Integrierte Methodik in der Sozialen Arbeit - Michael Noack - E-Book

Integrierte Methodik in der Sozialen Arbeit E-Book

Michael Noack

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Beschreibung

In diesem Lehrbuch wird ein Phasenmodell für methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit entworfen, das die wichtigsten Konzepte, Methoden und Verfahren entlang von fünf Hilfeschritten aufbereitet: Situationserfassung, Situationsanalyse, Interventionsplanung, Interventionsdurchführung und Interventionsevaluation. Dabei wird auch erörtert, für welche der drei zentralen sozialen Arbeitsformen - Einzelfall-, Gruppen- und Gemeinwesenarbeit - sich die jeweiligen Konzepte, Methoden und Verfahren eignen. Welche Konzepte, Methoden und Techniken in den einzelnen Hilfeschritten geeignet sind und wie sie sich in der Praxis anwenden lassen, wird anhand von Fallgeschichten verdeutlicht.

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Inhalt

Cover

Titelei

Vorwort zur Reihe

Zu diesem Buch

Einleitung

Teil I: Grundlagen

1 Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit

1.1 Was ist Soziale Arbeit?

1.2 Was kennzeichnet methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit?

1.3 Berufliche Ethik

1.4 Berufsethische Prinzipien

1.5 Wissen, Kompetenzen und methodisches Handeln

1.5.1 Wissen

1.5.2 Professioneller Habitus

1.5.3 Fallkompetenz

1.5.4 Systemkompetenz

1.5.5 Selbstkompetenz

1.6 Geschichte methodischen Handelns

1.6.1 Erste Phase: Beginn der Methodenentwicklung zu Beginn des 20. Jahrhunderts

1.6.2 Zweite Phase: Übernahme amerikanischer Methoden nach dem Zweiten Weltkrieg

1.6.3 Dritte Phase: Methodenkritik (ab etwa 1968 bis 1975)

1.6.4 Vierte Phase: Ausdifferenzierung methodischer Ansätze

1.7 Grundbegriffe methodischen Handelns

1.7.1 Konzept

1.7.2 Methode und methodisches Handeln

1.7.3 Verfahren

1.7.4 Einzelfallarbeit

1.7.5 Gruppenarbeit

1.7.6 Gemeinwesenarbeit

Teil II: Vergleich integrativer Handlungsmodelle

2 Modelle methodischen Handelns

2.1 Merkmale für den Vergleich methodenintegrativer Handlungsmodelle

2.2 Vergleich methodenintegrativer Handlungsmodelle

Teil III: Integrierte Methodik Sozialer Arbeit

3 Rückschlüsse aus dem Modellvergleich

3.1 Erfassung von Fallsituationen und -kontexten

3.2 Trennung von Situationserfassung und -analyse

3.3 Situationsanalyse, um personen-‍, einzelfall-‍, gruppen- und gemeinwesenbezogener Themen zu klären

3.4 Unterscheidung von Zielentwicklung und Interventionsplanung

3.5 Verknüpfung von Interventionsdurchführung und -monitoring

3.6 Berücksichtigung der Nichtlinearität von Interventionsprozessen

3.7 Berücksichtigung der zirkulären Methodenanwendung

3.8 Ergänzung methodischer Ansätze für die Gemeinwesenarbeit

4 Möglichkeiten und Grenzen integrierten methodischen Handelns

5 Situationserfassung

5.1 Einzelfallbezogene Situationserfassung

5.1.1 Personenzentrierte Gesprächsführung

5.1.2 Willenserkundung

5.1.3 Ressourcenerkundung

5.1.4 Aktendurchsicht

5.2 Gruppenbezogene Situationserfassung

5.2.1 Persönliche Situationserfassung im Mikrobereich

5.2.2 Interaktive Situationserfassung im Mikrobereich

