In 26 Jahren durch Afrika - Gerhard Christian Jaksch - E-Book

In 26 Jahren durch Afrika E-Book

Gerhard Christian Jaksch

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Beschreibung

In 26 Jahren durch Afrika Auf sieben unterschiedlichen Reisen fährt der Autor des Buches immer mit dem selben Fahrrad durch ganz Afrika. In 13.000 Kilometer durchquert er Südafrika, Eswatani, Simbabwe, Sambia, Tansania, Kenia, Äthiopien, Sudan und Ägypten. Dabei besteigt er auch den höchsten Berg des Kontinents, den Mt. Kilimanjaro mit 5859 Meter über dem Meer. Nachdem er 1997 in Kapstadt gestartet war, vollendete er seine Tour 2023 in Alexandria. Dabei hatte er Glück den Sudan rechtzeitig vor den gewalttätigen Unruhen verlassen zu haben. Ein authentischer Reisebericht über alle Höhen und Tiefen des Fahrradreisens.

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Die gesamte Radstrecke durch Afrika Von Kapstadt bis nach Alexandria

Inhalt

Auszug aus meinem Tagebuch

Prolog

Einleitung

1

.

Eine Idee entsteht

2

.

Tuchfühlung mit Afrika

3

.

Mein erster Solo Trip

4

.

Auf dem Sambesi River

5

.

Meine längste Tour

6

.

Der Kibo ruft

7

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Uhuru Peak-auf dem höchsten Punkt Afrikas

8

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Kenia – Massai Land

9

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Auf dem Highway from hell nach Addis Abeba

10

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Das Tor zur Hölle

11

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In den Bergen Äthiopiens

12

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Die Hitze des Sudans

13

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Ein Blick auf Simbabwe und Äthiopien

14

.

Zurück im Sudan

15

.

Mein letztes Reiseland Ägypten

16

.

Sudan im Ausnahmezustand

Danksagung

Epilog

Autor

Auszug aus meinem Tagebuch

Kenia, 5 Kilometer vor der Grenze nach Äthiopien:

„Nur noch fünf Kilometer, aber es geht steil bergauf in dieser extremen Hitze zur Mittagszeit. Es wird noch steiler und ich komme nur noch auf ein Tempo von gerade mal sechs Kilometer in der Stunde. Das heißt fasst noch eine Stunde auf dem Rad bei dieser Hitze. Ich brauche dringend Schatten, denn ich habe das Gefühl schon einen Hitzschiag zu haben. Noch drei Kilometer, ich bleibe stehen. Die LKWs und Busse donnern an mir ohne Rücksicht vorbei und stauben mich ein. Auf meiner Haut hat sich schon eine Staubschicht gebildet. Ich scheine einen jämmerlichen Eindruck auf die Menschen zu machen. Jeder von ihnen fragt mich mitleidig „How are you?". Habe ich bisher mit „good, thanks" geantwortet sage ich jetzt nur noch „i am ok". Noch zwei Kilometer, Trinkpause. Mein Wasser geht zuneige, aber vielleicht finde ich hier ja schon ein Geschäft, eine Bar oder noch besser einen Biergarten, nichts davon zu sehen. Mein Tacho lügt nicht, er will mich noch 1,5 Kilometer quälen und es wird noch steiler. Noch 800 Meter. Ich bleibe stehen; mein Wasser ist aufgebraucht. Ein kleiner Junge steht neben mir und frägt mich, ob ich Durst habe. Ich sage ja, gebe ihm etwas Geld und er holt mir irgendwoher Wasser. Ich schenke ihm das Wechselgeld und fahre wieder steil bergauf.

Nach meinem Tacho sind es noch 400 Meter. Sehe ich links eine Bar? Nein, leider nicht, ich glaube es sieht eher nach einem Friseursalon aus. Der kleine Junge steht schon wieder neben mir und frägt mich wie 's mir geht. Ich sage ihm: besser.

Jetzt wäre ich eigentlich am Ziel, doch weit und breit ist nichts anderes zu sehen, als der vor mir liegende Berg. Ich frage einen jungen Afrikaner: Is here a bar with cold drinks nearby? Er sagt mir ja, gleich hier um die Ecke... so einfach kann der Himmel auf Erden sein. "

Prolog

In 26 Jahren durch Afrika. Ich wollte dieses Buch schreiben, um einen möglichst authentischen und zusammenhängenden Bericht von meiner Afrikadurchquerung mit dem Fahrrad zu erstellen. Zunächst hatte ich dabei nur an mich selbst gedacht. Denn beim Lesen der einzelnen Kapitel werden alle Erinnerungen wieder wach, die ich mit den Reisen und den jeweiligen Ländern verbinde. Doch dann merkte ich, wie viele Menschen sich auch dafür interessieren zu erfahren, was ich mit dem Fahrrad in verschiedenen Ländern Afrikas erlebt habe, welche Begegnungen ich hatte, wie ich mich motivierte, welche Gefahren lauerten oder wie ich diese Reisen vorbereitete und organisierte. So habe ich mich entschlossen, alle meine Geschichten zusammen zu tragen und in einem Buch aufzuschreiben. Die meisten meiner Erlebnisse konnte ich anhand meiner Tagebuchaufzeichnungen wiedergeben. Darin habe ich alle wichtigen Begegnungen, die ich während der Reisen gemacht habe, die Schwierigkeiten, die ich zu lösen hatte und die Stimmungen, die ich durchlebt habe, festgehalten.

Natürlich stehen hinter solchen Vorhaben immer der eigene Wille und das eigene Ego. Trotzdem bin ich froh, bei der Planung und der Durchführung der Reisen auch viele Unterstützer aus meinem privaten Umfeld gehabt zu haben.

