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"Was willst du hier?" "Ich bin hier, um Ihnen zu dienen …" Sie schluckte. "Auf jede Art, die Sie wünschen." Lina steht tief in der Schuld des mächtigen Scheichs Sayid Badawi: Vor vier Jahren kam sie blutjung und verwaist in seinen Wüstenpalast. Als sein Mündel war sie ihm ausgeliefert, doch statt das skrupellos auszunutzen, schickte Sayid sie in teure Internate im Ausland. Nun kehrt Lina in den fernen Palast zurück: schön, selbstbewusst und entschlossen, ihre Bildung für Sayids Land einzusetzen. Aber insgeheim sehnt sie sich nach mehr. Sie will sich dem stolzen Herrscher endlich hingeben! Als erwachsene Frau, die zu ihren sinnlichen Träumen steht …
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Seitenzahl: 199
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2018 by Annie West Originaltitel: „Inherited for the Royal Bed“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 2377 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Anja Görgens
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 02/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733712020
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Drei Männer schritten durch die weiten Korridore des königlichen Palastes.
Sie passierten den großen Versammlungssaal, dessen Wände Lanzen, Schwerter und alte Musketen zierten und in dem farbenfrohe Kriegsstandarten nur auf den nächsten Ruf zu den Waffen zu warten schienen.
Vorbei an prachtvollen Bankett- und Audienzsälen, an säulengeschmückten Gärten, in denen leise Wasser in den Brunnen plätscherte. Das einzige weitere Geräusch in dieser stillen Nacht war das Hallen der schweren Stiefel auf dem glänzenden Marmorboden.
Die Männer ließen die schwere, mittelalterliche Tür zum nunmehr leer stehenden Harem hinter sich, ebenso wie die, die ins Herz der Zitadelle führte: in die riesigen Schatzkammern und zu den Kerkern.
Endlich erreichten sie den Flur, der zu den Privatgemächern des Emirs führte.
Sayid blieb stehen. „Bis hierher reicht.“
„Aber Herr, unsere Befehle lauten …“
Sayid wandte sich zu dem Mann um. „Eure Befehle haben sich heute Nacht geändert. Harlaq steht nicht länger am Rand eines Krieges.“
Es klang noch immer unwirklich, als Sayid es laut aussprach. Fast sein ganzes Leben lang hatten Kriege und bewaffnete Auseinandersetzungen Harlaq erschüttert, hauptsächlich mit dem benachbarten Königreich Jeirut. Das war auch der Grund, weshalb jeder Mann im Land bewaffnet war und so ausgebildet, dass er Harlaq mit seinem Leben verteidigen könnte.
Sayid dachte an all die Jahre, die sein Land unter Konflikten gelitten hatte, an all die Grenzgefechte und die vielen Toten. An all die vertanen Chancen, seinen Untertanen ein besseres Leben zu ermöglichen, anstatt das Geld in die Bewaffnung des Landes zu stecken.
Der Zug um seinen Mund wurde härter. Wenn er, Sayid Badawi, der neue Emir von Harlaq, sonst nichts erreicht hatte, so war es ihm doch gelungen, seinem Land Frieden zu schenken. Später, wenn er diese Tatsache wirklich glauben konnte, würde er sich darüber freuen. Jetzt aber wollte er zum ersten Mal seit drei Tagen einfach nur schlafen und an nichts denken.
„Aber Herr, es ist unsere Pflicht, Euch zu schützen. Wir werden die Nacht in der Wachstube vor Euren Gemächern verbringen.“
„Der Palast wird von euren Kameraden auf den Mauern und durch die neueste Sicherheitstechnik bewacht.“ Sayids Onkel, der frühere Emir, hatte nicht nur viel Geld in Aufrüstung investiert, sondern auch in seinen eigenen Schutz und Komfort.
Leider war er nicht bereit gewesen, auch für sein Volk Geld auszugeben.
Noch immer machten die Wachen keine Anstalten zu gehen, und Sayids Geduld begann zu schwinden.
„Ihr missachtet meinen Befehl“, fuhr er sie an. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, und die Männer erblassten.
Sofort schwand seine Wut. Die beiden versuchten nur, ihre Pflicht zu erfüllen, so, wie sie es gelernt hatten. Doch in der Vergangenheit wäre Ungehorsam gegen den Emir schwer bestraft worden.