5.2.3 Situationserfassung im Mesobereich

5.2.4 Situationserfassung im Makrobereich

5.3 Gemeinwesenbezogene Situationserfassung

5.3.1 Aktivierende (Haustür-)‌Gespräche: Voruntersuchung

5.3.2 Aktivierende (Haustür-)‌Gespräche: Gesprächsdurchführung

6 Situationsanalyse

6.1 Personenbezogene Situationsanalyse mit der Motivierenden Gesprächsführung

6.2 Einzelfallbezogene Situationsanalyse

6.2.1 Doppelte Fallanalyse

6.2.2 Klärung der Einzelfallthematik

6.2.3 Einschätzung und Abwendung von Kindeswohlgefährdung mit Signs of Safety

6.2.4 Zielentwicklung

6.3 Gruppenbezogene Situationsanalyse

6.3.1 World-Café in großen Wahlgruppen

6.3.2 Konsensfindung in kleinen Wahlgruppen

6.3.3 Zielentwicklung in Wahl- und Funktionsgruppen mit der Ziellandkarte

6.4 Gemeinwesenbezogene Situationsanalyse bei der Bewohnerversammlung

7 Interventionsplanung

7.1 Personenbezogene Interventionsplanung mit der Motivierenden Gesprächsführung

7.2 Einzelfallbezogene Interventionsplanung

7.2.1 Operationalisierung von Teilzielen

7.2.2 Interventionsplanung bei Kindeswohlgefährdung mit dem Ansatz Signs of Safety

7.2.3 Kollegiale Beratung

7.2.4 Familienrat

7.3 Gruppenbezogene Interventionsplanung mit der Ziel-Weg-Methode

7.4 Gemeinwesenbezogene Interventionsplanung mit der Zukunftswerkstatt

8 Interventionsdurchführung

8.1 Personenbezogene Interventionsdurchführung mit der Motivierenden Gesprächsführung

8.2 Einzelfallbezogene Interventionsdurchführung mit der Sozialpädagogischen Familienhilfe

8.3 Gruppenbezogene Interventionsdurchführung

8.3.1 Erlebnispädagogik

8.3.2 Soziale Arbeit mit Gruppen im Zwangskontext

8.4 Gemeinwesenbezogene Interventionsdurchführung

8.4.1 Netzwerkarbeit im Gemeinwesen

8.4.2 Aufsuchende Arbeit im Gemeinwesen

8.4.3 Öffentlichkeitsarbeit im Gemeinwesen

9 Interventionsevaluation

9.1 Einzelfallbezogene Interventionsevaluation

9.1.1 Interventionsevaluation einer beendeten Einzelfallhilfe

9.1.2 Interventionsevaluation bei der Fortschreibung einer Einzelfallhilfe

9.2 Gruppenbezogene Interventionsevaluation

9.2.1 Evaluationssonne

9.2.2 Standardisierte Evaluationsbefragungen

9.3 Gemeinwesenbezogene Interventionsevaluation

9.3.1 Evaluation aktivierender (Haustür-)‌Gespräche

9.3.2 Evaluation der Aktivitäten von Interessensgruppen

10 Ausblick

Literatur und Anhang

Literatur- und Quellenangaben

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Sachregister

Grundwissen Soziale Arbeit

Herausgegeben von Rudolf Bieker

Das gesamte Grundwissen der Sozialen Arbeit in einer Reihe: theoretisch fundiert, immer mit Blick auf die Arbeitspraxis, verständlich dargestellt und lernfreundlich gestaltet – für mehr Wissen im Studium und mehr Können im Beruf.

Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

https://shop.kohlhammer.de/grundwissen-soziale-arbeit

Der Autor

Professor Dr. Michael Noack lehrt Methoden der Sozialen Arbeit mit dem Schwerpunkt Gemeinwesenarbeit/Quartiermanagement am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Seine Arbeitsschwerpunkte sind sozialräumliche Organisations- und Netzwerkentwicklung, methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit sowie Einsamkeitsforschung.

