Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Frieden beginnt im Innern. Wenn wir abgespaltene, wütende, traurige, ohnmächtige Anteile in unser Bewusstsein zurückholen und diese Gefühle verarbeiten, projizieren wir sie nicht mehr auf unser Gegenüber. Dadurch entlasten wir in hohem Masse unsere Umwelt und ersparen weiteres Leid. Dieses Buch ermutigt dich, Anteile, welche noch deines Mitgefühls bedürfen, aufzuspüren und zu befreien. Befreite Anteile beschenken uns reich mit Lebenskraft, Freude, Mut, Spontaneität und Liebe. Dies trägt zur Ganzwerdung bei und führt zu unserer Essenz. Belastende, traumatische Situationen führen nicht nur zur Ausschüttung von Stresshormonen, sondern gleichzeitig zu organischen Veränderungen. Dies ist in der Regel noch weniger bekannt. Nach der Verarbeitung emotionaler Themen und Traumatisierungen kann es deshalb zu Regenerations-Symptomen kommen, weil diese Veränderungen durch Mikroorganismen rückgängig gemacht werden. Es entstehen u.a. Symptome wie Fieber, Entzündungen, Müdigkeit, Schwellungen und Schmerzen. In diesem Buch erfährst du, wie dies abläuft. Wenn wir erleben, dass der Körper weder ein Kriegsschauplatz für überschiessenden Zellaufbau ist, noch eindringende Mikroorganismen abwehren muss, entwickelt sich ein friedlicheres Weltbild von Gesundheit und Symptomen.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 332
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Hinweise:
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Vervielfältigung, der Verbreitung oder Übersetzung. Ohne Rücksprache mit der Autorin ist es nicht gestattet, Teile des Buchs oder das Buch selbst zu reproduzieren.
Alle Informationen in diesem Buch wurden nach bestem Wissen und Gewissen der Autorin überprüft. Sie übernimmt jedoch keinerlei Haftung für Schäden irgendwelcher Art, welche sich direkt oder indirekt aus dem Gebrauch der hier veröffentlichten Informationen ergeben.
Vorwort: Selbstermächtigung durch eigenes Denken
1. Weltbilder Krankheit und Gesundheit
1.1 Was ist Spiral Dynamics?
1.2 Beiges Weltbild
1.3 Purpurfarbenes Weltbild
1.4 Rotes Weltbild
1.5 Blaues Weltbild
1.6 Oranges Weltbild
1.6.1 Oranges Krankheitsverständnis
1.7 Grünes Weltbild
1.7.1. Grünes Krankheitsverständnis
1.8 Gelbes Weltbild
1.8.1 Gelbes Krankheitsverständnis
1.9 Türkisfarbenes Weltbild
2. Stressreaktionen und psychische Erkrankungen
2.1 Verbreitung psychischer Erkrankungen
2.2 Ursachen psychischer Erkrankungen
2.3 Wie entsteht ein Trauma?
2.4 Unterschiedliche Arten von Traumata
2.4.1 Systembindungstrauma
2.4.2 Geburtstrauma
2.4.3 Bindungs- oder Entwicklungstrauma
2.4.4 Verlusttrauma
2.4.5 Einzeltrauma
2.5 Überlebensanteile
2.6 Stressreaktionen
2.6.1 Akute Auswirkungen: Nervensystem
2.6.2 Akute Auswirkungen: Veränderung an Organen
2.6.3 Chronische Auswirkungen von Stressreaktionen
2.7 Das autonome Nervensystem und Stressreaktionen
3. Regenerationsphasen nach einer Konfliktlösung
3.1 Überblick über die fünf biologischen Naturgesetze
3.1.1 Auslösendes Ereignis
3.1.2 Zweiphasigkeit eines Sinnvollen Biologischen Sonderprogramms (SBS)
3.1.3 Veränderungen an Geweben
3.1.4 Rolle der Mikroorganismen
3.1.5 Sinn der Veränderungen
3.2 Konfliktaktive Phase eines SBS
3.2.1 Diagnoseschocks
3.2.2 Konstellationen
3.3 Wiederherstellungsphasen eines SBS
3.3.1 Dauer der Wiederherstellungsphasen
3.3.2 Gewebeveränderungen und Symptome im Detail
3.3.3 Linderung der Symptome
3.4 Themen der unterschiedlichen Gewebearten
3.4.1 Stammhirn/Entoderm: Brockenkonflikte
3.4.2 Kleinhirn/Alt-Mesoderm: Schutz- und Sorgekonflikte
3.4.3 Marklager/Neu-Mesoderm: Selbstwertkonflikte
3.4.4 Grosshirnrinde/Ektoderm: Trennungs-, Identitäts- und Revierkonflikte
3.5 Erhöhung der Schwelle für ein SBS
4. Ursächliche Bearbeitung emotionaler Konflikte
4.1 Bearbeitung emotionaler Konflikte
4.1.1 Grundsätzliches zur Arbeit mit Traumata
4.1.2 Systembindungstrauma: Aufstellungen
4.1.3 Geburtstrauma: Holotropes Atmen
4.1.4 Entwicklungstrauma: Integration abgespaltener Anteile und Heilung von Bindung
4.1.5 Verlusttrauma: Zeit für Trauer
4.1.6 Einzeltrauma: Aktives Wiedererleben
4.1.7 Trauma aus Vorleben: Schamanische Reisen
4.1.8 Förderung der Affektregulation durch Beziehung
4.1.9 Förderung der Affektregulation durch Neurofeedback
4.2 Spirituelle Entwicklung und Selbsterkenntnis
4.2.1 Entwicklung von Gewahrsein und Präsenz
4.2.2 Wer sind wir wirklich?
4.2.3 Projektionen
4.2.4 Arbeit mit dem inneren Team
4.2.5 Arbeit mit Persönlichkeitstypen: Enneagramm
4.2.6 Arbeit mit Entwicklungsstufen und Weltbildern
5. Ausblick
6. Literaturverzeichnis
Tabelle 1: Vereinfachtes 4Quadranten-Modell nach Wilber
Tabelle 2: ACE-Skala mit Kategorien schädlicher Kindheitserlebnisse: Resultate
Tabelle 3: Gehirnteile und Steuerung der unterschiedlichen Gewebe
Tabelle 4: Gewebe und Mikroorganismen
Tabelle 5: SBS und Veränderungen in den einzelnen Phasen
Tabelle 6: Satzanfänge Ehrliches Mitteilen
Tabelle 7: Persönlichkeitstypen im Enneagramm
Tabelle 8: Methoden im vereinfachten 4Quadranten-Modell verortet
Abbildung 1: Verteidigungskaskade des Nervensystems
Abbildung 2: Erstarrte und kollabierte Körperform
Abbildung 3: Überlebensanteile in Anlehnung an Ruppert
Abbildung 4: Das autonome Nervensystem
Abbildung 5: Window of Tolerance
Abbildung 6: Zweiphasigkeit eines Sinnvollen Biologischen Sonderprogramms (SBS)
Abbildung 7: Abgespaltene Anteile
Abbildung 8: Integrierter Kinderanteil
Abbildung 9: Neuer Vagus
Abbildung 10: Drama-Dreieck
Abbildung 11: Erwachsenen-Ich und innerer Anteil
Dieses Buch ist für Menschen geschrieben, welche die Verantwortung für ihre Gesundheit selbst in die Hand nehmen wollen und sich nicht scheuen, ihre Weltbilder zu hinterfragen und wo notwendig, um 180 Grad zu drehen. Dazu braucht es Mut, weil dies in der Regel zuerst zu einer gewissen Verunsicherung und einem Verlust von Halt und Orientierung führt. Aber es wird belohnt mit Klarheit und einem umfassenderen Verständnis für unsere geistige, psychische und physische Gesundheit.
