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Das weit über 100.000 mal verkaufte Grundlagenwerk zur Psychotraumatologie erscheint nach 18 Auflagen erstmals vollständig überarbeitet. Insbesondere werden die Kapitel zur Körperarbeit, zur Gestaltungstherapie sowie zur Traumatherapie mit Kindern und Jugendlichen neu verfasst. Wenn wir Patienten dabei unterstützen, auf die Stimme ihrer inneren Weisheit zu hören, unterstützen wir ihre Selbstheilungskräfte und das freie Fließen dieser oft verschütteten Ressourcen. Als Ergänzung zu diesem Buch ist außerdem eine Hör-CD von Luise Reddemann lieferbar. Luise Reddemann gehört zu den maßgeblichen »PionierInnen« der Traumatherapie. Vieles von dem, was heute therapeutischer Konsens ist, entwickelte sie ab 1985 als Klinikleiterin mit ihrem Team. Viele Betroffene verfügen ansatzweise über erstaunliche Selbstheilungskräfte, die es zu unterstützen und zu entfalten gilt. Aus dieser Erfahrung heraus entstanden zahlreiche, an die Bedürfnisse von Trauma-PatientInnen angepasste Imaginationsübungen. Ebenso wurde auch das dreistufige Vorgehen mit Stabilisierung, Traumakonfrontation und Integration, das heute aus der Traumatherapie nicht mehr wegzudenken ist, hier ursprünglich beschrieben. - Basisbuch zur psychotraumatologischen Behandlung nach Luise Reddemann (PITT) - Die Aktualisierung des Bestsellers trägt Veränderungen in der Praxis Rechnung Heute wissen wir, dass vielen seelischen und psychosomatischen Erkrankungen wie Sucht, Essstörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörungen u. v. m. sehr häufig traumatische Erfahrungen als Ursache oder Mitursache zugrunde liegen. Viele der Betroffenen verfügen - so die Beobachtung der Autorinnen - ansatzweise über erstaunliche Selbstheilungskräfte, die es zu entfalten und zu unterstützen gilt. Aus dieser Erfahrung heraus hat Luise Reddemann zahlreiche Imaginationsübungen entwickelt und gesammelt, die Patientinnen helfen, stabiler zu werden und zu lernen, sich selbst zu trösten: »Achtsamkeit üben«, »Ein Gegengewicht zu den Schreckensbildern finden«, »Der innere sichere Ort« und viele andere. Erst wenn auf diese Weise innere Stabilität gewonnen wurde, folgt die Phase der Konfrontation mit dem Trauma (»Dem Schrecken begegnen«) und der Abschluss (»Die eigene Geschichte annehmen und integrieren«). Ergänzt wird die Imaginationstherapie durch maltherapeutische Elemente (Susanne Lücke) und durch die Körperübungen des »Qi Gong« (Veronika Engl). Verschüttete Erfahrungen, seien es Körpererfahrungen oder innere Bilder, können so wieder freigelegt werden und den Heilungsprozess fördern. Dieses Buch richtet sich an - TraumatherapeutInnen - PsychotherapeutInnen aller Schulen - ÄrztInnen - Laien und Betroffene
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Seitenzahl: 339
Luise Reddemann
Imagination als heilsame Kraft
Ressourcen und Mitgefühl in der Behandlung von Traumafolgen
Unter Mitarbeit
von Susanne Lücke
und Cornelia Appel-Ramb
Zu diesem Buch
Psychischen und psychosomatischen Erkrankungen liegen in vielen Fällen traumatische Erfahrungen als Ursache oder Mitursache zugrunde. Heute weiß man sogar, dass auch Erkrankungen, die bis vor einigen Jahren ausschließlich als körperlich bedingt angesehen wurden, Traumatisierungen, vor allem in der Kindheit, zugrunde liegen können. Viele Betroffene verfügen ansatzweise über erstaunliche Selbstheilungskräfte, die es zu unterstützen und zu entfalten gilt. Aus dieser Erfahrung heraus hat die Autorin zahlreiche heilsame Imaginationsübungen entwickelt und gesammelt, die Patientinnen und Patienten helfen, so stabil zu werden, dass sie sich mit ihren belastenden Erfahrungen detailliert konfrontieren können. Und diese Erfahrungen betrauern und neu beginnen können. Ergänzt wird die Imaginationstherapie in der praktischen Arbeit Luise Reddemanns durch Elemente aus der Kunsttherapie (Susanne Lücke), die mit Hilfe bilderischer Gestaltungen innere Bilder umsetzt. Ausführungen zur Therapie mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen (Cornelia Appel-Ramb) ergänzen das Buch.
Die Reihe »Leben Lernen« stellt auf wissenschaftlicher Grundlage Ansätze und Erfahrungen moderner Psychotherapien und Beratungsformen vor; sie wendet sich an die Fachleute aus den helfenden Berufen, an psychologisch Interessierte und an alle nach Lösung ihrer Probleme Suchenden.
Alle Bücher aus der Reihe ›Leben Lernen‹ finden Sie unter:
www.klett-cotta.de/lebenlernen
Leben Lernen 141
Klett-Cotta
www.klett-cotta.de
© 2001 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung
Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Cover: Jutta Herder, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von Dudarev Mikhail/fotolia
Satz: Kösel Media GmbH, Krugzell
Printausgabe: ISBN 978-3-608-89178-2
E-Book: ISBN 978-3-608-10052-5
PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20339-4
Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
Vorwort zur überarbeiteten Neuausgabe
Vorwort zur 6. Auflage
Einleitung
Grundlegende Gedanken zu Trauma und zur Traumabehandlung
Von Patientinnen lernen – die heilsame Kraft der Vorstellungen
Auf Stabilität achten und die heilsame Kraft der Vorstellungen
Neue Wege
Das Konzept vieler Ichs
Für wen ist dieses Buch geschrieben?
