Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten  -  eine Hommage an die menschliche Vorstellungskraft - Ernst Ludwig Becker - E-Book

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten - eine Hommage an die menschliche Vorstellungskraft E-Book

Ernst Ludwig Becker

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Beschreibung

Das Gehirn ist ein Wunderwerk der Natur. Die Neugierde und die Fantasie, die Vorstellungskraft, die von diesem Organ ausgehen sind die Grundlage der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Werkzeuge und Waffen sind erste Kreationen. Die Landwirtschaftliche Revolution, der technische Fortschritt machen die Welt zum Untertan. Es denkt sich Verhaltensregeln aus und sozialisiert. Es musiziert. Aber das Gehirn schafft auch geistige Welten, Mythen, Märchen, es erklärt Religionen und philosophiert. Und es denkt über sich selbst nach. Versteht das Bewusstsein, dringt ein in das Unbewusste, die Träume und die Erinnerungen und erkennt, dass es mehr als eine Wirklichkeit gibt. Emily, die Tochter eines Töpfers aus Pennsylvanien, konstruiert ihre eigene Wirklichkeit, um den Tod ihres Bruders zu überwinden. Sie lernt viel über die Töpferei, über die Natur und die Naturgesetze, über die Geschichte der Menschen. Aber viel wichtiger ist, dass sie lernt ihre Fantasie zu benutzen, denn nur in ihrer Fantasie wird die Zukunft Wirklichkeit. Nur die Fantasie kann den Tod überwinden.

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Seitenzahl: 210

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Das Gehirn ist ein Wunderwerk der Natur. Die Neugierde und die Fantasie, die Vorstellungskraft, die von diesem Organ ausgehen sind die Grundlage der menschlichen Entwicklungsgeschichte. Werkzeuge und Waffen sind erste Kreationen. Die Landwirtschaftliche Revolution, der technische Fortschritt machen die Welt zum Untertan. Es denkt sich Verhaltensregeln aus und sozialisiert. Es musiziert. Aber das Gehirn schafft auch geistige Welten, Mythen, Märchen, es erklärt Religionen und philosophiert. Und es denkt über sich selbst nach. Versteht das Bewusstsein, dringt ein in das Unbewusste, die Träume und die Erinnerungen und erkennt, dass es mehr als eine Wirklichkeit gibt.

Emily, die Tochter eines Töpfers aus Pennsylvania, konstruiert ihre eigene Wirklichkeit, um den Tod ihres Bruders zu überwinden. Sie lernt viel über die Töpferei, über die Natur und die Naturgesetze, über die Geschichte der Menschen. Aber viel wichtiger ist, dass sie lernt ihre Fantasie zu benutzen, denn nur in ihrer Fantasie wird die Zukunft Wirklichkeit. Nur die Fantasie kann den Tod überwinden.

Ernst Ludwig Becker, geb. 1957, studierte Biologe in Marburg, Darmstadt und in den USA. Er arbeitete in verschiedenen Berufsfeldern und engagierte sich in ökologischen Projekten im Ausland. Heute schreibt er Bücher und unterrichtet in Teilzeit an einer Grundschule. Mit den Kindern erforscht er ihre Umwelt und die Natur. Dabei fanden sie auch schon erloschene Reste von Sternschnuppen und waren bei einer der Exkursionen ganz in der Nähe des Nordpols. So nebenbei führt er sie auch behutsam in das digitale Zeitalter ein und stellt fest, dass er da noch viel von ihnen lernen kann.

Ernst Ludwig Becker

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten

- eine Hommage an die menschliche Vorstellungskraft

www.tredition.de

© 2020 Ernst Ludwig Becker

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN:

Paperback

978-3-347-11982-6

Hardcover

978-3-347-11983-3

E-Books

978-3-347-11984-0

Coverbild: E. L. Becker with permission by Micheal Holter

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Für Jack Troy

The Potter

Imagination is a creative force.

You have to learn to use it.

und für Erik

Von den Sternen kommen wir,

zu den Sternen kehren wir zurück,

von jetzt bis in alle Ewigkeit.