Bei ihnen allen möchte ich mich bedanken. Da wäre meine damalige Partnerin Angela, die mir immer das Gefühl gegeben hat, das Richtige zu tun und mir natürlich auch die Freiheit gab, diese mehrwöchigen Reisen durchzuführen. Mein Bruder Wolfgang, der mich in vielen Dingen unterstützt hat, sei es eine neue spezielle Halterung für meine Trinkflaschen anzubringen und sonstige Veränderungen am Fahrrad vorzunehmen, meine Wohnung in meiner Abwesenheit zu versorgen oder als wichtige Kontaktperson nach Hause zu fungieren. Mein Freund Peter, der mich nicht nur auf der ersten Reise mit dem Fahrrad begleitet hat, sondern immer ein wichtiger Ratgeber und Diskussionspartner bei vielen Themen nicht nur rund um Afrika war und immer noch ist. Mein Freund Hubert, der mir mein Fahrrad immer so vorbereitet hat, dass ich mit gutem Gefühl meine Reise antreten konnte. Meine Kollegin Monika, die mir die Kontakte zur regionalen Presse ermöglicht hat und mich beim Schreiben immer motiviert hat. Und da ist natürlich noch mein Vater, der mich immer vor den Gefahren der nächsten Tour gewarnt hat und mich auch immer zu überzeugen versuchte, keine gefährlichen Fahrradreisen mehr zu unternehmen. Ich habe mir seine Meinung natürlich immer brav angehört, aber seine Warnungen letztlich doch in den Wind geschlagen. Nicht umsonst habe ich doch seine Gene vererbt bekommen – selbst schuld. Er hatte in dieser Zeit wohl immer unter der Sorge zu leiden, ob ich wieder gesund zurückkomme. Leider ist er 2018 verstorben und konnte meine letzte Reise zum Ziel ans Mittelmeer nicht mehr miterleben. Und für meine letzte Reise danke ich meiner Partnerin Jana, die meine ausgeprägte Abenteuerlust bis dahin nicht kannte und akzeptieren musste, dass ich für zwei Monate alleine unterwegs bin.

Herzlichen Dank an euch alle!

Augsburg, April 2023

Einleitung

Warum nur?

Was bewegt einen Menschen dazu, alleine mit seinem Fahrrad durch die Weiten des riesigen Kontinentes Afrika zu radeln, Gefahren auf sich zu nehmen und auch unsägliche Strapazen die mit solchen Reisen verbunden sind? Ist es Geltungssucht, die Suche nach der eigenen Grenzerfahrung oder einfach nur die pure Lust auf ein Abenteuer?

Wie viele andere Menschen habe ich mir diese Frage auch schon sehr häufig selbst gestellt. George Leigh Mallory, ein berühmter Extremkletterer früherer Tage, hat auf die Frage, warum er den Mt. Everest besteigen möchte, geantwortet „Weil er da ist". Eine einfache Antwort auf eine schwierige Frage. Doch ich glaube, die Frage nach dem Warum lässt sich nicht immer so einfach beantworten. Was bringt einen Extremkletterer dazu, immer wieder sein Leben neu aufs Spiel zu setzen oder einen Fallschirmspringer, sich ins Leere hinabzustürzen? Was veranlasst einen Apnoe-Taucher, seine Grenzen im Tiefenrausch zu erfahren und was bewegt einen Kriegsberichterstatter, zu den Brennpunkten der Welt zu reisen? Ist es nur sein Job oder vielleicht auch die Möglichkeit, den besonderen Kick zu erfahren? Gibt es überhaupt einen gemeinsamen Grund oder ist der Grund für jeden Menschen und jedes dieser Abenteuer ein völlig anderer?

Ich möchte mich in meiner Einleitung nicht mit Persönlichkeiten, wie es z.B. George Mallory war, vergleichen, aber ich möchte versuchen, anhand dieser Extremabenteurer und anhand meiner eigenen Empfindungen zu erklären, warum sich Menschen überhaupt darauf einlassen.

Es liegt wohl etwas Besonderes am Erfolg von schwierigen, persönlichen Herausforderungen. Nur so lässt sich erklären, dass es so viele Menschen gibt, die sich freiwillig zusätzlicher und scheinbar unnötiger Gefahren aussetzen. Dieses einzigartige Glücksgefühl ist aber in vielen Fällen zum Zeitpunkt der Durchführung überhaupt nicht spürbar. Ganz im Gegenteil. Auf meinen Reisen war ich weit, ja sehr weit davon entfernt, Glücksgefühle zu verspüren. Immer wieder habe ich mein Vorhaben in Frage gestellt. Beinahe täglich musste ich mich zum Weitermachen selbst motivieren. Manchmal habe ich mich selbst für verrückt erklärt und viele andere taten es wohl auch. Im Gegensatz zu einem schnellen Adrenalin-Kick bei so manchen Abenteuersportarten stellt sich dieses Gefühl erst später mit dem Erfolg ein, bleibt dafür aber noch lange Zeit erhalten. Dieses Gefühl wird zum festen Bestandteil eines Menschen und geht damit weit über den augenblicklichen Kick hinaus. Das ist für mich persönlich der Grund gewesen, eine Art Sucht auf Glücksgefühle aufzubauen. Dabei baut sich diese Sucht erst allmählich auf, denn die Anstrengungen wurden bei jeder neuen Tour mehr, die Unsicherheiten wurden größer, die Zeitabstände zwischen meinen Reisen deshalb auch länger, doch am Ende stand mein Entschluss immer wieder fest, ein neues Abenteuer zu starten.

Die Frage nach dem Warum, kann ich zumindest für mich in der Zeit meiner Afrika-Reisen beantworten. Neben dem unbeschreiblichen Glücksmoment des Erfolges, war es für mich auch die Möglichkeit, meine Reisen sehr intensiv zu erleben. Erlebnisse zu machen, auf die ich immer wieder gern zurückblicke und die ich auch niemals in meinem Leben vergessen werde. Erlebnisse, die ich niemals mit Geld oder Karriere ersetzen kann. Erlebnisse, die ich nur dadurch erlebt habe, weil ich schutzlos mit meinem Fahrrad den Menschen in Afrika begegnet bin. Diese Erlebnisse bleiben für mich einzigartig und immer in meiner Erinnerung. Das ist auch ein Grund dafür, dass ich dieses Buch geschrieben habe. Denn beim Lesen dieser Zeilen werden alle Einzelheiten wieder präsent, fast so wie an dem Tag, als ich sie erlebt habe. Ich halte es ganz im Sinne von Hans Kammerlander, der als erster mit Skiern den Mr. Everest abfuhr. Er antwortete auf die Frage nach dem Warum mit dem Satz „Derjenige, der es nicht macht, wird es auch nie erfahren."