Michael Noack

Integrierte Methodik in der Sozialen Arbeit

Einzelfall-‍, gruppen- und gemeinwesenbezogen intervenieren

Verlag W. Kohlhammer

Für Lena

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1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-036893-4

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-036894-1epub: ISBN 978-3-17-036895-8

Vorwort zur Reihe

Mit dem so genannten »Bologna-Prozess« galt es neu auszutarieren, welches Wissen Studierende der Sozialen Arbeit benötigen, um trotz erheblich verkürzter Ausbildungszeiten auch weiterhin »berufliche Handlungsfähigkeit« zu erlangen. Die Ergebnisse dieses nicht ganz schmerzfreien Abstimmungs- und Anpassungsprozesses lassen sich heute allerorten in volumigen Handbüchern nachlesen, in denen die neu entwickelten Module detailliert nach Lernzielen, Lehrinhalten, Lehrmethoden und Prüfungsformen beschrieben sind. Eine diskursive Selbstvergewisserung dieses Ausmaßes und dieser Präzision hat es vor Bologna allenfalls im Ausnahmefall gegeben.

Für Studierende bedeutet die Beschränkung der akademischen Grundausbildung auf sechs Semester, eine annähernd gleich große Stofffülle in deutlich verringerter Lernzeit bewältigen zu müssen. Die Erwartungen an das selbstständige Lernen und Vertiefen des Stoffs in den eigenen vier Wänden sind deshalb deutlich gestiegen. Bologna hat das eigene Arbeitszimmer als Lernort gewissermaßen rekultiviert.

Die Idee zu der Reihe, in der das vorliegende Buch erscheint, ist vor dem Hintergrund dieser bildungspolitisch veränderten Rahmenbedingungen entstanden. Die nach und nach erscheinenden Bände sollen in kompakter Form nicht nur unabdingbares Grundwissen für das Studium der Sozialen Arbeit bereitstellen, sondern sich durch ihre Leserfreundlichkeit auch für das Selbststudium Studierender besonders eignen. Die Autor:innen der Reihe verpflichten sich diesem Ziel auf unterschiedliche Weise: durch die lernzielorientierte Begründung der ausgewählten Inhalte, durch die Begrenzung der Stoffmenge auf ein überschaubares Volumen, durch die Verständlichkeit ihrer Sprache, durch Anschaulichkeit und gezielte Theorie-Praxis-Verknüpfungen, nicht zuletzt aber auch durch lese‍(r)-freundliche Gestaltungselemente wie Schaubilder, Unterlegungen und andere Elemente.

Prof. Dr. Rudolf Bieker, Köln

Zu diesem Buch

Welche Ansätze als methodische Vorgehensweisen für berufliches Handeln in der Sozialen Arbeit gelten können, ist nach wie vor Gegenstand fachwissenschaftlicher Debatten. In der Sozialen Arbeit gibt es bisher weder einen Methodenkanon im Sinne einer allgemein anerkannten Zusammenstellung von Methoden noch allgemein anerkannte Vorgehensweisen methodischen Handelns. Dies lässt sich an der vielfältigen Publikationslandschaft zum methodischen Handeln in der Sozialen Arbeit erkennen.

Die fortlaufenden Debatten über methodische Ansätze und methodisches Handeln sind vor dem Hintergrund erklärbar, dass Soziale Arbeit seit ihrer Entstehung ad hoc und flexibel auf gesellschaftliche Transformationsprozesse reagiert. Insofern kann die kontinuierliche Methodendebatte als Entwicklungstreiber für methodische Ansätze und methodisches Handeln begriffen werden. Zu dieser Entwicklung trägt dieses Buch bei.

Es resultiert aus der Beobachtung, dass es bisher keine methodenintegrativen Modelle gibt, die methodische Ansätze aus der Einzelfall-‍, der Gruppen- und der Gemeinwesenarbeit beinhalten. Um ein solches Modell zu entwickeln, wurden bestehende methodenintegrative Modelle miteinander verglichen.

Aus dem Vergleich ließen sich fünf methodische Hilfeschritte ableiten: Situationserfassung, Situationsanalyse, Interventionsplanung, Interventionsdurchführung und Interventionsevaluation. Auf diesen Hilfeschritten basiert das Modell »Integrierte Methodik Sozialer Arbeit« (IMSA). Das Modell bietet Orientierung für das Studium und die Berufspraxis, ohne methodisches Handeln zu standardisieren und zu linearisieren. Jedem Hilfeschritt wurden methodische Ansätze für die drei zentralen Arbeitsformen – Einzelfall-‍, Gruppen- und Gemeinwesenarbeit – zugeordnet. Praxis- und Fallbeispiele stellen den Bezug zur Praxis her und verdeutlichen, wie die drei Arbeitsformen der Sozialen Arbeit in einem konkreten Fall miteinander verwoben sein können und dass die Hilfeschritte nicht als lineare Abfolge missverstanden werden dürfen.