Wenn ich einmal sterbe,

wenn ich einmal richtig Tod bin,

werde ich mich, -

werdet ihr euch daran erinnern.

"Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt."

„Fantasie ist alles. Es ist die Vorschau auf die kommenden Ereignisse des Lebens.“

"Die Logik bringt dich von a nach b, die Vorstellungskraft bringt dich überall hin."

Albert Einstein

Präludium

Der Herbst ist für mich die Herrlichste der vier Jahreszeiten. Natürlich schätze ich auch den Sommer, wenn ich im erfrischenden und belebenden Fluss baden kann und auch der Frühling überrascht mich immer wieder mit seiner vielfarbigen Blütenpracht und dem Erwachen allen Lebens. Aber es ist der Herbst, der meine Sinne am unbeschreiblichsten erregt, mich und meine Seele am mannigfaltigsten berührt. Es ist der Herbst, den ich liebe. Wenn die Blätter sich verfärben, wenn die vielen roten, rötlichen, gelben und bräunlichen Farben und Farbtöne die Bäume verzieren, ganze Wälder in ein golden strahlendes Landschaftsgemälde verwandeln und die göttlichen Farbenspiele die sanften Haine der Hügel überziehen. Die aufgehende Sonne vertreibt den Morgennebel, der über dem Fluss und dem Garten schwebt und lässt die Ahornbäume in goldgelben und purpurroten, zarten Licht erstrahlen. Der Herbst ist die Zeit, in der sich die Natur auf den Winter vorbereitet, die belaubten Bäume das lebenspendende Blattgrün für das nächste Frühjahr aufbewahren. Die Tage werden langsam kürzer, die Abende mild und klarer und ich kuschele mich gemütlich ein, bei dem Schein einer Kerze und einem guten Buch. Dann genieße ich noch einmal den wundervollen Tag mit seinem blauen Himmel, ziehe noch einmal in Gedanken durch den farbenprächtigen Wald und ahne den Geruch des Laubes, das langsam zu Boden fällt und das selbst die schlafende Wiese in meinem Garten bedeckt und den Weg verziert, der zu meinem gläsernen Gartenhäuschen führt. Das Haus, in dem ich jetzt wohne, hat eine himmlische Lage an einem breiten, sanften Fluss und tagsüber kann ich die schwarz-weißen Lastkähne beobachten, die mit Erde beladen zur fernen Verladestation fahren. Am Ufer, das teils mit kugelförmigen Weidebüschen und aufrechten, hochgewachsenen Pappeln bewachsen ist, habe ich auch einen Steg bauen lassen, an dem ein Boot angebunden ist, falls ich einmal auf die andere Seite in eines der historischen Städtchen übersetzen will und eine sichere Stiege führt ins helle Wasser, in dem ich mich in den heißen Sommermonaten treiben lassen kann. Dann sitze ich auch oft auf meiner Bank, mit einer Tasse Tee und schaue über das Wasser und erhole mich von unserem Streifzug in unserem nahe gelegenen Wald, erhole mich von einer langen Reise in die Geschichte, - habe Zeit und Muße zum Beschauen und Nachdenken. Höchstwahrscheinlich mag ich jetzt diese Jahreszeit noch mehr, weil ich in einem Lebensabschnitt bin, den auch wir den Herbst des Lebens nennen. So wie die vier Jahreszeiten ein Sinnbild für unser ganzes Leben veranschaulichen. Das Frühjahr, die Zeit unserer Kindheit und Jugend, in welcher noch alles wächst und blüht und sich entfaltet, der Sommer, in dem die Früchte wachsen, die Ähren reifen und die Ernte eingefahren wird, der Herbst, der noch einmal alle Blätter zum Leuchten bringt, der auf das Ende vorbereitet und du letztendlich wie ein Blatt zu Boden fällst, um im Winter unter der kalten, harten Erde zur Ruhe zu kommen. Nur, dass es keine Winter mehr gibt.