„Ich weiß die Treue eurem Emir gegenüber zu würdigen. Aber die hiesigen Sicherheitsvorkehrungen werden sich in Zukunft ändern. Euer Kommandeur wird euch später genauer darüber in Kenntnis setzen. Bis dahin ist es mein Wunsch und euer Befehl, dass ihr in den Gardesaal zurückkehrt.“ Er drehte sich um, ohne eine Antwort abzuwarten, und schritt den langen Korridor entlang. Seine Stiefel hinterließen staubige Abdrücke auf dem kunstvollen Mosaikfußboden.
Stille. Sie versuchten nicht, ihm zu folgen.
Tief atmete Sayid die frische Nachtluft ein, die aus den Gärten in den Palast drang. Zum ersten Mal seit Tagen war er allein, konnte endlich ausspannen.
Die heutigen Feierlichkeiten mit allen Clanführern, Gouverneuren, Kriegsherren und deren Kämpfern waren ein monumentales Großereignis gewesen.
Noch immer feierten die Menschen vor den Mauern der Stadt, und die Luft war geschwängert vom Duft der Festmahle, die überall gekocht wurden. Dann und wann hallte der Klang von Salutschüssen durch die Nacht. Die Menschen würden wohl noch bis Tagesanbruch weiterfeiern.
Er selbst würde dann wieder auf den Beinen sein und sich im Büro in die Schreibarbeit und die diplomatischen Einzelheiten des Friedensvertrages stürzen. Ein Frieden, der die Grenzen beider Länder garantieren würde, ebenso wie gefahrloses Reisen und Handel zwischen Harlaq und Jeirut.
Sayid verlangsamte seine Schritte und lächelte.
Wer konnte es seinem Volk schon zum Vorwurf machen, dass es so ausgelassen feierte? Er würde es genauso machen, wenn er nicht so erschöpft von den langen Verhandlungen mit dem Emir von Jeirut wäre. Und davon, seine eigenen Kriegsherren von Gewalttaten und Provokationen abzuhalten. Einige von ihnen glaubten – ungeachtet seiner militärischen Erfahrung und seiner Entschlossenheit –, sie hätten ein leichtes Spiel, Sayid von den Kriegsplänen seines Vorgängers zu überzeugen. Doch für ihn hatte sein Volk Priorität und nicht das Gehabe alter Männer, denen das Leben anderer nichts bedeutete.
Als er seine Privatsuite erreicht hatte, trat er ein und seufzte erleichtert auf. Endlich allein!
Er ging vorbei an seinem Arbeitszimmer und dem Medienraum, durch das weitläufige Wohnzimmer und ins Schlafzimmer. Sofort fiel sein Blick auf das große, verlockende Bett. Die bestickte Decke in den königlichen Farben Blau und Silber war einladend zurückgeschlagen und das Licht der kleinen Nachttischlampe gedämpft.
Er blieb stehen und spielte kurz mit dem Gedanken, sich so, wie er war, einfach hinzulegen. Er würde innerhalb von Sekunden einschlafen.
Dann aber durchquerte er das große Zimmer, um ins Badezimmer zu gelangen. Er wollte zuerst duschen.
Im Gehen zog Sayid sich aus. Schicht für Schicht der handbestickten Kleidungsstücke fiel zu Boden, während sich seine innere Anspannung allmählich auflöste. Der feine Baumwollstoff seines Hemdes verdeckte ein Gähnen, als er es über den Kopf zog. Er genoss die kühle Nachtbrise auf der nackten Haut.
Gerade wollte er die Stiefel ausziehen, als ihn etwas innehalten ließ. Das Gewicht auf einen Fuß verlagert blieb er stehen. Sein Instinkt verriet ihm mit unumstößlicher Sicherheit, dass etwas nicht stimmte.
Seine lebenslange militärische Ausbildung hatte ihn gelehrt, immer in Alarmbereitschaft zu sein.
Es würde ihm recht geschehen, seine Wächter fortgeschickt zu haben, nur um in seinen Privatgemächern überfallen zu werden. Der jüngste und kurzlebigste Emir in der Geschichte Harlaqs. Was für eine Grabinschrift!
