Im Schattenreich - Vincent Kleemayer - E-Book

Im Schattenreich E-Book

Vincent Kleemayer

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Beschreibung

Mystery Storys zum länger Wachbleiben 1. Eines Totengräbers Schicksal 2. Bestialische Abendvorstellung 3. Ago - ein Knecht unter Portugals Sonne

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Im Schattenreich

TiteleiInhaltW i d m u n gEines Totengräbers SchicksalBestialische AbendvorstellungAgo – ewiger Knecht des eig'nen TraumesImpressum

Titelei

Im 

Schattenreich 

Gruselgeschichten / Midnight Tales

von

Vincent Kleemayer

 Lese_Alter 15 ⇧

Inhalt 

Eines Totengräbers Schicksal

Bestialische Abendvorstellung

Ago – 

ewiger Knecht des eig'nen Traumes 

W i d m u n g

Für alle

Greenpeace-Aktivisten

! W E L T W E I T !

Eines Totengräbers Schicksal

Im Grunde sprach Monsieur Catalan mit keiner Seele in Hooglede darüber. Ebenso hielt es sein langjähriger Physicus, Doktor van Heymans, der im vorletzten Winter das Zeitliche segnete. Obzwar ich mit meinen damaligen 44 Lenzen schon Einiges auf dem Gebiet der Medizin erlebte hatte, war ich doch geschockt, als mir wenige Stunde vor seinem Ende das dunkelste Kapitel aus seiner Berufsvergangenheit zu Ohren kam. Mehr oder minder im Schnaps-Delirium krochen da geflüsterte Worte über seine sterbenden Lippen… Konnte das die Wahrheit sein?

Höchstwahrscheinlich wandte er sich an mich, weil ich nun sein Hausarzt war, und weil er vermutlich das Bedürfnis verspürte, sich nach Heymans Tod jemand vom selben Stande anzuvertrauen. Er war ja ewiger Junggeselle, weder Angehörige noch Verwandte fragten mehr nach ihm.

Bis zum Jahre 1868 war Jacobus Catalan der Leichenbestatter des Dorfes Hooglede gewesen, und er war selbst für sein Metier ein überaus abgebrühter Kauz. Die ihm nachgesagte Herangehensweise ans Werk, wäre dieser Tage undenkbar, zumindest in einer belgischen Stadt. Und selbst das hinterwäldlerische Hooglede wäre ein wenig erschaudert, hätte es um die lockere Moral seines Totengräbers betreffs dem Eigentumsrecht kostbarer Trauergaben unterhalb eines Sargdeckels gewusst, oder gar des zu wahrenden Maßes an Würde beim Betten und Anpassen der verbogenen, leblosen Glieder an hölzerne Truhen, die nur im Glücksfalle ein passables Platzvolumen für die letzte Reise bieten wollten.       

Prinzipiell war Jacobus wenig taktvoll beim Umgang mit seinem Nächsten. Dennoch bin ich nach wie vor der Auffassung, dass er kein schlechter Mensch war. Er war lediglich aus grobem Holz geschnitzt; oft gedankenlos, unachtsam und obendrein dem Schnaps zugeneigt, wie dies folgende und gewisslich vermeidbare Unheil jedem Vernunftmenschen beweisen wird...     

Im bitterkalten Dezember anno 1868 war der Erdboden dermaßen hart gefroren, dass sämtliche Totengräber des Landes bis zum Frühjahr keine neuen Leichengruben mehr ausheben konnten. Wie es Gott wollte, war die Sterberate im Dorfe Hooglede gering, sodass es möglich war, Jacobus' entseelte Schützlinge allesamt in der einzigen Leichenhalle der Gemeinde unterzubringen, einer fast steinzeitlichen Gruft. Der Bestatter wurde angesichts des winterlichen Wetters doppelt so lethargisch wie gewöhnlich und schien sich in puncto Unachtsamkeit selbst zu übertreffen. Niemals zimmerte er primitivere Särge zusammen oder missachtete auf stupidere Weise die Handhabung des eingerosteten Schlosses an der Pforte, die er mit pueriler Nachlässigkeit aufriss und zudonnerte. 