I.      Akt

Erster Satz    adagio

Vielleicht mag ich den Herbst aber auch, weil ich in den Wäldern des William Penn aufgewachsen bin, verständlicher gesagt, im Staate Pennsylvania in den Vereinigten Staaten von Amerika. Von den bunten Wäldern der „Rolling Hills,“ ich meine ersten Kindheitserinnerungen an die Indian Summer in mir trage, die sonnigen Altweibersommer, wie wir sie in Deutschland nennen, die warmen Tage im Herbst, im Autumn oder Fall, wie es im Englischen heißt, mit dem strahlend blauen Himmel. Tage, an denen ich mit meinen Eltern und meinem Bruder durch die Gehölze hinter unserem Blockhaus streifte, in dem zum Teil undurchdringlichen Buschwerk, den abwechselnden Birken, Eichen und Ahornbäumen, dem Zuckerahorn, von welchem wir einen unvergesslichen Sirup herstellten, den wir über unsere Butterpfannkuchen gossen. Kindheitserinnerungen. Erinnerungen, gefüllt mit starken Emotionen. Ich kann nicht sagen wie alt ich damals war, aber es sind Bilder oder Geschehnisse, an die ich mich in jüngster Kindheit erinnern kann, die mit einem Erschrecken oder kurzen Schock verbunden sind, indem ich etwa, neugierig wagend, den Schraubenzieher in die Steckdose steckte und ich im ersten Moment nicht verstand was mit mir geschehen war, nachdem dieser heftige Ruck durch meine Arme rollte und ich die Hände, wie im Reflex, blitzartig in die Höhe riss.

Oder der Tag, an dem ich mir die Hand verletzte, als ich mit dem großen Einmachglas voller Pfirsiche auf der Treppe stürzte. Dann sehe ich die Treppe und unser Haus vor mir, die Steintreppe, die nur wenige Stufen von unserem Vorratsraum nach draußen führte, sehe die scharfen Glasscherben mit dem klitschigen Nass und den gelben, weichen Früchten auf dem grauen Zement. Ich sehe wie eine rote Flüssigkeit zwischen meinem Daumen und dem Zeigefinger auf meine Handfläche rinnt und ich die Hand betrachte, als würde ich sie zum ersten Mal sehen, den abgespreizten Daumen und die vier Finger, die blass und weiß sich nach oben strecken, beobachte, wie die rote Flüssigkeit langsam, träge zur Mitte der Hand läuft, so wie die zähe Flüssigkeit vor mir auf der Treppe, die langsam die Stufe hinab und auf meine Füße sich zubewegt. Ich schrecke auf aus meiner Trance, spüre den Schmerz und beginne zu weinen und laufe vorbei an dem Scherbenhaufen, auf den Pfad mit rohen Steinplatten, zur Holztreppe, hinauf zur Porch, ein Vorbau oder eine Veranda, die entlang des Stockwerks sich befindet und auf welcher meine Mutter schon aus der Küchenschwingtüre mit dem Fliegengitter schaut und mir entgegenkommt.

Das Haus, in dem ich groß geworden bin, gehörte schon den Urgroßeltern meines Vaters, von denen noch zwei alte, bräunliche Fotografien am Ende der Treppe hingen, welche mir merkwürdigerweise gut in Erinnerung geblieben sind, vielleicht, weil ich ja täglich auf dem Weg zu meinem Zimmer an ihnen vorbei gehen musste, vielleicht auch, weil die Bilder in einer Höhe hingen, die mit meiner Größe korrespondierten und sie, die Ahnen, mit ihren Augen meinen Weg die Treppe hinauf und hinab beobachteten. Manchmal versuchte ich mich an ihnen vorbei zu schleichen, petzte die Augen zusammen und rannte die wenigen Schritte in mein Zimmer. Es mag sein, dass auch schon die Ur-Ur-Urgroßeltern oder deren Eltern mit dem Bau begonnen hatten, hier in Amerika ihr Domizil, ihr neues Heim aufbauen wollten, so genau konnte man das nicht mehr feststellen. Viele der Archivalien gingen verloren. Hier war es eine große Flut und in Deutschland hatte der Krieg und das Feuer die Dokumente zerstört.