Gerhard Christian Jaksch

1. Eine Idee entsteht

„Wie meinst du das?", fragte mich Peter, als ich ihm von der Idee meiner Fahrrad reise erzählte. „Genauso, wie ich es dir sage", antwortete ich ihm auf seinen ungläubigen Blick. „Dann bin ich dabei", gab er mir daraufhin unmissverständlich und spontan seine Absicht bekannt, an meinem Abenteuer teilhaben zu wollen. Ich brauchte also nicht viel Zeit, Peter davon zu überzeugen, mit dem Fahrrad über drei Wochen in Südafrika zu radeln. Doch bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir schon lange vorher überlegt, wie eine Abenteuerreise für mich aussehen könnte.

Bereits 1996 kam mir erstmals der Gedanke, eine Reise zu organisieren, die eine besondere Herausforderung für mich werden sollte. Körperliche Fitness war bei mir schon immer weit überdurchschnittlich vorhanden und mit meinen damals 34 Jahren war ich im Bereich der Ausdauer auf dem Höhepunkt. Seit meiner Jugend betrieb ich Leichtathletik und lief jeden Tag bis zu 10 Kilometer. Damals wusste ich aber noch nicht, dass gute Fitness zwar eine wichtige Voraussetzung, aber keineswegs ein Garant für den Erfolg meiner Abenteuerreisen sein würde. Einzig und allein die psychische Einstellung und der unbedingte Wille des Erfolges sollte später entscheidend sein, ob und wie ich die Reisen überstehen würde.

Mein Reiseziel ließ ich noch offen, aber über die Art der Fortbewegung war ich mir schon sehr bald im Klaren. Ich wollte mit dem Fahrrad mein Ziel erreichen. Mit dem Fahrrad bin ich langsam unterwegs, aber doch noch viel schneller, als wenn ich zu Fuß ginge. Ich wollte fremde Länder bereisen, dabei eine körperliche Leistung vollbringen und gleichzeitig Menschen aus anderen Kulturkreisen kennenlernen. Um die Reise zum Außergewöhnlichen werden zu lassen, war mein erster Gedanke, in drei Wochen mit dem Fahrrad von Augsburg nach Moskau zu radeln. Als diese Idee bei mir gereift war, sollte sie mir auch nicht mehr aus dem Kopf gehen. Ich besorgte alle notwendigen Straßenkarten, plante akribisch alle Tagestouren (die geplanten Tagestouren waren alle über 150 Kilometer und Navigationssysteme wie Google Maps gab es noch nicht), informierte mich über Einreisebestimmungen und erzählte den Plan voller Stolz auch meinem Arbeitskollegen Alfred. Der war als begeisterter Biker ebenfalls schnell von der Idee infiziert und so planten wir dieses Vorhaben gemeinsam durchzuführen. Doch schon bald stellte sich heraus, dass diese Tour nicht nur gefährlich ist, sondern auch mit einigen Schwierigkeiten bei der Durchreise der meisten Länder verbunden sein würde. Und so blieb der Gedanke bei mir erst einmal auf Eis liegen, sollte sich bald danach aber in einer anderen Reise wiederfinden. Afrika war meine nächste Idee und schon war die Strecke von Kapstadt durch Südafrika und Botswana bis nach Namibia in meinem Kopf. Doch das waren lange, menschenleere Tagesstrecken voller Hindernisse, die ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht im Entferntesten hatte vorstellen können. Eine Nachfrage per E-Mail an die Botschaft Botswanas sollte mir die Durchreisemöglichkeit näher beschreiben. Doch dort wurde mein Vorhaben als verrückt eingestuft und die Durchführbarkeit als lebensgefährlich eingeschätzt. Aber so schnell ließ ich mich von meinem Vorhaben nicht abbringen. Ich schraubte meine Ziele etwas nach unten, doch zumindest bis nach Johannesburg sollte mein erstes kürzeres, aber immer noch ehrgeiziges Ziel schon gehen. Die Strecke sollte doch zu schaffen sein. Zufällig besuchte ich in dieser Zeit einen Vortrag von dem Ausnahmealpinisten Reinhold Messner in Landsberg. Sein Ziel war es seinerzeit, die drei Pole dieser Erde – also den Nordpol, den Südpol und den Mt. Everest – zu Fuß zu erreichen, was ihm später dann auch gelang. Dieser Vortrag imponierte mir schon gewaltig. Und so dachte ich mir, wenn er die drei Pole der Erde zu Fuß erreichen kann, dann sollte ich doch die drei Pole Afrikas – also Kapstadt als südlichsten Pol, den Kilimanjaro also höchsten Pol und das Mittelmeer als nördlichsten Pol – mit dem Fahrrad erreichen können. Naja den Kilimanjaro kann ich natürlich nicht wirklich mit dem Fahrrad erreichen, aber zumindest den Weg dorthin, um dann zu Fuß den Berg zu besteigen. Ein Diavortrag über Afrika gab schließlich den Anstoß für meine letzte Korrektur des ersten Reisezieles. Mir wurde die Küste entlang bis nach Durban, die sogenannte Garden Route, empfohlen und vom Referenten als äußerst interessante Strecke dargestellt. Wieder setzte ich meine Planungsaktivitäten in Gang und hatte bereits nach kurzer Zeit alle wichtigen Informationen über das Land gesammelt. Informationen, wie dieses Land per Rad bereist werden kann, konnte ich jedoch nicht in Erfahrung bringen. Ich wusste also nichts über Gefahren und möglicher Unwegsamkeiten, die sich mir entgegenstellen sollten. In Afrika denkt man bei möglichen Gefahren natürlich auch an eine Begegnung mit wilden Tieren. Ich muss dabei immer an ein Radiointerview mit Ratio Fantasy, einem Augsburger Sender denken, dass ich Jahre später geführt habe. „Wie begegnet man denn dort einem Löwen?", hat mich der Radioreporter gefragt und hatte auch schon gleich die Antwort darauf parat: „Der denkt sich, oh wie praktisch, Essen auf Rädern". Den Lacher hatte er natürlich auf seiner Seite. Dabei ist die Begegnung mit wilden Tieren auf freier Strecke in Afrika sehr unwahrscheinlich, da sich diese Tiere in geschlossenen Nationalparks aufhalten, die mit dem Fahrrad nicht durchfahren werden dürfen. So bin ich immer wieder Zebras, Antilopen oder Giraffen außerhalb der Parks begegnet. Und es waren auch immer besondere Momente, den Tieren so nah zu sein. Auf Begegnungen mit den Raubtieren durfte und konnte ich natürlich gut verzichten.