Individuelle Belastung – strukturelle Gewalt
Einige Überlegungen zur therapeutischen Haltung und zum psychodynamischen Verständnis
Mitgefühl als Basis
Ressourcenorientierung
Wenn das Trauma noch akut ist
1. Innere Stabilität finden
1.1 Die therapeutische Beziehung
1.2 Ein Arbeitsbündnis etablieren
1.3 Vorhandene Ressourcen würdigen und nutzen
1.4 Gegenbilder zu den Schreckensbildern finden
1.5 Sich in Aspekten von Achtsamkeit üben
1.6 Den inneren Beobachter kennenlernen
1.7 Ein Gegengewicht für die Schreckensbilder finden
1.7.1 Der innere Ort der Geborgenheit
1.7.2 Die inneren hilfreichen Wesen
1.7.3 Das innere Team
1.7.4 Die Baumübung
1.7.5 Gepäck ablegen
1.7.6 Die Tresorübung
1.7.7 Der innere Garten
1.7.8 Glücksübung
1.7.9 Inneren Frieden finden
1.7.10 Mitgefühl mit sich selbst
1.8 Distanzierung: Sich von Schreckensbildern distanzieren lernen
1.9 Gefühle kennenlernen und den Umgang mit schwierigen Gefühlen steuern lernen
1.10 Dem unangenehmen Bild eine Gestalt geben
1.10.1 Die Regler-Übung
1.11 Den jüngeren Ichs begegnen
1.12 Die innere Bühne als Ort problematischer Gestalten
2. Heilsamen Umgang mit dem Körper lernen
2.1 Selbstheilung, Körpergedächtnis und das Prinzip Achtsamkeit
2.2 Breema-Körperarbeit
2.2.1 Den Berg berühren
2.2.2 Das Herz öffnen
2.3 Weitere Körperübungen
2.4 Qigong
3. Dem Schrecken begegnen
3.1 Vorbereitung
3.2 Traumakonfrontation
3.2.1 Die »Beobachter-Technik«
3.3 Die Zeit nach der Traumakonfrontation
4. Kunstpsychotherapie im Prozess der Traumaheilung
4.1 Einleitung
4.2 Kunsttherapeutische Übungen und Interventionen
4.2.1 Kontaktaufnahme zu einer Ressource: Das ressourcenorientierte Blitzlicht
Bildbeispiel
4.2.2 Die inneren Schätze bergen: Der geschützte Strand
Bildbeispiele
4.2.3 Selbstberuhigung und Selbsttröstung: Auf der Suche nach einem Ort der Geborgenheit
Bildbeispiele
4.2.4 Distanz entwickeln: Der inneren Beobachterin eine Gestalt geben
Bildbeispiel
4.2.5 Starke Affekte regulieren: Der stabile Rahmen
Bildbeispiele
4.2.6 Belastungen distanzieren: Gefäße zum Öffnen und Schließen
Bildbeispiele
4.3 Kunstpsychotherapeutische Arbeit auf der inneren Bühne
4.3.1 Einen liebevollen Kontakt zu jüngeren Ichs entwickeln
4.3.2 Verletzte Anteile retten
4.3.3 Persönlichkeitsanteile verwandeln
5. Die eigene Geschichte annehmen und integrieren
5.1 Der Trauer eine Gestalt und Raum geben
5.2 Briefe schreiben
5.3 Dem ganz alten Menschen, der man sein wird, begegnen
5.4 Rituale
5.5 Geschichte(n) erzählen
5.6 Schuld und Sühne
5.7 Sinnfragen
5.8 Dankbarkeit und Versöhnung
5.9 Neu beginnen
6. Zur psychodynamisch-imaginativen Traumatherapie mit Kindern und Jugendlichen
6.1 Einleitung
Folgen unverarbeiteter Traumatisierung
6.2 Grundlegende Prinzipien von PITT in der Anwendung für Kinder und Jugendliche
Abgabe der Regie
Unterstützende Kontakte ja, aber kein Täterkontakt!
Alles tun, damit das Kind Stress abbauen kann
Psychoedukation
Eine klare Sprache
Traumatisches Spiel nicht weiter zulassen
Numbing und Dissoziation begrenzen
Dazu eine Fallvignette:
6.3 Behandlung
6.3.1 Die Stabilisierungsphase
a) Entwicklungsfördernde Beziehung aufbauen
b) Erzeugen von Hoffnung
c) Vorstellungskraft nutzen zur inneren Absicherung
Der innere Ort der Geborgenheit
d) Familien-Kohärenz stärken
e) Gute Alltagsstrukturen geben
f) Täter-Introjekte und verletzte Anteile bemerken
g) Die Versorgung verletzter Anteile
h) Kriterien für den Beginn konfrontativer Arbeit
i) Ich-Stärkung hat Priorität
6.3.2 Die Traumakonfrontationphase
Die Beobachter-Technik
Die Bildschirm-Technik
Das Mentalisieren erleichtern und Vorbereitung der Traumaintegration
6.3.3 Die Integrationsphase
6.4 Ausblick
Anhang
Die wichtigsten Therapieschritte
Stabilisierungsphase
Allgemeine Elemente der Traumakonfrontationsphase
Beobachter-Technik
Verzeichnis der Übungen
1. Zu 1: Innere Stabilität finden
2. Zu 2: Heilsamen Umgang mit dem Körper lernen
3. Zu 3: Dem Schrecken begegnen
4. Zu 4: Kunstpsychotherapie im Prozess der Traumaheilung
5. Zu 5: Die eigene Geschichte annehmen und integrieren
Literatur
Bildteil
Das Buch »Imagination als heilsame Kraft« ist fünfzehn Jahre in der Welt und hat viele Menschen erreicht. In diesen Jahren hat sich vieles verändert, nicht zuletzt in der Psychotraumatologie. Daher steht es an, das Buch zu überarbeiten und diesen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Auch das Konzept der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie wurde von mir kontinuierlich weiterentwickelt, sodass ich es für erforderlich halte, den aktuellen Stand der Arbeit mit diesem Konzept weiterzugeben.
Dr. Christine Treml vom Verlag Klett-Cotta gilt mein großer Dank dafür, dass sie mich bei diesem Vorhaben begleitet und unterstützt hat.
In den letzten Jahren hat sich eine heftige Kontroverse entwickelt zum Thema: So schnell wie möglich konfrontieren. Da erhebt sich die Frage, was können Menschen für sich tun, die über Jahre Gewalt, sexualisierte Gewalt und emotionale Gewalt erlitten haben, und dies auch schon in der Kindheit? Welche Traumata soll man so schnell wie möglich konfrontieren, wenn es sich um Hunderte von Einzeltraumata handelt? Sind sie die ausschließlichen Auslöser für all die Schwierigkeiten, mit denen sich Menschen, die solche Erfahrungen gemacht haben, plagen? Ist es nicht so, dass auch die Versuche der Anpassung an all den Schmerz und das Leid die Betroffenen zu Anpassungsprozessen zwingt, die ihrerseits auf Dauer problematisch sein können? Ich widerspreche keinesfalls der Idee, mit der auslösenden Situation so rasch wie möglich zu konfrontieren, solange es sich um einmalige traumatische Erfahrungen handelt, und auch nicht, wenn komplex traumatisierte Menschen sehr stabil sind. Jedoch ist es mir wichtig, meine Erfahrungen mit anderen zu teilen, wonach viele traumatisierte Menschen von dem sogenannten Dreiphasenmodell der Traumatherapie am meisten profitieren. Es ist allerdings zu betonen, dass jede Patientin anders ist und gegebenenfalls auch anderes erfordert und dass daher jegliches Behandlungsmodell nur eine gewisse Orientierung bieten kann. Letzten Endes müssen Therapeutin und Patientin gemeinsam entscheiden, was im jeweiligen Fall zu tun und das Sinnvollste ist.
Die Internationale Traumagesellschaft, ISST, empfiehlt nach wie vor das Dreiphasenmodell für die Behandlung, auf das auch ich mich hier berufe.
Herauszufinden, was am wenigsten riskant ist, ist viele Überlegungen wert. Einer der erfahrensten Therapeuten auf dem Gebiet der Psychotraumatologie, Richard Kluft, hat vor langer Zeit gemeint, »the slower, the faster«, also je langsamer (am Beginn), desto schneller geht es (später) voran.
Mir geht es vor allem darum, dass Betroffene Mitgefühl mit sich selbst entwickeln, bzw. wenn es bereits in Ansätzen vorhanden ist, es immer mehr zu nutzen. Hierzu haben sich heilkräftige innere Bilder und Vorstellungen bewährt. In diesem Sinn rate ich noch immer, behutsam und ressourcenorientiert vorzugehen, wie ich es vor 15 Jahren bereits empfohlen habe. Der große Bogen bleibt also, aber im Detail gibt es einiges Neues zu sagen.