Das Haus lag an einem seichten Hang, von welchem sich für viele Meilen der nahezu ursprüngliche Wald über die abgeschliffenen Hügel erstreckte. Der Wald, der nur sanft berührt wurde, in seiner Einzigartigkeit belassen, betreten von den Ureinwohnern, dem Volk des aufrechtstehenden Steines, die hier jagten, Waldfrüchte sammelten und welche vom Wasser der örtlichen Quelle tranken, wie ein paar verlorene Pfeilspitzen und Scherben von Tongefäßen in ihrer Nähe bezeugten. Der Wald, der wundersamer Weise verschont geblieben war und nur die Lichtung um das Grundstück und die Wiese frei geben musste. Das ursprüngliche Blockhaus wurde mehrfach erweitert und aufgestockt und schmiegte sich harmonisch zwischen die Bäume, die für mich wie Urwaldriesen emporragten. Die schweren, beidseitig behauenen und geschälten Baumstämme des Hauses, ruhten auf einem mit flachen Steinen aufgebautem Gewölbe, das in den Hang integriert war und als Lagerraum und Vorratsraum genutzt wurde, von welchem die besagten Treppenstufen hinaufführten. Die Stämme waren derart gelagert, dass große Zwischenräume entstanden, die, wie mir mein Vater erklärte, früher mit Moos oder Schafswolle ausgefüllt und abgedichtet wurden. Bei den Umbauarbeiten wurde nach und nach alles renoviert. Jetzt waren die rohen, dunklen Stämme mit hellem Mörtel ausgefugt und bildeten ein unterschiedlich breites Streifenmuster, was durch moderne, hellgrün gestrichene Fenster und die Küchentüre unterbrochen wurde. Sie umschlossen einen ansehnlichen, robusten Raum, den wir als gemeinsame Küche, Wohnzimmer und Esszimmer benutzten. Der neue Anbau bestand aus dem Schlafzimmer meiner Eltern, das eine abgetrennte Dusche und Toilette hatte und aus der vorgelagerten Treppe, die zu den drei kleineren Zimmern unter dem ausgebauten Dach und zu einem schlichten Bad mit Badewanne führte.

Die rosafarbene Badewanne. Ich sehe den blonden Lockenkopf, der über den Rand der Wanne ragt, mit strahlend blauen Augen, mit strahlend, kindlichem Gesicht. Der begehbare Wandschrank unter der Schräge fällt mit wieder ein, der mit der Schiebetür, in welchem ich mich oft verborgen hatte, wenn ich mit meiner Mutter oder dem Vater Verstecken spielte. Oder der Lichtfleck, das helle Karree, mit dem grauen Schattenkreuz des Schiebefensters, das sich langsam mit der Sonne entlang der grünlichen Wand bewegte, während ich mit meinem Vater auf dem Bett lag und er mir eine Geschichte vorlas. Eigentlich Zeit für mein Mittagsschläfchen, aber es war dann er, der mit sanften Schnarchen neben mir einschlummerte. Als Mädchen interessierte ich mich unüblich wenig für Puppen, auch wenn ich einige besaß. Ich hatte ein Holzflugzeug, mit dem ich durch mein Zimmer flog, über das Bett und die Nase des schlafenden Vaters. Ich flog seitlich der sonnenbeschienenen Wand, bog nach links ab durch den Lichtstrahl, über dem Lichtstrahl entlang und auf die Topfpflanzen zu, die auf dem Schränkchen neben dem Fenster standen. Zwischen ihren herzförmigen oder ovalen, grünen Blättern konnte man traumhaft durch einen undurchdringlichen Urwald fliegen und von da ging es ab nach oben zu dem blauen Planeten, der auf meinem Bücherregal stand. Mein blauer Planet.

