In den Fängen des Ritters: Bellemare-MacTavish-Reihe - Band 3 - Marian Edwards - E-Book
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In den Fängen des Ritters: Bellemare-MacTavish-Reihe - Band 3 E-Book

Marian Edwards

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Beschreibung

Sie ist ihm ausgeliefert, doch er ist ganz und gar von ihr gefesselt: Der historische Liebesroman »In den Fängen des Ritters« von Marian Edwards als eBook bei venusbooks. Schottland im 11. Jahrhundert. Schon seit Jahren lebt die schöne Gabrielle d'Aumont hinter den Mauern eines Klosters. Nur dort scheint sie vor den Häschern ihres mörderischen Onkels sicher zu sein. Als das Kloster angegriffen wird, flieht Gabrielle in die wilden Highlands – und wird dort von dem geheimnisvollen Guy de Bellemare gerettet. Er trägt die Kutte eines Mönchs, doch darunter verbirgt sich der Körper eines Kriegers. Guy gelobt, Gabrielle sicher zu ihrem Clan zu geleiten, aber er scheint mehr als ein Geheimnis zu verbergen. Wird er sie an ihre Feinde ausliefern … oder hat die Schöne das Herz des Kriegers schon längst für sich gewonnen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Historical-Romance-Highlight »In den Fängen des Ritters« aus der Bellemare-MacTavish-Reihe von Marian Edwards – über eine gefährliche Liebe inmitten der wilden Schönheit der schottischen Highlands. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 460

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Über dieses Buch:

Schottland im 11. Jahrhundert. Schon seit Jahren lebt die schöne Gabrielle d'Aumont hinter den Mauern eines Klosters. Nur dort scheint sie vor den Häschern ihres mörderischen Onkels sicher zu sein. Als das Kloster angegriffen wird, flieht Gabrielle in die wilden Highlands – und wird dort von dem geheimnisvollen Guy de Bellemare gerettet. Er trägt die Kutte eines Mönchs, doch darunter verbirgt sich der Körper eines Kriegers. Guy gelobt, Gabrielle sicher zu ihrem Clan zu geleiten, aber er scheint mehr als ein Geheimnis zu verbergen. Wird er sie an ihre Feinde ausliefern … oder hat die Schöne das Herz des Kriegers schon längst für sich gewonnen?

Über die Autorin:

Marian Edwards ist eine amerikanische Autorin, die bereits zahlreiche historische Liebesromane veröffentlichte.

Bei venusbooks erscheinen in der Bellemare-MacTavish-Reihe auch folgende Romane:

In den Armen des Lairds

Die Geliebte des Ritters

***

eBook-Neuausgabe Mai 2019

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Buch erschien bereits 1999 unter dem Titel Die Braut des Mönchs bei Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1997 by Marian Jastrzembski

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1997 unter dem Titel A Prayer and A Promise bei Kensington Publishing Corp., New York.

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1999 Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2019 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Published by Arrangement with KENSINGTON PUBLISHING CORP., NEW YORK, NY 10018 USA

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock/Kiselev Andrey Valerevic, Swen Stroop, Premium Art, Bogachyova Arina und © Fotolia/VV und © Pixabay/TimHill

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-95885-671-4

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

***

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***

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Marian Edwards

In den Fängen des Ritters

Roman

Aus dem Amerikanischen von Georgia Sommerfeld

venusbooks

Für meine Redakteurin, Tracy Bernstein, eine ganz besondere Lady, mit der zusammenzuarbeiten eine Freude ist.

Für meine Kritikergruppe: Joan Bellemare, Suzanne Brown, Kathryn Hudyma und Laura Schweizer, Freundinnen, die zu Familienangehörigen geworden sind.

Dank

an Dr. David Manzo, der mir großzügigerweise einen Teil seiner kostbaren Zeit opferte und mich mit seiner Sachkenntnis maßgeblich unterstützte.

Erstes Kapitel

ENGLAND, 1067

»Ihr wollt was von mir?« Guy de Bellemare starrte den König entgeistert an. Wilhelm, Herzog der Normandie und König von England, stand, in triste Soldatenkleidung gewandet, ihm gegenüber am Kamin, doch seine Haltung und sein Ausdruck ließen seine Position auf den ersten Blick erkennen.

»Ihr habt richtig gehört. Ich will, daß Ihr Euch als Ordensgeistlicher ausgebt und eine junge Frau aus einem Kloster nördlich von London entführt.«

»Eine Nonne? Sire – ich habe zwar das Priesterseminar verlassen, aber es gibt dennoch Dinge, die mir heilig sind ...«

»Echauffiert Euch nicht, mein Guter – die Jungfer hat, gemeinsam mit ihrem Bruder, in dem Kloster nur Zuflucht gesucht, weil sie den Mann nicht heiraten will, den ihr Onkel für sie ausgewählt hat.«

»Ihr Onkel?« echote Guy verdutzt, denn normalerweise war es Sache des Vaters, eine Heirat zu arrangieren. »Ja. Es gefällt mir nicht, ihr das antun zu müssen, aber le chevalier Quennel d'Aumont, ihr Onkel, hat in meinen Diensten gestanden. Nachdem ihr Vater auf dem Schlachtfeld gefallen und ihre Mutter verstorben war, floh sie aus der Normandie nach England, um von hier bei Gelegenheit zu ihrem Onkel in Schottland weiterzureisen.«

»Was ist das für eine Familie?«

»Demoiselle Gabrielles Vater war Hamish Ritter von Aumont, ehemals bekannt als Hamish Campbell – er nahm bei der Eheschließung den Namen seiner Frau an. Quennel d'Aumont, sein Schwager, wünscht, daß seine Nichte in die Normandie zurückgebracht wird, damit die von ihm für sie arrangierte Heirat stattfinden kann.«

»Ich erinnere mich, Campbell war ein tapferer, ehrenhafter Mann – der Schwager ist das nicht.«

»Dieser Umstand interessiert die Krone nicht. Nun – wie ist es? Werdet Ihr den Auftrag Eures Königs übernehmen, Ritter Guy? Vielleicht erleichtert es Euch die Entscheidung, wenn ich Euch mitteile, daß ich Euch, falls Ihr mir diesen Gefallen tut, mit Land und Titel belohnen werde.«

Als Guy das hörte, gab es für ihn kein Überlegen mehr, denn als unehelicher Sohn eines normannischen Edelmannes hatte er nur diese Möglichkeit, zu Grund und Boden zu kommen. »Oui, ich übernehme den Auftrag. Wenn sie keine Braut Christi ist, genießt sie nicht den Schutz der Kirche, und mein Gewissen bleibt rein.«

»Dann ist es also abgemacht. Ihr bringt Gabrielle d'Aumont und ihren Bruder Louis nach London an den Hof.«

»Ist er der rechtmäßige Erbe des Grundbesitzes? Hat sie ihn mitgenommen, um ihn in Sicherheit zu bringen?«

»Ihr seid äußerst scharfsinnig, Guy. Ich werde dem Jungen Schutz gewähren, bis er alt genug ist, um seinen Feinden gegenüberzutreten – aber das Fräulein muß wieder der Obhut ihres Onkels überantwortet werden, denn er ist ihr gesetzlicher Vormund.«

»Wie Ihr wünscht«, sagte Guy de Bellemare.

»Ich will keinen Ärger mit dem Papst. Also offenbart Eure wahre Mission erst, nachdem Ihr die beiden aus dem Kloster geholt habt.«

»Aber wie soll ich die Dame und ihren Bruder dazu bewegen, ihr Asyl zu verlassen?«

»Ich werde Euch ein paar Mönche und Bewaffnete zur Seite geben, die Ihr den beiden als Begleitung für die Reise nach Schottland anbieten könnt – aber sie dürfen dort auf keinen Fall ankommen. Alec Campbell, der Bruder ihres Vaters, ist sehr auf seine Familie bedacht. Es heißt, er verdächtige den Schwager seines Bruders unlauterer Machenschaften.«

Mit gutem Grund, dachte Guy in Erinnerung an die Geschichten, die er über diesen Quennel d'Aumont gehört hatte. »Respektiert der Schotte denn nicht die Krone?«

»Die Schotten sind ein seltsamer Menschenschlag. Unberechenbar.«

»Und unbeugsam, soweit ich die Kelten kennengelernt habe«, meinte Guy.

»Zu Eurem Glück liegt der Grundbesitz, den ich Euch zugedacht habe, in Wales«, sagte der König mit einem spöttischen Lächeln. »Um die Leute dort zur Räson zu bringen, bedarf es nur einer starken Hand und nicht, wie in Schottland, einer Invasion.«

»Ich hätte mich eigentlich näher bei meinem Bruder und seiner Frau in England niederlassen wollen«, erklärte Guy eingedenk der Trennung von seiner Familie, während er König Wilhelm zu Diensten war.

