Inspektor Jury spielt Katz und Maus - Martha Grimes - E-Book

Inspektor Jury spielt Katz und Maus E-Book

Martha Grimes

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Beschreibung

Inspektor Jury und sein Team ermitteln in einem idyllischen englischen Jägerdörfchen.

Erdrosselte und vergiftete Haustiere sind nur der Anfang – bald werden in dem romantischen englischen Jägerdörfchen Ashdown Dean auch drei Menschen ermordet. Stecken womöglich geheime Machenschaften im Rumford-Tierversuchslabor hinter den furchtbaren Verbrechen? Oder könnte die Baronin de la Notre ein falsches Spiel spielen? Ohne Hilfe von oberster Stelle kommt die Polizei nicht weiter, und so nehmen Superintendent Richard Jury, sein Assistent Wiggins und sein adliger Freund Melrose Plant die Fährte des mysteriösen Täters auf. Ein aufregendes Katz-und-Maus-Spiel beginnt …

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Seitenzahl: 306

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Martha Grimes

Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Roman

Buch

Die Originalausgabe erschien 1985 unter dem Titel »The Deer Leap« bei Little, Brown and Company, Boston/Toronto.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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1. Auflage Taschenbuchausgabe März 2009 Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Copyright © der Originalausgabe 1985 by Martha Grimes Deutsche Erstausgabe Rowohlt Verlag, Reinbek 1993 Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2009 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Alle Rechte an der Übertragung ins Deutsche bei Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg Umschlaggestaltung: Design Team München Umschlagmotiv: Masterfile / Sherman Hines

ZUM GEDENKEN AN MEINEN VATER

War es ein schöner Tag zum Sterben – Und schien die Sonne auch auf ihn –

Der wunde Hirsch – am höchsten springt – Hör ich den Jäger sagen – Es ist die Todeseuphorie –

Inhaltsverzeichnis

Buch und AutorinCopyrightWidmungERSTER TEIL - GUTE NACHT! WER HAT DIE KERZE AUSGEMACHT?
Kapitel 1Kapitel 2
ZWEITER TEIL - WAS FÜR EIN GASTHAUS IST’S, WO FÜR DIE NACHT EIN SELTSAM REISENDER EINKEHRT?
Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5
DRITTER TEIL - KINDER – AM ANFANG SCHON BETROGEN, BETRÜGER WERDEN SIE –
Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20
VIERTER TEIL - AUCH – IHR – VERHARRT IM DUNKELN
Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25
FÜNFTER TEIL - UND ES WIRD NACHT – IN NEST UND ZWINGER –
Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29
SECHSTER TEIL - ERINNERUNG AUS AMETHYST IST ALLES, WAS ICH HAB –
Kapitel 30Kapitel 31

ERSTER TEIL

GUTE NACHT!

1

SEIT ZWEI TAGEN suchte Una Quick ihren Hund Pepper.

Immer, wenn jemand den Laden mit der Poststelle in Ashdown Dean betrat (wo Una seit fünfundvierzig Jahren Briefmarken und Waren aller Art feilhielt), stellte sie dieselben Fragen und zögerte die Ausgabe von Briefen, Konserven und halben Broten so lange hinaus, wie sie seine Aufmerksamkeit fesseln konnte. Mittlerweile kannten die Leute in Ashdown Peppers Gewohnheiten in- und auswendig. »Ist wahrscheinlich nur weggelaufen, oder jemand hat ihn mitgenommen. Und vergessen Sie das Labor nicht«, fügte Sebastian Grimsdale hinzu, wie üblich äußerst zartfühlend. Während dieser zwei quälenden Tage würzte Sebastian das Thema mit Anspielungen auf Hunde- und Katzenfänger und versäumte nie, hier und da das Labor in Rumford zu erwähnen, wo sie, laut Mr. Grimsdale, alle möglichen grässlichen Experimente machten. Wenn er Una Quick dann zum Weinen gebracht hatte, sagte er, sie solle sich keine Sorgen machen, und zog mit seiner Post und seiner Büchse Tomatensuppe von dannen. Letztere verlängerte er später für die Gäste im »Haus Diana« zu etwas, das kaum dicker als Wasser, aber beträchtlich dünner als Blut war. Blut war sein Metier: Sebastian Grimsdale war passionierter Jäger, als Master hatte er sogar seine eigene Meute. Nur ein einziges Mädchen für alles und den Aufseher für die Jagdhunde, Donaldson, hatte er in Lohn und Brot. Ein großartiger, typisch schottischer Pirschjäger. Grimsdale jagte lieber in Exmoor, dort war das Wild größer. Damit war’s aber erst mal bis zum Frühjahr vorbei, verflucht. Das versetzte ihn in noch schlechtere Laune, als er sie eh hatte. Nur der Gedanke an die Jagd in fünf Tagen heiterte ihn auf – auch wenn es natürlich etwas völlig anderes war, den Zwölfender zu stellen, statt den Fuchs zu jagen. Na ja, in der Zwischenzeit nahm er sein Gewehr mit zum Teich, mal sehn, was da vorüberflog …