Mit Freude und Dankbarkeit konnte ich in den letzten Monaten erleben, dass dieses Buch für viele Menschen, Kolleginnen und Kollegen ebenso wie Betroffene, eine Hilfe ist. Ich habe viele ermutigende Rückmeldungen bekommen. Dafür danke ich allen, die sich die Zeit genommen haben, mir zu schreiben.
Es gab auch wichtige kritische Hinweise. Am häufigsten wurde die Frage gestellt, ob ich nicht doch ein wenig zu schönfärberisch denke. Es gäbe doch auch ganz und gar verzweifelte Menschen, denen nie etwas Gutes widerfahren sei. Dem will ich nicht widersprechen. Und es gibt sicher Menschen, für die es hilfreich ist, wenn sie einem anderen ihr Leid und Leiden einfach so berichten können. Haben sie das getan, fühlen sie sich angenommen und beginnen dann einen Heilungsprozess aus sich heraus, d. h., sie benötigen keine stabilisierende Arbeit. Mein Buch ist vor allem für diejenigen gedacht, die einen langen Vorbereitungsprozess benötigen, um sich dem Grauen stellen zu können. Ohne inneres Gegengewicht erscheint dies in diesen Fällen nicht möglich. Ich habe mit Menschen gearbeitet, die bereits verschiedene Einsicht und Erkenntnis fördernde Therapien hinter sich hatten, aber innerlich nicht zur Ruhe kommen konnten. Für diese Menschen kamen der Umschwung und die Heilung erst, nachdem sie an inneren Gegengewichten gearbeitet hatten.
Es gibt auch Menschen, die mit dem von mir vorgeschlagenen Weg nichts anfangen können. Ich halte es für schlichtweg ausgeschlossen, dass es den therapeutischen Weg gibt, der für alle hilfreich ist. Es ist zum einen eine therapeutische Aufgabe, die Differenzialindikation verschiedener therapeutischer Verfahren zu klären, zum anderen möchte ich den Betroffenen raten, sich selbst zu vertrauen und Wege, von denen sie spüren, dass es nicht die ihren sind, wieder zu verlassen. Ich weiß, dass das nicht immer leicht ist, dennoch ist es den Versuch wert.
Mich erreichten viele Anfragen nach einem Kapitel zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Deshalb freue ich mich besonders, dass Frau Appel-Ramb dieses Kapitel aus ihrer Erfahrung heraus geschrieben hat. Eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, haben mir rückgemeldet, dass sie die imaginativen Techniken gut in ihre Arbeit integrieren können. Z. T. geschieht das dann auch in Form von altvertrauten spieltherapeutischen Techniken.
Hinzugefügt habe ich einen kleineren Text zur Akuttraumatisierung (S. 21 f.). Im Stabilisierungskapitel ist ein Abschnitt »Die vorhandenen Ressourcen würdigen« dazugekommen (S. 26 ff.). Auf vielfachen Wunsch haben wir auch einige Fortbildungsmöglichkeiten aufgelistet.
Als ich 1985 die Leitung einer psychosomatischen Klinik übernahm, machten sich deutsche Psychotherapeuten und Psychiater so gut wie keine Gedanken über Traumatisierungen ihrer Patienten und Patientinnen, und Psychoanalytiker waren der Meinung, dass Traumatisierungen weniger wichtig waren – wenn überhaupt – als phantasierte Vorstellungen. Alice Miller, die Anfang der 80er-Jahre einige Bücher zu diesem Thema veröffentlicht hatte, wurde in Fachkreisen kaum ernst genommen. Meist wurden Traumatisierungen, über die Patientinnen berichteten, als Phantasien behandelt. Seit dem Jahr 2010 wird sehr viel über sexualisierte Gewalt gesprochen, und viele Betroffene haben sich zu Wort gemeldet (viele allerdings immer noch nicht, weil sie – nicht zu Unrecht – einen Mangel an Verständnis befürchten. Ich empfehle für Therapeutinnen: Andreas Huckele, »Wie laut soll ich denn noch schreien«, sowie »Der Klang der Wut« von James Rhodes. Betroffene könnten allerdings von beiden Büchern getriggert werden und sollten daher vorsichtig mit der Lektüre sein).
In der von mir geleiteten Klinik fühlten sich die Patientinnen sicher genug, um über die ihnen angetane Gewalt zu berichten. Wir wissen inzwischen sehr genau, dass hinter sehr vielen seelischen und psychosomatischen Erkrankungen, insbesondere den Persönlichkeitsstörungen vom Borderlinetyp, aber auch depressiven Erkrankungen, Suchterkrankungen, Essstörungen, selbstverletzendem Verhalten und den Somatisierungs- und Angststörungen, traumatische Erfahrungen als Ursache oder Mitursache zu finden sind. Und inzwischen gibt es auch große Studien, die zeigen konnten, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere chronische Erkrankungen, wie z. B. Diabetes, vor allem solche, die in den mittleren Lebensjahren zum Problem werden, mit Kindheitstraumatisierungen in Zusammenhang gebracht werden können (Felitti 1998).
Heute kostet es glücklicherweise nicht mehr viel Mut, die von den Patientinnen mitgeteilten Erfahrungen als solche zu akzeptieren, während Therapeutinnen, die die Schreckensgeschichten ihrer Patientinnen ernst nahmen, bis Anfang der 2000er-Jahre häufig selbst diskriminiert wurden. Das heißt nicht, dass es sich um Berichte handelte, die in jedem Detail kriminologisch beweisbar gewesen wären, aber wir glaubten unseren Patientinnen schon immer, wenn sie erzählten, dass sie Gewalt und sexualisierte Gewalt erfahren hatten und dass sich dies schädlich und schädigend auf ihre Seele und ihren Körper ausgewirkt hatte.
Im Lauf der letzten 15 Jahre ist zu den Ursachen und schädlichen Wirkungen von Traumatisierungen, die Menschen anderen Menschen zufügen, insbesondere Kindern, ein großer Wissensschatz zusammengetragen worden. Es gibt inzwischen eine viel größere Anzahl von therapeutischen Ansätzen als noch vor 15 Jahren. So kann heute jede Patientin zwischen vielen Möglichkeiten wählen und schauen, was zu ihr am besten passt. Die einen wollen sanfte Behandlungen, die anderen nehmen in Kauf, dass sie noch einmal durch viel Leidvolles hindurchmüssen, weil sie »alles« möglichst rasch hinter sich bringen wollen. Diese Anliegen halte ich für legitim. So haben Patientinnen inzwischen auch einen durch das Patientenrechtegesetz gesicherten Anspruch, über therapeutische Angebote umfassend informiert zu werden, damit sie selbst Für und Wider unterschiedlicher Angebote abwägen können (Reddemann & Dehner-Rau 2012). Im Folgenden möchte ich die wichtigsten Prinzipien meines Ansatzes kurz darstellen, damit sich LeserInnen orientieren können.
Der Arzt kuriert und die Natur heilt.
