In einer Brautnacht - Jodocus Temme - E-Book

In einer Brautnacht E-Book

Jodocus Temme

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Beschreibung

An einem klaren Oktoberabend, kurz vor Sonnenuntergang, langte auf dem Posthof ein Reisewagen mit zwei Herren und eine Dame an und nehmen Nachtquartier. Was die Wirtstochter dann erlauscht, entwickelt sich zum ersten ›schwarzen Krimi‹ der deutschsprachigen Literatur.

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Seitenzahl: 42

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Inhalt

In einer Brautnacht

edition.epilog.de

Impressum

In einer Brautnacht

Von Jodocus Temme

edition.epilog.de

Herausgegeben von Ronald Hoppe

An einem klaren Oktoberabend, kurz vor Sonnenuntergang, langte auf dem Posthof ein mit zwei Postpferden bespannter Reisewagen an, in welchem sich zwei Herren und eine Dame befanden. Einer der Herren fragte, ob man hier Nachtquartier erhalten könne. Es wurde bejaht. Die drei Reisenden verließen den Wagen.

»Zwei Zimmer nebeneinander«, bestellte der Herr, »zu ebener Erde.«

Zu ebener Erde waren keine Fremdenzimmer da. Ein junges Mädchen, die Tochter des Posthalters, führte die Fremden die Treppe hinauf. Der Posthalter war zugleich Gastwirt. Das Mädchen wies den Fremden zwei Zimmer an, die beisammen lagen und durch eine Tür verbunden waren. In jedem der beiden Zimmer standen zwei Betten.

»Welches Zimmer wünschen Sie einzunehmen, Fräulein?«, fragte einer der beiden Herren die Dame.

»Sie wissen, es ist mir gleich«, erwiderte die Dame.

»So werden wir hier bleiben«, sagte der Herr.

Er meinte das Zimmer, in dem sie sich befanden, in das sie zuerst getreten waren. Die beiden Zimmer waren einander ganz ähnlich.

»Lassen Sie unsere Koffer hereinbringen«, sagte der Herr zu dem Mädchen.

Die Koffer der Reisenden wurden hinaufgeschafft. Es waren zwei, ein größerer und ein kleinerer. Der kleinere gehörte den beiden Herren. Der größere der Dame. Er wurde in das Zimmer gebracht, das sie für sich einnehmen sollte. Er war schwer, selbst im Verhältnis zu seiner Größe.

Die Herren bestellten bei der Tochter des Posthalters ein gemeinschaftliches Abendessen. Das Mädchen ließ sie dann allein.

Die drei Fremden hatten in Gegenwart des Mädchens wenig gesprochen; durchaus nichts, aus dem man hätte abnehmen können, in welchem Verhältnis sie zueinanderstanden.

Sie waren alle Drei wohlgekleidet. Der eine der beiden Herren war groß und kräftig gebaut. Er konnte in der Mitte der dreißiger Jahre stehen. Er trug einen schwarzen Vollbart, hatte schwarze lebhafte, durchdringende Augen, eine Adlernase. In seinem Wesen hatte er etwas Befehlendes.

Der andere Herr war klein, zart, hatte etwas Knabenhaftes, man hätte sagen können, Mädchenhaftes. Er schien kaum zwanzig Jahre alt zu sein. Er war blond, hübsch; ein Zug in seinem Gesichte wollte doch nicht für ihn einnehmen, warum nicht, wurde nicht gleich klar.

Die Dame war eine große, schlanke Gestalt, hatte ein feines, etwas blasses Gesicht. Sie war eine ungewöhnlich schöne Erscheinung: Die offene, ehrliche, treue Gutmütigkeit, die in ihrem schönen Antlitze sich aussprach, nahm doppelt für sie ein.

Wie alle Drei bei ihrer Ankunft wenig miteinander gesprochen hatten, so fand man sie auch später.

Die Wirtstochter war bald nachher wieder bei ihnen erschienen, um mit Hilfe einer Magd die Betten zu überziehen, und sonst die Zimmer zum Nachtquartier einzurichten.

Alle Drei hatten sich in dem Zimmer der beiden Herren befunden. Die Verbindungstür hatte offen gestanden. Die Dame und der kleinere, jüngere Herr hatten stumm am Fenster gesessen und ins Freie geblickt. Der größere Herr mit dem schwarzen Bart spazierte in der Stube auf und ab.

Jene beiden hatten dann doch einige Worte gewechselt. Die Sonne ging gerade unter.

»Sehen Sie, wie schön«, sagte die Dame zu dem jungen Herrn, der neben ihr saß.

Sie hatten wirklich einen schönen Anblick. Die Poststation lag am Fuße eines waldigen Berges, am Eingange einer kleinen Schlucht. Die letzten Sonnenstrahlen leuchteten noch halb in die Schlucht hinein, fielen voll auf den Berg und vergoldeten dessen dichte Waldung.

Über den Kronen der Bäume schwamm an dem tiefblauen Himmel rosiges Abendgewölk langsam dahin.

Von dem Fenster aus sah man das alles, hatte man zugleich den Blick in eine weite Ebene voll Wiesen und Ackerfeld, in deren Hintergrund sich feiner weißer Nebel entwickelte, für die Nacht frische Kühle und für morgen wieder einen sonnigen Tag verkündend.

Der junge Herr antwortete der Dame: »In der Tat, recht hübsch.«

»Aber es scheint auch recht einsam hier zu sein.«

»Man sieht kein anderes Haus in der Nähe,« gab der Herr zu.

Damit war das Gespräch der beiden zu Ende, oder unterbrochen. Die Dame schaute wieder durch das Fenster, der kleine Herr blickte nachdenklich vor sich nieder.

Bald darauf bemerkte die Wirtstochter, wie der größere Herr dem kleinen einen Wink gab. Der Kleine sah es, obwohl er niederblickte; er erhob das Gesicht und sah fragend zu dem Großen auf. Dieser zeigte nach der Ausgangstür des Zimmers. Der Kleine nickte wie zustimmend. Der Große verließ schweigend das Zimmer.

Die Dame hatte nichts gesehen. Ihre Blicke waren durch das Fenster in die Abendlandschaft gerichtet. Die Sonne war untergegangen; in der Schlucht war es dunkel geworden; in der Ebene begann es dunkel zu werden. Nur in den Kronen der Bäume oben auf dem Berge war noch das Abendlicht. Die Dame am Fenster schien in tiefem Nachdenken in die weite Ebene hineinzuschauen.

Die Wirtstochter war noch mit ihrer Arbeit in dem zweiten Zimmer beschäftigt. Sie hatte durch die offene Tür das geheimnisvolle, einverständliche Winken der beiden Herren gesehen. Es war ihr aufgefallen. Noch mehr wurde ihre Neugierde geweckt durch das Gespräch, das sich nach der Entfernung des größeren Herrn zwischen dem kleineren und der Dame entspann.

»Sie sind so nachdenklich!«, sagte der kleine Herr zu der Dame.

»Ich habe wohl Ursache,« war die Antwort.

»Sie machen sich gewiss unnötige Sorgen.«

»Wolle Gott es!«

»Meine besten Wünsche begleiten Sie«, fuhr der kleine Herr darauf fort. »Sie sind mir auf dieser Reise eine so liebe Freundin geworden.«

»Freundin«, sagte der junge Herr zu der jungen Dame. Die Wirtstochter horchte hoch auf.

Die Dame drückte dem kleinen Herrn die Hand.