Das Buch kann sowohl angehenden als auch im beruflichen Leben stehenden Sozialarbeiter:innen als Reflexionsfolie für methodisches Handeln dienen.

Für inhaltliche Hinweise und Anregungen zur Bestimmung des Methodenbegriffs, zur Unterscheidung von methodenclusternden und methodenintegrativen Modellen sowie zur Definition von Hilfeschritten bedanke ich mich herzlich für den teils sehr zeitintensiven Austausch mit Professor Dr. Rudolf Bieker, Professor Dr. Stefan Godehardt-Bestmann, Professor Dr. Wolfgang Hinte, Professor Dr. Felix Nuss, Professor Dr. Gaby Reinhard und Professor Dr. Sven Steinacker.

Darüber hinaus gilt mein Dank den Studierenden am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Niederrhein, die seit 2017 meine Vorlesung »Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit« besuchen. Sie waren durch ihre kritischen Rückmeldungen, Anregungen und Bestätigungen aktiv an der Entwicklung des Modells »IMSA« beteiligt. Büsra Celik, Julia Patzak und Maria vom Stein haben das Buch aus studentischer Perspektive gelesen und wertvolle Hinweise zur Verständlichkeit gegeben. Jan Hoffmann und Renate Noack haben das Buchprojekt über mehrere Jahre durch eine solide Textkorrektur begleitet, auch dafür vielen Dank.

Prof. Dr. Michael Noack, Mönchengladbach, Januar 2024

Einleitung

Beginnen wir mit einer fiktiven, aber nicht unwahrscheinlichen Geschichte. Eine Studierende der Sozialen Arbeit ist über die Weihnachtsfeiertage in ihre Heimatstadt gefahren. Sie trifft sich eines Abends mit ihren Schulfreund:innen, die sie einige Jahre lang nicht mehr gesehen hat. Irgendwann dreht sich das Gespräch darum, was die anderen studieren und welche beruflichen Ziele sie verfolgen.

Ein ehemaliger Klassenkamerad der Studierenden berichtet von seinem Jurastudium und erntet anerkennendes Nicken. Eine angehende Ärztin platzt fast vor Stolz, als sie darüber berichtet, dass sie bald ihren Abschluss als Fachärztin geschafft hat. Irgendwann wird die Studentin der Sozialen Arbeit von ihrem ehemaligen Klassenkamerad:innen gefragt: »Was wird aus Dir eigentlich?« Selbstbewusst erklärt sie: »Ich studiere Soziale Arbeit und arbeite später mit Menschen umfassend, also nicht allein krankheitsbezogen oder wegen rechtlicher Fragen. Wir müssen stets den gesamten Alltag der Leute und ihre Lebensbedingungen im Blick haben, da können rechtliche Fragen wichtig sein, aber auch medizinische. Wenn ich mit Menschen sozial arbeite, ist das immer so ein bisschen wie ein Unikat. Die Menschen ticken ja unterschiedlich, haben verschiedene Einkommen, leben mal in guten Gegenden, aber auch in ärmeren Wohngebieten. Ich lerne gerade, wie ich Menschen dabei unterstützen kann, ihre Lebensbedingungen so zu gestalten, dass sie zufrieden leben können. Da gibt es verschiedene Methoden. Aber eigentlich muss ich mit jedem Menschen immer wieder neu überlegen, wie ich unterstützen kann. Das ist echt spannend.«

In dieser fiktiven Anekdote hat die Studentin die Quintessenz methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit veranschaulicht. Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen, Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen (im Folgenden: Sozialarbeitende) gehen sowohl planmäßig als auch schöpferisch vor, wenn sie mit Menschen arbeiten.