(Paracelsus)
Unsere Patientinnen lehren uns beständig, dass sie in Situationen größter Not für sich kreative Auswege gefunden haben und finden. So hatten sie sich z. B. innere und manchmal äußere Räume geschaffen, in denen sie sich wohl und geborgen fühlen konnten. Sie hatten innere Begleiter »erfunden«, Feen, Schutzengel, Tiergestalten und anderes, um sich nicht mehr allein fühlen zu müssen und um Trost zu erhalten. Als unsere Patientinnen bemerkten, dass wir ihre kreativen Lösungen für höchst achtenswert und wunderbar hielten, ließen sie uns teilhaben an diesen inneren Welten. Ich lernte bei Carl Simonton (1992) Übungen kennen, die genau dies, was unsere Patientinnen spontan getan hatten, bewirkten, nämlich Bilder von einem guten Ort und von hilfreichen Wesen zu erschaffen. Ich lernte, dass dies im Wesentlichen sehr alten schamanischen Vorgehensweisen entsprach. Schon lange denke ich, dass es in jedem von uns so etwas wie einen Schamanen oder eine innere Weisheit gibt. Ich habe sehr oft beobachten können, dass Menschen, auch und gerade solche, die sehr verstört waren, in sich über Wissen und Weisheit verfügen, die weit über das hinausgehen, was das bewusste Ich weiß. Viele haben aber verlernt, auf diese innere Weisheit zu lauschen, denn das Hören der inneren Weisheit erfordert Stille. Es erfordert auch, dem Verstand den Platz zuzuweisen, der ihm gebührt, und ihn nicht über alles zu stellen. Inzwischen haben sich viele Menschen für den Buddhismus interessiert oder sich ihm sogar zugewendet. Hier ist die Rede von der »Buddha-Natur«, was bedeutet, dass in jedem Menschen bereits Weisheit und Klarheit vorhanden sind.
Sehr beeindruckt bin ich noch immer von der Tatsache, dass jeder Mensch über Selbstheilungskräfte verfügt und dass unsere wichtigste Aufgabe darin besteht, diese zu unterstützen. Die Erkenntnisse über Selbstheilungskräfte haben inzwischen als Forschung über Salutogenese und Resilienz Eingang in die Wissenschaft gefunden.
Für fatal halte ich es, wenn BehandlerInnen meinen, sie wüssten besser als der Patient oder die Patientin, was für diese gut ist. Wir können und sollten natürlich unser Wissen zur Verfügung stellen, letztlich aber weiß der betroffene Mensch besser als wir, was ihm oder ihr weiterhilft. Demut sollte ein wichtiges Ingrediens der Haltung von BehandlerInnen sein.
Wenn wir Patienten dabei unterstützen, auf die Stimme ihrer inneren Weisheit zu hören, unterstützen wir ihre Selbstheilungskräfte und das freie Fließen dieser oft verschütteten Kräfte.
Die Nutzung von Imaginationen ist inzwischen Standard in vielen traumatherapeutischen Ansätzen geworden. Darüber bin ich nicht nur froh. Ich sehe die Gefahr, dass zu wenig erkannt wird, dass bestimmte Interventionen zwar hilfreich sein können, aber dass dies noch lange nicht heißt, dass sie jederzeit und bei jedem wirken. Menschen sind Individuen, und was bei einer Person hilfreich ist, kann einer anderen sogar schaden. Deshalb empfehle ich nachdrücklich, dass die betroffenen Menschen entscheiden, ob sie einer therapeutischen Empfehlung folgen wollen und können, und dass Therapeutinnen das respektieren. Dazu sind sie übrigens seit dem Jahr 2013 auch verpflichtet nach dem Patientenrechtegesetz. Und Patienten bitte ich, den Respekt vor ihren Rechten einzufordern.
Menschen, die an den Folgen von vielfachen Traumatisierungen leiden, werden auch nach heutigem Wissensstand – auch wenn es Gegenstimmen gibt – am besten mit einer dreiphasigen Therapie behandelt, die zunächst eine Phase der Stärkung von allem, was gebraucht wird, beinhaltet, ohne dass der Begegnung mit traumatischen Erfahrungen gänzlich ausgewichen wird (d. h. selbstverständlich können Patientinnen von ihren traumatischen Erfahrungen erzählen, Konfrontation ist im Übrigen kein operationalisierter Begriff, das heißt, wenn eine Patientin ein wenig auf ihre alten Erfahrungen blickt, »konfrontiert« sie sich bereits), um in weiteren Schritten »dem Trauma«, genauer den Traumata, zu begegnen, sowie eine Phase der Integration. Es ist stets darauf zu achten, dass Patienten die ganze Behandlung hindurch über genügend innere Stabilität verfügen. Nur dann ist es überhaupt möglich, dem Grauen einen Namen zu geben, und dann ist es fruchtbar und befreiend, es auszusprechen. Es braucht eine liebevolle äußere Begleitung, viel innere Kraft und zunehmendes Mitgefühl mit sich selbst, den Schrecken der Vergangenheit zu begegnen, und es ist uns wichtig, dies zu ermöglichen.
Wichtig ist es mir auch hervorzuheben, dass die Begegnung mit den Schrecken der Vergangenheit kein Selbstzweck sein sollte, sondern dazu dient, in einer gesünderen Gegenwart und Zukunft zu leben.
Die Idee, dass ein beschädigter Mensch mit sich selbst mitfühlend und tröstend umgehen und dies in einer Therapie erlernen kann, wird immer noch angezweifelt. Ist doch die Vorstellung weit verbreitet, es sei fast ausschließlich Aufgabe der Therapeutin, als Hilfs-Ich für Trost zu sorgen. Doch werden Patientinnen, die dies nicht selbst erlernen oder denen diese Fähigkeit durch Therapie quasi enteignet wird, immer abhängiger von der Zuwendung ihrer Therapeutinnen. Da diese naturgemäß nicht immer zur Verfügung stehen können, entwickelt sich oft ein erhebliches Dilemma sowohl für die Patientin wie für die Therapeutin. Erfährt die Patientin andererseits von Anfang an, dass ihre Therapeutin ihr zutraut, dass sie in sich Fähigkeiten zur Verfügung hat, sich selbst zu beruhigen und zu trösten, aber auch Trost anzunehmen, und sucht die Therapeutin gemeinsam mit der Patientin von Anfang an beharrlich nach deren Ressourcen, gibt das der Patientin viel Mut. Das bedeutet, dass sich die Therapeutin als mitfühlende Begleiterin zur Verfügung stellt und stets die gemeinsame Arbeit im Blick hat. Ich halte die einfache Frage für klärend: Wie hätte ein Mensch überlebt, wenn in ihm nicht Selbstheilungskräfte, (Über-)Lebenswillen und etwas, das ihn tröstet, zur Verfügung stünden? Die häufig mitgebrachten inneren Bilder guter innerer Orte und der hilfreichen Begleiter scheinen mir diese Hypothese zu bestätigen.
Auf der Suche nach neuen Wegen war ich durch Sylvia Wetzel auch in Kontakt mit buddhistischer Meditation gekommen und hatte manches über die buddhistische Psychologie gelernt. Es gibt in dieser Psychologie nach meinem Verständnis einige wesentliche Kerngedanken, die auch in der westlichen Psychotherapie von Nutzen sein können:
Leiden gibt es; man macht es schlimmer, wenn man es nicht akzeptiert. Das bedeutet aus meiner Sicht für die Therapie traumatisierter Menschen, dass wir ihr Leiden auf gar keinen Fall leugnen oder bagatellisieren dürfen, sondern anerkennen sollen. Dazu braucht es Mitgefühl. Und zur Heilung braucht es ebenfalls Mitgefühl, Mitgefühl mit sich selbst und mit anderen. Mitgefühl sollte einhergehen mit Achtsamkeit, Freundlichkeit und Freude.
