Im Wirbel der Berufung - Gerhart Hauptmann - E-Book

Im Wirbel der Berufung E-Book

Gerhart Hauptmann

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Beschreibung

Und wirklich, ich hätte es nie für möglich gehalten, aber es ist ein Gereiß um meine Seele, dachte Erasmus. Während der Proben – unstet ist der innere Sinn, sagt die Gîta, dessen Zügelung überaus schwer, ebenso wie die des Windes –, also während der Proben irrte dieser innere Sinn des jungen Dichterregisseurs bald nach Klotzsche zu seinem Weib Kitty ab, das ihm das »süße Geheimnis« jüngst mitgeteilt hatte. Unwillkürlich sprach es da in ihm: »Adieu mitsam'!« – so sagt man in Köln zu einer Schwangeren. Während es aber in ihm dies »Adieu!« sagte, konnte er nicht verhindern, daß er einen starken psychischen Schmerz empfand und unwillkürlich die Hand in die Gegend des Herzens führte. »Herr Doktor, Sie überanstrengen sich!« sagte dann wohl leicht erschreckt die Prinzessin, worauf er etwa lustig witzelnd mit dem Hamlet-Zitat »O schmölze doch dies allzu feste Fleisch!« antwortete. Damit war seine Seele schon wieder mit ihrer zweiten Feindin, die nach ihr griff und an ihr riß, handgemein geworden.

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Kapitel

Gerhart Hauptmann

Erstes Buch

Zweites Buch

Drittes Buch

Viertes Buch

Fünftes Buch

Sechstes Buch

Siebentes Buch

Achtes Buch

Impressum

Gerhart Hauptmann

Im Wirbel der Berufung

Roman

 

 

 

Unser Ausgangspunkt ist der vom einzigen bleibenden und für uns möglichen Zentrum, vom duldenden, strebenden und handelnden Menschen, wie er ist und immer war und sein wird; daher unsere Betrachtung gewissermaßen pathologisch sein wird.

Jacob Burckhardt,»Weltgeschichtliche Betrachtungen«

Erstes Buch

»O ja«, sagte gedehnt der bleiche Mensch. Er hatte das dreiundzwanzigste Jahr kaum überschritten.

»Sie haben es gut«, rief der andere, ein glattrasierter, feuriger Römerkopf. »Ich muß ›Ja‹ sagen, Sie können, wenn Sie wollen, ›O ja‹ sagen. Sie können aber ebensogut ›O nein‹ sagen. Das ist der Vorteil, wenn man eine auskömmliche Rente hat. Ich habe dafür eine große Familie.«

»Ich habe ebenfalls eine Tochter und einen Sohn«, sagte der junge Mann. Der Römer sprach: »Das ist viel für Ihr Alter. Wenn Sie es nicht so weit wie ich bringen wollen – das halbe Dutzend ist bei mir nahezu voll –, müssen Sie ganz gehörig aufpassen. Oder aber, vielleicht ist Ihr Vermögen grenzenlos. Sonst muß man die Ohren gehörig steifhalten. Im allgemeinen bin ich nicht so leicht aus der Fassung gebracht. Als ich aber die Pacht eines Theaters in Potsdam glücklicherweise antreten konnte, war es allerhöchste Zeit für mich.«

»Nehmen Sie noch ein Bier, Herr Direktor?« Die Frage kam von einem schmierigen Jungen, der im Gärtchen des »Felsenkellers« bediente.

»Fritz, Fridericus magnus, holdes ganymedisches Wesen, gewiß!

Ich liebe das Felsenkeller-Bier, weil es leicht und bekömmlich ist. Dazu kommt dieser Aufenthalt. Perlen, wahre Perlen im Golde sind diese kleinen Fürstensitze auf deutschem Grund. Es sind Juwelen, feinste und edelste Blüten der Kunst und Kultur. Wie das Schloß, ein Bau ganz aus karrarischem Marmor, aus der smaragdenen Tiefe des Parks hervorleuchtet! Dort die gewaltigen Sechzehnender im Wildgatter, prächtige Hirsche, gefleckte Hinden. Und dann die Kühle hier unter den hundertjährigen Laubbäumen bei voller Juliglut! Das Geschmetter der Vögel, das Bienengesumm! Um alle viere von sich zu strecken! Glaubt man nicht wahr und wahrhaftig im Paradies zu sein?! – Ich erlaube mir: also Prosit, Herr Doktor!«

»Prosit!« sagte der junge Mann, und beide gossen mit Hochgenuß den kalten, goldgelben Trank hinunter.

»Es kommt bei dem Sommertheaterbetrieb nichts Besonderes heraus. Städtchen und Fürstentum Granitz stellen kein großes Publikum, aber Potsdam ist sommers geschlossen, und so habe ich wenigstens immerhin so ziemlich gratis den angenehmsten Sommeraufenthalt und kann meine Familie und meine Mitglieder, wenn auch mit einer geringen Gage, über den Sommer durchfüttern.

Übrigens residiert hier ein Fürst, der die Freundlichkeit und die Herzensgüte selber ist. Er hat uns das Häuschen im Park eingeräumt, in dem meine Frau mit ihren fünf Bamsen und dem sechsten unterm Herzen geradezu überglücklich ist. Wir leben da unter Bäumen und Blumen.

Wovon sprachen wir doch, Herr Doktor?«

»Sie fragten mich, ob ich für das Theater Interesse hätte. Ich habe mit einem ›O ja‹ geantwortet. Sie können das schließlich daran sehen, daß ich mit Ihrem Shylock befreundet bin.«

»Mit Armin Jetro? O weh, o weh! Dem armen Kerl sitzt der Tod im Busen. Ich fürchte, er macht es nicht mehr allzulange.«

»Ich bin mit Jetro seit einem Jahre bekannt. Er hat mir so viel von seinen Kollegen und Kolleginnen, von dem kleinen Theaterchen hier, von Schloß und Park, von der nahen See und, der Wahrheit die Ehre, auch von Ihnen vorgeschwärmt, daß ich sogleich zur Reise hierher entschlossen war, als sich mir eine Erholung unbedingt notwendig machte.«

Der Direktor fragte, auf eigentümliche Art vor sich hinblickend: »Haben Sie mit den Nerven zu tun?«

»Ich kann mich durchaus nicht als einen standfesten Burschen einschätzen. Ich habe in Florenz einen Typhus zu überstehen gehabt. Die Ärzte hatten mich aufgegeben. Nun sind allerlei Folgen, Migräneanfälle, Magenschmerzen und weiß der Teufel was alles, zurückgeblieben. – Aber lassen wir das! Hypochonder bin ich nicht, und Krankheitsberichte sind für die Ärzte.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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