In diesem Buch werden Personen, mit denen Fachkräfte sozial arbeiten, nicht als Adressat:innen oder Klient:innen bezeichnet, sondern als Menschen. Insbesondere der Begriff »Klient:in« kann einer paternalistischen, defizitorientierten und expertokratischen Haltung Vorschub leisten (vgl. Höllmüller, 2020). Wenn Menschen als eigensinnige Subjekte in den Blick genommen werden und nicht als defizitbehaftete Adressat:innen oder Klient:innen, fördert dies eine fachliche Haltung, aus der heraus ebendiese Menschen durch methodisches Handeln dabei unterstützt werden, »selbst die Antworten auf ihre Fragestellungen und die Lösungen für ihre Problemlagen« (ebd., o. S.) zu entwickeln.

Eine solche Haltung kann auch dafür sensibilisieren, dass Methoden keine Werkzeuge sind, mit denen sich menschliches Verhalten und Lebensverhältnisse, die den Alltag von Menschen prägen, technologisch zuverlässig ändern lassen. Mit Methoden kann das Hilfegeschehen weder vorkalkuliert werden noch lässt sich prognostizieren, welche Hilfefolgen durch welche Methoden bei unterschiedlichen Menschen ausgelöst werden.

Daher ist es günstig, wenn Sozialarbeitende wie Maler:innen, die ihre Farbpalette für ein neues Bild mischen, methodische Ansätze ausgehend von den Interessen, Ressourcen und Bedarfen der Menschen zu einzigartigen Mosaiken zusammenfügen.

Methodisches Handeln ist also von schlichten Regelanwendungen abzugrenzen, wie sie im Handwerk als »fachgerechte Ausführung« oder in der staatlichen Verwaltung als korrekte Anwendung von Rechtsnormen existieren. Allerdings ist auch die Beschränkung auf intuitives oder erfahrungsbezogenes Handeln für die sozialarbeiterische Berufspraxis unzureichend. Methodisches Handeln erfordert eine strukturierte Offenheit, um nicht standardisiert zu intervenieren, sondern methodische Ansätze ausgehend von den Interessen und der Lebenssituation der Menschen anzuwenden und ggf. miteinander zu kombinieren. Dafür müssen sich Sozialarbeitende mit der Vielfalt methodischer Ansätze auseinandersetzen, um mit den Menschen situationsspezifisch einzuschätzen, welcher Ansatz für die Interventionsgestaltung in Frage kommt.

In diesem Buch geht es um Grundlagen- und Anwendungswissen für methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit. Neben relevanten theoretischen Grundlagen, die dabei helfen, methodisches Handeln zu verstehen und zu reflektieren, werden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zahlreiche methodische Ansätze vorgestellt. Dieses Wissen bietet eine Orientierung, wie nach den »Regeln der Kunst« (Kreft, Spatscheck, 2023, S. 15) sozial gearbeitet werden kann.

Es gibt rechtliche und berufsethische Gründe dafür, methodisch fit zu sein. Einerseits lässt sich seit den 1990er Jahren eine intensive Qualitätsdebatte in nahezu allen sozialarbeiterischen Arbeitsfeldern beobachten (vgl. Müller, 2019a, S. 21 f.). Ein Beispiel dafür ist § 79a SGB VIII, der die Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, »Maßstäbe für die Bewertung der Qualität sowie geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung für die Gewährung und Erbringung von Leistungen (...) weiterzuentwickeln, anzuwenden und regelmäßig zu überprüfen« (BMJ, o. J.). Die Qualität Sozialer Arbeit ist eng mit dem methodischen Handeln von Sozialarbeitenden verknüpft (vgl. von Spiegel, 2021, S. 86).

Andererseits spielt der Begriff »Kunstfehler«, der aus dem medizinischen Bereich stammt, auch in der Sozialen Arbeit eine Rolle. Die Verletzung fachlich-methodischer Standards aufgrund von unsachgemäßem methodischen Handeln kann zivil- und strafrechtliche Folgen haben (vgl. Kreft, Spatscheck, 2023, S. 15).