Ein weiterer Gedanke: »Es gibt keinen Weg zum Glück, Glück ist der Weg.« Was bedeutet das? Die meisten, wenn nicht alle Menschen, suchen Glück, Freude, Zufriedenheit, jedoch beschäftigen sie sich die meiste Zeit des Lebens damit, die Steine aus dem Weg zu räumen, die sie daran hindern, glücklich zu sein. Damit sind sie dann aber mehr mit den Steinen als mit dem Glück beschäftigt. Es erfolgt eine Konzentration auf das Unglück, was häufig zur Folge hat, dass man noch unglücklicher wird, denn man »hat« bekanntlich, worauf man sich konzentriert. Daher erscheint es mir bedeutsam zu lernen, die kleinen Momente von Zufriedenheit, Geborgenheit, Freude und Glück ebenso gut mitzubekommen wie die Momente von Unglück und Missmut. Und dieses Anliegen sollte in der Therapie fortlaufend thematisiert werden!
Wir regen daher unsere Patientinnen an, sich auf die Fähigkeit zum Froh- und Glücklichsein ungefähr genauso viel zu konzentrieren wie auf die Sorgen und Probleme, und auf ihre Kompetenz und Eigenmacht ebenso sorgfältig zu achten wie auf ihre Gefühle der Ohnmacht. Oft wird auch deutlich, dass Probleme längst nicht 24 Stunden am Tag präsent sind, sondern nur kurzzeitig, dass es aber durch die Konzentration darauf so aussieht, als bestünde das Leben nur aus Problemen. Wir erkannten, dass erst, wenn die Fähigkeit zum Frohsein wieder entdeckt war und erstarkte, die traumatischen Erfahrungen konfrontiert werden konnten, ohne dass dies extrem und kaum aushaltbar belastend wurde. Auch dies widerspricht der Ansicht vieler Menschen, die meinen, man müsse sich doch erst einmal um das Leid und das Leiden kümmern, bevor man froh sein könne. Nun ist es aber sowohl eine simple Alltagserfahrung wie eine durch Forschung belegte Einsicht, dass man Probleme leichter löst, wenn man »gut drauf« ist. Sorgen wir also – ob Patientin oder Therapeutin – dafür, dass wir in Kontakt sind mit unseren inneren Kraftquellen. Dann lassen sich die schrecklichen Dinge der Vergangenheit leichter bearbeiten und auflösen bzw. integrieren. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Schrecken der Vergangenheit im Falle einer –komplexen – posttraumatischen Belastungsstörung oft »anfühlen«, als geschähen sie jetzt, d. h., es ist oft ein langer Weg in der Therapie, bis klar ist, dass man heute ein anderer oder eine andere ist als damals. Es kommt vor, dass Menschen mit Traumaerfahrungen sich nicht oder kaum bewusst werden, dass sie jetzt in – relativer – Sicherheit leben und wie viel sie selbst dazu beigetragen haben, dass es so ist. Es ist, als steckten sie in der unglücklichen Vergangenheit fest. In der Gegenwart bewusst anzukommen und ihre Möglichkeiten bewusst nutzen zu können, ist daher ein wichtiges Anliegen der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie.
Ich halte es für wichtig, »Freude als Weg« zu empfehlen nach der Devise, wenn wir doch ohnehin alle glücklich sein wollen, sollten wir uns direkt ohne Umschweife damit befassen.
Wir haben also gelernt, dass Mitgefühl und Achtsamkeit wesentliche Elemente der Heilung darstellen. Dazu erlernten wir eine Reihe von Übungen, die ich hier, angepasst an die Bedürfnisse traumatisierter Menschen, weitergeben werde.
Unser Therapieansatz ist ein integrativer und theoretisch psychodynamisch begründet. Wir meinen, dass die Psychoanalyse mit ihren Konzepten von Übertragung und Gegenübertragung und vom Unbewussten eine hilfreiche Verstehensgrundlage bietet, die klassischen psychoanalytischen Interventionen aber modifiziert werden sollten, um den Anforderungen, die traumatisierte Menschen an eine Behandlung stellen, gerecht zu werden. Auch hierzu gibt es neuere Ansätze, die auch in Deutschland bekannter geworden sind. Insbesondere die Bedeutung der therapeutischen Beziehung und der Bindung haben heute mehr Gewicht, und es geht heute mehr als früher um die Möglichkeit, Selbstwirksamkeit zu erkennen und Fertigkeiten dafür zu entwickeln, aber auch die Folgen von Verletzungen und die daraus resultierende Verletzlichkeit mehr als früher anzuerkennen.
Eine weitere Grundlage unserer Arbeit ist die Berücksichtigung der Tatsache, dass wir jeden Tag so etwas wie neue Menschen – mit unterschiedlichen Anteilen – sind. Viele Menschen leben mit der Vorstellung, sie seien immer dieselben. Dies entspricht aber nicht einmal physiologisch gesehen den Tatsachen. Denn unser Körper erneuert und verändert sich ständig. Auf der geistig-seelischen Ebene verändern wir uns ebenfalls. Ich lade die Leserin/den Leser ein, sich einmal an sich vor ein paar Jahren oder noch weiter zurückliegend zu erinnern. Da hatten Sie sicher nicht in allem die gleichen Ansichten, die gleichen Wünsche, Vorlieben und Meinungen wie heute.
Dieser Prozess des Wandels ist für uns so selbstverständlich, dass wir nicht darüber nachdenken. Wenn man meditiert, bemerkt man bald, wie sich Gedanken, Gefühle, Empfindungen dauernd wandeln. Manchen Menschen macht das Angst, weil sie meinen, dass ihnen Beständigkeit allein die nötige Sicherheit geben könne. »Das einzig Unveränderliche ist die Veränderung«, sagte Laotse. Ich halte diese Einsicht für eine große Chance. Wenn wir uns darin üben, den Wandel in uns ohne Vorurteil wahrzunehmen, sehen wir darin ein Potenzial, das uns ohnehin zur Verfügung steht. Ich bin heute nicht mehr die, die ich gestern war. Damit kann ich, die Person von heute, anfangen, mit all den vielen Ichs, die ich je gewesen bin, in Verbindung zu treten. Das Ich von heute kann mit den jüngeren Ichs sprechen, sie trösten, sie unterstützen, von ihnen Unterstützung bekommen und so fort.
Und, was besonders wichtig ist, von heute an kann ich neue Entscheidungen treffen für jetzt und für die Zukunft. Alles, was ich je war, erkenne ich an. Es geht nicht darum, zu verdrängen und zu vergessen, sondern darum, sich selbst die Chance einzuräumen, dass das Heute, der jetzige Moment zur Verfügung stellt, was ich sein will. So kann ich schließlich meine Vergangenheit da lassen, wo sie hingehört, nämlich in die Vergangenheit, und kann mich auf einen neuen Weg begeben. Ich kann aus vielen Wegen wählen, auch Glück als Weg ist möglich.