»Dieses Arrangement wird Euch gestatten, Euch ganz auf die Planung Eures für deren Lebens zu konzentrieren«, gab Wilhelm zu bedenken.

»Ihr habt recht – wobei ich mir grundsätzlich bereits darüber im klaren bin. Ich sehne mich danach, den Schlachtfeldern Lebewohl zu sagen.«

»Ihr seid des Kämpfens müde?« wunderte sich der König.

»Ich habe es nie genossen«, gab Guy zurück. »Es war nur eine Möglichkeit, dem Priesterseminar den Rücken kehren zu können.«

Ein Lächeln umspielte Wilhelms Lippen, und Belustigung blitzte in seinen Augen. »Ihr wärt ein schrecklicher Priester geworden.«

Guy grinste. »Dieses Argument führte auch Royce an, als er sich gegen unsere Mutter stellte und mich vor diesem Amt rettete.«

»Seine Entscheidung hat sich nicht nur für Euch, sondern auch für ihn als vorteilhaft erwiesen«, sagte der König. »Wenn Ihr die Royce zugedachte Lanze nicht abgefangen hättet, würde er heute nicht mehr unter uns sein.«

Im Kamin fiel ein Holzscheit herunter, und Guy erinnerte sich, während er die stiebenden Funken betrachtete, jenes schicksalhaften Tages und strich dabei geistesabwesend über seinen Oberkörper. »Wir reden nie darüber. Er hätte für mich dasselbe getan.«

»Oui – Ihr steht einander sehr nahe. Ich wußte, daß ich eine gute Wahl getroffen hatte. Ihr werdet Euch meines Vertrauens ebenso würdig erweisen, wie es Euer Bruder getan hat.«

»Auch wenn wir Euch beide treu ergeben sind, werft uns nicht in einen Topf, Sire – wir sind verschieden.« Der König musterte ihn nachdenklich. »Euer Bruder hat sein Lebensziel erreicht – aber was ist mit Euch, Guy de Bellemare? Was habt Ihr für Träume?«

Die hatte Guy noch nicht einmal Royce offenbart, und er würde sie ganz sicher nicht dem König von England anvertrauen. »Was auch immer sie sind, Majestät – der Grundbesitz, den Ihr mir zugesagt habt, wird wesentlich zu ihrer Verwirklichung beitragen.« Er hätte gern das Thema gewechselt. »Sire, Ihr sprecht von meiner Familie – habt Ihr Neuigkeiten aus Northumberland?«

»O ja – Euer Bruder ist stolzer Vater von Zwillingen.«

»Von Zwillingen? Er hat Zwillinge?«

Wilhelm lachte leise. »Oui. Und einer der Knaben soll seinem häßlichen Onkel ähneln.«

Guy war zu aufgeregt, um auf den Scherz einzugehen. »Zwillinge! Und wie geht es meiner Schwägerin Bethany von Northumberland?«

»Gut. Und ich soll Euch ihrer Liebe und Dankbarkeit versichern.«

Verdientermaßen, dachte Guy zufrieden, denn er war nicht unmaßgeblich daran beteiligt gewesen, daß aus den beiden ein Ehepaar geworden war. Ein Anflug von Wehmut mischte sich in seinen Stolz. Was die Liebe betraf, hatte er vor vielen Jahren eine bittere Erfahrung gemacht. Seitdem erwartete er nichts mehr von den Menschen und wurde auf diese Weise nicht mehr enttäuscht. »Ein turbulentes halbes Jahr ist es her, daß ich meinen Bruder nicht gesehen habe. Und meine Neffen möchte ich natürlich schnellstmöglich begrüßen.«

»Ich fürchte, da müßt Ihr Euch noch eine Weile gedulden. Es wird Jahre dauern, bis dieses Land befriedet ist.«

»Da könnt Ihr recht haben – aber dann gibt es vielleicht keine Bauern mehr, die Euch den Untertaneneid leisten können«, sagte Guy in Erinnerung an die vielen blutgetränkten Schlachtfelder.

»Einen oder zwei bestimmt«, meinte der König augenzwinkernd. »Und jetzt laßt uns einen Schluck auf unser Abkommen trinken.«

Guy folgte ihm an die Hohe Tafel, und während er ihm zuprostete, wanderten seine Gedanken zu der Frau, die er in ihr Verderben führen sollte. War sie jung oder alt? Schön oder häßlich? Es spielte keine Rolle – er war eine Verpflichtung eingegangen und würde sie erfüllen.

Als er sich nach einiger Zeit und einigen Bechern Wein später zur Ruhe begab, beschlich ihn das Gefühl, daß diese Entscheidung sein ganzes weiteres Leben beeinflussen würde, es war so stark, daß nicht einmal der reichlich genossene Alkohol den Eindruck zu vernebeln vermochte, daß er einen gefährlichen Weg eingeschlagen hatte.

Nach dem Tod des Vaters hatte Blanchefleur d'Aumont, seine Schwester, das Rittergut in der Normandie geerbt. Geliebt aber hatte er, Quennel, dieses Herrenhaus und die zugehörigen Ländereien von klein auf.

Zwei kleine Hindernisse standen der Inbesitznahme jetzt im Weg. Er hatte Schritte eingeleitet, um sie zu beseitigen. Der Raum, in dem er unruhig auf und ab ging, trug noch immer die Handschrift seines alten Herrn Hamish. Sobald er das Sagen hätte, wäre seine erste Tat, jede Erinnerung an seine Familie auszumerzen. Er haßte sie. Es war keine Abneigung, es war abgrundtiefer Haß. Bitterkeit und Zorn hatten ihn über die Jahre hinweg stetig geschürt, und nun war der Augenblick der Rache in greifbare Nähe gerückt.

Die Wandteppiche würde er behalten, doch die Waffen, die sein Vater gehegt und gepflegt hatte, und die Rüstung seines Schwagers, Hamish Campbell, würden aus diesen Mauern entfernt und irgendwo draußen Wind, Wetter und Rost ausgeliefert. Ein Haus sollte den Geschmack und die Persönlichkeit seines Herrn widerspiegeln. Unerwünschte Erinnerungen an die Vergangenheit kamen aus den hintersten Winkeln seines Gedächtnisses angekrochen, und die Kopfschmerzen setzten ein. Zum Teufel – jeder Gedanke an seine Verwandten löste diese Qualen aus, die ihn tagelang an sein Lager fesseln konnten.

Er hatte gerade begonnen, seine Schläfen zu massieren, als es klopfte. Auf sein »Herein!« hin öffnete sich die Tür, und Claude Boleau, der Hauptmann der Garde, erschien. »Herr – Euer Mann ist aus England zurückgekehrt und möchte Bericht erstatten.«

»Schick ihn zu mir«, befahl Quennel, der dem betagten Offizier, der dem Hause Aumont stets treu gedient hatte, weder Sympathie noch Vertrauen entgegenbrachte. »Sehr wohl.« Boleau verbeugte sich und ging.

Obwohl der Hauptmann es äußerlich nicht an Ehrerbietung fehlen ließ, wußte Aumont, daß er ihn verachtete. Seine Verfehlungen waren im Gedächtnis des alten Mannes noch sehr lebendig.

Er hatte die Flügeltür kaum hinter sich geschlossen, als es erneut klopfte. Auf sein barsches »Herein!« hin erschien ein runzliger Krieger und verbeugte sich knapp vor seinem Herrn. »Seigneur – demoiselle Gabrielle befindet sich bei der Äbtissin Ambrose nördlich von London. Ich habe Euren Anweisungen entsprechend ein paar Soldritter in England gelassen, die sie und ihren Bruder Louis in Empfang nehmen werden, falls sie sich entschließen sollten, das Kloster zu verlassen.«

Aumont ertrug den vernichtenden Blick des Mannes nicht und wendete sich ab.

»Und was sagt der König?«

Der alte Krieger räusperte sich. »Er schickt einen Mann, um die sichere Rückkehr des Fräuleins zu gewährleisten.«

»Bei Seinen Wunden!« Der Fluch hing in der Luft, als Aumont mit roten Zornesflecken im Gesicht herumfuhr. »Wilhelm hat sich aufgrund meines simplen Ansuchens nach Asylverweigerung das Recht genommen, in meinen Privatangelegenheiten herumzupfuschen. Das werde ich nicht dulden!« Er schlug sich mit der Faust in die Handfläche und trat auf den bejahrten Krieger zu. »Ich wünsche, daß dem Mann des Königs das gleiche Schicksal zuteil wird wie meinem Neffen, Channing!« blaffte er ihn an.

»Das gleiche, Herr?« Unglauben malte sich auf den hageren Zügen des Mannes.