Wenn die arme Una Quick sich ans Herz griff – sie »hatte es am Herzen«, wie sie ihren Zustand beschrieb –, stellten die meisten Bewohner Ashdowns weniger harsche, optimistischere Prognosen. »Pepper kommt zurück, Sie werden schon sehen, meine Liebe«, sagte ihre Nachbarin Ida Dotrice. »Sie wissen doch, wie die sind. Eines Tages stehn sie einfach wieder vor der Tür, als ob nichts gewesen wäre …«

Una war sich da nicht so sicher. Immerhin war Pepper schon zwei Tage weg.

Die kleine Mrs. Ashley – ihr Baby saß in einer weißen Wolke aus Decken, in der das kleine Mondgesicht fast verschwand – tröstete Una und erzählte ihr die Geschichte von »den Hunden und der Katze, die Hunderte von Kilometern gelaufen sind und nach Hause gefunden haben«. Mrs. Ashley keuchte leise, als hätte sie gerade selbst diese lange Reise hinter sich, und stopfte ein Glas Marmite und Brot in ihre Einkaufstasche. Und redete weiter über die Tiere: »… den ganzen Weg von Schottland bis hierher. Haben Sie das Buch nicht gelesen? Hätten Sie lesen müssen, eine Siamkatze war dabei, Sie wissen ja, wie klug die sind … Wie viel kriegen Sie? Es wird aber auch alles jeden Tag teurer. Und was allein schon Hundefutter kostet … Oh, Verzeihung, Miss Quick. Aber den Roman müssen Sie sich besorgen.« An den Titel konnte sie sich nicht mehr erinnern. »Jetzt regen Sie sich mal nicht so auf! Tschüss.«

Durch Schottland pilgernde Siamkatzen konnten Una Quick herzlich wenig trösten. Mit jedem Schlag der Kirchturmglocke, die sie daran gemahnte, dass jeder, auch Pepper, vor seinen Schöpfer treten muss, wurde sie blasser. Der Pfarrer, ein winziger Mann, der herumzuhüpfen pflegte, als ob seine Schuhe gefedert waren, hatte Una mit seinen Ausführungen über das Jüngste Gericht auch nicht geholfen.

Am dritten Tag fand sie Pepper. Der braungefleckte Hund lag steif wie ein Brett in dem kleinen Schuppen hinter ihrem Cottage, wo sie ihre Gartengeräte aufbewahrte, unter anderem auch das Unkrautvertilgungsmittel. Die Tür war, das wusste sie ganz genau, mit einem Riegel versperrt gewesen.

Una brach zusammen. Ida Dotrice, die eigentlich nur zum Telefonieren gekommen war, fand sie und erweckte sie aus ihrer Ohnmacht. Am Tag von Peppers Beerdigung im Hinterhof von Arbor Cottage war die Post zum allerersten Mal nachmittags geschlossen. Una, ganz in Schwarz, wurde von Ida und ihrer anderen Nachbarin, Mrs. Thring, gestützt. Der Pfarrer hatte sich überreden lassen, an dem kleinen Grab zu predigen.

Paul Fleming, Dorftierarzt und Mitarbeiter im Rumforder Labor, behauptete, es sei zweifelsfrei das Unkrautvertilgungsmittel gewesen. Una fragte ihn, wie Pepper es denn geschafft haben solle, den Riegel aufzuschieben. Aber alle wussten ja, dass Una manchmal mit den Gedanken ganz woanders war und die Tür auch selber offen gelassen haben konnte. Paul Fleming zuckte die Achseln und sagte nichts.

Muriel und Sissy, die Potter-Schwestern, waren in Ashdown Dean vor allem deshalb in aller Munde, weil sie kaum jemand wirklich kannte. Sie hielten Jalousien und Türen geschlossen und verschanzten sich dahinter. Lebensmittel ließen sie sich von einem Jungen aus dem Dorf bringen, Post bekamen sie nicht. Wenn sie doch einmal auftauchten, war die eine schwarz und die andere malvenfarben gekleidet, als seien sie im ersten und zweiten Stadium der Trauer in viktorianischen Zeiten. Es war ein richtiges Ereignis, als sie einmal das Café »Dornenrose« in der High Street beehrten und das berühmte Gebäck des Inhabers kosteten.

Jahrelang hatten sie sich so abgeschottet, und jetzt, einen Tag nach Peppers Tod, verließen sie mit ihrer Katze, die in eine Decke gehüllt war, das Haus und stiegen in ihren uralten Morris.

Wie der heilige Gottseibeiuns fuhr Sissy die Straße zum Dorf hinaus, zu Dr. Flemings Praxis.