Die hier angestellten Überlegungen sind in meiner therapeutischen Arbeit wegweisend geworden. Ich möchte in diesem Buch darstellen, wie es möglich ist, trotz großem persönlichem Leid einen – therapeutischen – Weg zu gehen, der von Anfang an die inneren Fähigkeiten zum Frohsein und zum Glücklichsein ebenso berücksichtigt wie den Schmerz. Damit kann dem Schmerz viel eher der ihm gebührende Platz zugewiesen werden. Erich Fried sagt: »Es gibt nur ein Gegengewicht gegen Unglück … und das ist Glück.« Ich möchte deutlich machen, dass Menschen, die extreme Ohnmachtserfahrungen gemacht haben, dennoch oder gerade deswegen über Kompetenz und Eigenmacht verfügen. Deshalb sind Patientinnen und Patienten für mich Partnerinnen und Partner, mit denen ich gerne zusammenarbeite.
Dieses Buch wendet sich an Therapeutinnen und Therapeuten. Für mich gehört es heute mehr denn je zu einer guten therapeutischen Arbeit dazu, Patientinnen und Patienten genauso gut zu informieren wie Kolleginnen und Kollegen. Wir meinen, dass gründliche Information die beste Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit darstellt. Für traumatisierte Menschen ist Gut-informiert-Sein außerdem wichtig, um ein Gefühl von Kontrolle zu behalten. Therapeuten und Therapeutinnen können dieses Buch ihren Patientinnen und Patienten weiterempfehlen, um sich zu informieren.
Insbesondere die Imaginationen, die ich beschreibe, können für alle von Nutzen sein. Ich werde die Leserin/den Leser daher direkt ansprechen. Therapeuten und Therapeutinnen können von vielen der Imaginationen auch im Sinne ihrer Selbstfürsorge profitieren. Im Übrigen bitte ich Sie, nichts an Patienten weiterzugeben, das Sie nicht selbst ausprobiert haben und selbst schätzen.
Ich werde in diesem Buch Theorien über posttraumatische Belastungsstörungen nur kurz erklären. Dazu gibt es inzwischen genügend Literatur. Ich empfehle die Bücher von Butollo und seinen Mitarbeiterinnen (1999, 2013) als eine gute Einführung. Das Lehrbuch von Fischer und Riedesser ist lesenswert für die Vertiefung, ebenso das von Andreas Maercker herausgegebene Buch zur posttraumatischen Belastungsstörung. Inzwischen ist die Literatur zum Thema kaum noch überschaubar. Als Selbsthilfebuch steht das Buch »Trauma heilen« von mir und Cornelia Dehner-Rau zur Verfügung.
Dieses Buch ist gedacht als ein Bericht aus der Werkstatt. Praxisnahe Beispiele sollen dazu anregen, einen mitgefühlsorientierten und ressourcenorientierten Ansatz in der Arbeit an Traumafolgen anzuwenden.
Die Zusammenarbeit der Forscher und Therapeuten, die sich um Vietnam-Veteranen kümmerten, und der Forscherinnen und Therapeutinnen, die sich mit Gewalt und sexualisierter Gewalt in der Familie, also besonders mit Gewalt an Frauen und Kindern, beschäftigten, erbrachte, dass die Folgen von Traumatisierungen relativ ähnlich sind und auch die Symptome, wenn man eine Traumatisierung nicht verarbeiten und integrieren kann. Dennoch gibt es auch wichtige Unterschiede: Z. B. wirken sich kollektive Traumatisierungen anders aus als Traumatisierung in der Familie. Eine Vergewaltigung verletzt darüber hinaus die Integrität als Frau und manchmal als Mann.
In diesem Buch geht es um individuelle Lösungen. Das bedeutet nicht, dass wir das Problem struktureller Gewalt ausblenden. Eine wichtige Grundlage unserer Arbeit sind Theorien, die von feministischen Forscherinnen entwickelt wurden, wonach patriarchale Strukturen innerhalb der Familie insbesondere für das Leben von Frauen und Kindern ein Gewaltrisiko ersten Ranges darstellen. Leider gilt das durchaus auch noch im Jahr 2016. Ich gehe davon aus, dass ein Mensch erst in sich Ruhe finden sollte, d. h. zu einem ausreichenden Selbst- und Stressmanagement fähig sein sollte, ehe sie oder er sich den Fragen struktureller Gewalt zuwenden kann. Jedoch scheint es mir notwendig, die Zusammenhänge deutlich zu machen und traumatische Erfahrungen der Kategorie »man made« auch in diesem Licht zu betrachten. In den letzten Jahren wurde auch deutlich, dass eine Bezugnahme auf historische und gesellschaftliche Bedingungen in vielen Psychotherapien notwendig ist, insbesondere die Folgen von NS-Zeit und Zweitem Weltkrieg geraten immer mehr in den Blick.
Ich habe mich entschieden, hier Fälle und Vignetten auszuwählen, in denen es sich entweder um leichter zu ertragende Geschichten wie z. B. Verkehrsunfälle handelt oder die nicht allzu viele Details preisgeben. Das Lesen von Schreckensgeschichten kann sich bereits traumatisierend auswirken. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns in der Therapie die Erfahrungen von Gewalt, sexualisierter Gewalt und Folter nicht anhören. Das Gegenteil ist der Fall! Therapeuten und Therapeutinnen, die mit Opfern von Gewalt und sexualisierter Gewalt arbeiten, sollten das nur tun, wenn sie sich dazu in der Lage fühlen, wirklich alles zu hören. Dieses Buch soll aber nicht der Ort sein, um dies darzustellen. Inzwischen gibt es eine unüberschaubare Anzahl von Büchern sowohl zu den Themen Gewalt und sexualisierter Gewalt und in den letzten Jahren sehr vieles zu den Folgen von NS-Zeit und Zweitem Weltkrieg. Ich selbst habe mich damit ebenfalls intensiv beschäftigt und dazu jüngst publiziert (Reddemann 2015).
Jede Art von Intervention kann nur dann hilfreich wirken, wenn die Patientin ein Minimum von Vertrauen erleben kann. Therapeutinnen sollten daher alles tun, um dieses Vertrauen zu fördern, und eine Atmosphäre schaffen, die Sicherheit und Halt garantiert und sogar Momente von Geborgenheitserfahrungen ermöglichen. Heute ist die Vorstellung, dass es in der Psychotherapie nicht zuletzt um gute Bindungserfahrungen gehen sollte, Allgemeingut.
Unter Stabilisierung verstehe ich aus psychodynamischer Sicht Stärkung von Ichfunktionen. Das traumatisierte Ich ist kein Normal-Ich i. S. Freuds (1937), und ich halte eine Modifizierung der analytischen Vorgehensweise i. S. Ich-psychologischer Erkenntnisse und strukturbezogener Interventionen für notwendig. Darüber hinaus bieten die neueren psychoanalytischen Ansätze wie relationale Psychoanalyse und der intersubjektive Ansatz vieles, was auch in meiner Arbeit eine Rolle spielt. »Traumatherapie« ist im Übrigen aus meiner Sicht kein spezielles Verfahren, sondern dieses Wort drückt aus, dass Therapeuten Konsequenzen aus den Bedingungen, die Patienten mitbringen, ziehen.
Wir behandeln Menschen und keine Traumata oder gar Diagnosen!
