon Wolfsauge und seiner Mannschaft besiegelt.

Branagorn stand mit geschlossenen Augen da, während auf den Galeeren damit begonnen wurde, die Katapulte zu bestücken. Die ersten dieser Geschosse schlugen links und rechts neben der MEERWOLF ein, zumeist wurden Steinbrocken oder brennendes Pech verwendet. Ein einziges dieser Steingeschosse reichte schon, um ein furchtbares Loch in die Außenwandung der MEERWOLF zu reißen.

Ein Hagel von Pfeilen regnete als Nächstes auf die MEERWOLF nieder. Dutzende von Bogenschützen hatten sich auf den beiden am nächsten herangekommenen Galeeren aufgestellt. Manche dieser Pfeile brannten.

Die Ruderer der MEERWOLF verkrochen sich hinter ihren Schilden, der Rhythmus verlangsamte sich. Überall gingen die Pfeile nieder, blieben zitternd im Holz stecken oder bohrten sich in die Körper der Wikinger.

Erste Todesschreie gellten. Brandpfeile fetzten durch das Segel hindurch, das innerhalb weniger Augenblicke in Flammen stand.

Die wenigen Bogenschützen an Bord der MEERWOLF versuchten den Beschuss durch die Talianer zu erwidern so gut es ging, aber die Übermacht war erdrückend.

Branagorn blieb vollkommen ruhig. Er stand mit geschlossenen Augen da, schien wie entrückt zu sein.

Links und rechts von ihm zuckten die Pfeile vorbei. Das schien den Magier von geheimnisvoller Herkunft nicht im Mindesten zu stören.

Er breitete die Arme aus. Eine Falte erschien auf seiner Stirn. Er murmelte eigenartige Formeln vor sich hin, die wie sinnlos aneinandergereihte Silben klangen.

"Er soll uns Wind bringen, dieser fremde Hexer", reif Krune Drygvarrson, "und wenn die finsteren Mächte, zu denen er betet, dazu nicht in der Lage sind, dann ist wahrscheinlich auch seine Geschichte von dem sagenhaften Schatz nichts weiter als eine Mär."

Immer näher kamen die Galeeren heran. Langsam aber sicher begannen sie die MEERWOLF einzukreisen.

"Nakafe ratemet!", rief Branagorn. Er öffnete die Augen. Sie waren vollkommen schwarz. Sein Gesicht war verzerrt.

"Nakafe ratemet sabaman!"

Er wiederholte diese Worte immer wieder wie einen Singsang, streckte dabei die Arme aus. Ein Zittern durchlief seinen Körper.

Bei Thor, was tut er jetzt?, ging es Gunnar Erixon Wolfsauge durch den Kopf.

Die zuvor fast spiegelglatte Wasseroberfläche begann sich zu kräuseln, eigenartige kleine Strudel bildeten sich, obwohl kein Wind blies. Nicht ein Hauch.

Auch die Männer auf den talianischen Galeeren schienen das zu bemerken, denn ihr Kriegsgeheul wurde leiser. Das Wasser bildete eigenartige Formen, Formen menschlicher Körperteile. Arme, Beine, Köpfe, Gesichter, die aus Wasser geformt zu sein schienen, wie gläserne Abbilder von Menschen.

Mit gespenstischer Behändigkeit griffen diese Hände nach den Wanden der talianischen Galeeren. Sie kletterten an den Schiffswandungen empor, dabei veränderten sich ihre biegsamen Gestalten ständig, lösten zwischendurch ihre Form vollkommen auf, sodass sie zwischen den Rudern hindurchgleiten konnten. Lautlos waren sie, lautlos und tödlich.

Als der erste dieser Wasserdämonen an Deck jenes talianischen Kriegsschiffes, das der MEERWOLF am nächsten war, wurde er fassungslos angestarrt.

Dann wurden in talianischer Sprache schrill klingende Befehle gerufen. Einer der an Deck stehenden Bogenschützen ließ einen Pfeil durch die Luft sirren.

Der Pfeil drang durch den Körper des Wasserdämons hindurch, blieb dahinter im Mast zitternd stecken. Lautlos schnellte der Wasserdämon vor, packte den erstbesten Talianer und schleuderte ihn über Bord. Schreiend klatschte er ins Wasser.

Weitere dieser unheimlichen Wasserdämonen hatten das Deck der Galeere erklommen.