Schon bald kam das Frühlings-Tauwetter, und emsig bereitete man die Gräber für die stumme Ernte des Sensenmannes. Es waren neun Leichname, welche außerorts in der Gruft warteten. Jacobus, wenngleich ihm die obligaten Mühen der Beisetzungen verhasst waren, machte sich an einem diesigen Morgen im Ostermonat an die Überführungsarbeit. Er pausierte noch vor der Mittagsstunde wegen des starken Regens, wobei er erst einen Leichnam der ewigen Ruhe anheim gegeben hatte. Dabei handelte es sich um Guido Gezalle, einen 80-jährigen Gaukelspieler, dessen Grabstätte nicht weit von der Gruft entfernt lag.

Jacobus beschloss am nächsten Tag mit dem kleingewachsenen Schuhmacher zu beginnen, dessen Grab sich ebenfalls unfern der Gruft befand. Er schob die Prozedur jedoch über zwei Tage vor sich her und ging erst am Karfreitag zu Werke. Da ihm jeglicher Aberglaube fremd war, beachtete er das schicksalsträchtige Datum überhaupt nicht... 

Am Nachmittag des 13. April machte Jacobus sich also mit Pferd und Kutsche auf, um die sterbliche Hülle des Gilbert De Loore zu überführen. Dass er nicht ganz nüchtern dabei war, gab er im Nachhinein zu. Doch hatte er sich damals noch nicht völlig der Trunksucht ergeben, wie er es später tat, um gewisse Dinge vergessen zu können. Er war nur beschwipst genug, um sein treues Pferd unbesonnen wild anzutreiben. Der Gaul stampfte häufig störrisch und wieherte zum Gotterbarmen. An was konnte das bloß liegen? 

Der Himmel war an diesem Tag nahezu wolkenlos. Jedoch brauste ein starker Wind undJacobus war froh über einen Unterschlupf, den jene in den Hügel gebaute Gruft versprach, als deren Eisentür wie im Märchen aufglitt. Einem anderen hätte die miefige Kammer mit den 8 achtlos aufgestellten Särgen wohl kaum behagt; doch Jacobus war zur damaligen Zeit unempfindlich und sorgte sich einzig darum, den richtigen Sarg für das richtige Grab zu finden. Er hatte den Tadel nicht vergessen, den er sich eingehandelt hatte als Josette Durands Schwestern, die ihren Leichnam auf den neuen Gottesacker der Stadt überführen wollten, unter Josettes Grabstein den Sarg von Richter A. Rolin vorfanden.  

    Das Licht war trübe, doch Jacobus hatte gute Augen und er griff sich nicht versehentlich Eugène Vanheckes Sarg, obzwar dieser sehr ähnlich beschaffen war. Er hatte diesen Sarg eigentlich für Gilbert De Loore angefertigt, ihn jedoch in einer selten rührsamen Gemütsbewegung als zu unwürdig beiseite gestellt, als er sich der Gutherzigkeit des alten Schustermeisters erinnerte, der für seine Besohlungsarbeiten kein einziges Mal Wucherpreise verlangte. Er schreinerte dem alten Gilbert das Beste wozu ihn seine handwerklichen Gaben befähigten.Leider sprach nebst all jenerNoblesse auch die tückische Stimme der Knickerei zu Jacobus' Seele: Die für De Loore verworfene Rumpeltruhe stellte er stillschweigend beiseite, bockte sie jedoch wieder auf, als der Schornsteinfeger etliche Wochen später einer  Lungenentzündung erlag. 

Nun, E. Vanhecke war kein liebenswerter Mensch gewesen und es kursierten viele Geschichten über seine schier unmenschliche Rachsucht, sein obstinates Gedächtnis für ihm widerfahrenes Unrecht, ob dieses fürwahr oder bloß eingebildet war. In seinem Falle hatte Jacobus keinerlei Bedenken verspürt, ihm den lieblos zusammengenagelten Sarg zuzuweisen, welchen er lax aus dem Weg schob, um nach Gilberts Totenkiste zu suchen. 

