In diesem Erdental der Tränen - Stanislaw Przybyszewski - E-Book
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In diesem Erdental der Tränen E-Book

Stanislaw Przybyszewski

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Beschreibung

In seinem Werk 'In diesem Erdental der Tränen' entführt uns Stanislaw Przybyszewski in eine Welt voller Melancholie und Hoffnung. Das Buch erzählt die Geschichte einer Gruppe von Menschen, die in einer düsteren, von Krieg und Leid gezeichneten Welt um ihr Überleben kämpfen. Przybyszewskis literarischer Stil ist geprägt von einer intensiven Sprache, die die emotionalen Wirren und inneren Kämpfe der Figuren eindringlich wiedergibt. Das Werk stellt eine wichtige Weiterentwicklung des europäischen Symbolismus dar und zeugt von der tiefen psychologischen Einsicht des Autors. Mit einer starken Symbolik und einer tiefgründigen Reflexion über das menschliche Dasein führt uns Przybyszewski durch eine Landschaft geprägt von Verlust und Liebe, Trauer und Sehnsucht.

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Stanislaw Przybyszewski

In diesem Erdental der Tränen

Am Meer + In Hac Lacrymarum Valle + Himmelfahrt
            Books

Inhaltsverzeichnis

In diesem Erdental der Tränen:
Am Meer
In Hac Lacrymarum Valle
Himmelfahrt

In diesem Erdental der Tränen

Inhaltsverzeichnis

Et la tristesses de tout cela, ô mon âme, et la tristesse de tout cela …Maeterlinck, Serres chaudes

Conrad Ansorge in Liebe und Ehrfurcht

Am Meer

Inhaltsverzeichnis

Nacht überm Meer!

Die Tiefe düstert aus dem schwarzen Gewoge; zwei Sterne mühen sich mit fahlem Licht durch die Nacht und versprühen glitzernden Reif auf das Meer.

Um zwei Sterne wachsen rotglühende Dunstringe; sie wachsen, ballen sich zu Wolken, die Sterne erlöschen und ringeln sich tief in den Himmel wie Vulkankrater hinein.

Eine lauernde Stille fiebert in dem roten Dunst des Himmels; aber schon öffnen sich die Krater, und in sprühender Rutenschwingung schiessen Feuerströme ins Wasser hinab.

Einen Augenblick steht das Meer in hochgereckten Flammenbränden, wirft seine feuerstrotzenden Arme brünstig in den Himmel hinauf, das Dunkel flieht in leuchtenden Schwaden zerrissen; aber schon erlischt das Wunder, der Himmel verglüht, und auf dem Dunkel des Meeres verzittern zwei fahle Sterne wie glitzernder Reif.

In jener Nacht geschah es.

Der Dampfer stampfte ächzend durch den Sturm und gegen die Scheiben der Kajütenfenster klatschten die Sturzwogen.

Ich dachte an meine ferne Heimat, an ihre öden Stoppelfelder in dem Zauberglanz der herbstlichen Mondnächte, dachte an das kahle Storchnest, das ich einst als Knabe auf die höchste Spitze einer Pappel gebaut, und das nie ein Storch bezogen hat; ich dachte an die schaurigen Märchen, die mir unsre alte Magd erzählte, wenn sie an den endlosen Winterabenden Flachs spann …

Der Dampfer stampfte und ächzte. Mir gegenüber spielten ein paar Passagiere Karten, rings auf den Polsterbänken schliefen Menschen, ich horchte auf den heulenden Sturm da draussen, horchte auf das eintönige Gepolter der Maschine und – schrak plötzlich zusammen.

Ich sah starr auf mich hergerichtet ein kleines, mondlichtblasses Frauengesicht, mit Augen – Augen … Ich sah nicht ihre Form, auch nicht ihre Farbe; ich fühlte nur, wie sie mit weichen, flehenden Händen sich um mein Herz legten, wie sie es lockten und in ein fiebriges Klopfen küssten.

Einen Augenblick sah ich es um ihre Lippen zucken, als wollte sie mir Etwas sagen, als müsste ich ihr etwas sagen, aber nur einen Augenblick lang. Ihr Gesicht wurde wieder stumm und kalt.

Nur ihre Augen glühten sich noch tiefer in mein Herz hinein. Es riss mich aufzustehen und dem Blick zu folgen. Und ich wusste, würde ich aufstehn, würde er vor mir wie ein Stern dahinschweben und mich über alle Meere, alle Stürme führen ....

Ich weiss nicht, wie lange wir uns anstarrten. Ich weiss nicht, war ich wach? Träumte ich? Aber da brach schon das Licht in ihren Augen, sie schlössen sich, und ihr Gesicht sank wieder auf das Polster zurück.