Neben rechtlichen Aspekten speist sich die Begründung, methodisch »auf der Höhe« zu sein, aus der sozialarbeiterischen Berufsethik (▸ Kap. 1.3). Sozialarbeitende sind auch für Probleme und Herausforderungen in sensiblen Lebensbereichen verletzbarer Menschen zuständig (vgl. Hochuli Freund & Stotz, 2021, S. 44). Methodisches Handeln erfordert es daher, sich mit dem berufsethischen Fundament Sozialer Arbeit auseinanderzusetzen. Auf der Grundlage eines berufsethischen Fundaments können Sozialarbeitende ihre eigene Persönlichkeit reflektiert als Werkzeug für methodisches Handeln einsetzen (vgl. von Spiegel, 2021, S. 11).

Wer reflektiert, tritt einen Schritt von sich zurück. So entsteht der notwendige Abstand, um sich selbst zu beobachten, sein methodisches Handeln und die zugrunde liegende fachliche Haltung zu hinterfragen.

Dafür ist ein Handlungsmodell als Orientierung hilfreich. Sozialarbeitende können es wie einen Kompass nutzen, um sich durch den Hilfeverlauf zu navigieren und mit den Menschen zu reflektieren, wie eine Hilfe gestaltet, durchgeführt und nachbereitet werden kann. Ein solches Handlungsmodell bildet den roten Faden dieses Buches. Es heißt »Integrierte Methodik in der Sozialen Arbeit« (IMSA), lässt sich in allen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit einsetzen und umfasst fünf Hilfeschritte.

Was sind Hilfeschritte?Unabhängig davon, ob mit einzelnen Personen, mit Familien, mit Gruppen oder mit Bewohner:innen eines Wohnquartiers gearbeitet wird: Bei der Hilfegestaltung werden verschiedene Phasen durchlaufen. Zunächst gilt es, sich mit der Lebenssituation der Menschen auseinanderzusetzen und sie zu analysieren, um die Intervention mit ihnen zu gestalten und durchzuführen. Interventionen lassen sich evaluieren, um bspw. laufende Hilfen an veränderte Bedarfe anzupassen und/oder um aus abgeschlossenen Hilfen für zukünftige zu lernen.

Integration bedeutet u. a., eine Vielheit von einzelnen Aspekten miteinander zu verbinden (vgl. Dudenredaktion, 2023d). Diese Verbindung leistet IMSA. Die Idee, unterschiedliche methodische Ansätze entlang von Hilfeschritten darzustellen, hat Konjunktur. Es existieren verschiedene methodenintegrative Handlungsmodelle, die bei der Entwicklung von IMSA berücksichtigt wurden.

IMSA ist aus einem Vergleich methodenintegrativer Handlungsmodelle hervorgegangen (▸ Kap. 2), durch den bisher noch ungenutzte Integrationsmöglichkeiten aufgedeckt wurden. Gleichzeitig wurde eine essenzielle Erkenntnis für IMSA übernommen: Hilfeschritte dienen dazu, methodisches Handeln zu reflektieren, dürfen aber nicht dazu (ver)‌führen, Interventionen zu linearisieren und zu standardisieren. In der Berufspraxis können Hilfeschritte ineinanderfließen, sich überschneiden und parallel verlaufen. Manchmal müssen Hilfeschritte rückwärts beschritten werden. Kurzum: IMSA hilft dabei, sich durch Interventionen zu navigieren, Interventionen dürfen aber nicht an IMSA angepasst werden.

Mit IMSA liegt erstmalig ein methodenintegratives Handlungsmodell vor, dem methodische Ansätze für die einzelfall-‍, gruppen- und gemeinwesenbezogene Soziale Arbeit entlang von Hilfeschritten zugeordnet wurden. Dabei wurden Schwerpunkte gesetzt. IMSA beinhaltet also nicht alle methodischen Ansätze, die sich für die Vorbereitung, Planung, Durchführung und Evaluation von Interventionen einsetzen lassen. Insbesondere bei Hochuli Freund und Stotz (2021), von Spiegel (2021), Stimmer (2020), Galuske (2013) sowie Budde, Früchtel und Cyprian (2013a und 2013b) finden sich weitere methodische Ansätze, die hier aus Kapazitätsgründen nicht thematisiert wurden.