Gerade hatte er den Sarg des alten Schuhmachers erkannt, da schlug die Tür im Wind zu und ließ den Totengräber in einem tiefen Dämmerlicht zurück. Ein kleines Querfenster ließ nur schwache Lichtstrahlen durch, und der hohe Entlüftungsschacht so gut wie gar keine. Von daher blieb ihm lediglich ein tüdeliges Herumtasten, als er sich inmitten der länglichen Holzkisten seinen Weg stockend zum Türschloss bahnte. 

    Im Grabeszwielicht rüttelte Jacobus an dem rostigen Türknauf, stemmte sich gegen die Eisentür und fragte sich, warum diese mit einem Male so widerspenstig war. Auch begriff er langsam den Ernst der Lage und begann, laut zu rufen – könnte vielleicht sein Pferd draußen mehr tun als eine teilnahmslose Antwort zu wiehern?!? Das seit Langem vernachlässigte Türschloss war offenbar entzweigegangen und der unachtsame Totengräber in der Leichengruft gefangen: ein Opfer seiner eigenen Sorglosigkeit.

Dies Unheil muss sich gegen halb fünf nachmittags zugetragen haben. Jacobus, vom Temperament her durchaus praktisch veranlagt, rief nicht lange, sondern ging daran nach Werkzeugen zu tasten, die er in einem Winkel der Gruft gesehen zu haben glaubte. Zweifellos gab solch ein Faktum, fernab der alltäglichen Pfade der Bürgersleute gefangen zu sein, triftigen Anlass, um mächtig verärgert zu sein. Sein Tagwerk wurde törichterweise unterbrochen, und käme nicht bald irgendein Pilgersmann vorbei, so würde er die kommende Nacht hier drinnen zubringen müssen. Oder gar länger?!

Zwischenzeitlichhatte Jacobus einiges an Werkzeug aufgestöbert und Hammer und Meißel zur Hand genommen. Die Luft wurde allmählich ungesund, aber diesem Umstand schenkte er keine Beachtung, als er sich nur nach Gefühl am verrosteten Metall des Türschlosses zu schaffen machte. Viel hätte er für eine Laterne oder einen Kerzenstummel gegeben, doch da ihm das eine wie das andere fehlte, pfuschte er halb blind drauflos so gut er konnte. Als er erkannte, dass dies Türschloss solch kärglichen Werkzeugen keinesfalls nachgeben würde, suchte Jacobus nach anderen Fluchtmöglichkeiten. 

Die Leichenhalle war in die Nordseite eines Hügels gebaut worden. Der enge Lüftungsschacht verlief mehrere Meter durchs Erdreich, weshalb dieser Weg gar nicht erst in Betracht kam. Das Querfenster in der Ziegelmauer, hoch über der Tür, schien jedoch von emsiger Schafferhand vergrößert werden zu können. Und so blieb sein Blick minutenlang darauf gerichtet, während er sich den Kopf zerbrach, wie er dieses erreichen konnte. Würde er doch nicht einmal eine Trittleiter herbekommen, und die Sargnischen in den glitschrigen Gruftwänden boten keine Möglichkeit zum verlässlichen Emporstieg.  

Nur die Särge selbst blieben als mögliche Trittsteine. Und als er dies in Erwägung zog, sann er über die günstigste Art und Weise ihrer Anordnung nach. Drei Lagen aufeinander gestapelter Särge, so schätzte er, würden ihm ermöglichen das Querfenster zu erreichen. Besser aber ginge es mit vieren. Die Kisten waren halbwegs ebenmäßig und konnten wie Steinblöcke gestapelt werden. Geduldig begann er zu errechnen, wie er die8 am besten arrangieren könnte, um eine erklimmbare Plattform von 4 Särgen Höhe zu errichten. Bei seiner Planung konnte er nicht umhin zu wünschen, die Einzelteile seiner beabsichtigten Treppe stabiler gebaut zu haben. Ob er Fantasie genug hatte, sich zu wünschen, sie seien leer, darf durchaus bezweifelt werden.