Aumont schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht. »Hörst du schlecht? Er soll sterben!«

»Aber er ist ein Mann des Königs von England, Herr«, wandte der alte Krieger, ohne sich gegen eine mögliche neuerliche Züchtigung zu schützen, mit feindseligem Blick ein.

»Wen kümmert's? Er wird nie erfahren, daß sein Mann auf meinen Befehl hin gestorben ist. Laß es wie einen Unfall aussehen.«

»Wie Ihr wünscht, Herr.« Channings Worte waren höflich, doch der Ton ließ jede Ehrerbietung vermissen. »Ich werde Eure Anordnungen weitergeben.«

»Tu das. Und beordere noch mehr Männer nach England. Meine Nichte und mein Neffe werden zurückgebracht – aber von meinen Leuten.«

Das Schweigen des Mannes brachte ihn an den Rand seiner Geduld.

»Schick die Bauern, die du für geeignet hältst, die Soldritter zu unterstützen. Und, Channing – falls diese Maßnahme dem König zu Ohren kommt, werde ich wissen, wer ihm die Nachricht zugetragen hat.«

»Ihr braucht Euch wegen meiner Loyalität nicht zu sorgen, Herr. Meine Familie lebt auf Eurem Grund und Boden, und Ihr habt mich unmißverständlich darauf hingewiesen, daß sie es schmerzlich zu spüren bekäme, wenn Ihr mit mir unzufrieden wäret.«

»Es freut mich, daß wir einander verstehen.«

Der Mann verneigte sich schweigend und ging.

Mit dem herausgelassenen Saum war das von Gabrielle gestiftete Kleid wie für das junge Mädchen gemacht. Gabrielle von Aumont kniete vor ihr und zupfte die Falten des Rockes zurecht. »Ihr werdet eine wunderhübsche Braut sein, Willa«, sagte sie und wischte hastig die Tränen weg, die ihr unversehens in die Augen geschossen waren.

Die Äbtissin trat hinzu und streifte eine silberne Kette mit einem schlichten Kreuz daran über die goldblonde Lockenpracht der Vierzehnjährigen. Während sie die langen Haare vorsichtig hindurchzog und über die Kette legte, sagte Mutter Ambrose: »Dies soll Euch als Erinnerung an Eure Zeit bei uns und als Symbol für Euren Glauben durchs Leben begleiten.«

»Ich werde Euch alle vermissen – ganz besonders Euch, Schwester Gabrielle. Ich bin Euch so dankbar.«

»Ihr müßt mir nicht danken.« Gabrielle zog ein letztes Mal an den Falten und stand auf. »Es ist doch nur ein Kleid.« Die Freude des Mädchens rührte sie, und schon wieder wurden ihre Augen feucht.

»Ich spreche nicht von dem Kleid, Schwester.« Willa errötete und fügte hastig hinzu: »Obwohl es wunderschön ist!« Bewunderung und Hochachtung traten in ihren Blick. »Ihr habt mir ein noch viel wertvolleres Geschenk gemacht: Ihr habt mich Mut gelehrt.«

»Wie das?« fragte Gabrielle verlegen.

»Ich war so voller Furcht, nachdem Mutter und Vater gestorben waren. Dann kamt Ihr mit Eurem Bruder hierher, und ich erfuhr, daß Ihr nicht nur Eure Eltern verloren, sondern sogar das Meer überquert hattet, um Euren Bruder zu retten, und angesichts dieser Tapferkeit schämte ich mich meiner Furcht.«

»Ich war nicht tapfer«, wiegelte Gabrielle in Erinnerung an die Angst ab, die sie auf der Flucht gepeinigt hatte. »Ich tat nur, was nötig war.«

Das Mädchen nahm Gabrielles Hände in die ihren. »Ich hätte niemals den Mut dazu aufgebracht.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hätte nie gedacht, daß einer Frau, noch dazu einer so zierlichen, eine solche Stärke innewohnen kann.« Willa drückte ihre Hände behutsam. »Ich hoffe inständig, daß Ihr einen Mann findet, der so stark und gut ist wie mein Edwin. Ihr solltet auch eine Schulter haben, an die Ihr Euch anlehnen könnt.«

Gabrielle entzog ihr ihre Hände. »Mit neunzehn Sommern bin ich schon zu alt, als daß mir noch jemand den Hof machen würde«, gab sie zurück.

Ohne auf Gabrielles Einwand einzugehen, wandte Willa sich an die Äbtissin: »Sie ist ebenso ungeeignet für das Klosterleben wie ich. Bitte redet ihr ins Gewissen.«

»Dies ist nicht der Moment, um sich Gedanken über Schwester Gabrielles Zukunft zu machen«, sagte die Klostervorsteherin. »Edwin erwartet Euch in der Kapelle. Sputet Euch, meine Liebe.« Mutter Ambrose drückte Willa kurz an sich und schob sie dann in Richtung Tür, doch das Mädchen machte auf halbem Wege kehrt und lief zu Gabrielle zurück, die die junge Waise liebevoll in die Arme schloß, bevor sie sie auf den Weg zur Verwirklichung eines Traumes entließ, den auch sie noch immer träumte. »Viel Glück, Willa«, flüsterte sie, als die junge Braut hinaus und ihrem neuen Leben entgegenlief.

Plötzlich begannen weiße Nebel um sie her zu wallen, und die Stimme der Äbtissin, die sie zur Eile mahnte, schien von weit her zu kommen. Dann lösten sich die Schwaden auf, und Gabrielle sah eine idyllische Landschaft, in der sich auf einer Wiese ein Paar gegenüberstand. Verblüfft erkannte sie die Züge der Frau als ihre eigenen. Der Mann, der mit dem Rücken zu ihr stand, war hochgewachsen und breitschultrig. Sie hob die Hand, um sein Gesicht zu liebkosen, zog sie wieder zurück und öffnete die Bänder, die ihr prächtiges, veilchenblaues Kleid zusammenhielten. Der glänzende Stoff glitt von ihren Schultern zu Boden und enthüllte kein Unterkleid, sondern nackte Haut.

Das Bild verblaßte, und Gabrielle atmete zittrig ein. Die Vorhersagen waren bisher immer eingetroffen. Irgendwann würde sie sich einem Mann anbieten. Der Gedanke ließ sie vor Furcht erbeben. Wäre das der Preis für ihre Freiheit? Sie nahm all ihre Kraft zusammen und faßte sich, um der Äbtissin keinen Anlaß zu geben, sie nach dem Grund für ihre an diesem Freudentag unangebrachte, jähe Verstörtheit zu fragen.

Als das junge Paar nach dem Hochzeitsmahl abgereist war, ging Gabrielle, die Hände vorschriftsmäßig in den Ärmeln verborgen, gemessenen Schrittes durch den Hof, die Treppe hinauf und den langen Gang entlang, der zu ihrer Kammer führte – Eile wurde in der Abtei nicht gerne gesehen. In ihrer Zelle angekommen, nahm sie den Schleier ab, der ihre Haare verbarg, und entledigte sich des dicken, wollenen Novizinnengewandes. Seit sie hierher ins Exil gekommen war, hatte sie sich ernsthaft mit der Möglichkeit eines Ordenslebens auseinandergesetzt. Als sie das Kleidungsstück zusammenlegte und ehrfürchtig die Falten herausstrich, kamen ihr Mutter Ambroses Worte in den Sinn. »Ihr müßt Euch aus freien Stücken entschließen, Euer Leben in den Dienst Gottes zu stellen – nur, wer wahrhaft berufen ist, kann ihm wahrhaft dienen.« Sie hatte recht, dachte Gabrielle, während sie in ihr Kleid schlüpfte – sie spürte diese Berufung nicht in sich.

Das Vesperglöckchen läutete, als sie sich an das Schreibpult setzte und eine weitere Bitte an König Wilhelm und den Papst verfaßte, sich ihres Problems anzunehmen. Alle bisherigen Gesuche waren unbeantwortet geblieben. Es war allein Gottes Gnade zu verdanken, daß sie und ihr Bruder noch nicht der Rache ihres Onkels in der Normandie anheimgefallen waren. Louis' Leben und ihre Freiheit wären verwirkt, wenn er ihrer habhaft würde, ehe sie ihr endgültiges Ziel erreichten, aber selbst wenn sie seinen Häschern in die Hände fiele, würde sie sich damit abfinden, solange nur Louis unbeschadet nach Schottland zum Clan Campbell gelangte.

Ihre Gedanken wanderten zu ihrem Bruder. Glücklicherweise hatte Louis gerade seine Lehrzeit auf dem Herrenhof Lemieux absolviert, als Onkel Quennel die Vormundschaft übernahm. Wäre es nicht Brauch gewesen, daß ein Edelknabe schon in jungen Jahren in das Haus eines Edelmannes oder an einen Königshof zur Ausbildung geschickt wurde, sein Vaterhaus verließ, wäre Louis jetzt tot. Er war außer sich gewesen, als sie ihn von seinem Herrn wegholte, doch wenn sie ihn nicht auf ihre Flucht mitgenommen hätte ... sie erschauderte. Hätte sein verletzter Stolz ihn nicht daran gehindert, hätte Louis eingesehen, daß sie richtig gehandelt hatte.