Der Glaube an Gott wurde heute bei vielen durch den Glauben an die Wissenschaft ersetzt. Wissenschaft bedeutet jedoch nicht Glauben, sondern eigenes Denken, hinterfragen, überprüfen, vergleichen unterschiedlicher Quellen. Dazu gehören auch die Prüfung potenzieller Interessenskonflikte von Wissenschaftlern/innen und deren Weltbildern oder die Finanzierungsquellen von Forschungsprojekten. Natürlich bedeutet dies einen gewissen Aufwand. Es ist anstrengender als sich durch Tageszeitungen und Fernsehsendungen berieseln zu lassen. Aber es lohnt sich, weil es zu Freiheit führt und Ängste reduziert.
Unser Anliegen ist es, aktuelles Wissen aus dem Bereich Stressregulation und Traumaverarbeitung mit dem Wissen der Fünf Biologischen Naturgesetze (5BN) nach Hamer zu verbinden und zu integrieren. In diesen Themengebieten gab es bezüglich Forschung und Anwendung seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts enorme Fortschritte, welche wir im Hinblick auf das Ausmass der Verbreitung zunehmenden Stresserlebens und Traumatisierungen dringend brauchen.
Zur Integration unserer langjährigen Erfahrung im Bereich der Traumaverarbeitung und Stressregulation mit den 5BN gründeten wir, Alice Haller-Berger (meine Mutter), Elisabeth Galli und ich, Katharina Lehmann, eine Fachgruppe und tauschten uns mehrmals mit Luciano Riillo aus, einem erfahrenen TCM-Therapeuten. Zur Klärung unterschiedlicher Themen arbeiteten wir in der Fachgruppe auch mit der Aufstellungsmethode.
Weil eigene Weltbilder und Glaubenssysteme bezüglich Krankheit und Gesundheit bestimmen, wie wir mit diesem Thema umgehen, werden in Teil 1 unterschiedliche Weltbilder mit Hilfe des Entwicklungsmodells Spiral Dynamics beleuchtet und skizziert. Daraus werden entsprechende Krankheitsverständnisse abgeleitet, welche ein Hinterfragen der eigenen Weltbilder ermöglichen sollen.
Krankheit und Gesundheit sind seit der Industrialisierung in privatwirtschaftlichen Händen und zu einem Geschäftsmodell geworden. Profitabel ist dieses Geschäftsmodell jedoch nur, wenn Menschen krank sind und es auch bleiben. Einem solchen Geschäftsmodell dienen Weltbilder und Glaubenssysteme, welche die Ursachen für psychische und physische Erkrankungen verschleiern.
In Teil 2 wird das Thema Stress und Trauma vertieft. Schädliche Kindheitserlebnisse und daraus entstehende chronische Stressreaktionen sind weit verbreitet. Sie sind Hauptursachen für psychische Erkrankungen. Verschärft werden diese durch propagierte Krisen, zunehmendes Stress- und Mangelerleben und eine sich immer schneller vergrössernde Schere zwischen Arm und Reich. Bei Traumatisierungen in der Kindheit fallen wir aus dem Kontakt mit uns selbst, mit anderen und dem Kosmos. Eigenes Denken wird dadurch erschwert. Hier braucht es Heilung durch Beziehung.
Teil 3 befasst sich mit den 5BN, insbesondere mit Regenerationssymptomen nach der Lösung von Traumatisierungen und intensiven Konflikten. Durch das Verständnis der 5BN verändert sich das Weltbild bezüglich Krankheit und Gesundheit tiefgreifend, weil viele bekannte Symptome nicht Ausdruck einer Krankheit sind, sondern Ausdruck von Regeneration. Mit den 5BN beschäftigen wir uns seit ungefähr drei bis vier Jahren. Die Gesetzmässigkeiten konnten wir bereits etliche Male an uns selbst sowie an unseren Klienten/innen überprüfen. Das Schöne dabei ist, es muss nichts geglaubt werden. Es kann an eigenen Symptomen selbst erfahren und überprüft werden.
In Teil 4 geht es um die ursächliche Bearbeitung von Konflikten und Traumata. Alle Methoden, welche beschrieben werden, wenden wir in der Praxis an, nutzten sie zur Auflösungung eigener Traumatisierungen und weiterhin zu Selbsterkenntnis und spiritueller Entwicklung. Sie sollen insbesondere Hilfe zur Selbsthilfe bieten. Es ist jedoch empfehlenswert, die beschriebenen Methoden zuerst mit Unterstützung von Fachleuten anzuwenden. Insbesondere wichtig ist dies bei der Aufarbeitung frühkindlicher Traumatisierungen, da hier der Beziehungsaufbau zu sich selbst auf der Basis einer vertauensvollen Beziehung zu einem Gegenüber im Zentrum steht.
Werden Wissen und Methoden, welche in diesem Buch vermittelt werden, von Lesern/innen angewendet, geschieht dies in voller Selbstverantwortung.
Zu jeder Methode haben wir Erfahrungsberichte aus unserer eigenen Praxis beschrieben. Alle Namen wurden geändert und die Situationen jeweils leicht verändert, damit keine Rückschlüsse möglich sind.
Angaben zu uns und unseren Angeboten finden sich am Schluss des Buches.
Wir wünschen allen, dass die Verbindung des Wissens um Traumaverarbeitung und der 5BN Ängste reduziert und eigenes Denken stärkt, damit die Freude am Leben ungehindert fliessen kann, wir inneren Frieden finden und unser Potenzial zum Wohl aller einsetzen können.
Das Buch wurde grösstenteils finanziert durch unsere Stiftung VitaNetz, welche wir 2021 gegründet haben mit der Vision der sozialen Dreigliederung nach Rudolf Steiner als neuer Gemeinschaftsform. Diese umfasst drei sich selbst verwaltende Bereiche: das Geistes-, Rechts- und Wirtschaftsleben. Jedem Bereich wird eine geistige Idee zugeordnet: dem Geistesleben die Freiheit, dem Rechtsleben die Gleichheit und dem Wirtschaftsleben die Nächstenliebe (Brüderlichkeit). Diese Gemeinschaftsform bietet kreative Möglichkeiten zur Lösung aktueller Probleme. Gründer/innen sind Alice Haller-Berger, Christian Kaufmann und ich. Elisabeth Galli ist freie Mitarbeiterin der Stiftung. Der Link zur Stiftung findet sich ebenfalls am Ende des Buches.
Herzlich bedanken möchten wir uns bei Luciano Riillo für den fruchtbaren Austausch und seinen Forschergeist bezüglich der 5BN. Dies ermöglichte uns die Klärung von Fragen und Entwicklung neuer Fragen zur Integration von Traumawissen und 5BN.
Ein ganz besonderer Dank geht an Edith und Jürg Mächler-Frey, welche den Inhalt des Buches in aufwändiger Kleinarbeit lektoriert haben und mir viele Inputs gaben, die Inhalte nochmals zu überarbeiten und zu reflektieren.
Lieben Dank auch an Brigitta Zahler für ihre hilfreichen Anregungen sowie herzlichen Dank an Siân Sprenger für die ausdrucksstarken Illustrationen und an Simonetta Martini für das Titelbild, welches das Herz berührt.