Viele der Erinnerungen kommen mir auch deshalb, weil die Geschichten oft erzählt wurden, weil sie öfters wiederholt wurden. Der Vater berichtete der Mutter mit einem Lächeln, dass er wieder eingeschlafen war, während meines gewohnten Nickerchens. Die Episode wird zum Spaß der ganzen Familie und bei manchem Familientreffen zum Besten gegeben. So sind mir die Geburtstage noch in guter Erinnerung, zumal dann viel gelacht wurde, die beschwingten, freudigen Emotionen meine Sinne schärften. Auch Grandma, Grandpa oder die Großeltern in Deutschland plauderten über ihre Kindheit, über ihre Eltern und was sie alles erlebt hatten. Und mit jeder Wiederholung prägten sich die Erinnerungen fester in ihr und unser und in mein Gedächtnis ein. Mit diesen Erinnerungen sind sie noch heute in mir lebendig. Ein Bild in meinem Fotoalbum, das meine Eltern für mich angelegt hatten, zeigt mich mit Adam, meinem jüngeren Bruder, auf der hölzernen Treppenstufe und ich halte Pax, unser erster kleiner, wuscheliger, graumelierter Puppy, unser geliebtes Hündchen in den Händen. Ich habe das Bild so oft gesehen, dass ich mir sicher bin die Szene selbst erlebt zu haben, dass ich noch die kleinen, samtenen Pfoten auf meinen nackten Beinen spüre, der kleine Kratzer in meiner Haut, als Pax sich stürmisch aufrichtete und mir mit seiner nassen Zunge das Gesicht abschleckte. Bilder von schönen Erinnerungen, die vielfarbig aufblühen, die sich weiter ausschmücken, leuchtender werden mit jeder Wiederkehr, der Schatz meines Lebens. Unvergängliche Erinnerungen, die mich immer wieder erfreuen, entzücken und begeistern. Die wie freundliche Geister in meinem Inneren wohnen. Adam sitzt an meiner Seite. Mit Pax. Wir hatten wunderbare Kindertage.

Ebenfalls neu war die Werkstatt meines Vaters oder das Studio, wie er es nannte. Mein Vater war Töpfer. Für ein paar Stunden die Woche arbeitete er am College und unterrichtete „Ceramics“, die Kunst des Töpferns, denn die Arbeit mit dem Werkstoff Ton gehörte zu den Bildenden Künsten. Doch die meiste Zeit verbrachte er zu Hause mit uns oder in der Werkstatt. Diese war, wie das Wohnhaus, in die Anhöhe integriert. Die Südseite, die vom Hügel abgewandte Seite, bestand aus vier großen Glassegmenten, die den ganzen Raum erhellten. Durch sie hatten wir einen grandiosen Blick auf die Bäume, die hinter dem Fahrweg und vor der kleinen Waldwiese standen und welche im Sommer ausreichend Schatten spendeten, doch im Winter eine faszinierende Silhouette nachbildeten. Im Eingangsbereich standen ein paar verschlissene Sessel und eine Couch mit einem runden Couchtisch, vor dem ich oft kniend meine Bilder malte und Adam, die ersten Monate seines Lebens, in einem Ställchen vor dem sonnenbeschienen Fenster auf seinen Spielsachen kaute, mit diesen auf den Boden hämmerte, um sie dann in meine Richtung über das Gitter zu werfen und mit einem erwartungsvollem Aufschrei zu warten, bis ich das Wurfgeschoss wieder zurück in den Laufstall befördert hatte. Eines der zahlreichen Spiele, die ihm besonders viel Freude machte und er es beständig wiederholte.

Manchmal fanden auch kleine, private Feste hier statt oder offizielle Meetings mit den Studenten aus Vaters Kursen, wofür eine zweckmäßige, kurze Küchenzeile ihre Dienste leistete. In der Mitte des Raumes stand ein bemerkenswerter, gusseiserner, grauer Holzofen mit einem Ofenrohr, das bis zur Außenwand reichte und so im Winter wohlige Wärme ausstrahlte. Vor dem hinterem Fenstersegment befand sich die Töpferscheibe, des Lichtes wegen, an welcher der Vater die Töpfe, Schalen, Tassen, Teller oder Vasen formte oder alles was ihm sonst noch in den Sinn kam.