Um die hier thematisierten Ansätze nicht nur fachwissenschaftlich darzustellen, sondern sie auch mit Leben zu füllen, begleitet der sechzehnjährige Niklas die Inhalte dieses Buches. Er ist die Hauptfigur einer fiktiven Fallgeschichte, die sich über die Darstellung der Hilfeschritte erstreckt.

Wie ist das Buch aufgebaut?Nach der Einführung in Niklas' Fallgeschichte werden im ersten Teil des Buches theoretische Grundlagen behandelt, mit denen sich methodisches Handeln verstehen und kritisch reflektieren lässt. Ohne kritische Reflexionen besteht die Gefahr, willkürlich zu handeln. Dies ist ungefähr so, als würde jemand eine Partei wählen, ohne ihre politischen Positionen zu kennen.

Es werden theoretische Grundlagen dargestellt, mit denen sich die gesellschaftlichen Aufgaben Sozialer Arbeit und sozialrechtliche, organisatorische sowie ethische Aspekte für die berufliche Praxis kritisch reflektieren lassen. Dazu gehört auch ein Blick zurück, um zu verstehen, wie sich methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit entwickelt hat. Anschließend werden Fachbegriffe definiert, die relevant sind, um sich ein Bild vom methodischen Handeln machen zu können.

Im zweiten Teil des Buches werden verschiedene methodenintegrative Handlungsmodelle miteinander verglichen. Aus dem Vergleich geht hervor, welche Aspekte bestehender Modelle in IMSA eingeflossen sind und was das Neue an IMSA ist.

Im dritten Teil werden die Hilfeschritte von IMSA vorgestellt. Jedem Hilfeschritt ist ein Kapitel gewidmet. In den Unterkapiteln werden folgende Punkte geklärt:

Was ist die Funktion des Hilfeschrittes?

Welche methodischen Ansätze können dem Hilfeschritt zugeordnet werden?

Für welche sozialarbeiterische Arbeitsform (Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit, Gemeinwesenarbeit) sind die methodischen Ansätze vorrangig geeignet?

Um die theoretische und ethische Fundierung der methodischen Ansätze nachvollziehen zu können, ist es wichtig, den ersten Teil des Buches zu kennen. Der tabellarische Vergleich methodenintegrativer Modelle im zweiten Teil dient dazu, sozialarbeitswissenschaftlich nachzuvollziehen, wie IMSA entwickelt wurde; dieser Teil kann auch übersprungen werden. Wenn Kapitel drei komplett rezipiert wird, lässt sich auch nachvollziehen, welche Logik IMSA zugrunde liegt. Die Hilfeschritte hängen miteinander zusammen, sodass es günstig ist, die Kapitel vier bis neun im dritten Teil nacheinander zu lesen. Um aber auch ein zügiges Verständnis einzelner Hilfeschritte zu ermöglichen, wurden die Kapitel für die Hilfeschritte so verfasst, dass sie sich auch ohne Kenntnis der vorherigen Kapitel verstehen lassen. Aus Querverweisen (»▸ Kap.«) geht hervor, mit welchen theoretischen und ethischen Grundlagen die methodischen Ansätze eines Hilfeschrittes korrespondieren.Darüber hinaus helfen folgende Symbole bei der Navigation durch dieses Buch:

Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuchs

Navigationshilfen für das Buch

Wenn zur Reflexion methodischen Handelns Bezug auf Theorien genommen wird, erscheint dieses Symbol.

Dieses Symbol zeigt »Merksätze in Merkkästen« an, die sich auf zuvor erörterte Fachinhalte beziehen.

Abstrakte Ausführungen werden durch Beispiele veranschaulicht.

Bevor die theoretischen Grundlagen methodischen Handelns behandelt werden, geht es um eine erste sozialarbeiterisch relevante Situation aus dem Alltag von Niklas. Die Situationen sind nummeriert, weil sie zusammenhängen. So wird es möglich, Situationsschilderungen noch einmal nachzulesen, um sich zu vergegenwärtigen, wie die Geschichte zusammenhängt.