Zur Selbstreflexion des eigenen Weltbildes, leistet das Wertesystem Spiral Dynamics gute Dienste. Es beschreibt die Entwicklung der Menschheit im Hinblick auf unterschiedliche Bewusstseinsstufen.
Spiral Dynamics wurde von Clare Graves, einem Psychologen, auf der Grundlage von Befragungen unterschiedlichster Gruppen und Kulturen erforscht und von Beck und Cowan (Beck et al., 2019) weiterentwickelt. In diesem System werden acht bis neun Bewusstseins- oder Entwicklungsstufen beschrieben, woraus unterschiedliche Weltbilder und Glaubenssysteme resultieren, die auch unser Verständnis von Krankheit und Gesundheit in hohem Masse prägen. Die Stufen erstrecken sich vom reinen Überlebenstrieb bis zur Verbundenheit mit allen Wesen. Diese Bewusstseinsstufen werden auch Memes genannt und sind durch unterschiedliche Farben gekennzeichnet. Farben wurden gewählt, damit keine Wertung entsteht. Die Entwicklung der Menschheit pendelt dabei zwischen individuellen und kollektiven Werten.
Die Entwicklungsstufen können grob in egozentrisch, ethnozentrisch (wir/nationalistisch) und weltzentrisch/Menschheitsfamilie zusammengefasst werden, wobei die Stufen acht und neun noch weiter zu einem kosmozentrischen Weltbild führen.
Die Stufen beziehen sich darauf, was wir im Alltag leben, wie wir ganz konkret unser Leben gestalten und mit anderen umgehen: also nicht auf Zustände, welche wir beispielsweise während einer Meditation erleben können (Wilber, 2007). Stufen können beim Meditieren nicht erfahren werden, weil wir dafür den Vergleich mit anderen brauchen, um unsere Weltbilder reflektieren zu können. Es braucht dazu eine andere Umgebung, einen anderen Kontext. Stufen sind dauerhafte Entwicklungen und verschwinden in der Regel nicht von heute auf morgen, wie beispielsweise die Entwicklung der Sprache ebenfalls dauerhaft ist. Stufen können auch nicht übersprungen werden. Zum Beispiel bildet ein Kind normalerweise keine Sätze, bevor es Wörter aussprechen kann. Bei Zuständen, welche kommen und gehen, ist dies anders. Beispielsweise können wir während einer Meditation Zustände von Mitgefühl, tiefer Liebe für alle und Einheit erleben, wobei diese im Alltag wieder wie weggeblasen sind, wenn unsere Muster getriggert werden. Trotzdem ist dieses vorübergehende Erleben solcher Zustände sehr hilfreich, denn wir wissen nun, wie es sich anfühlt und was auch im Alltag erstrebenswert wäre. Es gibt verschiedene Entwicklungslinien (z.B. kognitive, emotionale, moralische), wobei sich Spiral Dynamics auf Weltbilder und Werte bezieht.
Die Forschungsrichtung, welche sich mit Entwicklungsstufen beschäftigt, heisst Strukturalismus. Man stellt vielen Menschen eine Frage, wie zum Beispiel Carol Gilligan zu moralischer Entwicklung (Wilber, 2007): «Hat eine Frau das Recht, abzutreiben?» und versucht, verschiedene Antwortkategorien herauszufiltern:
A Ja, sie hat das Recht, im Sinne von «niemand sagt mir, was ich zu tun habe» (egozentrisch).
B Nein, sie hat nicht das Recht, da dies gegen die Bibel, die Gesellschaft, das Recht etc. verstösst (ethnozentrisch).
C Ja, unter gewissen Umständen, weil man die Auswirkungen auf alle Beteiligten einbeziehen muss und eine Abtreibung manchmal das kleinere Übel ist (weltzentrisch).
Nach einer gewissen Zeit stellt man diesen Menschen die gleiche Frage und untersucht, ob und wie sich die Antwort verändert hat. Dabei wurde festgestellt, dass die Entwicklung immer von A nach C geht und nie umgekehrt. Strukturalismus versucht, die Muster zu erforschen, welche den Strukturen zugrunde liegen (Wilber, 2000).
Eine Stufe ist dabei nicht besser oder schlechter als die andere. Eine gesunde Entwicklung schliesst jeweils die vorangehende Stufe ein, transformiert diese und entwickelt sich weiter. Das heisst, je mehr Phänomene/ Perspektiven im Bewusstsein auftauchen können, desto höher die Entwicklungsstufe. Jede hat dabei sowohl gesunde Aspekte, die dem Leben dienen, als auch spezifische Fehlentwicklungen, die es zu transformieren gilt.
Nachfolgend werden die Entwicklungsstufen etwas genauer beschrieben, welche bei der Entwicklung eines Kindes ebenfalls beobachtet werden können, vor allem bei den ersten Stufen. In Kapitel 4.2.6 wird aufgezeigt, wie mit diesen Stufen gearbeitet werden kann.
Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung Glaubenssysteme in der Blauen, Orangen und Grünen Bewusstseinsstufe aufweisen (Wilber, 2003), werden die Weltbilder bezüglich Krankheit und Gesundheit vor allem durch Orange und Grün dominiert. Deshalb sollen einerseits diese herausgearbeitet werden, andererseits zusätzlich ein Krankheitsverständnis für die Gelbe Bewusstseinsstufe, welches in diesem Buch weiter vertieft wird.
Im Wertesystem Spiral Dynamics (Beck et al., 2019) werden auch geschichtliche Zeitangaben gemacht. Dabei wird das Auftauchen von Beige bei ca. 100‘000 Jahren v. Chr. angesiedelt, Purpur bei ca. 50‘000 v. Chr. und Rot bei ca. 10‘000 v. Chr. Die Entwicklung von Spiral Dynamics basiert jedoch auf der Befragung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen unserer Zeit und dem Herausarbeiten derer Glaubenssysteme. Die daraus entstandenen Bewusstseinsstufen wurden nachträglich auf verschiedene Zeitalter der Menschheitsentwicklung übertragen. Die Beschreibung unterschiedlicher Zeitalter basiert heute vor allem auf Mutmassungen und Theorien ausgehend von archäologischen Funden (Miera, 2024).
Purpur würde damit dem Jungpaläolithikum und der Entstehung des Homo sapiens in Europa vor ca. 50‘000 Jahren entsprechen. Der archäologische Fund vom mittlerweile berühmten Ötzi wird beispielsweise auf nur ca. 7000 v. Chr. datiert (Wikipedia, 2024). Die Einsortierung archäologischer Funde in eine zeitliche Jahreszahl-Struktur ist schwierig und wird von geschichtlichen Chronologiekritikern/innen in Frage gestellt. Hinzu kommt, dass die Geschichte in der Regel von Kriegsgewinnern geschrieben wird, wodurch die wahren Umstände oft im Dunkeln bleiben (Garve, 2022).