Ungezählte Male hielt ich in meinen Kinderzeichnungen inne und beobachtete fasziniert, wie der Vater den Ton bewegte, ihn wälzte und knetete, ihn auf der kreisenden Scheibe zentrierte und formte und wie mit leichtem Druck und Zug, der Ton unter seinen Händen in die Höhe strebte und eine neue Form annahm. Ich sehe noch die blonden, lockigen Haare meines Vaters, die im Spiel des Lichtes über seine Stirn und Wangen fallen, die er mit dem Handrücken zur Seite streicht, die Hand, die wieder in ein Töpfchen mit Wasser taucht, die Finger benetzt, welche anschließend mit andächtiger Behutsamkeit den Rand des neuen Gefäßes einfassten, um diesem den letzten Schliff zu geben. Dann hielt er die Töpferscheibe an, betrachtete sein Werk von allen Seiten, bevor er es selbstzufrieden mit einem dünnen Draht von der Unterlage löste und auf ein Brett auf eines der Regale stellte. Getaucht in überirdisches Licht.

Zahlreiche Regale unterschiedlicher Größe waren entlang der Wände befestigt auf denen sich die erdfarbenen Gefäße, Tassen, Krüge, Vasen oder die kunstvollen Gebilde und Skulpturen zum Trocknen aufreihten oder auf ihre Weiterverarbeitung warteten. Vor den Regalen war ein rustikaler Tisch postiert, ein Werktisch, auf dem die unterschiedlichsten Objekte, Werkzeuge, Töpfe und Schalen standen, die für die Bearbeitung der Tonwaren benutzt wurden. Eine bizarre Silhouette von Gegenständen, die sich mir als Kind, wie eine Kette von Bergen vor dem Licht der einfallenden Sonne abzeichnete.

Das Highlight meines Vaters aber war der kleine Raum, sein Elfenbeinturm, das Studierzimmer, welches freilich an der Nordseite des Gebäudes auf den Hügel hinausragte, dafür aber einen herrlichen Blick in den Wald erlaubte und durch diese Aussicht der Eindruck entstand, als wäre man mitten unter den Bäumen, eingebettet zwischen Stämmen und Ästen, Zweigen und Ranken, unter dem Dach der laubbedeckten Kronen. Dieser Raum inspirierte mich zu meinem nunmehrigen Gartenhaus, das fast vollständig aus Glas, mir den Blick in alle Himmelsrichtungen vergönnt. Und hier wie dort und er wie ich, lausche ich des Nachts auf die Laute der Tiere, wenn die trockenen Zweige des Todholzes unter den Streifzügen der scheuen Rehe knirschen, wenn das Flattern von Flügeln, das Rascheln von Blättern, das Fiepsen einer Maus oder andere rätselhafte, unheimliche, unbekannte oder vertraute Geräusche die Fantasie erregen. Gesichter von Kobolden, Gnomen und Geistern erscheinen auf den knorrigen, rissigen Rinden der Bäume, die im wandernden Licht des Mondes Grimassen schneiden und die Seelen der Toten lebendig werden lassen. Wenn fremdartige, traumhaft wundersame Tiere, Schlingpflanzen und Fabelwesen mit Pfeil und Bogen, mit maskierten Häuptern ihre Bildnisse vor meinem inneren Auge entfalten, welche in archaisch, ockerfarbenen Höhlenmalereien, um ein flackerndes Feuer tanzen. Bilder, aus Relikten der Vergangenheit, im Bewusstsein der Gegenwart, die in meinen Träumen weiterleben.