Und deshalb geht es aus meiner Sicht immer um ein gemeinsames Tun von Psychotherapeutin und Patientin mit einer forschenden, offenen Grundhaltung, um gemeinsam herauszufinden, was von vielen therapeutischen Möglichkeiten in einem gegebenen Moment hilfreich und sinnvoll sein kann. Bis heute spricht vieles dafür, dass es weniger eine Methode ist, die hilft, als zum einen die therapeutische Beziehung und zum anderen die therapeutische Nutzung all dessen, was dem Menschen bis jetzt bereits gedient hat und hilfreich war (dazu Wampold 2010). Dies zu erkunden, ist für mich ein wichtiger Teil der Arbeit.
Viele Patientinnen sind sich nicht oder nicht ausreichend bewusst, über wie viele innere Schätze sie bereits verfügen, wie oft sie klug gehandelt haben, um sich zu schützen, wie viel Mut und Ja zum Leben bereits in ihnen vorhanden ist. All diese Schätze gilt es zu erkennen und bewusster zu nutzen.
Imaginative Techniken haben eine adaptive Funktion (Singer 1986). Darüber hinaus stellt die erste Therapiephase der Patientin Handwerkszeug zur Verfügung, mit Schmerzlichem und den sich daraus ergebenden Schutzmechanismen geschickter und gelassener umzugehen. Insbesondere das Konzept »Arbeit mit kindlichen Anteilen« oder Ego States dient sowohl der Selbstregulation wie der Stärkung des Arbeitsbündnisses im Rahmen einer die Regression eingrenzenden Therapie. Zur Modifizierung der psychoanalytischen Technik im Umgang mit einem geschwächten Ich hat Fürstenau (1979) bereits vor über dreißig Jahren Wegweisendes geschrieben. Sein jüngstes Buch (3. Auflage 2007) »Psychoanalytisch verstehen, systemisch denken, suggestiv intervenieren« sei interessierten Leserinnen und Lesern wärmstens empfohlen. Die Stabilisierungsphase dient im Rahmen Ich-psychologischer Konzepte der Ich-Stärkung, objektpsychologisch ausgedrückt dient sie dem Aufbau sicherer und guter innerer Objektrepräsentanzen.
Es ist wichtig, das Bedürfnis der Patientinnen nach Kontrolle ebenso wie alle anderen Bewältigungsstrategien der Patientin zu würdigen. Joseph Weiss hat schon 1994 darauf hingewiesen, dass sich Patientinnen in der Therapie/Psychoanalyse sicher fühlen müssen. Das gilt natürlich auch für die Beziehung mit der Therapeutin. Weiss und seine Arbeitsgruppe sprachen von der control mastery theory, und sie gingen davon aus, dass Patientinnen ihre Therapeutinnen auch – unbewusst – prüfen, ob diese vertrauenswürdig sind. Es ist eine gute alte psychoanalytische Regel, dass man das Ich durch Deutungen nicht schwächen darf. Deutungen sind immer erst sinnvoll, wenn das Ich erstarkt ist. Dies ist in der Regel nach der Stabilisierungs- und »endgültig« nach der Traumabegegnungsphase der Fall. Viele Fallbeispiele von Weiss handeln von in der Kindheit traumatisierten Patientinnen. Darüber hinaus haben Orange und Ko-Autoren (2001) darauf hingewiesen, dass Neutralität eines der fragwürdigsten Konzepte der Psychoanalyse sei. Nach meiner Erfahrung benötigen traumatisierte Patientinnen und Patienten eindeutig und erlebbar zugewandte Therapeutinnen und Therapeuten.
Der Kommunikationswissenschaftler Matthias Gottschlich hat ein Buch über Medizin und Mitgefühl (2007) geschrieben, auf das ich verweisen möchte: »Die Grundlage einer kommunikativen Medizin ist das Mitgefühl. Ohne Mitgefühl und mitfühlende Kommunikation kann es zwar eine Effizienz-orientierte Gesundheitsindustrie und medizinische Spitzenforschung, nicht jedoch eine Kultur des Heilens geben. Diese aber ist in Zukunft dringend notwendig … (S. 19) Mitfühlende Kommunikation ist nicht bloß ein Mittel zum Ziel, sondern selbst das Ziel. Jede Beziehung zwischen Arzt und Patient hat ihren eigenen kommunikativen Anspruch, der der jeweiligen Situation entspricht, der der Begegnung in der Krankheit entspricht … das Bewusstsein um die Einmaligkeit der Beziehung ist es, das Gemeinsamkeit und Sinn stiftet. (S. 30) Bloß antrainierte soziale Geschicklichkeiten werden dem existenziellen Anspruch ärztlicher Kommunikation nicht gerecht … Um ärztliches Sprechen mit dem ganzen Wesen geht es. (S. 31) Mit gutem Grund gehen Medizin und Meditation auf eine gemeinsame etymologische Wurzel zurück. (S. 38) Was der Medizin nottut … ist die Einsicht, dass Kommunikation lebenswichtig – überlebenswichtig – ist. Und dass die heilsame Kraft des Wortes aus der Kraft unseres Mitgefühls mit dem anderen … kommt.« (S. 39)
Das, was für die ärztliche Arbeit im Allgemeinen gilt, gilt erst recht für die Psychotherapie. Insbesondere dann, wenn Menschen verletzt wurden und daraus eine Traumafolgestörung resultiert, ist die mitfühlende Therapeutin/der mitfühlende Therapeut entscheidend. Mitgefühl ist nicht immer leicht, es will geübt werden. Mitgefühl bedeutet auch, dass Therapeutinnen mit sich selbst mitfühlend sind, wenn ihnen einmal etwas nicht gut gelingt. In der hier vorgestellten Arbeit der »Psychodynamisch imaginativen Traumatherapie« wird Mitgefühl vor allem im Umgang mit verletzten inneren Anteilen angestrebt.
Mitgefühl ist mehr als Empathie. Empathie ist Einfühlung und kann als neutral angesehen werden. Mitgefühl braucht zwar Empathie, jedoch will Mitgefühl Heilsames bewirken, und das zeigt sich dann im Umgang der Therapeutin mit der Patientin und der Patientin mit sich selbst.
Aus Mitgefühl resultiert sowohl Ressourcenorientierung neben der Orientierung am Leiden als auch Würdeorientierung. Inzwischen ist klar, dass eine ausschließliche Orientierung am Leiden dieses auf Dauer nicht lindern oder gar heilen kann, und es ist auch klar, dass Patientinnen nur gesunden können, wenn sie die Erfahrung machen, dass ihre Würde geachtet wird. Mitgefühl kann sich auch als Mitfreude zeigen, d. h., dass der Therapeut z. B. erkennen lässt, dass er sich mit dem Patienten freut – etwas, was früher eher unüblich war.