Neben der offiziellen Geschichtsschreibung der Entstehung der Menschheit, welche sich vorwiegend auf ein materialistisches, darwinistisches Weltbild abstützt (FairTalk, 2021), gibt es zusätzlich die Geisteswissenschaft von Rudolf Steiner (Steiner, 2020) mit einer spirituellen Kosmologie, welche in einem Weltenplan beschrieben ist. Dieser beschreibt ebenfalls die Entwicklung der Menschheit, jedoch basierend auf einem geistigen Weltbild. Die Angabe für das Purpurfarbene Weltbild könnte dem Zeitalter von Atlantis entsprechen, welches mit der Sintflut ca. 8000 v. Chr. endete. Danach entwickelte sich gemäss dem Weltenplan das urindische/vedische Zeitalter und später das urpersische. Bis zum Untergang von Atlantis könnte von der Involution des Geistes in die Materie gesprochen werden und noch nicht von Evolution. Involution heisst, dass sich der Geist zunehmend in die Materie hinein verdichtet. Erst danach inkarnierte sich das Geistige vollständig in das Physische. Vorher war nach Steiner die Verbindung mit dem physischen Körper noch viel lockerer.
Deshalb werden in diesem Buch für Beige, Purpur und Rot keine Zeitangaben gemacht. Auch Beck et al. (2019) beziehen sich bei ihren Beispielen zu den unterschiedlichen Bewusstseinsstufen ebenfalls mehrheitlich auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen unserer Zeit und nicht auf frühere Epochen. Ab der Blauen Bewusstseinsstufe wird es einfacher, Zeiträume anzugeben, weil sie näher an unserer Zeit liegen.
Die erste Entwicklungsstufe ist Beige. Diese Stufe ist instinktiv und auf das Überleben ausgerichtet. Das Zeitgefühl umfasst nur das Hier und Jetzt, der Fokus ist auf die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse wie Nahrung, Wasser, Schlaf, Wärme, Körperkontakt, Fortpflanzung oder Sicherheit ausgerichtet.
Diese Stufe zeigt sich insbesondere bei Kleinkindern, welche ohne ein fürsorgliches Gegenüber nicht überleben könnten. Sie sind darauf angewiesen, dass eine einfühlsame Mutter ihre Bedürfnisse erfüllt. Da wir zudem nicht mit der Fähigkeit geboren werden, unsere Affekte selbst regulieren zu können, brauchen wir als Kleinkinder eine Mutter, welche uns beruhigt, wenn unsere Gefühle eskalieren. Erst dadurch lernen wir mit der Zeit, uns selbst zu beruhigen, damit unser Nervensystem nicht beim kleinsten Stresserleben eskaliert (LaPierre & Heller, 2013). Erleben Kleinkinder kein einfühlsames Eingehen auf seine Bedürfnisse, vor allem wenn noch Missbrauch und physische Gewalt dazu kommen, führt dies zu einem Entwicklungstrauma mit schwerwiegenden Folgen auf allen Ebenen der Entwicklung. Diese Menschen können kein Urvertrauen entwickeln und werden von Angst und Wut dominiert. Daraus entwickeln sich oft Menschen mit den verschiedensten Süchten. Diese Stufe wird beispielswiese sichtbar bei Drogenabhängigen, welche auf der Strasse leben. Hier finden sich aber auch extremer Autismus (man zieht sich ganz auf sich selbst zurück) oder Soziopathie. Menschen mit soziopathischem Verhalten sind unfähig zu Mitgefühl und Schuldempfinden. Sie können andere nur benutzen, anstatt mit ihnen in Kontakt zu treten. Neben Gewalt und Missbrauch haben sie nie erlebt, wie es ist, bemuttert, gehalten und beruhigt zu werden (Fisher, 2014). Fisher beschreibt beispielsweise die Geschichte eines vierjährigen, hochtraumatisierten Jungen, welcher sich bei seinen Pflegeeltern das Essen schnappte und unter dem Tisch verschlang. Wenn sich ihm jemand näherte, machte er Laute wie ein Knurren.
Diese Stufe kann sich aber auch generell nach jeder traumatischen Situation zeigen, wie beispielsweise nach schweren Unfällen oder Naturkatastrophen. Die Beschreibung von Beige könnte deshalb auch vor allem zur Beschreibung eines traumatisierten Bewusstseins nach katastrophalen Erlebnissen passen.
Bedürfnisse auf dieser Stufe sind beispielsweise: Nahrung, Flüssigkeit, Schlaf, Erholung, Wärme, Fortpflanzung, Körperkontakt, Schutz, physische Unversehrtheit, Versorgung, Betäubung.
Bei Purpur lebten Menschen in Sippen und Stammesverbänden. Das Ego war noch nicht entwickelt und ging vollständig im kollektiven Wir auf. Der Stamm bot Versorgung, Geborgenheit und Schutz. Der Rhythmus der Natur bestimmte die Bräuche und Rituale und das Zeitempfinden war zyklisch. Zugehörigkeit war überlebenswichtig und ein Ausschluss aus der Gruppe bedrohte in hohem Masse die Existenz. Der Mensch war Teil einer Gruppen- oder Stammesseele und konnte sich noch nicht als einzelnes Individuum wahrnehmen. Falls sich doch individuelle Impulse meldeten, wurden diese von der Gruppe wieder erstickt. Sich gegen Regeln und Bräuche zu stellen, konnte sich der/die Einzelne nicht erlauben (Küstenmacher et al., 2022). Neben dem Wohlergehen der Sippe zählte das einzelne Leben nicht viel. Wer nicht zur eigenen Sippe gehörte, wurde als Bedrohung wahrgenommen (Beck et al., 2019). Durch die starke Bindung an die Gruppe war die Opferbereitschaft entsprechend hoch, Tierund Menschenopfer üblich. Wissen wurde von den Ältesten, welche ein hohes Ansehen genossen, von Generation zu Generation mündlich weitergegeben,.
Zu Purpur gehört nach Sprial Dynamics ein magisches Denken (Beck, et al., 2019). Da sich das Individuum noch nicht ganz von seiner Umgebung differenziert, resp. getrennt hat, nahm es ausgehend von diesem Weltbild die Umgebung als belebt wahr. Bäume, das Rauschen des Windes oder das Plätschern eines Flusses sprachen zu den Menschen. Zu diesem Weltbild gehören Schamanen, Druiden und Hexen, welche im Auftrag des Stammes als Vermittler/innen die geistigen Wesen hinter den Naturkräften besänftigen sollten. Durch magische Handlungen und Rituale sollte das Schicksal der Sippe gnädig gestimmt und das Leben erleichtert werden. Als Beispiele in der heutigen Welt nennen Beck et al. (2019) die afrikanischen Zulu, die australischen Aborigines oder irische Clans.
Im Gegensatz dazu wird in der Geisteswissenschaft davon ausgegangen, dass während des Zeitalters von Atlantis für alle das Geistige sichtbar und real war und nicht die Folge einer noch nicht ganz erfolgten Trennung des Individuums von seiner Umgebung. Die Menschen verfügten nach Steiner über ein einfaches Hellsehen, weshalb es ausser Frage stand, dass hinter allen Naturkräften geistige Wesenheiten wirkten (anthrowiki, 2024). Die damaligen Menschen konnten sich zu jener Zeit allerdings darüber keine Gedanken machen, weil der Verstand noch nicht wie heute entwickelt war. Es war ein unbewusstes Hellsehen. Die geistige Welt führte den Stamm durch Eingeweihte. Deshalb könnte in diesem Zeitraum von Involution des Geistes gesprochen werden und nicht von Evolution, weil Seele und Geist noch nicht ganz in der Materie verankert waren. Dieses Hellsehen ging mit der Verlagerung des Fokus auf die äusseren Sinne nach und nach ganz verloren und sollte heute wieder neu entwickelt werden: heute jedoch in einer bewussten Art und Weise, wofür die Geisteswissenschaft (Steiner, 1980) entsprechende Anleitungen gibt.