Ohne Katze kamen sie zurück und schlossen sich wieder ein.

Gerald Jenks, ein sauertöpfischer Mensch, hatte den Fahrradladen am Dorfrand und besaß einen Spitz, der genauso mürrisch war wie er selbst. Wie ein Wachhund war er vor dem verlotterten Laden an einem Pfosten angebunden. Was es zu bewachen gab, wusste keiner so recht. Nur Gerald hätte in den unübersichtlichen Haufen von Rädern, Ersatzteilen und -stücken noch etwas halbwegs Verwertbares gefunden.

Einen Tag nachdem die Katze der Potter-Schwestern an einer Überdosis Aspirin gestorben war, fand Jenks seinen Hund, der sich in einer rostigen Fahrradkette verfangen und bei seinen Befreiungsversuchen stranguliert hatte.

Es war, als bringe sich die Tierpopulation von Ashdown Dean systematisch selbst um. Oder aber sie wurde umgebracht.

Drei Tage später lag Una Quick immer noch im Bett. Seit der Beerdigung war sie nicht mehr aufgestanden. Starr und steif lag sie da, die Hände auf der Brust gefaltet, eine Votivkerze brannte neben ihr.

Der Pfarrer hatte eigentlich nicht für Pepper predigen wollen, das wusste sie genau. Das war unter seiner Würde. Dieser Angsthase! Manche Leute kapierten einfach nicht, wie sehr man an einem Tier hängen konnte.

Hier in dem winzigen Cottage – drei kleine Zimmer und Küche – hatte sie zwanzig Jahre lang eine quengelige alte Mutter gepflegt. Und fünfundvierzig Jahre den Laden und die Poststelle betrieben. Von den Dorfbewohnern hatte sie dafür keinen Dank geerntet. Sie hatte Suppe verkauft und Post sortiert. Warum sollte sie sich dann nicht auch ab und zu mal einen Spaß damit erlauben? Ein Hauch Parfüm auf den Briefen an Paul Fleming … Er sah gut aus, hielt sich für Gott weiß was für einen Frauenhelden. Die Kerze flackerte in einem Windhauch. Eine hatte sie bei der Beerdigung getragen, und als die ausging, hatte sie eine neue angezündet und dann noch eine. Hatte Wache gehalten. Sie witterte den Sturm, der mit der Brise kam. Una hatte das Gefühl, er lauerte da draußen wie der Tod.

Sie zuckte zusammen, wieder war ihr, als umschließe sie unter der Brust ein stählernes Band. Ihr Herz flatterte unregelmäßig wie ihr Atem. Direkt nach der Beerdigung war Dr. Farnsworth kurz dagewesen, um sie noch einmal zu untersuchen. Ob er ärgerlich wurde, wenn sie ihn am Montag anrief? Heute Abend? Anstatt Dienstag, wie sie es vereinbart hatten?

Das Band lockerte sich, und das beklemmende Gefühl ließ nach. Nein, sie durfte sich nicht die schlechten Manieren anderer Patienten angewöhnen. Er hatte den Arm um ihre Schulter gelegt, freundlich gelacht und gesagt, sie solle nicht dauernd über ihr Herz reden, davon würde alles nur noch schlimmer. Pepper war tot. Arsen. Es war bestimmt grauenhaft gewesen …

Hinten im Zimmer klingelte das Telefon, und sie überlegte, ob sie sich hinschleppen sollte. Es klingelte immer weiter. Sie schlüpfte in die Hausschuhe und nahm ab.

Die Stimme war merkwürdig, wie erstickt.

Was sie sagte, war noch merkwürdiger.

Sie wischte sich Schweißtropfen von der Stirn, die so kalt waren wie Perlen.

2

GEMEINHIN WAR POLLY PRAED in der Öffentlichkeit völlig verschüchtert, aber diese Frau in der Telefonzelle hätte sie erwürgen können. Zumindest glaubte sie, dass es sich um eine Frau handelte. Es war schwer zu erkennen; der Regen floss in Strömen an dem Telefonhäuschen herunter. Pollys gelber Regenmantel war durchweicht, das Wasser sprühte ihr wie Gischt in die Augen. Ein Zickzackblitz färbte das blutrote Häuschen einen Moment lang knallgelb, aber diese dämliche Kuh quasselte einfach weiter.

Wenn Polly nicht sowieso schon völlig fertig gewesen wäre, hätte sie nicht daran gedacht, gegen die Glastür zu hämmern, ebenso wenig, wie sie auf die Idee verfallen wäre, bei der alljährlichen Verleihung des Booker-Preises eine Rede zu halten. Aber die Gelegenheit würde sie eh nie kriegen. Die Bäume zu beiden Seiten der High Street würden den Preis gewandter entgegennehmen als Polly Praed. Jetzt schon zehn Minuten. Zehn Minuten. Am liebsten hätte sie geschrien.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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