Wenn man erstmals zu einem Abenteuer mit vielen unbekannten Faktoren aufbricht, ist man froh, nicht ganz alleine zu sein. Und so bin ich sehr schnell auf meinen Freund Peter gekommen, den ich wie schon erwähnt nicht lange überreden musste. Er war sofort begeistert und damit stand unserem Plan nichts mehr im Wege. Schnell war der richtige Termin gefunden und wir planten gemeinsam unsere Tour. Reiseutensilien wie Kartenmaterial, Medikamente, Campingausrüstung, aber natürlich auch Werkzeug und einiges an Reserveausrüstung wie z.B. Schläuche, Ventile und Speichen wurden Inhalte unserer Gespräche. Wir planten, das gesamte Material auf beide Räder gleichmäßig zu verteilen. Als es dann später losging, mussten wir feststellen, dass wir vieles doppelt dabeihatten. Gegen Hepatitis waren wir beide geimpft, Malariatabletten hatte dagegen nur ich dabei. Peter hielt es einfach nicht für notwendig. Ich dagegen wusste aus früheren Reisen, dass ich die Lariam-Tabletten gut vertrage und unterzog mich dieser Prophylaxe. Unser Freundeskreis nahm unser Vorhaben ein wenig ungläubig, aber auch mit großer Bewunderung auf. Mein Mountainbike ließ ich von meinem Freund Hubert auf Vordermann bringen und entschied mich auf meiner ersten Reise für die komplette Beladung auf dem Hinterrad. Das heißt, neben der üblichen Satteltasche war noch ein Fahrradkoffer oben drauf und eine kleine Tasche am Lenker angebracht Allein meine Fotoausrüstung mit einem Stativ, zwei Zoomobjektiven, jede Menge an Filmmaterial (zur damaligen Zeit waren das noch unzählige Dia-Filmrollen) und die sonstigen Ausrüstungsgegenstände hatten viel Platz benötigt. Die Lastverteilung war alles andere als optimal und auch der schnelle Zugriff in die Reisetaschen, war durch den zusätzlichen Koffer versperrt. Dieser und weitere Fehler in der Vorbereitung sollten sich dann aber erst später auf der Reise bemerkbar machen. Meine Vorbereitungen auf späteren Reisen liefen schon sehr viel professioneller und gezielter ab. Ich konnte natürlich immer auf die Erfahrung der letzten Reise zurückgreifen. Doch manche Entscheidungen lassen sich später nicht mehr korrigieren. Ich habe mich mit der ersten Reise festgelegt, den Kontinent nach Norden zu durchradeln. Da Windrichtungen für Radfahrer schon sehr wichtig sind, das gilt natürlich ganz besonders für solch lange Etappen, war diese Entscheidung sicherlich falsch. Betrachte ich alle Reisen zusammen, war ich sehr viel öfter auf Gegenwindkurs. Mittlerweile sind die Möglichkeiten, sich über die Länder in Afrika und die Besonderheiten auf jeder einzelnen Reise zu informieren, durch das Internet auch sehr viel einfacher, schneller und ausführlicher geworden. Ein Restrisiko bei jeder Tour ins „ungewisse" bleibt dennoch. Das gilt im Besonderen, wenn man alleine unterwegs ist, wie es bei mir ab meiner zweiten Reise der Fall war.

Am 26. Februar 1997 war es dann endlich soweit und Peters Bruder Michael stand vor meiner Tür, um uns beide zum Münchner Flughafen zu fahren. Was ich dann allerdings sah, als ich mein Fahrrad in sein Auto verstauen wollte, konnte ich erst gar nicht so recht glauben. Ich sah Peters Fahrrad reisefertig zusammengebaut auf der Ladefläche von Michaels Auto. Doch es war kein robustes Mountainbike wie ich es hatte, sondern ein leichtes City-Bike, das eher für den Einkauf um die Ecke geeignet war. „Das ist doch nicht dein Ernst", kam es spontan aus mir heraus, „du willst doch nicht mit diesem Fahrrad in Afrika radeln!" Wir hatten alle wichtigen Dinge zur Reise besprochen, hatten alles geplant und sind die Details immer wieder durchgegangen. Wie konnten wir nur vergessen, uns über den wichtigsten Punkt, nämlich das Fahrrad zu unterhalten? Doch alle Überlegungen waren jetzt zu spät Wir hatten die Tickets in der Tasche und standen kurz vor unserem Abflug nach Südafrika. Und so stieg ich mit sehr gemischten Gefühlen ins Fahrzeug und wusste, dass unser Vorhaben, von Kapstadt die Küste entlang bis nach Durban zu radeln, jetzt noch verrückter werden würde, als eigentlich geplant.

Als wir dann in Kapstadt ankamen, sollte auch schon bald das ganze Unterfangen erstmals auf der Kippe stehen, denn wir waren anfangs wirklich nicht vom Glück begünstigt. Und dann kam es doch ganz anders.