Seit einiger Zeit erlebt Purpur mit der esoterischen Szene ein Revival (Küstenmacher et al., 2022). Das Positive ist sicherlich, dass dadurch das Geistige nach dem Materialismus wieder an Bedeutung gewann. Jedoch drückt sich damit teilweise eine kindliche Spiritualiät aus. Diese zeigt sich darin, dass Bestellungen beim Universum gemacht, Wunder erwartet, magische Handlungen vorgenommen werden, um glücklich oder gesund zu werden. Oder man lässt sich auf alle erdenklichen Arten energetisch behandeln, was nicht heissen soll, dass dies nicht auch nützlich und hilfreich sein kann. Alle Behandlungen sollten jedoch dazu führen, dass der/die Ratsuchende Hilfe zur Selbsthilfe erhält, was hier oft nicht der Fall ist. Nach einer Heilbehandlung fühlen sich die Behandelten zwar für ein paar Tage oder Wochen besser, aber es ist in der Regel nicht nachhaltig. Wenn es nicht dazu führt, dass das symptomverursachende Thema mit Erkenntnis durchdrungen werden kann, führt es bloss in neue Abhängigkeiten. Abgespaltene Anteile mit ihren Symptomen (s. Kapitel 4.2.3 und 4.2.4) lassen sich in der Regel weder wegmeditieren noch magisch auflösen. Diese Anteile werden dadurch nur einsamer, weil dies nicht dazu führt, dass wir uns ihnen bewusst zuwenden.
Alles, womit wir heute unsere Familienverbundenheit ausdrücken, sind Aspekte von Purpur. Dies erstreckt sich von geerbtem Schmuck, über das gute Geschirr der Grossmutter hin zu geselligen Familientreffen am Sonntag, Geschenken oder Eheringen (Küstenmacher et al., 2022). Weiter gehören zu Purpur alle Arten der Signale von Zugehörigkeit, wie beispielsweise gleiche Tricots beim Fussballclub oder die gleichen Mützen in einem Verein.
Krisenzeiten aktivieren Purpur, wobei Menschen vermehrt die Geborgenheit und Sicherheit in der Gruppe suchen.
Bei der Entwicklung des Kindes spiegelt sich Purpur in der symbiotischen Verbindung mit der Mutter. Eine heilsame Bindung zwischen Mutter und Kind ist ein Ausdruck für gesundes Purpur. Das Kind beginnt zwar langsam zu erkennen, dass es nicht der Körper ist, sondern einen Körper hat, geht seelisch aber noch ganz im Wir mit der Mutter auf.
Kann sich ein Kind nicht aus der Symbiose mit der Mutter lösen, zeigt sich ungesundes Purpur im Erwachsenen-Alter in schwachen Ego-Kräften. Durch eine erstickende Symbiose kann das Kind neben seinem Bedürfnis nach Nähe, seinem Bedürfnis nach zunehmender Autonomie nicht nachkommen. Die eigenen Willensimpulse werden dadurch nicht ausgebildet. Es bleibt in seiner Entwicklung im Wir stecken (s. auch Kapitel 2.4.3).
Ungesundes Purpur drückt sich zusätzlich im Helfersyndrom, in Co-Abhängigkeit oder Beziehungssucht aus. Bei Beziehungssucht wird alles getan, um das Wir zu erhalten und damit vermeintlich die eigene Existenz. In der Psychologie und Psychiatrie wird dies oft als abhängige Persönlichkeit oder Borderline-Persönlichkeit diagnostiziert.
Bedürfnisse auf dieser Stufe sind beispielsweise: Zugehörigkeit, Zusammenhalt, Sicherheit, Bindung, Gemeinschaft, Rituale, Harmonie, Vertrauen, Unterstützung, Fürsorge.
Aus dem Verbund von Gruppenseelen in Sippen entwickelte sich langsam das Bewusstsein eines Egos, welches sich daraus zu lösen begann, um sich mehr und mehr als ein eigenständiges Wesen zu erleben. Der Mensch wurde sich seiner persönlichen Triebe und Bedürfnisse bewusst sowie seiner Fähigkeit, Einfluss auf die Umwelt zu nehmen und anderen zur Befriedigung seiner Triebe auch den Willen aufzuzwingen. Der Slogan für Rot ist, «Ich will, jetzt!» Aus der Symbiose von Purpur gelöst, ist dieses Ego nun fähig, sich als ein getrenntes Wesen wahrzunehmen. Allerdings ist hier die Fähigkeit nicht entwickelt, sich in andere einzufühlen und anzuerkennen, dass sie ebenfalls eigenständige Egos sind. Diese enwickelt sich erst nach und nach mit dem Ich. Rot ist deshalb egozentrisch.
Abgrenzung, eigene Kraft und Macht spielen hier eine grosse Rolle. Rot setzt starke Kräfte frei, welche sich in Lebenslust, dem Drang an Eroberungen, Wille zum Sieg und der Entdeckung von Neuem spiegeln. Hier gilt das Recht des Stärkeren und dessen Gesetze. Beck et al. (2019) nennen als Beispiele mächtige Stadtstaaten wie Babylon, Athen oder Rom.
Während sich der Mensch auf der Purpurfarbenen Entwicklungsstufe bei Gefahr zusammenrottet, tritt der Mensch auf der Roten Entwicklungsstufe der Gefahr mit Mut und Tatkraft entgegen. Wenn Stämme sich wegen ihrer Lebensräume bekämpften, waren es die Roten Anführer, die gewonnen haben, beispielsweise wie Julius Caesar oder Alexander der Grosse (Beck et al., 2019).
Rot zeigt sich bei Kindern während der Trotzphase. Das Kind beginnt, sich getrennt von Mutter und Vater zu erleben und die Wörter «Nein!» und «Ich will!» stehen im Zentrum. Das Kind möchte seine Kraft spüren und sucht nach Grenzen, welche es überwinden kann. Diese Stufe ist entscheidend dafür, dass wir uns als getrenntes Wesen wahrnehmen und uns aus der Symbiose mit der Mutter und der Gruppe lösen können. Hier müssen Eltern einen guten Mittelweg finden zwischen dem Setzen von Grenzen und Freiraum. So kann sich das Kind einerseits als eigenständiges Wesen erleben, andererseits wird es sozialisiert, damit ein Auskommen mit anderen möglich wird. Setzen Eltern Kindern während der Trotzphase nicht genügend Grenzen, können kleine Tyrannen gezüchtet werden, die leider oft auch zu grossen werden (Prekop, 1988). Im Extrem gipfelt dies in narzisstischem Verhalten, bei welchem sich das Ego als der Nabel der Welt betrachtet und andere als den verlängerten Arm zur Befriedigung seiner Triebe und Bedürfnisse.
Ungesundes Rot bedeutet damit Dominanz und Machtmissbrauch. Angst, Schuld und Scham werden abgespalten und bei anderen verachtet. Dies kann zu Grausamkeit ohne Gnade führen. Andererseits heisst das aber auch, dass es hier bereits so etwas wie ein Schuldempfinden gibt, im Gegensatz zum soziopathischen Verhalten bei Beige, es wird allerdings mit allen Mitteln bekämpft. Rot zeigt sich auch bei Sportarten wie Rugby, bei Strassenbanden oder Fussballvandalismus.