Die Erinnerung an ihre gefahrvolle Flucht ließ sie unwillkürlich frösteln. Sie waren oft sogar nachts gereist, hatten auch Zuflucht in Scheunen oder verlassenen Ställen gesucht, und so hatten sie achtzehn lange Monate gebraucht, um dieses Kloster nördlich von London zu erreichen. Doch ihre Reise war noch lange nicht zu Ende – erst mit der Ankunft in Schottland beim Clan ihres Vaters wären sie in Sicherheit. Mutter Ambrose hatte von einem Trupp Reiterkrieger und Mönchen gehört, die nach Norden unterwegs waren. Sich diesem Zug anzuschließen wäre der erste Schritt der letzten Etappe ihrer langen Flucht.

Die Tür wurde aufgestoßen, und Louis erschien. »Ich will nach Hause«, erklärte er seiner Schwester im Kommandoton und baute sich mit in die Seiten gestemmten Händen vor ihr auf.

Gabrielle, kurz hochgeschreckt, wandte sich wieder ihren Schreiben zu, versiegelte sie sorgfältig und antwortete in ungeduldigem Ton: »Wie oft mußt du es noch hören, bis du es endlich begreifst, Louis? Als Erbe der Aumont-Besitzungen mußt du sterben, damit Onkel Quennel erben kann, während er sich meiner mittels einer von ihm arrangierten Heirat entledigen will. Wenn er uns findet, ist dir ein schnelles Ende beschieden und mir ein langsames.«

»Ich bin ein ausgewachsener Mann und Krieger – ich kann verteidigen, was mein ist.«

Mit seinen fünfzehn Sommern war er zwar äußerlich ein Mann, auch hatte er gerade mit seiner Ausbildung zum Ritter begonnen, doch an den für eine Auseinandersetzung mit seinem Onkel nötigen Fähigkeiten mangelte es ihm noch.

»Onkel Quennel ist eine Ausgeburt der Hölle. Du kannst mir glauben, daß du ihm noch nicht gewachsen bist. Ich habe – bei meiner unsterblichen Seele – Mutter auf dem Sterbebett geschworen, dafür zu sorgen, daß du das Mannesalter gesund erreichst und dann dein Erbe antrittst, und – beim heiligen Georg – das werde ich auch tun. Wenn die Zeit reif ist, wirst du heimkehren und fordern, was dir zusteht, aber es jetzt zu tun wäre dein Ende.«

»Du glaubst immer zu wissen, was das Beste ist.«

Sein abfälliger Ton schmerzte sie, doch sie ließ es sich nicht anmerken. »Das kommt daher, daß ich denke, bevor ich handle – eine Vorgehensweise, die ich dir dringend zu übernehmen rate, wenn du den Aufgaben gerecht werden willst, die dich erwarten«, nahm sie Zuflucht zu einer sarkastischen Erwiderung.

»Ich werde jetzt nach Hause zurückkehren und Onkel Quennel in seine Schranken weisen«, erklärte Louis entschlossen. Mit seiner stolzen Haltung erinnerte er sie an ihren Vater. Gabrielle schüttelte den Kopf, womit sie gleichzeitig seinen Plan ablehnte und das schmerzliche Bild verscheuchte. »Du bist noch nicht soweit, Bruder. Onkel Quennel kann man nur mit dem Verstand besiegen, nicht mit Muskelkraft. Hast du vergessen, daß er die Garde befehligt?«

»Die Männer werden mir gehorchen«, verkündete Louis unbeirrt.

Gabrielle stand auf. »Wenn sie dich erkennen, wäre es bereits zu spät, Louis. Gütiger Himmel – ich habe dich nach deinen Jahren der Abwesenheit ja selbst kaum wiedererkannt, und alles in allem ist es inzwischen acht Jahre her, daß du von zu Hause fortgingst. Du hast keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem Jungen von damals. Wie sollte die Wachmannschaft dich da erkennen?«

Er starrte hoch aufgerichtet und mit an den Seiten geballten Fäusten auf sie hinunter. »Du sagst es selbst, Schwester – ich bin kein kleiner Junge mehr. Und darum werde ich tun, was ich gesagt habe.«

»Sobald du auch nur einen Fuß vor die Mauern dieses Klosters setzt, gefährdest du nicht nur dein Leben, sondern auch meines. Bist du bereit, diese Verantwortung auf dich zu nehmen?« Ihr Bruder konnte unendlich starrköpfig sein, doch sie war nicht bereit, klein beizugeben, und so hielt sie seinem Blick unerschrocken stand.

Louis machte auf dem Absatz kehrt und verschwand türenknallend. Sie ließ sich auf ihren Stuhl zurücksinken. Wehmütig erinnerte sie sich daran, wie nahe sie einander einst gestanden hatten, und sie sehnte den Tag herbei, an dem er klug genug sein würde, um ihre Handlungsweise zu verstehen. Vorläufig jedoch war er nichts als ein großes Kind, und Kindererziehung war eine mühevolle Aufgabe. Diese Betrachtung erinnerte sie an ihre Mutter, und sie lächelte traurig. Alles im Leben hatte seine Schattenseiten – auch die Liebe.

Ein Klopfen riß sie aus ihren Gedanken. Sie stand auf, öffnete die Tür und sah sich Mutter Ambrose gegenüber, der besten Freundin ihrer Mutter.

»Louis kam mir eben polternd entgegengestürmt«, sagte die Äbtissin, als sie eintrat. »Ich habe ihn, um ihm Gelegenheit zu geben, sein Temperament sinnvoll einzusetzen, zum Ausmisten des Pferdestalles geschickt.« Der Abstieg vom Pagen zum Stallknecht bedeutete einen schweren Anschlag auf Louis' Stolz. »Hat er es Euch gegenüber an Ehrerbietung fehlen lassen?« Gabrielle war bestürzt.

»Nein. Noch seid Ihr die einzige, die sein aufbrausendes Naturell zu spüren bekommt. Ich kann mir vorstellen, daß Ihr Euch in solchen Momenten wünscht, Ihr wäret ein Einzelkind.«

Gabrielle lachte leise.

»Ihr solltet öfter lachen, meine Liebe. Nun ja, vielleicht werdet Ihr das, wenn Ihr in Schottland seid.«

»Habt Ihr Neuigkeiten?« Gabrielle umfaßte aufgeregt die Hände der Äbtissin.

»Eure Eskorte wird innerhalb einer Woche hiersein.« Mutter Ambrose befreite sich sanft aus ihrem Griff und tätschelte lächelnd ihre Hand.

Gabrielle schaute in ihre freundlichen, braunen Augen hinauf. »Es ist ein Segen, daß der Orden Euch nach England geschickt hat. Meine Dankbarkeit läßt sich nicht in Worte fassen.« In der Tat, ihre Mutter hatte nicht umsonst mit solcher Hochachtung von dieser Frau gesprochen. »Ihr habt Euch großer Gefahr ausgesetzt, indem Ihr uns halft.«

»Es ist mein Beruf, Menschen zu helfen, meine Liebe.«

»Ein gefährlicher Beruf.«

»Gott zu dienen ist niemals einfach gewesen. Aber was meine Hilfe für Euch betrifft, so ist weniger Edelmut der Beweggrund als vielmehr die Begleichung einer alten Schuld.«

»Welcher alten Schuld?«

»Eure Mutter, Gott gebe ihrer Seele Frieden, hat mich vor vielen Jahren gerettet.«

»Gerettet?« Gabrielle konnte sich ihre zarte, stille Mutter nicht als Heldin vorstellen.

Die Äbtissin schob ihre Hände in die Ärmel. »Ja. Eure Mutter heiratete meinen Zukünftigen, den großen Krieger Hamish Campbell, damit ich ins Kloster eintreten konnte.«

»Aber sie liebte Vater«, erwiderte Gabrielle verwirrt.

»Oui, das tat Blanchefleur – sogar sehr«, bestätigte die Klosterfrau.

»Und was war mit Vater?«

»Er vertraute mir Jahre später an, daß es ihm zwar eine Ehre gewesen wäre, den Heiratsvertrag zu erfüllen, er jedoch von Anfang an Eure Mutter geliebt habe. Seitdem hatte ich kein schlechtes Gewissen mehr. Der Mut Eurer Mutter hatte mir, die ich als Ehefrau todunglücklich geworden wäre, ebenso zum Glück verholfen wie Eurem Vater, der sie liebte.«

»Was hat sie denn getan?« Gabrielle war sich nicht ganz sicher, ob die unverhoffte Enthüllung der Wahrheit über ihre Eltern sie erschreckte oder faszinierte. »Sie ging zu Eurem Vater und ... gab ihre Tugend hin. Danach befahl es ihm die Ehre, sie zu heiraten, und alles wandte sich zum besten.«

»Mutter ... verführte Vater?« fragte Gabrielle entgeistert.