Er bewegte sich vorsichtig, als er sich das Baumwollhemd um die linke Hand und den Unterarm wickelte. Der Stoff würde keine Kugel abhalten, ihn aber schützen, falls er einen Messerangriff abwehren musste. Der langen Narbe, die von seinem Handgelenk bis zum Ellenbogen verlief, schenkte er keine Beachtung. Sie war der Beweis dafür, dass ein fein geschliffenes Messer leicht mehrere Kleidungsschichten durchdringen konnte.
Langsam drehte er sich um und sog vorsichtig die Luft ein, um herauszufinden, ob ein ungewöhnlicher Geruch im Zimmer hing. Mit zusammengekniffenen Augen suchte er die dunklen Ecken des Zimmers nach einem Eindringling ab.
Nichts. Die Erschöpfung musste seine Wahrnehmung getrübt haben.
Sayid schwang wieder zum Bett herum und …
Er erstarrte. Dann griff er nach dem scharfen Dolch, den er an der Hüfte trug.
„Wer bist du?“, zischte er. „Was hast du hier zu suchen?“
Als er sprach, erhob sich die Gestalt in der dunklen Ecke hinter dem Bett. Sie war klein und in einen Umhang gehüllt, den sie über Kopf und Schultern trug.
Sobald sie aufgestanden war, verbeugte sie sich ehrfürchtig.
Sayids Instinkt sagte ihm, dass er vorsichtig sein musste. Was wäre geschehen, wenn er die reglose Person, die sich in der Ecke versteckt hatte, nicht bemerkt hätte? Hätte sie gewartet, bis er ihr in der Dusche den Rücken zugekehrt hätte – oder bis er eingeschlafen wäre, um ihm ein Messer zwischen die Rippen zu stoßen?
War es leichtfertig gewesen, die Sorgen seines Onkels um dessen Sicherheit nicht ernst zu nehmen? Der Mann war hochgradig paranoid gewesen und zunehmend unberechenbar, aber nicht dumm.
„Komm her!“
Sofort bewegte die Gestalt sich vorsichtig auf ihn zu.
„Herr.“ Die leise, sanfte Stimme schien ihn zu streicheln wie die zarten Finger einer Geliebten. Wieder verbeugte sie sich, und als sie sich dieses Mal aufrichtete, legte sie den Umhang ab.
Sayid starrte sie an.
Eine Tänzerin war in seinen privaten Bereich eingedrungen? Er schüttelte den Kopf. Die Müdigkeit musste seinen Augen einen Streich spielen.
Die Frauen in seinem Land kleideten sich nicht so. Sie zogen sich sittsam an. Manche bedeckten ihr Haar, aber alle bedeckten ihren Körper.
Nur die Frau, die vor ihm stand, nicht.
Sie trug einen tiefsitzenden Rock, der in durchsichtigen Falten von ihrer Hüfte bis fast zum Boden fiel. Durch den hauchzarten Stoff konnte er ihre langen Beine sehen. Sie verlagerte ihr Gewicht und offenbarte so durch den Schlitz im Rock einen glatten, honigfarbenen Oberschenkel.
Sayids Blick glitt höher, über ihre schmale Taille bis hin zu dem tief ausgeschnittenen, ärmellosen Top aus einem glänzenden Material, das sich wie eine zweite Haut an sie schmiegte und kaum groß genug war, um ihre verführerischen Brüste zu bedecken. Sie hoben und senkten sich mit jedem ihrer schnellen Atemzüge.
Bei ihrem Anblick zog sich Sayids Brustkorb zusammen. Er streckte die Finger – nur, um sie gleich wieder zu Fäusten zusammenzuballen.
Er sollte sie anweisen, sich etwas anzuziehen.
Doch das war nicht sein erster Impuls.
Er wollte die Hände nach ihr ausstrecken, um diesen einladenden Körper zu berühren.
Er wollte sie an sich ziehen und die Freuden genießen, die der Körper einer Frau einem Mann bereiten konnte. Einem Mann, der Tage, nein Wochen darum gekämpft hatte, das Unmögliche zu erreichen. Erst war es ihm gelungen, seinen Onkel davon abzuhalten, in Jeirut einzumarschieren, und nach dessen Tod hatte er einen Weg gefunden, einen Frieden zwischen zwei Ländern zu verhandeln, die seit Jahrhunderten verfeindet waren.