Unser aktuelles Geldsystem entspringt ebenfalls dieser Bewusstseinsstufe. Es ist ein Zinsgeld, welches sich am Anfang langsam, aber dann exponentiell zu einem Winner-takes-it-all-System entwickelt, welches in der Welt unsägliches Leid angerichtet hat und die Schere zwischen Arm und Reich immer noch grösser werden lässt. Dabei ginge es nicht darum, das Geld als Tauschhilfe abzuschaffen, sondern das destruktive Zinsgeldsystem (Pfluger, 2019; Gartz, 2018).
Bedürfnisse auf dieser Stufe sind beispielsweise: Abgrenzung, Macht, Spontaneität, Kraft, Vergnügen, Neues entdecken, Eroberungen, Triebbefriedigung, Lust, Intensität, alles oder nichts, Sieg, Rausch.
Blau entwickelte sich ca. ab 5000 v. Chr. Religionen mit einem Gott wie das Judentum, das Christentum oder der Islam ermöglichten mit der Zeit, unabhängig von Blutsverwandtschaft, Teil einer Gemeinschaft zu werden. Verpflichtete man sich, diesem einen Gott zu dienen und seinen Geboten und Verboten vorbehaltlos zu folgen, wurde man in die Gemeinschaft aufgenommen. Moses und die zehn Gebote (mit vielen weiteren Regeln) sind ein Beispiel dafür. Blau ist deshalb ethnozentrisch. Im Gegensatz zum Roten Weltbild stand nicht mehr die Sofort-Befriedigung eigener Bedürfnisse im Zentrum, sondern ein Leben im Dienste eines einzigen Gottes, einer Wahrheit und eines richtigen Weges. Die Menschen waren bereit, diese Regeln zu befolgen und sich einem übergeordneten Plan unterzuordnen, damit sie später (im Jenseits) dafür belohnt würden. Das Individuum hatte wie bei Purpur wieder zu Gunsten des Kollektivs zurückzustehen. Blau brachte basierend auf einem religiös-hierarchischen System viel Struktur und Ordnung in die Gemeinschaft. Da wo Rot auf die Befriedigung im Hier und Jetzt auf Kosten anderer ohne Rücksicht auf Verluste ausgerichtet ist, wurde in der Blauen Bewusstseinsstufe erkannt, dass es der Gemeinschaft nützt, wenn Begierden und Impulse beherrscht werden können (Beck et al., 2019).
Mit der Gründung von Rom gewannen ausserdem der Rechtsstaat mit vielen Gesetzen sowie eine zunehmende Infrastruktur an Bedeutung. Mit Rom wurde allerdings neben dem Menschen auch der fiktive Bürger geschaffen, wodurch dieser sich selbst entfremdet wurde (anthrowiki, 2022).
Mit der Geburt von Jesus Christus gab es bei Blau bereits einen neuen Impuls, welcher Freiheit, Wahrheit und Eigenständigkeit bringen sollte und mit dem Neuen Testament das Alte ausser Kraft setzte. Mit dem Neuen Testament sollte nicht mehr blind geglaubt, sondern selbst durchdacht werden. Ca. 300 n. Chr. wurde das Christentum in Rom zur Staatsreligion erhoben. Anfänglich nahm die Katholische Kirche diese neuen Impulse des Christentums auf, verbot aber aus Angst vor Machtverlust mit dem 8. Ökumenischen Konzil von Konstantinopel im Jahr 869 den Geist, welcher zu einem Anhängsel der Seele degradiert wurde. Damit wurden diese Impulse im Keim erstickt (Bonneval, 2014). Die Machtanwendung der Kirche gipfelte dann in der Inquisition und Hexenverbrennung, wenn vom richtigen Glauben abgewichen wurde, resp. vor allem, um zu frei denkende Menschen loszuwerden.
Ungesundes Blau kann daher die Triebfeder für Fundamentalismus, fanatische Ideologien und Patriotismus sein und zu einem dogmatischen Richtig-Falsch-Denken führen, mit dem Slogan, «bist du nicht für uns, bist du gegen uns». Auf dieser Basis führen Druck, Regeln und Vorschriften zu Überanpassung des Egos sowie zu einem intensiven Schuld- und Schamgefühl, wenn davon abgewichen wird. Prägend ist hier der weit verbreitete Glaubenssatz der Kirche, wir wären alle Erbsünder/innen, welche Gott mit Krankheit und Tod bestraft. Bei dieser Entwicklungsstufe steht der Glaube im Zentrum, welcher unter keinen Umständen hinterfragt werden durfte, wobei Loyalität gegenüber der eigenen Gemeinschaft einen zentralen Wert darstellt.
Andererseits ist jedes System auf ein gesundes Blau mit einer gewissen Ordnung, Strukturen und Regeln angewiesen, um funktionieren zu können. Dies führt zu Verlässlichkeit und Verbindlichkeit. Durch Übertreibung entsteht jedoch ineffiziente Bürokratie, welche Prozesse lahmlegt und die Kreativität erstickt.
Bei der Entwicklung des Kindes beginnt diese Bewusstseinsstufe mit der Einschulung und der zunehmenden Entwicklung des Verstandes ab ca. zwölfeinhalb Jahren (Burkart/Youtube, 2019). Das Kind lernt zusätzlich, sich neben der Familie in ein neues soziales System mit anderen Regeln zu integrieren. Bedürfnisse auf dieser Stufe sind beispielsweise: Orientierung, Ordnung, Struktur, Sicherheit, Kontrolle, Verlässlichkeit, Verbindlichkeit, Rücksicht, Loyalität, Anerkennung.
Zeitspanne: ca. 5000 v. Chr.- 15. Jahrhundert
Wird Blau zu extrem, unterdrückt es die weitere individuelle Entwicklung und den eigenen Ausdruck. Daraus erwuchs ein starkes Bedürfnis nach individueller Freiheit und Selbstbestimmung. Dies spiegelte sich in den Werten der Aufklärung mit Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit (Geschwisterlichkeit). Demokratien wurden geschaffen, die Habeas-Corpus-Akte erlassen, welche Rechtssicherheit gewähren sollte, die Sklaverei abgeschafft und die Menschenrechte deklariert. Auf dieser Basis wurde auch eigenes Unternehmertum begünstigt sowie der Beginn der Industrialisierung.
Genau wie Rot ist auch Orange auf die Verwirklichung eigener Bedürfnisse ausgerichtet, jedoch auf der Grundlage von Recht, Ordnung und den Menschenrechten (weltzentrisch). Orange schliesst Blau ein und arbeitet innerhalb von Strukturen. Da wo Rot durch Ausübung von Macht dominiert, möchte Orange gewinnen, erfolgreich sein, Wohlstand vermehren und hat daher ein Interesse daran, dass andere auch längerfristig mitspielen (Beck et al., 2019).
Obwohl die Inquisition noch bis Ende des 18. Jahrhunderts andauerte, gewann die Wissenschaft zunehmend an Eigenständigkeit. Alte Vorstellungen von Gott und der Kirche wurden in Frage gestellt und vieles als Angstmacherei entlarvt. Allerdings wurde oft nicht nur die Kirche hinausgeworfen, sondern gleichzeitig auch das Geistige.
Wissenschaft bedeutet Erkenntnis auf der Basis von Logik, auf Gedanken darüber, was menschliche Erkenntnis überhaupt ist. Diese wurde bereits 350 v. Chr. von Aristoteles entwickelt. Auf dieser Grundlage erarbeitete Euklid 250 v. Chr. die Mathematik, welche zu Beginn des 15. Jahrhundert die Basis der Naturwissenschaften wurde. Dies ist der Beginn der Moderne. Wissenschaft bedeutet, sich des eigenen Denkens zu bedienen, dadurch Wissen zu erlangen und nicht mehr blind glauben zu müssen, was Herrschende vorgeben (FairTalk, 2021). Dadurch können wir selbst prüfen, was der Wahrheit entspricht.