»So ist es. Eure Mutter war nicht nur eine schöne, sondern auch eine bemerkenswerte Frau.«

»Das weiß ich – aber ...« Gabrielle war noch immer nicht in der Lage, sich ihre ruhige Mutter als schamlose Verführerin vorzustellen.

»Macht nicht den Fehler, zu glauben, daß äußerlich ruhige Menschen nicht leidenschaftlich wären. Das Sprichwort ›Stille Wasser sind tief‹ kommt nicht von ungefähr. Und Ihr seid ganz die Tochter Eurer Mutter.« Gabrielle hoffte inständig, daß die Äbtissin sich irrte – die Vorstellung, sich so von seinen Gefühlen übermannen zu lassen, ängstigte sie.

Offenbar spiegelte ihre Furcht sich auf ihrem Gesicht wider, denn die Klosterfrau schloß sie beruhigend in die Arme. »Wenn die Zeit reif ist, werdet Ihr froh um diese Leidenschaftlichkeit sein. Fürchtet Euch nicht vor dem Leben, Gabrielle – heißt es willkommen.«

Der Morgen dämmerte herauf, als die aufgeregte Stimme der Äbtissin Gabrielle aus ihren Träumen riß und sie wach gerüttelt wurde. »Wir können Louis nicht finden, meine Liebe! Als er nicht zur Arbeit erschien, ging Schwester Magdalena zu seinem Zimmer und klopfte, weil sie annahm, er habe verschlafen. Als sich nichts rührte, schaute sie hinein und stellte fest, daß er nicht da, sein Bett unberührt war. Die Schwestern haben das ganze Areal abgesucht, aber ohne Erfolg.«

»O mein Gott!« rief Gabrielle in Erinnerung an seine letzten Worte am Abend zuvor und schlug die Decke zurück. »Er ist gegangen!« Sie kleidete sich in dem Bewußtsein, ihn schnellstens finden zu müssen, in Windeseile an.

»Ich bitte Euch!« beschwor die Äbtissin sie, als sie neben ihr die Korridore entlangeilte. »Verlaßt die sicheren Klostermauern nicht!«

»Ihr könnt mir glauben, daß ich es nicht möchte«, gab Gabrielle zurück, »aber es bleibt mir nichts anderes übrig.« Sie schloß Mutter Ambrose in die Arme, drückte sie kurz an sich und eilte davon.

»Wartet!« rief die Äbtissin ihr nach. »Laßt uns ein Ablenkungsmanöver arrangieren.«

Gabrielle kam zurück und hörte sich ihren Plan an. Alle Schwestern würden das Kloster gleichzeitig zu Fuß oder zu Pferde in verschiedenen Richtungen verlassen. Falls Spione auf der Lauer lägen, würde es ihnen schwerfallen, alle Klosterfrauen zu verfolgen.

»Es kann eine Weile dauern, bis Ihr Louis findet«, meinte die Äbtissin am Ende. »Packt Kleidung ein – ich werde Euch unterdessen Proviant zusammenstellen lassen.«

Die weltliche Umsicht der geistlichen Frau beeindruckte Gabrielle. Wäre die Äbtissin als Mann zur Welt gekommen, hätte sie einen ausgezeichneten Heerführer abgegeben.

Furcht, Zorn, Enttäuschung und Sorge erfüllten sie, als sie sich in Ordenstracht durch das Nebentor des Klosters stahl. Ihre Angst beschwor die blutrünstigsten Bilder herauf, während sie mit ausgreifenden Schritten das Gelände durchmaß. Ein stetig enger werdendes Band schien ihre Brust einzuschnüren. Ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren, denn sie wußte, daß die Greuel, die sie sich ausmalte, Wirklichkeit werden würden, wenn sie ihren Bruder nicht vor ihrem Onkel Quennel fände. Schweißperlen sammelten sich auf ihrer Oberlippe und rannen zwischen ihren Brüsten herab, während sie sich an ihre Flucht aus der Normandie erinnerte und die Angst und die Ungewißheit ein zweites Mal durchlebte. Sie atmete auf, als sie in den dichten Wald eintauchen konnte, hinter dem die verlassene Hütte stand, wo ein Pferd, bepackt mit einem ledernen Sack, sie erwartete.

Mutter Ambrose sei Dank! Gabrielle bekreuzigte sich und rammte dem Tier die Fersen in die Flanken. Jede Minute zählte. Sie konnte es sich nicht leisten, auch nur eine davon zu verschwenden.

Zweites Kapitel

Immer wieder störte lautes Magenknurren Louis' Überlegungen. Er hatte sich bei seinem Aufbruch letzte Nacht nichts zu essen eingepackt, und da er auch kein Geld bei sich hatte, befand er sich in einer reichlich desolaten Situation. Während er gegen die tiefstehende Sonne anblinzelte, versuchte er, nicht an die Abendmahlzeit zu denken, die jetzt im Kloster auf den Tisch käme. Nur gut, daß seine Schwester Gabby nicht um seine Gedankenlosigkeit wußte – es wäre Wasser auf ihre Mühlen gewesen.

Dabei war er ihretwegen zu seinem normannischen Onkel unterwegs. Gabrielle würde niemals Frieden finden, solange Quennel d'Aumont eine Gefahr für ihrer beider Leben bedeutete. Er konnte nicht umhin, sie für den Mut zu bewundern, mit dem sie sich zu seiner Beschützerin aufgeschwungen hatte, aber schließlich war er der Mann und sie nur eine schwache Frau. Wobei er zugeben mußte, daß er Gabrielle tatsächlich sein Leben verdankte.

Er erinnerte sich noch genau daran. Ihm war, als hätte der Vorfall sich gestern ereignet und nicht zu Beginn ihrer Flucht.

»Gabby, paß auf!« hatte er ihr zugerufen, als die beiden Soldritter angriffen.

Einer von ihnen hatte seine Schwester gepackt und gegen den Stamm eines Baumes geschleudert. Einer Stoffpuppe gleich war sie in sich zusammengesunken, und dann waren die beiden Männer gemeinsam auf ihn losgegangen.

Natürlich hatte er sein Schwert gezogen, unwissend, daß er mit seinen elf Sommern keine Chance gegen zwei erwachsene Krieger hatte. Als er sein Schwert schwang, hatte er seine Schwester auf die Füße kommen sehen.

»Ihr glaubt, zu zweit könnt Ihr mit mir fertig werden?« hatte er gehöhnt, um seiner Schwester Zeit zur Flucht zu verschaffen.

Die Männer aber hatten spöttisch gelacht. »Ihr werdet tot sein, ehe Ihr es Euch verseht, und dann werden wir uns ein wenig an den Reizen Eurer Schwester ergötzen, bevor wir sie zu Aumont zurückbringen.«

Er hatte keine Zeit gehabt, darauf zu reagieren, denn in diesem Moment hatte ein schriller Schrei seiner Schwester die beiden Männer herumfahren lassen. Gabrielle hatte sich, beide Hände voller Erde, an sie herangeschlichen und ihnen den Dreck ins Gesicht geworfen. Es war ihr zwar nur gelungen, einen von ihnen für einen Augenblick zu blenden, doch Louis hatte den Augenblick der Verwirrung des zweiten Mannes dazu nutzen können, dem Hilflosen sein Schwert in die Brust zu rammen. Er hatte es rechtzeitig wieder herausziehen können und war so imstande gewesen, den ersten Hieb des verbliebenen Gegners zu parieren.

Nachdem er noch ein paar weitere Attacken hatte abwehren können, hatte er seine Klinge unter der feindlichen hindurchzuschieben und den Kampf zu beenden vermocht.

Gabrielles Gesicht war zwar aschfahl gewesen, als sie auf die beiden Toten hinunterschaute, doch in ihrem Ton hatte Triumph mitgeschwungen, als sie sagte: »Siehst du jetzt ein, daß du mich zu deinem Schutz brauchst?«

Als er zur Ausbildung an den Herrenhof Lemieux geschickt worden war, waren sie beide noch Kinder gewesen. Die äußerliche Veränderung, die bei ihrem Wiedersehen an ihm festzustellen gewesen war, war, verglichen mit der ihren, kaum erwähnenswert. Seine Schwester war zu einer wunderschönen Frau erblüht, in der er die einstige Spielkameradin nur mit großer Mühe wiedergefunden hatte, trotzdem war und blieb sie das für ihn. Vielleicht lag hierin die Erklärung für die Schwierigkeiten zwischen ihnen: Er konnte unmöglich auf jemanden hören, der für ihn immer noch das Kind war, an dem er noch als Sechsjähriger sein Mütchen gekühlt hatte.