In dem Menschengewühl auf der Landungsbrücke habe ich sie verloren.

Und ich suchte sie – o! wie ich sie suchte! Nie früher hatte ich sie gesehen; aber von Urbeginn an waren wir immer zusammengewesen, das wusste ich nun.

Und vom Morgen bis in die späte Nacht hinein suchte ich rastlos auf allen Strassen der grossen Stadt, Tage lang. In jedem Weib glaubte ich sie zu sehen, von jeder Ferne schien sie mich zu grüssen, durch jedes Fenster sah ich sie nach mir ausspähn.

Und ich sah diese Augen, wie sie weit und licht wurden, ich sah sie rotglühen wie glimmende Kohlen, sah sie strahlen wie das weisse Licht elektrischer Lampen und oft am nächtlichen Strande sah ich regenbogene Farbenringe um sie kreisen, wie man sie um Weihnachtskerzen durch bereifte Scheiben sieht.

Und je länger ich suchte, wuchs die Strahlenglorie um die verglühenden Blicke des Doppelgestirns.

Ueber den ganzen Himmel hin sah ich zwei ungeheure Flammenscheiben erblühen und an den Säumen der Erde in rotem Dunst verzittern, bis endlich die zwei Augen wie zwei Blutsonnen ins Meer tauchten, unerreichbar …

Ich ging in schweren Träumen. Vielleicht würde ich gesunden, wenn ich diese Augen töten könnte!

Ich ging und dachte an ein anderes Augenpaar. Zwei Menschenaugen auf einer goldenen Schüssel starrten mich an; das war Johannes der Täufer. Oh, mit welcher Lust stach sie hinein, die Königstochter mit einer goldenen, spitzen Nadel! Jäh schossen zwei dünne Fäden Blut hervor, die Augen weiteten sich im Schmerzenskrampf, schrieen auf und brachen. Da erst genas die Königstochter von ihrer Liebe …

So träumte ich und ging und suchte.

Da hörte ich am nächtlichen Strande eine lange, lauernde Stimme, voll lockender Rätsel und schmeichelnder Heimlichkeiten. Eine Stimme war es, deren Klang mir keinen Anfang hatte und ohne Ende in die Ewigkeit strömte; eine Stimme, die im Ewigkeitsringe in sich selbst zurückfloss.

Nun erst wusste ich!

Das war die Stimme, die aus den Augen blutete, nach denen ich suchte.

Das Meer war es; das hatte damals seinen Blick in meine Seele gesungen. Und diese Stimme, die jetzt mein Herz in alle Fernen lockte, die hatte auch in ihre Seele den Sternenblick hineingesungen; die Stimme des Meeres, – den Blick ins Paradies der Ewigkeit …

Denn dieses Paradies singt nur das Meer.

Das war der Anfang meiner grossen Liebe.

Nie früher hatte ich es gesehen, obgleich mein Herz oft auf der Sintflut seiner Nebel träumte; nun erst wusste ich, dass es seit Urbeginn mit mir zusammengewesen war, Blut von meinem Blute, Wesen von meinem Wesen, mein Kind, meine Schwester, mein Weib – das Meer.

Kein Sterblicher hat es geliebt, wie ich es liebe.

Oh, dies Wunder über alle Wunder, das meergewordene Wort der Schöpfung!

Ich liebe es im witternden Zwielicht des werdenden Tages, wenn es still und glatt sich in zwei Meere teilt, wie das Gesicht eines Mädchens im seligen Zwiespalt der Geschlechtsdämmerung. Ich sehe wie die stille Fläche gegen den Horizont schrumpft und schwindet, wie sie sich mit dem Himmel vermählt, mit breiten purpurnen Zungen an seinem Dunkel sich emporleckt, weit empor – ich sehe über dem himmelgewordenen Meere rote Paläste und Wundergärten aufblühn, zu allen Seiten phantastische Formen spriessen: zerfetzte, riesige Farrenkräuter, krystallklar gegliederte Palmenblätter, Orchideenkelche, die den ganzen Osten mit glühenden Schweifen peitschen – und Alles so glatt, so klar, so rot.

Ich liebe es an schwülen Mittagen, wenn die Sonne über das Wellengekräusel ihren Diamantenstaub schüttet, wenn Milliarden und Abermilliarden winziger Krystalle in tollem Geflimmer sich verknäueln und mit stechenden Lichtern über dem Mutterschooss tanzen.

Ich liebe es, wenn die Windsbraut es aufwühlt und seine Wogen über den Horizont hochbuchtet und schwer wie Steingeröll in wildem Ringkampf ans Ufer wälzt.