Zweiter Satz      andante

Ich war zwei Jahre und neun Monate alt, als mein Bruder geboren wurde. Ein Ereignis, an das ich mich gewiss noch gut erinnern kann. Die ganze Aufregung im Haus, am Abend, als meine Mutter zur Klinik musste, die Ledertasche gepackt werden musste, dass ein oder andere Kleidungsstück gesucht und verworfen wurde, wie der Vater mehrmals telefonierte. Wie die Mutter in ihrem lila, mit roten Bordüren bestickten Schwangerschaftskleid vor dem Geschirrschrank stand, mit nachhaltigen Blicken etwas wichtiges suchte und es nicht findet und sie mit plötzlich schmerzverzerrtem Gesicht den voluminösen Bauch umgreift, die Luft einatmet und hält. Ich sehe ihre geschlossenen Augenlider, die Lippen, fest zusammengepresst. Ein unbekanntes Gefühl von Sorge umschleicht mich, eine kindliche Anteilnahme, beim Anblick ihrer leidenden Miene und es ist das erste Mal, soweit ich mich erinnern kann, dass ich mich zu ängstigen beginne, ein Gefühl der Unruhe, ein Gefühl von Hektik wahrnehme. Das Geräusch der Schlüssel ist mir noch im Ohr, als der Vater die Tasche ergriff und zum Pickup eilte. Ich erinnere mich, wie ein beklemmendes Gefühl in mir aufkam, als er so nach draußen eilte und mich allein im Zimmer lies. Das erste Gefühl von Angst, der Angst allein zu sein, verlassen zu werden, den Vater und die Mutter zu verlieren. Gefühle, Eindrücke, Sinnesreize.

Wie erlöst und erleichtert war ich dann, als der Vater mich in die Arme nahm und auf seine Hüfte setzte. Allerdings nicht für lange Zeit, denn bald darauf wurde ich von Freunden des Vaters, wie mit ihnen besprochen, abgeholt und für die kommenden Stunden aufgenommen, was natürlich auch wieder aufregend war, da ich zum ersten Mal in einem anderen Haus übernachten musste, auch wenn ich die zwei Söhne der Freunde gut kannte. Das war schon ganz anders, schon unbehaglich, sich vor einer anderen Frau auszuziehen, beim Ausziehen helfen zu lassen und in einem fremden Bett zu schlafen oder nicht zu schlafen, denn so viele Eindrücke und Gefühle erregten meine ruhelosen Gedanken. Da war der ungewöhnliche Geruch des Hauses und der fremd wirkende Raum, der mir im Halbdunkel unheimlich wurde, die fehlende, vertraute Hand meiner Mutter, die mir über die Haare und die Wange strich, das Lachen meines Vaters vermisste ich und die vertrauten Geräusche aus der Küche. Das Gefühl der Verlassenheit kam wieder und beängstigte mich dermaßen, dass mir einige Tränen aus den Augen rannen. Die Bilder blieben mir deshalb sehr gut in Erinnerung, so begreife ich es heute, weil sie mit einem seelischen Kummer verbunden waren, so wie die körperlichen Schmerzen zuvor die Ereignisse in meinen Cortex eingraviert hatten. Die Dinge sind wichtig zu merken, die weh tun, damit wir sie vermeiden lernen.

Beim Frühstück gab es dann einen Streit zwischen den Brüdern wegen der Cornflakes und eine Glasflasche mit Milch fiel hinab auf den gefliesten Küchenboden, die eine Scharte in der Fliese hinterließ und ich war froh, als wir dann zum Krankenhaus fuhren und ich wieder bei der Mutter war. Mein Vater war die ganze Nacht bei ihr geblieben, da mein kleiner Bruder Adam erst in den frühen Morgenstunden auf diese Welt kam. Adam war auch der Name meines amerikanischen Großvaters und des Urgroßvaters, dem Great-Grandpa.

Es ist auch der Name des Menschen, den Gott zuerst erschuf. Er schuf ihn nach seinem Ebenbild. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn. Aus Erde. So haben wir es in der Kinderbibelstunde gelernt. Also müssten wir doch aussehen, wie Gott oder Gott sieht aus wie wir, hatte ich mich in kindlicher, unbewusster und unaufgeklärter Weise gefragt. Ob wir auch wie Gott denken oder fühlen, habe ich mich später gefragt oder er wie wir?