Ganz besonders ging ihm ihre Anordnung gegen den Strich, auf ihrer Reise durch England den Namen ihres Vaters – Campbell – zu benutzen. Obwohl er den Vorteil dieser Maßnahme durchaus erkannte, kam er sich unloyal vor. Der Name Aumont reichte bis zur Geburt der Normandie zurück, und wenn Campbell auch ein vornehmer Name war, so war er, Louis, doch als ein Aumont aufgewachsen.

Plötzlich hörte er Pferde näher kommen, lenkte das seine an den Wegesrand und schaute sich um. Ein kleiner Trupp berittener Bewaffneter begleitete Mönche zu Pferde. War es möglich, daß es sich dabei um die erwartete Eskorte handelte?

Die Männer im Panzerrock ritten vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Pinkel, dachte Louis empört. Wenn die wüßten, wen sie da brüskierten! Hinter den Kriegern ritten die Ordensbrüder. Auch sie zogen ohne Gruß, ohne auch nur mit ihren frommen Köpfen zu nicken, an ihm vorbei. Da wurde Louis bewußt, welchen Anblick er in seinen bäuerlichen Kleidern auf dem altersschwachen Klostergaul bot.

»Halt!« rief er gebieterisch.

Der letzte der Mönche zügelte sein Pferd, drehte sich um und schaute ihn verwundert an.

»Braucht Ihr Hilfe, mein Sohn?« Der große Mann, dessen Gestalt eher in eine Ritterrüstung zu passen schien als in ein Mönchsgewand, runzelte die Stirn.

»So ist es in der Tat«, nickte Louis. »Ich möchte Euch bitten, mich Euch anschließen zu dürfen.« Er fühlte sich ganz entschieden unbehaglich unter dem prüfenden Blick, der jede durchgeistigte Milde vermissen ließ. Doch dann sah er zu seiner Erleichterung ein Lächeln um die Mundwinkel des Ordensbruders zucken. »Und darum habt Ihr ›Halt‹ gebellt?«

»Etwas anderes war mir in der Eile nicht eingefallen«, gestand Louis kleinlaut.

»Grämt Euch nicht – es hat gewirkt.«

Louis räusperte sich und streckte die Hand aus. »Ich bitte um Vergebung, Pater. Mein Name ist Louis.«

Der Mönch schüttelte ihm die Hand. »Nur Louis? Ohne Nachname?«

»Der tut nichts zur Sache.«

Der Mann war zwar sichtlich befremdet, hakte jedoch nicht nach. »Ich bin Pater Guy.«

»Ohne Nachname?« fragte Louis.

»Wie Ihr sagtet – der tut nichts zur Sache.«

Louis lächelte. »Ich wußte nicht, daß man Euch Humor gestattet.«

»Humor verstößt nicht gegen die Gebote«, gab Pater Guy zurück. »Wie seid Ihr denn zu der Ansicht gelangt, daß alle Ordensbrüder sauertöpfisch seien? Lachen ist gut für die Seele.«

»Ich kenne einige Schwestern, die diese Theorie von sich weisen würden.«

»Wie viele Schwestern habt Ihr denn?«

»Nur eine. Ich sprach von den Schwestern im Kloster, und von denen habe ich nie einen Scherz gehört.«

»Was hat Euch denn in ein Nonnenkloster verschlagen?«

»Meine Schwester ist dort«, antwortete Louis vage.

»Kommt, reitet mit mir, mein Sohn«, bot Pater Guy ihm an, und Louis ließ sich das nicht zweimal sagen.

»Sie ist eine Nonne?« setzte Guy das Gespräch fort, als sie ihre Pferde antrieben, um den Anschluß an die Gruppe nicht zu verlieren. »Nun – von denen haben tatsächlich nicht viele Humor. Allerdings gilt das für Frauen im allgemeinen, findet Ihr nicht auch?«

»Ja, das kann ich bestätigen«, nickte Louis, der es als Wohltat empfand, nach der langen Zeit im Nonnenkloster endlich einen männlichen Gesprächspartner zu haben. »Und was meine Schwester angeht, so ist die dazu noch herrschsüchtig.«

»Wie ist denn ihr Name?«

»Gabrielle.«

»Und sie hat eine laute und schrille Stimme?«

»O nein – ihre Stimme ist leise und angenehm, aber das tut ihrem Nachdruck keinen Abbruch.«

»In welchem Kloster ist sie denn?« fragte Pater Guy. »Vielleicht machen wir dort ja halt. Dann könnte ich sie kennenlernen.«

»Falls Euch Euer Weg dort vorbeiführt, muß ich allein weiterreiten«, erklärte Louis entschieden.

»Weshalb um alles in der Welt?«

»Weil ich einen Streit mit ihr hatte«, gestand Louis verlegen.

»Ich verstehe«, er lächelte. »Aber bis wir dort sind, könnt Ihr doch getrost mit uns reiten, oder?«

»Sogar mit Freuden«, erwiderte Louis.

Bei Einbruch der Nacht bemerkte Gabrielle in der Ferne den Schein mehrerer Lagerfeuer. Sie stieg ab und näherte sich ihnen vorsichtig. Als sie schließlich nahe genug war, um im Licht der Flammen an der Kleidung erkennen zu können, daß sie Wandermönche vor sich hatte, schickte sie im stillen ein inbrünstiges Dankgebet gen Himmel und zog ihr Pferd auf das Lager zu.

Es waren einige Soldaten auf Wachgang, was sie allerdings nicht verwunderte, denn Überfälle auf Reisende waren an der Tagesordnung. Trotzdem erschrak sie bis ins Mark, als sich ihr plötzlich einer der Posten mit gezogenem Schwert in den Weg stellte. Sie wollte ihr gerade ihr Begehr erklären, als ein kleiner geschorener Mönch auf sie zutrat. »Was können wir für Euch tun, meine Tochter?« fragte er lächelnd.

»Ich war den ganzen Tag unterwegs«, sagte sie, »und wäre sehr dankbar, wenn ich mich bei Euch ein wenig ausruhen dürfte und einen Bissen zu essen bekäme.«

Der kleine Mann deutete auf den anderen an seinem Feuer. »Bitte gesellt Euch zu uns. Pater Guy und ich werden unser frugales Mahl gerne mit Euch teilen.« Der Wachposten steckte sein Schwert in die Scheide und entfernte sich. Gabrielle sank vor dem kleinen Mönch auf die Knie und küßte ihm die Hand. »Eure Großzügigkeit und Freundlichkeit gegenüber einer Fremden in diesen schweren Zeiten sind eine Zierde für Euren Orden.«

Er half ihr hoch und griff nach den Zügeln ihres Pferdes. »In schweren Zeiten ist Wohltätigkeit am meisten vonnöten und am seltensten zu finden, meine Tochter.« Tränen schossen ihr in die Augen. Sie blinzelte sie hastig weg und nahm dem kleinen Mönch die Zügel aus der Hand. »Ich danke Euch, Pater«, sagte sie und führte ihr Pferd zu dem zwischen den Bäumen gespannten Seil, an dem die Tiere angebunden waren. Nachdem sie ihr Pferd versorgt hatte, ging sie auf das Feuer zu, an das der kleine Mönch sie eingeladen hatte. Dabei musterte sie den anderen Kapuzenmann, den er »Pater Guy« genannt hatte. Selbst im Sitzen war zu erkennen, daß er sehr groß war, und die breiten Schultern unter der Kutte paßten nicht zu dem Erscheinungsbild des üblichen Ordensbruders, dessen Gestalt eher klein und schmächtig oder rundlich war. Sein Anblick weckte eine vage Erinnerung in ihr. Sie mußte ihn schon irgendwo gesehen haben.

Als sie ans Feuer trat und die Hände ausstreckte, um sie zu wärmen, schenkte Pater Guy ihr schweigend einen Becher Ale ein. Er hatte seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, und sie konnte seine Züge nicht erkennen. »Es zeugt von Eurem guten Herzen, daß Ihr die Bedürfnisse Eures Pferdes Euren eigenen vorangestellt habt«, sagte er mit einer tiefen Stimme, die zu weltlich-männlich für einen Ordensbruder klang. Dann wandte er sich ihr mit dem ihr zugedachten Becher zu, und Gabrielle schnappte unwillkürlich nach Luft, als sie sein Gesicht sah. Es war so vollkommen, so faszinierend, daß es ihr buchstäblich den Atem raubte. Mit ob ihrer Reaktion vor Scham glühenden Wangen nahm sie das Getränk entgegen, senkte den Blick und setzte sich.