Die Erstarrung, die die Talianer anfänglich gelähmt hatte, war nun von ihnen abgefallen. Sie wehrten sich, legten Pfeil um Pfeil in ihre Bögen, ließen die Schwerter kreisen, aber ihre Waffen waren wirkungslos. Sie fuhren durch die Körper der Wassergestalten hindurch, ohne dass irgendeine Wirkung erkennbar war.

Die aus dem Meer emporgestiegenen Angreifer jedoch gingen mit grausamer Konsequenz vor.

Aus ihren gestaltverändernden Körpern bildeten sich Formen heraus, die an die Waffen der Talianer erinnerten. Schwertklingen zumeist, die direkt aus den Handgelenken der Wasserdämonen herauswuchsen.

Vollkommen lautlos ließen die Angreifer sie durch die Luft schnellen. Die Schreie der Talianer waren weithin zu hören. Köpfe wurden von den Körpern getrennt. Panik an Bord brach aus.

Der Abwehrkampf der Talianer gegen die Wasserdämonen war hoffnungslos. Einer nach dem anderen sank tödlich getroffen zu Boden. Blut tränkte bald die Galeerenplanken.

Noch immer bildeten sich weitere dieser kleinen, charakteristischen Strudel, aus denen die Wasserdämonen herauswuchsen, um dann behände die Außenwandungen der Galeeren zu erklimmen.

Auf insgesamt drei der talianischen Kriegsschiffe wurde jetzt erbittert gekämpft. Auf einem davon waren sehr schnell sämtliche Besatzungsmitglieder niedergemetzelt worden. Die Meeresdämonen hatten ganze Arbeit geleistet.

Sie sprangen zurück ins Wasser, vermischten sich wieder mit jenem Element, aus dem sie aufgestiegen waren, während sich an anderer Stelle neue kleine Strudel bildeten, aus denen gläsern wirkende Arme sich emporreckten.

Das Zittern, das Branagorns Körper durchfuhr, wurde immer heftiger. Eigenartige Laute drangen aus seinem Mund hervor.

"Legt euch in die Riemen, Männer!", rief Gunnar unterdessen. "Thorbjon, Sorleif, gebt was ihr könnt! Wer immer hier uns zu Hilfe gekommen ist, der Angriff dieser Wasserdämonen verhilft uns vielleicht zur Flucht."

Die Männer der MEERWOLF ließen sich das nicht zweimal sagen. Sie ruderten mit wachsender Hoffnung und neuer Kraft.

Schnell gewann die MEERWOLF wieder an Fahrt, während die Verfolger zurückblieben, verwickelt in einen Kampf mit einem übernatürlichen Gegner, den sie nicht gewinnen konnten.

Die grausigen Schreie der Talianer ließen selbst Gunnar erschaudern und einige Augenblicke lang empfand er sogar so etwas wie Mitleid mit ihnen. Keinem Seemann wünschte man ein derartiges Schicksal.

Der Vorsprung wuchs wieder. Das Quadratsegel war inzwischen fast vollständig verbrannt. Die letzten Fetzen kohlten noch vor sich hin. Hier und da begann das Feuer bereits auf den Mast und das Quergaffel überzugehen.

Gunnar gab zwei Männern den Befehl an den Seilen emporzuklettern und mit Hilfe von feuchten Decken die Brandherde zu löschen.

"Seht nur, diese talianischen Hasenfüße kehren um!", rief Krune Drygvarrson und deutete auf die nachrückenden talianischen Flotteneinheiten.

Sie hatten gesehen, welches Schicksal die vorangefahrenen Schiffe erlitten hatten, und sie begriffen sehr schnell, dass sie es mit einem Gegner zu tun hatten, gegen den nicht der Hauch einer Überlebenschance bestand. So begannen sie eine heillose Flucht.

Jene Galeeren, auf denen die Wasserdämonen gewütet hatten, trieben hingegen führerlos dahin, dümpelten in der wieder spiegelglatt gewordenen See.

"Sie wagen es nicht, uns zu folgen", stellte Gunnar fest.

"Bei Asvagre, dieser Mann wird mir immer unheimlicher", murmelte Krune Drygvarrson halb an den Kapitän gewandt, halb zu sich selbst.

Gunnar Erixon trat an den Magier heran. Die Schwärze verschwand jetzt wieder aus seinen Augen.