2. Tuchfühlung mit Afrika

Auf der Autobahn fahren wir mit unseren Rädern vom Flughafen ins Zentrum von Kapstadt. Hier auf der Standspur herrscht betriebsame Hektik und sowohl Fußgänger als auch Fahrradfahrer nutzen den Seitenstreifen zur schnelleren Fortbewegung. So machen wir uns zunächst überhaupt keine Gedanken darüber, dass wir mit unseren Rädern auf der Autobahn unterwegs sind und ob wir auf dieser Straße überhaupt fahren dürfen. Doch je länger die Fahrt in die Innenstadt dauert, desto weniger Menschen sind auf diese Spur unterwegs. Noch kommen wir hier schnell voran, doch kritisch, ja sogar tollkühn und lebensgefährlich, wird die Lage erst, als wir plötzlich keine Standspur mehr zur Verfügung haben und die Lastwagen und Autos nur um Haaresbreite an uns vorbeidonnern. Besonders die Ein- und Ausfahrten sind hier extrem gefährlich und wir müssen höllisch aufpassen, nicht schon am ersten Tag überrollt zu werden. Ein LKW hält unmittelbar vor uns. Mit: „You must be crazy!", stellt der Fahrer unmissverständlich fest, was er von unserer Aktion hält und ohne eine Reaktion von uns abzuwarten, hievt er unsere Räder auf die Ladefläche seines Fahrzeuges. Wir klettern ebenfalls auf die Ladefläche und sind auf der Weiterfahrt reichlich bemüht, Halt zu finden. Mit einer Hand halten wir unser Rad fest, mit der anderen versuchen wir uns an der Bordwand festzukrallen, um nicht von der Ladefläche zu fallen. Bei jeder Bremsbewegung und in jeder Kurve haben wir Angst, das Gleichgewicht zu verlieren, wenn wir nicht richtig ausbalancieren. Wir erleben somit unser erstes unfreiwilliges Abenteuer, noch bevor wir den Ausgangspunkt unserer Reise erreicht haben. Welche Art der Fortbewegung für uns letztlich gefährlicher war, vermag ich, nachdem wir glücklich und unfallfrei angekommen sind, nicht zu sagen. Wir sind jedenfalls sichtlich erleichtert, nun endlich im Zentrum Kapstadts angekommen zu sein. Aber schon in den ersten Tagen am Kap der guten Hoffnung stellen wir fest, dass hier ein orkanartiger Sturm bläst. Uns wird sehr schnell klar, warum dieses Kap auch als Kap der Stürme bezeichnet wird. „Mit Rückenwind würde uns der Wind unseren Start ziemlich erleichtern", spreche ich aus, was auch Peter sicherlich denk. „Doch was machen wir, wenn wir dagegen anradeln müssen?" Mit dieser Frage von ihm möchte ich mich gar nicht erst beschäftigen. „Wir denken positiv", stelle ich fest und versuche, damit etwas Optimismus zu verbreiten.

Die ersten Kontakte zu den Kapstädtern sind sehr herzlich. Wir treffen Alex aus Deutschland abends an einer Bar und erzählen ihm von unserem tollkühnen Vorhaben. Er ist sichtlich beeindruckt davon. „Die Küste entlang der berühmten Garden Route bis nach Durban ist eines der schönsten Gebiete in Südafrika und ist daher bestens geeignet für euren Plan", bestätigt er uns. Nur das Gebiet der Transkei zwischen East London und Port Shepstone sollen wir seiner Meinung nach meiden. „Da kommt ihr nicht lebend durch", prophezeit er uns. Das klingt nicht sehr vielversprechend für unsere Ohren. Alex kennt sich in Südafrika bestens aus, sagt er uns und will sich hier im nördlichen Krüger Nationalpark in den Semesterferien nützlich machen, um als Touristenführer etwas hinzuverdienen. Als er uns aber erzählt, dass er selbst den Krüger Nationalpark vorher noch nie besucht hat, müssen wir über sein Vorhaben doch etwas schmunzeln. „Ich denke, mit der Führung von Touristen wird er nicht viel zu tun haben", spricht Peter auf dem Heimweg aus, was auch ich glaube. Aber das soll ja nicht unser Problem sein. Wir müssen uns überlegen, wie wir um die Transkei herumkommen, da dieses Gebiet nach unseren mitgebrachten Karten nur sehr weiträumig zu umfahren ist. Wir werden die Antwort auf diese Frage aber auf später verschieben können. Falls wir es bis nach Durban schaffen, wollen wir anschließend mit dem Bus nach Johannesburg fahren, da unsere Rückflugtickets von dort ausgestellt sind.

Am nächsten Tag nehmen wir uns eine kleine Tagestour in Kapstadt und zur Kap Halbinsel vor, um für den Start am nächsten Tag gut vorbereitet zu sein. Mit dem Signal Hill planen wir auch eine kleine Bergetappe mit ein. Die Kap-Region im Hinterland von Kapstadt mit ihren Weinanbaugebieten bildet eine idyllische Landschaft und darf mit der Küstenstraße entlang zum Kap der Guten Hoffnung und den Traumstränden an den Küsten wohl zu den schönsten Gebieten auf unserer Erde gezählt werden. Wir sind beeindruckt, mit dem Fahrrad dieses Stück Natur erleben zu dürfen. Auch die Fahrt hoch zum Signal Hill, mit einem atemberaubenden Blick auf den Tafelberg und auf die Stadt, sollte nicht verpasst werden. Doch Peter hat seine liebe Mühe, auf den Berg zu kommen (siehe Bild Peters Fahrt auf den Signal Hill). Das liegt allerdings nicht an mangelnder Kondition, sondern vielmehr an seinem Fahrrad. Ihm fehlt schlicht eine niedrige Übersetzung. So muss er für den herrlichen Ausblick mit einigen zusätzlichen Strapazen und Schweißtropfen bezahlen. Dieser erste Ausflug und am Ende auch etwas Glück bewegen ihn dann doch noch, in Kapstadt sein geliebtes Fahrrad mit etwas Aufpreis gegen ein neues GIANT-Mountainbike einzutauschen. Denn zunächst will er in einem Fahrradgeschäft, an dem wir zufällig vorbeifahren, nur den Zahnkranz an seinem Hinterrad wechseln, um für die Berge besser gerüstet zu sein. Doch nachdem wir das Fahrradgeschäft ohne neuen Zahnkranz und ohne neues Fahrrad gerade wieder verlassen haben, kehren wir wegen unseres bereits vierten Plattens, den wir in nur zwei Tagen hatten, noch einmal zurück. Und noch bevor Peter den Plattfuß im Laden geflickt hat, steht sein Entschluss fest: „Ich kaufe ein neues Mountainbike und lasse mein altes Fahrrad hier". Natürlich hat auch der Verkäufer mit seinem geschickten Verkaufsgespräch großen Anteil an seiner Entscheidung. Ich jedenfalls bin erleichtert. Mit einem neuen Fahrrad geht es somit auf unsere erste Etappe. Zur Sicherheit lässt sich Peter aber noch die Kontaktadresse des Ladenbesitzers geben und verspricht ihm, sein gerade erst verkauftes Fahrrad wieder zurückzukaufen, sobald er wieder zuhause in Deutschland ist. Für dieses Versprechen bekommt er vom Ladenbesitzer nur ein ungläubiges Lächeln. Wer soll schon aus Südafrika ein altes Fahrrad mit sehr viel Aufwand zurückkaufen, denkt der sich wohl. Dass Peter sein Versprechen später, als wir zurück in Deutschland sind, auch einlösen wird, konnte er sich zu diesem Zeitpunkt kaum vorstellen.