»Das ist eine Selbstverständlichkeit für jede gute Reiterin«, erwiderte sie leise und pustete vorsichtig in ihren dampfenden Becher. »Mein Name ist Schwester Gabrielle, und ich bin auf der Suche nach meinem Bruder, einem Jungen von fünfzehn Sommern. Seid Ihr ihm vielleicht begegnet?«

»Das wäre möglich.« Er schob die Kapuze zurück, und die Flammen tanzten über seine Züge und zauberten Lichter in seine ebenholzschwarzen Haare. »Ich habe heute einen jungen Mann kennengelernt, der müde und hungrig war. Er schloß sich uns an und vergalt uns seinen Anteil an unserem Proviant mit unterhaltsamer Konversation.«

Gabrielle schlug das Herz bis zum Hals. »Ich muß ihn finden!« Sie beugte sich vor. »Sein Leben ist in Gefahr.«

»Und er braucht Euren Schutz?« fragte der Ordensbruder mit hochgezogenen Brauen, als er ihr eine Schale mit Essen reichte.

Gabrielle stellte die hölzerne Schale neben sich – ihr Hunger war vergessen. »Er hat sonst niemanden. Ich bin für sein Wohlergehen verantwortlich.«

Er schüttelte den Kopf. »Kein Wunder, daß er nicht gut auf Euch zu sprechen ist, Schwester Gabrielle. Er ist ein Mann, aber Ihr behandelt ihn wie ein Kind.«

Sie straffte ihre Schultern. »Er ist zwar ein Mann, aber es mangelt ihm an Erfahrung.«

Makellose Zähne blitzten mit nachtblauen Augen um die Wette. »Er ist immer noch bei uns.«

»Gott sei Dank!« hauchte sie. »Ich hatte schon befürchtet, er sei in eine Falle gegangen.«

»Wenn er in solcher Gefahr schwebt, gilt das dann nicht auch für Euch?« Dieser Mönch hatte einen scharfen Verstand – und einen ebensolchen Blick. Er schien bis auf den Grund ihrer Seele sehen zu können.

»Doch – ich bin seine Schwester, und ich habe bei meiner unsterblichen Seele geschworen, ihn zu beschützen.«

Die nachtblauen Augen weiteten sich. »Das ist der Schwur eines Kriegers, nicht der einer Frau, und erst recht nicht der einer, die ihr Leben in den Dienst Gottes stellt.«

Sie hielt seinem Blick stand. »Ich habe ihn meiner sterbenden Mutter geleistet – ich darf ihn nicht brechen.«

»Ich verstehe. Euer Bruder schläft in dem Zelt dort drüben.«

Sie wollte aufstehen, doch er legte die Hand auf ihre Schulter und deutete mit der freien Hand auf die Schale. »Zuerst wird gegessen – er läuft Euch nicht weg. Zumindest nicht heute nacht.«

Sie nahm gehorsam die Holzschale auf den Schoß, schob das Essen darin jedoch nur im Kreis herum. »Er war müde?»

»Oui. Offenbar hatte er sich nicht gut auf seine Reise vorbereitet.«

»Es mangelt ihm überhaupt an Bedachtsamkeit«, sagte sie und aß nun doch einen kleinen Bissen Fleisch. Zu ihrer Überraschung schmeckte es vorzüglich, und plötzlich war sie wieder hungrig.

»Und was ist Euer Fehler, wenn ich fragen darf?«

»Ich bin zu vertrauensselig«, antwortete sie nach einigem Überlegen. »Ich habe immer wieder feststellen müssen, daß Menschen, an die ich glaubte, zu frevelhaften Taten fähig waren, doch ich scheine unbelehrbar zu sein: Trotz all meiner schlechten Erfahrungen glaube ich an das Gute in meinen Mitmenschen.«

Sein Becher hielt dicht vor seinen Lippen inne. »Das ist kein Makel, sondern eine Tugend.«

Ein spöttisches Lächeln umspielte ihre Lippen. »Sagt das meinem Bruder. Er ist überzeugt, daß meine Gutgläubigkeit uns eines Tages das Leben kosten wird.«

»Ich verstehe.« Er strich sich den dunklen Stoppelbart, und einen kurzen Augenblick lang sah sein Gesicht so gefährlich aus, daß Gabrielle erschrak. Doch es war so schnell vorüber, daß sie sich fragte, ob sie es sich nicht nur eingebildet hatte.

»Wie es scheint, vermutet Euer Bruder in jedem Fremden einen Feind und ist überrascht, wenn er sich als Freund erweist, wogegen Ihr in jedem Fremden einen Freund seht und enttäuscht seid, wenn er sich als Feind entpuppt.«

Sie lächelte. »Genauso ist es.«

»Irgendwann wird Euer Bruder lernen, daß Glaube eine Brücke über die Kluft zwischen den Überzeugungen eines Menschen und seinem Verhalten zu schlagen vermag«, sagte er und erinnerte sie damit daran, daß auf Gottes Erde nichts unmöglich war.

Seine tröstenden Worte erfüllten sie mit Hoffnung. »Wenn die Ansicht meines Bruders irgendwann einmal mit der meinen übereinstimmen sollte, dann kann man getrost von einem Wunder sprechen. An dem Tag wird weder Euer Beruf noch meiner vonnöten sein.«

Er lachte leise. »Es gibt Leute, die das als Ketzerei betrachten würden.«

»Tut Ihr es?« fragte sie alarmiert.

»Non. Ich finde es erfrischend.«

Jetzt lachte auch sie. »Ich sagte Euch ja, ich bin eine vertrauensvolle Seele.«

»Dennoch wäre es klug, Eure Vorstellungen nicht Menschen zu offenbaren, die weniger aufgeschlossen sind.«

»Keine Angst, Pater. Ich bin mir sehr wohl im klaren darüber, wie gefährlich das wäre. Ganz so dumm, wie mein Bruder glaubt, bin ich nun doch nicht.«

»Apropos.« Er stand auf. »Wollt Ihr jetzt zu ihm gehen?« Sie machten sich, an den allenthalben auf dem Boden schlafenden Mönchen und ihren Beschützern vorbei, auf den Weg zu dem Zelt, in dem Louis schlief. Er legte den Finger an die Lippen, ehe er die Plane nach oben schlug. Louis schlief zwar, doch er warf unruhig den Kopf hin und her und murmelte Worte, die bei aller Undeutlichkeit doch eindeutig als französische zu erkennen waren. Gabrielle erschrak zutiefst.

»Euer Bruder erweckte mir gegenüber den Eindruck, Schotte zu sein«, sagte Guy in neutralem Ton.

»Tatsächlich sind wir beides«, beeilte sich Gabrielle zu erklären. »Schotten und Normannen. Mit einem schottischen Vater und einer normannischen Mutter.«

Sie kniete sich neben ihren Bruder auf die Erde und schüttelte ihn. »Wach auf, Louis!« drängte sie ihn in der Furcht, er könnte im Schlaf irgendwelche Geheimnisse verraten.

Langsam hoben sich seine Lider. Der flehende Ausdruck in seinen Augen zerriß ihr das Herz.

»Louis!« wiederholte sie. Seine Augen waren glasig. Hatte man ihn betäubt? Panik erfaßte sie. Sie saßen in der Falle!

Mit geballten Fäusten drehte sie sich zu dem Mann um, dem sie vertraut hatte, weil sie ihn für einen Mann der Kirche hielt. Mit vor Zorn und Furcht bebender Stimme sagte sie: »Werdet Ihr mir freundlicherweise mitteilen, warum mein Bruder betäubt wurde?«

Als er sie nur mit unschuldig-verständnisloser Miene ansah, sprang sie auf und begann mit den Fäusten auf ihn einzuschlagen. »Judas!« schrie sie.

Er packte sie bei den Schultern. »Hört auf!« befahl er. Doch selbst wenn sie hätte gehorchen wollen – sie konnte es nicht. Ihre Enttäuschung war zu groß.

Er zog sie an sich und erstickte ihren Angriff, indem er sie fest an sich drückte, bis sie sich beruhigte. Sie spürte seine gleichmäßigen Atemzüge, und dann berührten seine Lippen ihr Ohr, als er mit ruhiger Stimme sagte: »Ich weiß, daß Ihr Angst habt, Schwester Gabrielle, aber ich kann Euch versichern, daß Euer Bruder nicht betäubt wurde. Er hat sich ein wenig zu viel Ale zugemutet. Ich hatte vor, ihn in das Kloster zurückzubringen, aus dem er offensichtlich weggelaufen ist.«

Sie legte den Kopf in den Nacken, um ihm ins Gesicht sehen zu können. »Wirklich?« flüsterte sie. O wie gerne sie ihm glauben wollte!