Als er den Blick weiter nach oben wandern ließ, sah er in ein Gesicht von ausgesuchter Schönheit. Sie trug das lange schwarze Haar offen und über die Schultern zurückgeworfen.
In seiner Vorstellung fühlte ihre Haut sich zart wie Seide an.
Wie auch sein Onkel war Sayid ein Mann voller Leidenschaft und einer Vorliebe für körperliche Freuden. Doch anders als sein verstorbener Vorgänger war er stolz darauf, seine sinnliche Seite unter Kontrolle zu haben. Er hatte selbst gesehen, was hemmungslose Maßlosigkeit aus einem Mann machen konnte. Er hatte nicht vor, seinem Onkel in dieser Hinsicht nachzueifern. Sein Vorbild war sein Vater, ein aristokratischer Krieger mit einem unerschütterlichen Ehrenkodex. Und ein Mann, der seine Leidenschaft dafür genutzt hatte, sein Volk zu beschützen und ihm zu dienen.
„Sieh mich an.“ Seine Stimme klang viel lauter als beabsichtigt, doch Sayid musste die Kontrolle über seinen Körper gerade auf andere Regionen konzentrieren.
Sofort hob sie den Kopf.
Wieder zog sich etwas in Sayid zusammen, dieses Mal in der Magengegend. Denn Augen wie ihre hatte er noch nie gesehen. Sie hatten die Farbe wilder Bergblumen – dunkler als blau, fast violett.
Dann verfinsterte sich sein Blick. Sie war nicht nur ungewöhnlich schön, sondern auch jung – viel zu jung, um allein in seinem Zimmer zu sein.
„Wie heißt du?“
„Lina, mein Herr.“ Noch einmal verneigte sie sich vor ihm, und dieses Mal verursachte ihm ihr Anblick zu seinem Entsetzen eine fast qualvolle Erektion, denn als sie sich vorbeugte, sah es aus, als würden ihre Brüste gleich aus dem knappen Oberteil rutschen.
„Lass das!“
Sie blinzelte, und über ihr Gesicht huschte ein Ausdruck, den Sayid nicht deuten konnte und der gleich wieder verschwand. Sie hob das Kinn und richtete den Blick auf seine Schulter. „Was soll ich lassen, Herr?“
„Die Verbeugungen. Ich will das nicht.“
„Aber Herr! Sie sind der Emir. Es wäre nicht angemessen, wenn …“
„Lass mich beurteilen, was angemessen ist und was nicht.“ Sayid legte eine Hand in den Nacken und massierte seine schmerzenden Muskeln.
„Ja, Herr.“ Doch sie runzelte die Stirn, als wäre sie anderer Meinung als er. Sayid hätte schwören können, dass sie sich auf die Zunge biss, um nicht noch mehr zu sagen.
„Und nenn mich nicht so.“ Seinem Onkel mochten andauernde Ehrfurchtsbekundigungen gefallen haben, aber Sayid hatte diese Anrede zu oft von zu vielen kriecherischen Höflingen gehört, die sich bei ihm einschmeicheln wollten. Er ertrug sie nicht mehr.
Er würde viel darum geben, sich mit jemandem zu unterhalten, der nicht vor ihm in die Knie ging oder katzbuckelte. Er rieb sich übers Gesicht, wohl wissend, dass die Erschöpfung ihn ungeduldig werden ließ.
Unter der Herrschaft von Sayids Onkel war Harlaq kein Land gewesen, in dem die Menschen offen sagten, was sie dachten. Der Palast wimmelte bis heute von Beratern, die geübt darin waren, ihrem Emir recht zu geben, anstatt zu sagen, was sie wirklich dachten.
Auch das war etwas, was Sayid ändern würde.
„Wie Sie wünschen, Emir.“
Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, schloss ihn dann aber wieder. ‚Emir‘ war kaum besser als ‚Herr‘, aber was für einen Unterschied machte das schon. Er war zu müde dafür.
„Was machst du hier?“
„Ich bin hier, um Ihnen zu dienen …“ Sie heftete den Blick auf einen Punkt hinter ihm. „Auf jede Art, die Sie wünschen.“ Sie schluckte und lenkte seinen Blick damit auf ihren langen, schlanken Hals.