Wir verlassen Kapstadt und müssen sehr schnell feststellen, dass sich der Wind gegen uns entschieden hat. Wir lassen gerade die letzten Häuser der Stadt hinter uns, als der Wind plötzlich mit voller Wucht auffrischt und die Weiterfahrt von uns beiden jäh stoppt. Der Wind bläst uns mit einer Stärke ins Gesicht, die eine Weiterfahrt auf dem Rad einfach unmöglich macht. Als wir absteigen, bemerken wir auch noch einen weiteren Plattfuß an Peters neuem Rad. Unsere erste Euphorie und die Freude auf unsere erste Etappe sind bereits nach kürzester Zeit verschwunden. Der fünfte Plattfuß noch bevor es richtig losgeht und ein orkanartiger Gegenwind, schlimmer kann unsere Tour einfach nicht beginnen. „Ich glaube, wir sind beim Schieben schneller als auf dem Rad", stelle ich fest und nachdem der Schlauch schnell ausgetauscht ist, schieben wir gegen den von uns nun zum Feind erklärten Wind an. Nach einer Weile hält vor uns ein Pick-Up. Kopfschüttelnd und etwas mitleidig fragt der Fahrer uns, ob wir ein paar Kilometer mitfahren wollen: „May i give you a lift?" Ohne unsere Antwort abzuwarten, nimmt er die Räder auf seine Ladefläche und wir sitzen im Fahrerhaus. Uns ist spätestens jetzt klar geworden, dass wir auf diese Art nicht weitermachen können. Wenn der Wind nicht dreht oder abflaut, können wir unser Vorhaben vergessen. Unser Plan ist schon am ersten Tag zum Scheitern verurteilt. Die nächsten zwei Tage schleppen wir uns mühselig durch und erleben einen ersten Höhepunkt am vierten Tag, als wir nach über 350 Kilometern auf Mossel Bay hinabblicken und erstmals wieder den Indischen Ozean vor uns sehen. Spätestens jetzt sind wir an der Garden Route angekommen und in uns keimt Optimismus auf. Es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Die Gegend zwischen Mossel Bay und Oudtshoorn ist für Südafrikas Straußenzucht bekannt, wobei Oudtshoorn das Zentrum für südafrikanische Straußenzucht darstellt. Straußenzüchter laden uns hier mehrmals zur Besichtigung ihrer Farm ein, viele bieten uns ein Nachtquartier an oder geben uns nützliche Adressen für unsere weitere Reise. Doch einen längeren Aufenthalt während unserer Tour sieht unser enger Terminplan eigentlich nicht vor. Deshalb geht es auch nach dem Ende jeder Besichtigung der Farmen weiter Richtung Norden. Die nächsten Tage entlang der Küste kämpfen wir stundenlang auf dem Rad gegen den Wind an. Am Ende des Tages müssen wir dann doch wieder feststellen, dass wir unsere geplanten 100 Kilometer Tagespensum nicht erreichen konnten. Aber wir fahren entlang der Küste und können uns an den vielen spektakulären Ausblicken erfreuen. Die erste Woche ist sehr mühselig und ich frage mich, wie lange es noch dauern wird, bis Peter mir die idiotische Idee dieser Radreise vorhält und frustriert aussteigt. Doch daran denkt er keine Sekunde, ganz im Gegenteil. Je mehr der Wind uns ins Gesicht bläst, umso mehr Ehrgeiz entwickeln wir beide. Wir wechseln uns in der Führungsarbeit ab, um am Hinterrad des anderen unsere eigenen Kräfte zu sparen. Nach einigen Tagen kommt jedoch erschwerend hinzu, dass Peter mit einem starken Sonnenbrand zu kämpfen hat und ihm sein neuer Fahrradsattel doch einige Mühe beim Sitzen bereitet. Wir fahren die Küste entlang durch Wilderness und Plettenberg Bay. „Gott hat sich mehr Zeit gelassen, als er Plettenberg Bay geformt hat", lese ich auf dem Ortsschild. Inmitten der Garden Route bietet sich uns eine wunderschöne Gegend, doch wir können die Landschaft nicht in vollem Umfang genießen. Dazu quälen wir uns zu sehr die Berge hoch. Als wir in Plettenberg Bay ankommen, haben wir schon viel Moral auf der Strecke gelassen. Doch glücklicherweise hat sich an diesem Tag der Wind gedreht und wir können die nächsten Tage mit kräftiger Windunterstützung unsere Tagesstrecken auf 140 Kilometer und mehr ausdehnen. Die teilweise extremen Steigungen haben wir so nahe am Meer allerdings nicht erwartet. In der Mittagshitze und bei vollem Gepäck von über 25 Kilogramm werden diese kleinen, kurzen, aber giftigen Anstiege zu einer wahren Bergprüfung. Wir entschließen uns dazu, jeden Tag eine Mittagspause von drei Stunden einzulegen, um die heißeste Zeit des Tages auf dem Rad zu vermeiden. Peter hatte jetzt schon mehrfach einen Sonnenbrand und kämpft auch noch mit Durchblutungsstörungen seiner Handinnenflächen. An seinem neuen Rad sind keine Hörner am Lenker angebracht, wie ich sie habe. Dadurch kann er auf der Strecke und am Berg auch nicht umgreifen. Nachdem wir schon über 1000 Kilometer unterwegs sind, wirken sich plötzlich auch solche Kleinigkeiten negativ aus. Selbst noch lange Zeit später, als wir längst wieder Zuhause sind, ist dieses Gefühl der Taubheit bei ihm immer noch zu spüren. Es hat noch einige Monate in Deutschland gedauert, bis sich diese Durchblutungsstörungen wieder gebessert haben. Ich habe auf der letzten Tagesetappe etwas in mein Auge bekommen. Zum Glück bekomme ich hier in Plettenberg Bay in einer Apotheke Augentropfen, die mir hoffentlich Linderung verschaffen.