Als meine Eltern noch zur Kirche gingen, was sie nicht sehr oft taten, wurden wir Kinder während des Gottesdienstes in einem der Veranstaltungsräume im Seitenanbau der Kirche von einer kirchlichen Mitarbeiterin betreut. Die junge Frau, Shania, eine angehende Lehrerin, las uns aus einer Kinderbibel vor oder wir malten etwas oder wir bastelten. Sie las uns auch die Geschichte von Adam und Eva vor, vom Paradies, von der Entstehung der Welt, von dem Licht im Dunkel und dass das Licht der Tag war und dass die Erde sich mit Wasser füllte, mit den vielen Fischen und all den Kreaturen auf dem Land. „Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele.“ So steht es in der Bibel. Und blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele. Eine lebendige Seele.

Wir hatten, abgesehen von einem alten, rostigen Pick-up Truck, den mein Vater für die notwendigen Transporte nutzte, einen roten, sportlich aussehenden Volkswagen, der auch wegen seines schrägen Hecks, Fastback genannt wurde. Mit diesem Wagen fuhren wir von unserem Haus in die Stadt und zur Kirche und vielleicht sind mir die Kinderstunden auch deshalb in guter Erinnerung geblieben, weil wir nach dem Gottesdienst immer zum Eiscafé gingen und ich mir einen Becher mit bunten Eiskugeln aussuchen konnte. Erinnerungen haben ihre eigene mysteriöse Dynamik.

Interludium

Wie komme ich zu diesen Gedanken? Die Schöpfungsgeschichte, die Genesis, der Anfang, der Beginn der Zeit. Die Trennung in Tag und Nacht, in Hell und Dunkel. Die Menschwerdung aus einem Stück Erde, aus Ton, dem der lebendige Odem eingegeben wurde. Adam und Eva im Paradies. Adam, der Name meines Bruders, der über viele Generationen weitergegeben wurde. Vielleicht weil ich nun selbst in paradiesischen Verhältnissen lebe? Weil der Geist, der durch seine Nase geblasen wurde, hier ewig waltet? Der Geist, der ihm eingehaucht wurde, der über meiner bunten Blumenwiese schwebt, der sich um die Bäume windet und in mein Gartenhaus schaut, der hier alles durchdringt, das Wasser, die Luft, die Erde, den feuchten Lehm. Der Geist, der den geformten Ton zum Leben erweckte? Der Geist, der gegenständlich wurde, einen Körper bekam, zur lebendigen Seele wurde? Ist der Mensch eine Manifestation der Seele, ein Erkennbarwerden, ein Sichtbarwerden, eine Offenbarung des Geistes? Das biologische Pendant kosmischer Kräfte? Das Ebenbild Gottes? Er schuf ihn nach seinem Ebenbild, als Metapher fleischgewordener Spiritualität? Der Atem Gottes, der Hauch, der Odem, der ihm in die Nase geblasen wurde und seinen ganzen Körper ausfüllt? Ist Gott die Krönung menschlicher Inspiration oder der Anfang, der Anbeginn, die Geburt der Fantasie? Der Geist, der sich aus den Gedanken selbst erschaffen hat? Er ist unser Denken. Er ist das Ende und der Anfang der Evolution. Er ist die Kraft, die jeden mit jedem und alles mit allem verbindet, in allem steckt. In allem, das gewesen, in allem das noch kommen wird und allem, das nicht ist.

Dritter Satz      con moto

Auch das Volk oder die verschiedenen Völker, die früher in diesem Gebiet unserer kleinen Stadt in Pennsylvania lebten, viel früher, noch vor den ersten europäischen Siedlern hier lebten, glaubten daran, dass die Menschen aus Erde erschaffen wurden, erzählte uns Shania, die junge, künftige Lehrerin in einer der kirchlichen Kinderstunden. Schon vor langer Zeit, gab es lebendige Völker, die den Wald und diese Landschaft im Laufe der vielen Jahrhunderte miteinander oder nacheinander nutzten. Die aber alle die gleichen Mythen offenbarten, sich die gleichen oder doch sehr ähnlichen Legenden erzählten.