Einen benommenen Moment lang stellte Sayid sich vor, wie es wäre, ihre duftende Haut zu streicheln. Er nahm ihren Duft nach Rosen wahr und fragte sich, wie Lina wohl schmecken mochte.
Es fiel ihm schwer, der Versuchung zu widerstehen, und er trat einen Schritt zurück, um nicht schwach zu werden. Als er sich bewegte, zuckte sie leicht zusammen und verriet so die Anspannung, die sie die ganze Zeit zu verbergen versuchte.
„Wer hat dich hierher geschickt?“
„Der Bruder meines Vaters. Als Geschenk an den alten Emir.“
Als Geschenk! Das war das Land gewesen, das sein Onkel regiert hatte! Wo eine Frau wie eine Ware behandelt wurde. Alte Erinnerungen stiegen in ihm auf und hinterließen einen bitteren Geschmack auf seiner Zunge.
Als neuer Emir würde er hart daran arbeiten, diese Nation endlich in der Gegenwart ankommen zu lassen.
„Der alte Emir ist tot.“
Sayid war davon ausgegangen, dass die Frauen aus dem Harem fortgeschickt worden wären, nachdem die Prostataerkrankung seines Onkels sich verschlimmert hatte und er impotent geworden war.
„Ich weiß, E…Emir. Er ist kurz nach meiner Ankunft gestorben, und ich bin ihm nie begegnet.“ Ihr Blick huschte kurz zu ihm. „Mein herzliches Beileid zu Ihrem Verlust.“
„Danke.“ Als Verlust hatte er den Tod seines Onkels nie betrachtet. Der alte Mann hatte seinem Land einen schlechten Dienst erwiesen, und privat war er erbärmlich gewesen – ein niederträchtiger, brutaler Wüstling. „Aber da er tot ist, steht es dir frei zu gehen. Du wirst hier nicht benötigt.“
Ein entsetzter Blick aus riesigen violetten Augen traf ihn. „Oh nein. Sie verstehen nicht. Das heißt …“ Sie schluckte und senkte den Kopf, als hätte sie Angst, etwas Falsches gesagt zu haben. „Doch, natürlich verstehen Sie …“
Sie schüttelte den Kopf, und eine dicke Strähne ihres glänzenden dunklen Haars fiel ihr über die Schulter und die Brust bis zur Taille. Sayid konnte den Blick nicht davon abwenden.
„Ich kann nicht hier weg. Es ist bereits alles arrangiert.“ Ihre Lippen verzogen sich zu einem zaghaften Lächeln, das nicht bis zu ihren Augen reichte. „Jetzt, da Ihr Onkel tot ist, bin ich Ihr Eigentum.“
Hatte Sayid Badawi auf Lina bis eben noch streng gewirkt, so war er jetzt geradezu furchteinflößend. Auf seiner Stirn bildeten sich tiefe Furchen, und er presste die markanten Kiefer aufeinander, als würde er einen Fluch unterdrücken.
Doch in seinen dunklen Augen und an den bebenden Nasenflügeln erkannte sie auch etwas anderes als Wut: Sie sah Erregung.
Damit hatte sie einige Erfahrung, denn sie hatte regelmäßig beobachtet, wie die Männer auf die Schönheit ihrer Mutter reagiert hatten. Und seit sie selbst in der Pubertät war, warfen ihr die Männer, die sie gelegentlich in ihrem Zuhause besucht hatten, ähnliche Blicke zu.
Nein, nicht ihr Zuhause. Das ihres Onkels.
Doch anders als ihre Cousins, die sie nicht nur ansahen, sondern auch zu berühren versuchten, fasste der Emir sie nicht an.
Lina senkte den Blick, wie man es ihr beigebracht hatte. Jetzt sah sie nicht mehr seine dunklen, hypnotisierenden Augen, sondern einen hochgewachsenen, schlanken Körper, der sich von den breiten Schultern hin zu der schmalen Hüfte verjüngte. Unter seiner straffen Haut, die die Farbe von Bronze hatte, zeichneten sich deutlich durchtrainierte Muskeln ab. Seine schmalen Hüften wurden glücklicherweise noch von einer hellen, kurzen Hose bedeckt, darunter aber sah sie lange, athletische Oberschenkel, wie sie nur ein geübter Reiter hatte. Einzig eine helle Narbe an seinem rechten Arm minderte den Eindruck absoluter männlicher Perfektion.