Er antwortete nicht, schaute sie nur mit seinen nachtblauen Augen, die im Mondlicht glitzerten, durchdringend an. Gabrielle stockte der Atem, als ihr jäh bewußt wurde, wo sie diesen Mann schon gesehen hatte. In vielen ihrer Visionen hatten genau diese Augen sie angesehen, da war sie ganz sicher. Unfähig, sich davon zu lösen, erwiderte sie seinen Blick.

Schließlich nickte er, und Erleichterung durchströmte sie. Wenn er ein Krieger wäre, hätte er sie mit einem Schlag zu Boden strecken können. Daß er es nicht tat, überzeugte sie, daß er kein Heuchler war.

»Aber wenn ich kein Mann der Kirche wäre, sondern jemand anders ...« Er ließ den Satz in der Luft hängen. Ein kalter Schauer rann über ihren Rücken, und ihr Magen krampfte sich zusammen. Es war unglaublich, wie er ihre Gedanken lesen konnte.

Plötzlich wurde sie sich seines Körpers bewußt, an den er sie noch immer drückte, der harten Muskeln, des breiten Brustkorbs, der kräftigen Schenkel, seines männlichen Geruchs, der ihr bei jedem Atemzug in die Nase stieg, der Locke, die ihm in verwegener Art in die Stirn fiel. In diesem Moment hatte er nichts Frommes an sich, wirkte vielmehr wie ein Mann, der die Freuden der Sünde gekostet und genossen hatte. Warnglocken begannen in ihrem Kopf zu läuten, brachten ihre auf Abwege geratenden Empfindungen zur Räson. Sie schlug die Augen nieder.

»Habt Ihr Euch gefaßt?« fragte er.

Sie konnte ihn nicht ansehen. Die Besorgnis in seiner Stimme zeigte ihr, daß nur sie die Anziehungskraft verspürt hatte. Sie machte sich los.

»Verzeiht mir«, sagte sie knapp, um ihre Verlegenheit zu verbergen, ließ ihn am Zelteingang stehen und ging wieder hinüber zu ihrem Bruder.

Louis war inzwischen zu sich gekommen.

»Du hast das Kloster verlassen, Gabby?« fragte er.

»Es scheint so«, erwiderte sie trocken und fuhr mit ihren Fingern durch seine wirren Haare.

»Aber was tust du hier – du solltest doch nach Schottland gehen«, stöhnte er. »Wir brechen sofort auf.« Er griff nach ihrer Hand – und daran vorbei.

»Nein. Wir werden mit Pater Guy und den anderen Mönchen weiterreisen.«

»Ich sage dir, ich werde Onkel Quennel zum Zweikampf herausfordern und dieses Problem ein für allemal lösen«, insistierte Louis.

»Wie? Mit deinem Blut?«

»Nein. Hiermit. Er holte weit mit dem Arm aus, um ihr einen Schwerthieb zu demonstrieren.

»Wir werden zu Onkel Alec in Schottland gehen. Er wird uns helfen. Und er ist ein hervorragender Krieger – du könntest viel von ihm lernen. Wenn Onkel Alec meint, daß du allein reiten und dich einer Streitmacht entgegenstellen sollst, die einer Armee gleichkommt, dann gebe ich dir meinen Segen«, sagte sie spöttisch.

Louis wandte sich Zustimmung heischend an den Mann am Zelteingang. »Frauen«, seufzte er altklug. »Sie werden irgendwann mein Tod sein. Ich habe festgestellt, daß ihre Existenz jeglicher Logik entbehrt. Man kann nicht mit ihnen leben, aber ohne sie soll das Leben angeblich nicht lebenswert sein.«

Nachtblaue Augen musterten Gabrielle von ihrem verschleierten Scheitel bis zu den Stiefelspitzen mit einem Blick, den sie bei einem anderen Mann als Bewunderung gedeutet hätte. »Was die irdischen Freuden angeht, kann ich nicht mitreden.«

Obwohl er es im Brustton der Überzeugung sagte, klang es nicht ehrlich. Aber wenn es doch so war – was für eine Verschwendung! Nie zuvor hatte sie einen männlicheren Mann kennengelernt.

Sie war eindeutig zu lange im Kloster gewesen.

Drittes Kapitel

Der orangefarbene Schimmer am Horizont, mit dem der Tag heraufdämmerte, kündigte schönes Wetter an. Während die Vögel ihr Morgenkonzert anstimmten und die Männer ihre schlafenden Muskeln wachstreckten, war Guy in Gedanken bei Gabrielle. Sie brauchte einen Beschützer, und er ertappte sich dabei, daß er sich wünschte, selbst diese Aufgabe übernehmen zu können. Die Geschichte aus der Bibel vom Löwen und dem Lamm, die friedlich beieinander lagen, fiel ihm ein, doch er verscheuchte dieses Bild eilends und erhob sich, um nach der jungen Frau zu schauen, die sich noch nicht hatte sehen lassen. Er ging zum Zelt hinüber und wollte eben um Einlaß bitten, als er sie leise murmeln hörte. Er klappte die Plane hoch, und dann stockte ihm der Atem.

Gabrielle kniete engelsgleich mit gesenktem Kopf und auf der Brust gefalteten Händen auf der Erde und betete. »... und bitte, Herr, behüte die, die ich liebe. Mein Bruder ist noch so jung, und wenn ich mich auch nach Kräften bemühe, ihn zu beschützen, kann ich es allein nicht schaffen. Halte Deine Hand über ihn, damit ihm kein Leid geschieht. Amen.«

Sie hob den Kopf, und Erschrecken malte sich auf ihrem Gesicht. »Verzeiht mir, Pater – ich hatte Euch nicht bemerkt.« Er streckte ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. »Ich habe nur um ein wenig göttlichen Beistand gebeten«, sagte sie leise.

Er bedeutete ihr, herauszukommen, und als sie an ihm vorbei ins Freie trat, stieg ihm ein zarter Blumenduft in die Nase. Er geleitete sie zu ihrem Pferd, während ein paar Soldaten das Zelt abbauten.

»Gott wird uns beschützen«, sagte sie zuversichtlich. »Schließlich hat er uns zu Euch geführt.«

Guy rang sich ein Lächeln ab. Er wünschte, Gott würde tatsächlich ihr Schicksal in die Hand nehmen – dann wäre er die Verantwortung los, die er sich hatte aufbürden lassen. Als er sich umdrehte, bemerkte er Louis, der zu ihnen herüberschaute. Er hatte, als es noch dunkel war und alle schliefen, bei einem Becher heißen Gerstensaftes ein freundschaftliches Gespräch mit ihm geführt. Der Junge mochte einiges an seiner Schwester zu bemängeln haben, aber sie bedeutete ihm sehr viel. Guy war nicht das einzige männliche Wesen, das der Ansicht war, daß sie des Schutzes bedurfte.

Als die Sonne ihren Aufstieg zum Zenit des wolkenlosen Himmels begann, führte Guy de Bellemare seine kleine Schar gen Norden. Die Luft war herrlich frisch und duftete nach Herbst.

»Ferragus – weise die Männer an, auf der Hut zu sein«, befahl er seinem Stellvertreter. »Je näher wir unserem Ziel kommen, um so größer wird die Gefahr eines Angriffs.«

Der Mann nickte und wendete sein Pferd, um die Anordnung weiterzugeben. Guy drehte sich um. Er sagte sich, daß er nur sichergehen wolle, daß Ferragus seinen Auftrag pflichtgemäß ausführte, doch in Wahrheit suchte sein Blick Gabrielle. Sie ritt in der Mitte des Zuges neben ihrem Bruder. Guy hatte noch immer ihren zarten Blumenduft in der Nase, und die Phantasien, die er in ihm weckte, machten es ihm schwer, sich auf seine Pflichten zu konzentrieren.

Ferragus kam zurück und zügelte neben ihm sein Pferd. »Sie ist ja wirklich ein hübsches, kleines Ding, aber wenn Ihr sie weiter so lüstern anstarrt, wird sie merken, daß Ihr kein Mann der Kirche seid.«

»Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten«, gab Guy unwirsch zurück.

»Ganz wie Ihr wünscht«, erwiderte Ferragus nicht im mindesten eingeschüchtert. »Werden wir von Eurem Bruder erwartet?«

»Nein – ich will ihn nicht in diese Sache verstricken.«

»Warum reiten wir dann in Richtung Northumberland anstatt zurück nach London?« fragte der Soldat des Königs.

Guy deutete nach vorne. »Die Straße gabelt sich später. Geradeaus geht es nach Schottland, wohin demoiselle Gabrielle und ihr Bruder wollen. Wir werden aber die Abzweigung nach Westen nehmen. Die Straße führt in einem sanften Bogen südwärts nach London.«

»Aber das wird den beiden doch auffallen.«

»Dann sagen wir ihnen, daß die Straße nur eine Biegung beschreibe und danach wieder nordwärts führe.«

»Warum die Lüge?« wollte Ferragus wissen.