Sein Gesicht, durchzuckte es den Kapitän schaudernd. Es schien um Jahre gealtert zu sein. Wie ein ledriges Relief wirkte die Haut jetzt, bleich, fast pergamentartig.

Das Gesicht eines Toten, dachte der Kapitän.

"Ich danke dir für deine Hilfe", sagte Gunnar.

Die Züge des Magiers blieben unbewegt. Ein Muskel zuckte unterhalb seines linken Auges. Dieser Mann wirkte sehr, sehr müde.

"Sieh mich an, Kapitän!", forderte der Magier in bryseischer Sprache. "Sieh mich an. Verstehst du jetzt? Begreifst du nun, warum ich meine magischen Kräfte nur dann anwende, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt? Es kostet Kraft, so viel Kraft."

"Jedenfalls hast du bei mir was gut", erwiderte Gunnar.

Ein zynischer Zug erschien um die Mundwinkel Branagorns.

"Möglicherweise werde ich eines Tages darauf zurückkommen, Kapitän."

6

Ein ganzer Tag noch verging, ohne dass Wind wehte, aber dann veränderte sich das Wetter. Dunkle Wolken zogen am Horizont auf und der Wind begann seine gewohnte Kraft zu entfalten. Die Wellen ließen das Schiff schaukeln.

An Bord der MEERWOLF wurde das Ersatzsegel aufgezogen. Bald schon nahm die MEERWOLF wieder gute Fahrt auf, Fahrt Richtung Südosten.

Am Tag orientierte man sich am Stand der Sonne, des Nachts an den Gestirnen.

Von Bord des bryseischen Seglers, den die Wikinger gekapert hatten, waren sämtliche Seekarten mitgenommen worden.

Krune Drygvarrson stellte schnell fest, dass sie von außergewöhnlicher Qualität waren. "Viel besser und genauer als alle bryseischen Seekarten, die ich je zu Gesicht bekommen habe", erklärte er.

"Es sind meine Karten", erläuterte Branagorn. "Ich habe sie selbst angefertigt."

"Du bist ein Mann vieler Talente", stellte Gunnar fest.

Hundert von Meilen auf dem Meer der fünf Winde lagen vor den Männern der MEERWOLF.

Die Tage vergingen einer wie der andere. Branagorn unterstützte die Wikinger bei der Navigation. Er schien auch auf diesem Gebiet über erstaunliche Kenntnisse zu verfügen, die selbst die erfahrenen Seemänner aus dem Norden in Erstaunen versetzte.

Der Wind kam günstig und nahm von Tag zu Tag zu.

Nach einer Woche geriet die MEERWOLF schließlich in einen Sturm. Mehrere Männer gingen über Bord. Ihnen konnte nicht geholfen werden.

Einige Fässer mit Vorräten gingen ebenfalls verloren. In der Folgezeit mussten, aufgrund der bei dem Sturm erlittenen Verluste, die Nahrungsmittel rationiert werden, was natürlich nicht gerade zur Verbesserung der Stimmung an Bord beitrug.

Immer wieder kam es zu Streitereien, mehrere Besatzungsmitglieder wurden krank. Es war zu vermuten, dass auch ein Teil der auf dem Schiff verbliebenen Vorräte schlecht geworden war.

Groß war daher der Jubel als endlich die Küste des Sultanats Moro am Horizont auftauchte. Im Hafen von Orsamanca wurden neue Vorräte aufgenommen, dann ging es weiter an der Lamaran-Küste entlang, Richtung Osten.

7

Die MEERWOLF erreichte den Hafen Bab el-Dhari, der an der westlichsten jener unzähligen Mündungen gelegen war, in die sich der große Fluss Sabil in seinem Delta verzweigte.

"Wir werden in Bab el-Dhari anlanden müssen", erklärte Branagorn gegenüber Kapitän Gunnar Erixon Wolfsauge.

"Ich sehe keinen Grund dafür", erklärte Gunnar.

"Das liegt daran, dass du die Gegebenheiten im Delta-Gebiet des Sabil nicht kennst. Der Fluss verzweigt sich in Hunderte von kleinen Kanälen und Abflüssen. Jemand, der hier nicht zu Hause ist, sollte einen einheimischen Führer bemühen."

Der Magier machte eine kurze Pause ehe er schließlich fortfuhr.

"So ein Führer wird sein Geld wert sein, glaubt mir. Im Übrigen wäre zu überlegen, ob wir nicht an der Küste entlang weiter bis nach Meknesch segeln."