Lina wusste nicht, ob es an dem Schock darüber lag, dass sie allein mit ihrem neuen Herren und Meister in einem Zimmer war, oder an der Tatsache, das erste Mal einen fast nackten Mann zu sehen. Oder an seiner unglaublichen Attraktivität. Doch sie war wie benommen, ihr Atem ging zu schnell, und ihre Gedanken überschlugen sich.
Am Palast angekommen war sie davon ausgegangen, einem viel älteren Mann zu Diensten sein zu müssen – einem Mann, dessen Jähzorn und Gnadenlosigkeit weithin gefürchtet waren. Stattdessen fand sie sich einem nicht einmal dreißigjährigen Mann gegenüber, dessen gutes Aussehen jedes Frauenherz höherschlagen ließ. Doch es war nicht nur das. Er strahlte Charakterstärke aus und etwas, das sie nicht genau benennen konnte, es aber in seinem stolzen Gesicht mit den schweren Augenlidern, der geraden Nase und dem kantigen, ausgeprägten Kiefer sah.
Was auch immer es war, es brachte das Blut in ihren Adern dazu, schneller zu fließen – ein Gefühl, wie sie es noch nie erlebt hatte.
„Lina?“
Ihr Blick huschte wieder zu seinem Gesicht. Er hatte zu ihr gesprochen, und sie hatte nicht darauf reagiert! Ein angstvoller Schauder lief ihr über den Rücken. War er von ebenso unberechenbarem Gemüt wie der alte Emir? Linas Tante hatte ihr haarsträubende Dinge darüber erzählt, was Lina erwarten würde, wenn sie nicht genau das tat, was von ihr verlangt wurde. Egal, wie schwierig oder … ungewohnt es sein mochte.
„Emir?“
„Ich habe gesagt, dass deine Dienste hier nicht gebraucht werden. Du kannst nach Hause zurückkehren.“
Zuerst blinzelte Lina, dann riss sie bestürzt die Augen auf.
Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und sie schluckte mühsam.
„Bitte, Emir, das kann ich nicht!“
Zu spät senkte sie den Blick. Sie sollte tun, was er sagte, und ihm nicht widersprechen! Ihr Onkel und ihre Tante hatten sie wieder und wieder getadelt, weil sie nicht demütig und still genug war. Sie wären entsetzt, wenn sie Lina jetzt hören könnten.
„Du kannst es, wenn ich es dir befehle.“ Er klang unwirsch, als dulde er keinerlei Widerspruch.
Wie erstarrt stand Lina vor ihm. Die Freiheit, die er ihr bot – nein, aufzwang –, war nichts als Illusion.
Sie hatte niemanden auf der Welt, nicht einmal ein Zuhause. Niemand machte sich etwas aus ihr, und Rechte hatte sie auch nicht.
Wenn sie seine Gemächer erst einmal verlassen hatte, dürfte sie sie nie wieder betreten. Wenn man sie aus dem Palast warf, würde sie buchstäblich auf der Straße sitzen, mit nichts weiter am Leib als dem spärlichen Kostüm einer Tänzerin.
Sie knetete die Hände, um ihr Zittern zu verbergen, und atmete tief ein. Einmal mehr war sie sich ihrer verhassten Kleidung bewusst, als sich ihre Brüste in dem knappen und eng geschnittenen Oberteil hoben.
„Emir.“ Sie schluckte und hob das Kinn. Er wollte sich bereits abwenden, denn er hatte sie fortgeschickt und erwartete, dass sie ihm gehorchte.
Doch das konnte sie nicht.
„Nun?“ Er hob die schwarzen Augenbrauen über der aristokratischen Nase, und der Zug um seinen Kiefer verriet, dass er mit seiner Geduld fast am Ende war.
Lina neigte den Kopf nach hinten und sah ihm in die Augen.