Auf der weiteren Fahrt entlang der Küste haben wir immer wieder interessante Begegnungen mit den Südafrikanern. Bei jedem Stopp scharen sich die Menschen um uns und überschütten uns mit Fragen. Die Frage nach dem Tour-Start fehlt dabei nie und die Antwort darauf löst mit jedem gefahrenen Kilometer auch immer mehr Bewunderung bei den Menschen aus. Bei vielen persönlichen Kontakten zur Bevölkerung bekommen wir Adressen in die Hand gedrückt. „Wenn ihr in diese oder jene Stadt kommt, meldet euch bei meinen Bekannten", werden wir immer wieder aufgefordert. Doch auf diese Art zu reisen haben wir uns nicht vorgestellt. Wir wollen uns einfach treiben lassen und freuen uns über die Zufallsbegegnungen mit den Menschen. In Port Elisabeth machen wir eine Ausnahme und suchen eine Adresse auf, wo wir, wie überall auf der Strecke, ganz herzlich empfangen werden. Wir lassen uns überreden in Port Elisabeth einen freien Tag einzulegen und landen am nächsten Tag auf einem der vielen Schleppern im Hafen, die speziell ausgebildete Schiffskapitäne an Bord der einlaufenden riesigen Frachter bringen. Dort übernehmen sie die Steuerung der Schiffe, um sie sicher in den Hafen zu manövrieren. Wir bleiben auf dem Boot mehrere Stunden und lernen so den Hafen von Port Elisabeth von allen Seiten kennen. Am Ende des Tages sind wir aber froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

Es gibt hier in Südafrika viele Weiße, die sich mit uns über ihr Land und ihre Probleme unterhalten möchten. „Apartheid Reverse" nennt einer der weißen Farmer die augenblickliche Situation und erklärt uns, wie sich die Mehrheitsverhältnisse der schwarzen zur weißen Bevölkerung auch bei der Besetzung öffentlicher Stellen auswirkt. Das neue System sieht vor, dass ein festgelegter Anteil der Entscheidungsträger in der Politik und in der Verwaltung aus der schwarzen Bevölkerungsschicht rekrutiert wird. „Es fehlt ihnen aber an Ausbildung und Erfahrung. So entsteht eine Gesellschaftspolitik, die sich nicht an Leistung orientiert und die sich an unserem früheren Apartheidsystem rächt." Mir kommt dabei die Frauenquote bei uns in Deutschland in den Sinn. Auch hier wird durch politische Entscheidungen in die Wirtschaft eingegriffen und das Leistungsprinzip ausgehebelt. Das führt bei vielen Menschen hier zu Frustration. So teilen uns viele Weiße mit, dass bereits viele Leistungsträger Südafrika wieder verlassen haben und zurück nach Europa, Amerika oder in ein anderes Land Afrikas ausgewandert sind. Und trotz dieser Feststellung können wir beobachten, dass viele einfache Dienstleistungen, wie Auto waschen und Schuhe putzen ausschließlich von Schwarzen durchgeführt werden und eine gesellschaftliche Rassentrennung auch nach der Abschaffung der Apartheid noch überall spürbar ist. Wären wir noch vor einigen Jahren nach Südafrika gekommen, hätten wir diese Empfindung wohl noch viel deutlicher wahrnehmen können. Die Rassentrennung, wie der Begriff Apartheid übersetzt wird, ist politisch erst seit 1994 verschwunden, seit nämlich Nelson Mandela Präsident von Südafrika geworden ist. Bis dieses System aber auch aus dem Alltag und den Köpfen der Menschen völlig verschwindet, werden wohl noch viele Jahre ins Land gehen. Es sind nicht nur die „niederen" Dienstleistungen der schwarzen Bevölkerung, die uns noch immer sehr häufig begegnen, es sind natürlich auch die verwahrlosten Vororte, die ausschließlich von Schwarzen bewohnt werden. Hier in Südafrika werden sie Townships genannt. Und mit Soweto, einem Township vor den Toren Johannesburg, haben sie eines, dass wegen der hohen Kriminalität zu zweifelhafter Bekanntheit gekommen ist. Diese Spuren werden noch viele Jahre in Südafrika von einer verfehlten Politik zeugen. Die Townships waren eine politische Entscheidung, die 1950 durch den Group Area Act festgelegt wurde. Für Weiße und Schwarze wurden gesonderte Wohngebiete festgelegt. Heutzutage sind die Townships der schwarzen Bevölkerung ganze Städte mit einfacher, völlig unterentwickelter Infrastruktur. Ein Besuch dieser Vororte ist häufig möglich, doch sollte hierfür aus Sicherheitsgründen zwingend ein Führer eingebunden werden, der die Besucher begleitet. So hat sich aus der „Zurschaustellung" der Ärmsten regelrecht ein touristischer Zweig entwickelt, der für diese Menschen aber auch eine finanzielle Unterstützung bedeutet. Vor jeder größeren Stadt gibt es diese Townships. Und auch wir können uns ein Bild davon machen, als wir mit einem Führer ein Township besichtigen.