Ich empfehle, von Anfang an, also vom ersten Kontakt an, neben dem mitfühlenden Gespräch über die belastende Lebensgeschichte auch ein Gespräch zu allem, was der Patientin Freude macht, ihr gelingt und gelang, d. h. über alle Ressourcen, zu führen. Ich nenne das die Frage nach der »Überlebenskunst« (Reddemann 2012). Diese Frage sollte dann gestellt werden, wenn die Therapeutin das Leid und den Schmerz des Patienten angemessen gewürdigt hat. In der Anfangsphase der Therapie ist es wichtig, der Patientin deutlich zu machen, woran der Therapeut Anteil nimmt. Fragen wir nur nach Problemen, vermitteln wir unausgesprochen, wir seien nur an Problemen interessiert, und der Patient wird sich danach richten. Merkt der Patient unser Interesse an seinen Stärken, so ermutigen wir ihn indirekt, diese bei sich selbst verstärkt wahrzunehmen. Die Verbindung stellt das Mitgefühl her (Reddemann 2016), sodass wir immer wieder i. S. einer Pendelbewegung uns für das eine und das andere gleichrangig interessiert zeigen können. Später mag sich der Fokus dann zunächst mehr in Richtung Ressourcen verschieben und in der Traumabegegnungsphase dann vorübergehend mehr in Richtung der Belastungen.
Ich halte es nicht für sinnvoll, mit Patienten und Patientinnen um irgendetwas zu kämpfen. Die Patientin weiß selbst am besten, was für sie in einem gegebenen Moment das Beste ist. Das heißt auch, man sollte niemandem etwas aufdrängen, sondern Möglichkeiten anbieten und darüber hinaus offen sein für jede Lösung, die die Patientin mitbringt. Wenn man mit dem »Ressourcenohr« zuhört, erfährt man immer etwas. Darin müssen wir uns immer wieder aufs Neue üben. Es fällt uns offensichtlich leichter, uns Schmerzliches zu merken als Erfreuliches und darauf einzugehen. Man könnte sagen, dass wir etwas dafür aktiv tun sollten, dass sich Erfreuliches einprägt.
Ressourcenorientierung darf andererseits niemals eine Rechtfertigung dafür sein, sich um das Leiden von Patientinnen nicht ausreichend zu kümmern.
Wichtig erscheint mir, dass Therapeuten und Therapeutinnen darauf achten, dass sie nicht die Arbeit tun, die die Patientin oder der Patient selbst tun kann. Es erscheint mir sinnvoll, das immer wieder gemeinsam zu betrachten. D. h., das Hilfs-Ich-Konzept sollte nicht dazu führen, der Patientin mehr, als ihr guttun könnte, abzunehmen. Ich habe mir angewöhnt, möglichst jede Intervention in Form einer Frage zu stellen. »Kann es sein, dass … Mir kommt gerade der Gedanke, dass … Was halten Sie davon …« u. Ä. Diese fragenden Interventionen lassen dem Patienten seine Verantwortung eher, als wenn man sagt: »Sie machen das jetzt, weil … oder Sie haben Angst vor …« usw. Es gilt also, gemeinsam mit den Patienten zu überlegen, was vor sich geht, ansonsten gerät die Beziehung immer mehr ins Ungleichgewicht und es entsteht der Eindruck, als gäbe es einen hoch kompetenten Therapeuten und einen erheblich weniger kompetenten Patienten.
Es empfiehlt sich, der Patientin so viel wie möglich zuzutrauen, ohne sie zu überfordern. Sie bestimmt das Tempo. Sätze wie »das kann ich nicht, das habe ich noch nie gekonnt« sind für uns keine Dogmen, sondern wir laden ein, sie sorgfältig zu überprüfen. »War das wirklich bis jetzt immer, immer so? Gibt es Ausnahmen? Helfen solche Sätze, um die angestrebten Ziele zu erreichen? Wer in Ihnen sagt den Satz? Ist das ein Introjekt?« Wie erwähnt haben Sampson & Weiss (1986) für die Psychoanalyse nachgewiesen, dass Patienten ihre Therapeuten testen, ob diese wirklich auf der Seite der Gesundheit stehen. Etwas nicht verurteilen heißt nicht es gutheißen. Diese Unterschiede, die einen Unterschied machen, wie Gregory Bateson (1981) das nannte, immer wieder herauszuarbeiten, ist manchmal etwas mühsam, aber es lohnt sich für beide Beteiligten.
Zwischen einer akuten Traumatisierung, die eben erst geschehen ist oder erst wenige Wochen zurückliegt, und einer posttraumatischen Belastungsstörung, die sich entwickelt, wenn ein Trauma – oder viele Traumata – nicht verarbeitet werden kann/können, gibt es wesentliche Unterschiede.
Bei großen Unglücksfällen (wie Flugzeugabsturz, Eisenbahnunglück etc.) ist es inzwischen üblich, nicht nur Notfallärzte, sondern auch Psychotherapeuten an den Unglücksort zu entsenden. Notfallpsychologen halten eine schnelle Hilfe für die Seele für ebenso wichtig wie die körperliche Versorgung und sagen, dass es genauso eine Notfallversorgung für die Seele geben sollte wie eine für den Körper. Notfallversorgung dient in der Regel dazu, weiteren Schaden abzuwenden und Selbstheilung zu unterstützen. Alles, was unserem Organismus hilft, Selbstheilungskräfte freizusetzen, scheint mir daher empfehlenswert. Für nicht so günstig halte ich allzu massive Eingriffe von außen, die dem Organismus gar nicht die Zeit lassen, Selbstheilung zu erfahren. So können professionelle Helfer viel Gutes tun, wenn sie Betroffene und Angehörige aufklären und beruhigen. Hilfreich erscheint es mir auch, Wissen über die normale Verarbeitung von Traumatisierungen zu vermitteln. Es ist gut zu wissen, dass unser Organismus über zwei Arten der Verarbeitung verfügt: erstens das »Dichtmachen« und »Abschotten« und zweitens die intensive Auseinandersetzung mit dem Geschehen. Beides wechselt sich in der Verarbeitungsphase nach einem akuten Trauma ab (Reddemann & Sachsse 1997). Verhaltensweisen, die von außen her gesehen seltsam wirken, wie z. B. Rückzug oder ständiges Darüberreden, sollten als Versuch unseres Organismus verstanden werden, sich selbst zu helfen. Und es ist wichtig, sich klar zu machen, dass diese Mechanismen in der Tat bei vielen Menschen auch greifen. Das heißt, wenn sie sich genügend Zeit lassen, wenn sie sich zurückziehen, aber auch reden können, wenn sie ihre Albträume als ein notwendiges Übel der Verarbeitung erkennen und dies alles nicht gleich für krank erklären und mit Beruhigungsmitteln wegmachen, dann bestehen oft gute Chancen, dass auch schreckliche Dinge verarbeitet werden können. Dabei ist eine liebevolle und verständnisvolle Umgebung, in der andere zur Hilfe bereit sind, aber sich nicht aufdrängen, besonders unterstützend.
Die hier vorgestellten stabilisierenden Imaginationen können vor allem für das »erwachsene Ich« hilfreich sein. Ich empfehle sowohl den »inneren Ort der Geborgenheit« als auch alle distanzierenden Übungen. Aber auch die anderen Imaginationen können im Einzelfall dienlich sein. Es ist immer wichtig zu prüfen, wer mit welcher Imagination etwas anfangen kann. Die innere Pendelbewegung zwischen Leidvollem und Tröstlichem (wieder) in Gang zu setzen, ist ein wichtiges Angebot. Im Übrigen gibt es sehr viele andere Interventionen zur Ressourcenaktivierung (s. Flückiger & Wüsten 2014, Najavits 2002), zur Resilienzförderung und zu dem,was man skills nennt (s. Linehan 1996, Bohus & Wolf-Arehult 2012).