„Ich habe kein Zuhause, in das ich zurückkann. Nicht mehr. Ich habe keine Familie.“ Sie biss sich auf die bebende Unterlippe. „Würden Sie mir erlauben, im Palast zu bleiben? Ich bin an harte Arbeit gewöhnt. Ich könnte mich in der Küche nützlich machen oder in der Wäscherei. Und ich kann nähen.“
„Du musst doch ein Zuhause haben. Wo bist du denn sonst hergekommen?“ Der strenge Ausdruck war nicht aus seinem wie gemeißelt schönen Gesicht gewichen, aber wenigstens hörte er ihr zu. Linas Herz machte einen kleinen, hoffnungsvollen Sprung.
„Aus dem Haus des Bruders meines Vaters. Aber dessen Türen stehen mir nicht länger offen.“ Es bedurfte Linas ganzer Kraft, aufrecht vor dem Emir stehen zu bleiben und seinem Blick standzuhalten, während all die traurigen Erinnerungen sie bestürmten, denn selbst im Haus ihres verstorbenen Vaters war sie kaum mehr als eine Sklavin gewesen.
Seufzend fuhr sich der Emir mit einer Hand durch das kurzgeschnittene Haar. Dabei spannten sich die Muskeln in seinem Arm, der Schulter und dem Brustkorb. Fasziniert registrierte Lina, wie hypnotisierend eine so schlichte Bewegung sein konnte.
Noch nie war sie einem Mann wie dem Emir begegnet, sei es nackt oder bekleidet.
Er seufzte erneut und wandte sich ab. Sofort rief Lina ihre abschweifenden Gedanken zur Ordnung. Er ging und überließ sie ihrem Schicksal! Neben Angst und Verzweiflung verspürte sie vor allem Entrüstung. Lina hatte genug vom Schicksal und Männern, die über ihr Leben bestimmten oder sie ignorierten.
Doch anstatt im Badezimmer zu verschwinden, ging der Emir zu einem Schrank und zog ein Hemd hervor.
„Hier.“ Er warf ihr das weiße Kleidungsstück zu. „Zieh das an und setz dich.“
Lina grub die Finger in den weichen Baumwollstoff. Er war so zart gewebt, dass er fast durchsichtig war. Für den Führer ihres Landes war nur der feinste Stoff gut genug.
„Nun mach schon.“ Er wies mit einer Kopfbewegung auf das Hemd und ließ sich mit einem Seufzer in einen Sessel sinken.
Hastig zog sie es sich über den Kopf. Es reichte ihr fast bis zu den Knien, die Ärmel musste sie hochkrempeln.
Warum gibt er mir etwas zum Überziehen? Natürlich fühlte sie sich wohler, wenn ihre Haut und ihre Brüste bedeckt waren, doch bisher hatte die Erfahrung sie gelehrt, dass Männern deren Anblick gefiel.
Machte sich der Emir etwa nichts aus Frauen?
Was für eine Verschwendung das wäre! Außerdem hatte sie doch eben noch das Brennen in seinem Blick gesehen, als er sie gemustert hatte.
Neugierig betrachtete sie den Mann, in dessen Hand ihre Zukunft lag. Er hatte die Augen geschlossen, und unter seiner eindrucksvollen Attraktivität erkannte sie an den Fältchen um seinen Mund und die Augen, wie müde er war. Sein Kopf hing zur Seite, und er war im Sessel zusammengesackt.
Der Mann war völlig erschöpft.
Als Sayid die Augen öffnete, sah er das Mädchen im Badezimmer verschwinden.
Was hatte sie vor?
Doch bevor er ihr folgen konnte, kehrte sie auch schon zurück. In den Händen trug sie eine Schale mit Wasser. Dann sank sie so anmutig vor ihm auf die Knie, als trüge sie nicht nur das knappe Kostüm einer Tänzerin, sondern als wäre sie wirklich eine.
Er bemühte sich, das glühende Verlangen in seinem Unterleib zu ignorieren und rief sich ins Gedächtnis, dass er gelernt hatte, seine impulsive sinnliche Seite zu beherrschen.
Doch zu seinem Verdruss trug das Hemd nicht dazu bei, Linas körperliche Reize zu verbergen. Weil er vor lauter Müdigkeit seiner eigenen Willenskraft nicht mehr traute, war ihm am sichersten erschienen, dass sie sich bedeckte, damit er nicht länger der Verheißung ihrer honigfarbenen Haut und der verlockenden Rundungen ihrer Brüste, Taille und Hüfte ausgesetzt war.