Wissenschaftliches Arbeiten umfasst die folgende Vorgehensweise (Bortz & Döring, 1998):
Exakte Beobachtung und Sammeln von Daten
Formulierung von Hypothesen und Theoriebildung
Überprüfen der Hypothesen an der Wirklichkeit durch Experimente
Beim Formulieren von Hypothesen wäre die Klärung verwendeter Begriffe Voraussetzung, damit darunter alle das Gleiche verstehen. Dies müsste in den Sozialwissenschaften mit einer Definition des Menschen beginnen und mit dieser die dahinterstehenden Weltbilder. Dazu beim Gelben Weltbild mehr.
Heute gibt es in der Wissenschaft zusätzliche Gütekriterien (Mayring, 2003) für wissenschaftliches Arbeiten, wie etwa die Wiederholbarkeit der Ergebnisse durch andere Forscher/innen oder das Vergleichen von Experimentalgruppen mit Kontrollgruppen. Kontrollgruppen sind Gruppen, welche beispielsweise keine Behandlung mit Medikamenten erhalten, im Gegensatz zu den Teilnehmenden in der Experimentalgruppe. Ist das Medikament wirksam, sollte sich die Wirkung nur bei den Teilnehmenden der Experimentalgruppe zeigen und nicht bei den Teilnehmenden der Kontrollgruppe. Bei vielen pharmakologischen Studien gibt es jedoch oft keine Kontrollgruppen. Das heisst, die Ergebnisse der Experimentalgruppe, welche das Medikament A erhalten hat, werden ausschliesslich mit einer Gruppe verglichen, welche das Medikament B erhalten haben. Ob aber die Ergebnisse gleich oder sogar besser gewesen wären ohne Behandlung mit Medikamenten, wird nicht untersucht (Gotzsche, 2016). Die vertiefte Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Studien braucht sicherlich gewisse Kenntnisse, aber bereits mit der Klärung, ob Kontrollgruppen durchgeführt wurden oder eben nicht, erhält man wichtige Informationen. Zusätzlich kann auch relativ schnell überprüft werden, ob bei den einzelnen Forschenden Interessenskonflikte vorliegen (beispielsweise persönliche Mandate in der Pharmaindustrie) und wer die Studien finanziert.
Wird der Glaube an Gott und die Kirche nicht durch eigenes Denken ersetzt, besteht die Gefahr, dass dieser lediglich durch den Glauben an eine andere Institution ersetzt wird. Anstatt selbst zu denken, glaubt heute ein grosser Teil der Bevölkerung immer noch blind: heute nicht mehr dem, was die Kirche vorgibt, sondern dem, was sogenannte Wissenschaftler/innen sagen. Dies eignet sich für unterschiedliche Interessen hervorragend, die Mehrheit der Bevölkerung durch Manipulation und Propaganda in eine gewünschte Richtung zu lenken, um Macht und Profit nach Belieben zu vermehren (Mausfeld, 2019; Rügemer, 2020; Meyen, 2021). Zu den längerfristigen Propaganda-Techniken gehört beispielsweise das Deep Marketing. Die zunehmende Abhängigkeit der Forschung von Drittmitteln aus der Wirtschaft eröffnet Konzernen interessante Perspektiven. Kreiss (2020) beschreibt beispielsweise die Gründung eines Ethikinstituts für künstliche Intelligenz an der Technischen Universität München, welches durch Facebook finanziert wurde. Durch die gezielte Selektion des Institutsleiters wurde gleich sichergestellt, dass keine unbequemen Forschungsfragen gestellt werden, welche die Ideologie des Neoliberalismus in Frage stellen könnten. Im Neoliberalismus wird einzig und allein das Individuum für Erfolg oder Misserfolg verantwortlich gemacht (Mausfeld, 2019). Solche Forschende müssen praktischerweise auch nicht bestochen werden, da sie diese Ideologie durch und durch verkörpern.
Mit Orange wurde das Wahre (Wissenschaft), das Schöne (Kunst) und das Gute (Moral) ausdifferenziert (Wilber, 2007). Das heisst, diese drei Bereiche wurden voneinander unabhängig. Dies ist die Grundlage des 4Quadranten-Modells von Wilber, welches bei der Gelben Bewusstseinsstufe eingehender beschrieben wird. Kunst, Moral und Wissenschaft gab es auch in der Vormoderne, aber die Kirche bestimmte, wie diese auszusehen hatten.
Ungesundes Orange zeigt sich darin, dass es nicht bei einer friedlichen Ausdifferenzierung dieser drei Bereiche blieb. Insbesondere wurde die Wissenschaft zunehmend zu einem übersteigerten Materialismus. Bis zu einem gewissen Grad ist dies nachvollziehbar, denn für Beobachtungen von Phänomenen braucht man die Sinne und entsprechende Instrumente, welche die Sinne beim Beobachten unterstützen. Die Erforschung der Kräfte der Materie erlaubte zunehmend deren Handhabung, was technologische Errungenschaften ermöglichte. Da sich das Geistige nicht mit den Sinnen und Messinstrumenten erfassen liess, begann man zu bezweifeln, ob eine geistige Welt überhaupt existiert. Durch die Erforschung von Bewusstseinszuständen beispielsweise wurde entdeckt, dass sich diese in unterschiedlichen Frequenzen von Hirnwellen spiegeln. Aus diesem Zusammenhang (einer Korrelation) wurde fälschlicherweise eine Ursache gemacht, indem behauptet wurde, die unterschiedlichen Bewusstseinszustände würden durch elektrische Signale erzeugt. Dadurch wurde die Frage aufgeworfen, ob überhaupt sogenannt geistige, metaphysische Realitäten gebraucht würden, wenn ja alles Aspekte der sinnlich erfahrbaren und messbaren Welt wären: Bewusstsein und Gedanken als ein Produkt chemischer und elektrischer Vorgänge im Gehirn, Gotteserfahrungen erzeugt durch unterschiedliche Hirnwellen (Wilber, 2007). Diese Schlussfolgerung kann etwa mit derjenigen verglichen werden, unterschiedliche Programme würden im Fernseher erzeugt. Genau dieses Dogma prägt bis heute die (Neuro)wissenschaften. Leben entsteht in diesem Weltbild durch das Zusammenwirken selbstorganisierender physikalischer Kräfte und chemischer Stoffe. Die Begriffe Leben und Stoff werden dabei allerdings nicht klar definiert. Ausserdem ist es im Alltag offensichtlich, dass sich Systeme nicht einfach selbst organisieren. Denn nicht einmal der Müll trägt sich selbst hinaus. Es ist letztlich immer ein geistiges Wesen, welches dies, früher oder später, doch mal erledigt. Trotzdem ist dieses Weltbild nach wie vor die Grundlage der akademischen Welt (FairTalk, 2021; Burkart/Youtube, 2021).