Die Küste Südafrikas bildet ein landschaftlich reizvolles Gebiet mit herrlichen Sandstränden. Getrübt wird dieses Bild lediglich von den starken Stürmen, die den Strandaufenthalt fast unmöglich machen. Für die so genannte Garden Route bis nach Port Elisabeth ist es leider auch nicht die ideale Reisezeit. Es ist Herbst und die Blütenpracht ist in dieser Jahreszeit schon vorüber. Aber es sind viele kleine Episoden die uns auf dieser Strecke passieren. Zwischen Jeffreys Bay und Port Elizabeth thront das kleine Nest Thornhill auf einer Anhöhe. Dort gibt es ein einziges Hotel, das aber allem Anschein nach schon lange keine Gäste mehr beherbergt hat. Als wir ankommen und um ein Nachtlager nachfragen, bekommen wir einen überaus freundlichen Empfang. „Nehmt Seife, Handtücher und Toilettenpapier mit", gibt uns der Vermieter zu verstehen und drückt uns beiden alle genannten Artikel in die Hand. Anschließend legt er uns auf den Stapel auch noch den Stöpsel für das Bad. Wir sehen uns etwas fragend an, nehmen aber alles mit und beziehen unser Zimmer. „Ich habe einen Riesenhunger", erklärt mir Peter und als ich ihm zustimme, dass es mir genauso geht, beschließen wir zunächst einmal unseren Hunger zu stillen. Der Speisesaal im Hotel ist so groß wie eine Turnhalle und steht für uns ganz alleine zur Verfügung. Wir genießen heute allein und exklusiv die Kochkünste der Frau des Vermieters. Anschließend trinken wir noch bis tief in die Nacht unseren Graca Wein, den wir seit einigen Tagen lieben gelernt haben. Am nächsten Tag haben wir beide alle Mühe früh aufzustehen. Dabei hatten wir doch beschlossen, jetzt jeden Tag so früh wie möglich auf unseren Rädern zu sein. Seitdem Peter die Hitze und die Sonne zu schaffen macht, passen wir unseren Tagesrhythmus den Sonnenstunden an. So fahren wir meist schon ab 6.00 Uhr los. In den frühen Morgenstunden können wir bis zur Mittagszeit einen großen Teil unserer Tagesstrecke radeln. An diesem Morgen regnet es jedoch und als wir endlich losradeln, sind wir nach wenigen Metern völlig durchnässt. Dabei stören uns weniger die nassen Klamotten am Leib, als vielmehr das Spritzwasser unserer Vorderräder und der vorbeidonnernden Autos und Lastwägen, dass uns ins Gesicht spritzt. Peter kommt als geübter Biker jetzt jeden Tag besser in Form. Mit dem Wind im Rücken ist er mir teilweise mehrere Kilometer voraus. Aber es ist wichtig, dass jeder seinen eigenen Rhythmus findet. Das gilt nicht nur auf Bergwanderungen, sondern auch, wenn man wie wir täglich acht und mehr Stunden auf dem Sattel sitzt. Einmal habe ich sogar großes Glück, nicht direkt am Hinterrad von ihm zu sein. Denn bei einer der rasanten Abfahrten, löst sich plötzlich eine Glasflasche, die Peter auf dem Gepäckträger verstaut hat. Mit einem lauten Knall fällt sie auf die Teerfläche, wo sie anschließend in tausend Teile zersplittert. Zum Glück habe ich genügend Abstand. Wäre ich in diesem Moment zu nahe hinter ihm gewesen, wäre ein Sturz aus voller Fahrt wohl unvermeidlich gewesen. Wer weiß was dann passiert wäre. Ich will mir die Folgen eines Unfalls erst gar nicht ausmalen, es hätte unter Umständen das Ende unserer Reise bedeutet.

Zwischen East London und Port Shepstone liegt das Gebiet der Transkei. Was habe ich nicht alles an Warnungen gelesen. Nirgendwo anhalten, Autotüren immer geschlossen halten, notfalls auch bei Rot über die Ampeln fahren. Aber wir sind ohne jeden Schutz, nur auf unseren Rädern unterwegs. Der Kontakt mit den Menschen hier, lässt sich somit nicht vermeiden.

Sanft eingebettet in eine grüne hügelige Landschaft liegen jetzt die weitläufigen Dörfer. Auch Nelson Mandela hatte hier das Licht der Welt erblickt und seine Jugendzeit verbracht. Das Gebiet der Transkei ist Homeland der Xhosa und war der größte Autonom Staat für Schwarze in Afrika. Homelands wurden als Zeichen getrennter Entwicklung der Ethnien zwischen Schwarz und Weiß den jeweiligen Stämmen in der Zeit der Rassentrennung zugewiesen. Der Unterschied der Transkei zum restlichen Südafrika wird für jeden sofort offensichtlich. Die Bevölkerung ist auch heute noch ausschließlich Schwarz, selbst unter den Durchreisenden befinden sich nur selten Weiße. Wer mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs ist, umfährt dieses Gebiet so gut es geht. Drähte der Elektrifizierung hängen am Straßenrand von den Masten, Fahrzeuge aller Art rosten neben der Straße vor sich hin. Auch die Städte zeigen ein Bild mit großer Armut und geringem Lebensstandard. Dass hier neben Johannesburg die höchste Kriminalitätsrate in Südafrika liegt, ist nachvollziehbar, wenn man durch dieses Gebiet fährt. Aber es ist auch das ursprüngliche Afrika. Ein Afrika, dass durch den Tourismus noch nicht verändert wurde. Wir haben uns in unserer Abwägung dafür entschieden, kein unnötiges Risiko einzugehen und fahren deshalb mit dem Bus durch die Transkei. Somit sind wir auch zwei Tage früher in Durban und können noch die Gegend nördlich von Durban bereisen.

Durban, die größte Stadt der Provinz KwaZulu-Natal, die im Osten vom Indischen Ozean und im Westen von den Drakensbergen begrenzt wird, hat über 3 Millionen Einwohner. 60 % Schwarzafrikaner und 20 % Menschen indischer Abstammung machen den Großteil der Bevölkerung aus.