Das Wahre wurde von einem zunehmend aggressiven wissenschaftlichen Materialismus verdrängt und begann, die Bereiche des Schönen und Guten zu dominieren, wobei ihnen jeder Boden der Realität entzogen wurde. Menschen wurden ausgehend davon als biologische Maschinen betrachtet, welche in ihre Teile zerlegt und das Geistige auf Materie, Energie, Felder und Naturkräfte reduziert wurde. Die Frage, wer diese Energien und Kräfte verursacht, wurde nicht mehr gestellt (Burkart, 2018). Alles, was nicht mit den äusseren Sinnen erfasst werden konnte, wurde als Aberglauben abgetan, womit auch noch die Seele abgeschafft wurde. Im Jahr 869 erledigte dies die Kirche ja bereits im Hinblick auf den Geist (Bonneval, 2014). Das Ich und das Wir wurden zum Objekt degradiert, welchen jede tiefere Bedeutung und Sinnhaftigkeit abgesprochen wurden. Wilber (2007) nennt dies Flachland.
Die aktuelle Blüte des Materialismus ist der heute von gewissen Interessensgruppen geplante und propagierte Transhumanismus. Wenn davon ausgegangen wird, dass Menschen nur hochkomplexe Maschinen sind, kann der Körper durch künstliche Intelligenz ersetzt werden, die Umwandlung eines kohlenstoffbasierten Köpers in einen silikonbasierten. In diesen neuen, immer jungen Köper soll das Gehirn downgeloadet werden, um dadurch Unsterblichkeit zu erlangen. Wilber (2003) beschreibt dies in einer Art Karikatur in seinem Buch Boomeritis. Es befasst sich damit, welche Bewusstseinsstufe von Spiral Dynamics letzten Endes downgeloadet werden sollte.
Dieser Irrsinn hätte nie ernsthaft Fuss fassen können, wenn Traumatisierungen nicht weit verbreitet wären (s. Kapitel 2.1 und 2.2). Denn eine mögliche Folge von Trauma ist der Wunsch, den Körper zu eliminieren, da er die Quelle von Schmerz und Leid ist.
Der moderne Westen ist die erste Zivilisation, welche das Geistige vollkommen leugnete. Materialismus bedeutet, dass eine geistige Welt nicht existiert. Im 19. Jahrhundert gesellte sich Darwins Evolutionstheorie dazu, welche davon ausgeht, der Mensch wäre durch Zufall und Selektion entstanden und hätte sich dadurch zu einem höheren Säugetier entwickelt. Auf dieser Basis entwickelte sich die Verhaltenspsychologie, welche ausgehend von Pavlows Experimenten mit Hunden den Schluss zieht, dass der Mensch über Reiz und Reaktion konditionierbar und steuerbar ist (Atkinson et al., 1990). Reiz und Reaktion sind beobachtbar, was im System Mensch passiert, wurde zur Blackbox erklärt. Die Verhaltenspsychologie bleibt deshalb Symptombehandlung, weil sie nicht in die Blackbox schaut. Dieses Verständnis prägt das Weltbild von Krankheit und Gesundheit ebenfalls massgeblich. Heute wurde die Verhaltenspsychologie zur kognitiven Verhaltenspsychologie weiterentwickelt, welche gute Dienste zur Bewältigung des Alltags leisten kann.
Auch die westliche Wirtschaft ist stark durch Orange geprägt. Sie ist ambitioniert, auf Wachstum, Innovation, Wettbewerb und individuellen Erfolg ausgerichtet, wobei sie die Realwirtschaft zunehmend verdrängt. In gesundem Mass fördert dies Unternehmertum, Kreativität und Eigeninitiative. Mit der Zeit führt dies jedoch dazu, dass die Grösseren immer schneller die Kleineren schlucken, was Wettbewerb und eine echte Konkurrenz ausser Kraft setzt. Heute sind wir bei Monopolen und Kartellen angelangt, bei wenigen mächtigen, globalen Playern, welche die gesamte Wirtschaft dominieren und mit gezieltem Lobbyismus die Politik steuern. Rügemer (2020) zeigt dies in seinem Buch «Die Kapitalisten des 21. Jahrhundert» systematisch auf. Die Pharmaindustrie beispielsweise musste in Amerika wegen illegalem Marketing, Marktmanipulation und Fehlinformation bereits viele Milliarden Busse bezahlen (Gotzsche, 2016). In den unterschiedlichsten Bereichen finden sich immer wieder die gleichen Namen, allen voran die Vermögensverwalter Blackrock, Vanguard und State Street. Diese Kartelle, welche nichts mehr mit einem gesunden Orange zu tun haben, beuten Mensch, Tier und Natur rücksichtslos aus.
Durch die Industrialisierung und der damit verbundenen Effizienzsteigerung wurden Arbeitsplätze geschaffen, welche durch Fliessbandarbeit, zunehmende Bürokratisierung und Spezialisierung ganzheitliche Tätigkeiten immer mehr zerstückelten (St. Louis, 2015). Der Mensch konnte dadurch nicht mehr erfahren, wie durch seinen Beitrag etwas Ganzheitliches erschaffen wird. Dies hatte massive Auswirkungen auf die Sinnhaftigkeit, auf das Interesse an der Arbeit und auf das Verantwortungsgefühl. Man wurde zu einem ohnmächtigen, unbedeutenden Rädchen im System, welches die Bedürfnisse dieser Entwicklungsstufe nach Selbstbestimmung und Eigenständigkeit erstickte.
Bei der Entwicklung des Kindes beginnt diese Bewusstseinsstufe mit der Pubertät. Jugendliche suchen nach einer eigenen Identität und streben nach mehr Selbstbestimmung und Eigenständigkeit, Autoritäten werden zunehmend in Frage gestellt.
Mit dem Hinterfragen von Autoritäten und dem eigenständigen Prüfen derer Aussagen klappt es in unserer Gesellschaft grösstenteils noch nicht, wie das blinde Befolgen sinnloser Corona-Massnahmen zeigte. Hier wurde der alte Glaube an die Vorgaben der Kirche einfach ersetzt durch den Glauben an das, was die Wissenschaft sagt: eine sogenannte Wissenschaft, welche diesen Namen nicht verdient.
Das Ausmass von Obrigkeitsgläubigkeit und der Einfluss der Autorität im «Kittel in Weiss» verdeutlichte das mittlerweile berühmte Milgram-Experiment nach dem 2. Weltkrieg (Stroebe et al., 1992). Bei diesem Experiment mussten Versuchspersonen Lernende mit zunehmend höheren Stromstössen bestrafen, wenn sie Fehler machten, wobei von Seite des Versuchsleiters Druck aufgesetzt wurde, wenn sie sich weigerten. Bei den Lernenden handelte es sich um Schauspieler/innen, welche je nach Intensität der Stromstösse Schmerzen signalisierten. 62.5% der Versuchspersonen zeigten maximalen Gehorsam und gaben sehr gefährliche bis tödliche Stromstösse. Fast alle Versuchspersonen machten weiter (92%), wenn sie die Stromstösse nicht selbst verabreichen mussten. Stiegen jedoch zusätzliche Versuchsleiter aus, machten «nur» noch 10% der Versuchspersonen weiter. Bereits Milgram versuchte neben den situativen Einflüssen herauszufinden, ob es personelle Unterschiede zwischen den Versuchspersonen gab. Dies führte aber zu keinen Erkenntnissen. Heute könnte beispielsweise untersucht werden, ob die Fähigkeit zum eigenen Denken die individuellen Unterschiede erklären könnte.
Damit niemand mehr sagen kann, er oder sie hätte bloss Befehle und Anweisungen befolgt, gibt es heute den Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit (auf Englisch treffender crimes against humanity