Situation I: Niklas ist einsam

In Brützingen, einem Stadtteil der Mittelstadt Mehringen, wohnt der 16-jährige Niklas K. mit seiner Mutter Martha M., seinem Stiefvater Bernd M. und seinem vierjährigen Halbbruder, Ansgar M. Die Familie hat hier vor zwei Jahren nach der Heirat von Martha M. und Bernd M. eine Vierzimmer-Wohnung bezogen. Vorher lebte Niklas mit seinem Vater Moritz K. und seiner Mutter in der Stadt Rahlen. Als sich Martha M. vor einigen Jahren von Moritz K. scheiden ließ, weil er sehr autoritäre Erziehungsvorstellungen hatte, begann Niklas, die Schule zu schwänzen, und verließ teilweise mehrere Tage lang nicht sein Bett. Frau M. kam nicht mehr an Niklas heran, ihre Fragen nach den Gründen für sein Verhalten ließ er unbeantwortet. Daraufhin wandte sich Martha M. an das Jugendamt der Stadt Rahlen. Durch das Jugendamt wurde der Rahlener Verein für Familien e. V. damit beauftragt, eine Sozialpädagogische Familienhilfe gem. § 31 SGB VIII in der Familie durchzuführen. Im Hilfeplangespräch gem. § 36 SGB VIII wurden u. a. eine Individualbegleitung für Niklas und regelmäßige Gespräche zum Umgang mit der Scheidungssituation vereinbart. Die Hilfe verlief positiv. Frau M. nahm viel aus den Gesprächen mit der Fachkraft mit und lebte sich Schritt für Schritt in ihre neue Rolle als alleinerziehende Mutter ein. Auch Niklas' Alltag stabilisierte sich und er verfiel seltener in depressive Stimmungen. Das Hilfeplanziel »Niklas sieht seinen Vater regelmäßig« konnte jedoch nicht erreicht werden. Herr K. zog in ein anderes Bundesland und brach den Kontakt ab.

Als die Fachkraft in den Gesprächen mit Niklas und seiner Mutter eine psychotherapeutische Anbindung für Niklas anregte, brach Frau M. die Hilfe ab.

Zu seinem leiblichen Vater konnte Niklas auch in den folgenden Jahren keinen Kontakt mehr aufbauen. Nur seine Oma Anke K., die verwitwete Mutter seines leiblichen Vaters, besucht er fast jedes Wochenende. Die Eltern seiner Mutter sieht er meist nur an Weihnachten, weil sie 800 Kilometer entfernt in einer anderen Stadt leben. Die Eltern seines Stiefvaters sind bei einem Autounfall gestorben. Seit dem Umzug nach Mehringen besucht Niklas die Realschule in seinem Stadtteil Brützingen.

Der Stadtteil gilt als »heißes Pflaster«. Die Lokalpresse berichtet regelmäßig über Vandalismus und unzumutbare Wohnverhältnisse in dem von mehrgeschossigen Wohnblöcken geprägten Stadtteil. Niklas besucht die neunte Klasse. Er mag die 1960er und 1970er Jahre sehr. Ihn faszinieren die damals stattfindenden Jugendbewegungen und -proteste. Wenn er sich die aktuelle Weltlage anschaut, fragt er sich oft, warum so wenige Leute in seinem Alter politisch aktiv sind. Und schlimmer noch: Immer, wenn er in der Schule, vor allem in den Fächern Politik und Ethik, mit seinen Lehrkräften über politische Themen diskutiert, hat er das Gefühl, dass ihn seine Mitschüler:innen noch stärker meiden als zuvor. Seit einiger Zeit hält er sich bei solchen Diskussionen zurück, weil er merkt, wie sich sein Hals zuschnürt und sein Herz rast, sobald er vor der Klasse sprechen soll. Niklas hat nur zu Thomas, seinem Sitznachbarn, gelegentlichen Kontakt. Zu seinen Geburtstagsfeiern lädt Thomas ihn aber nie ein. »Zieh halt mal vernünftige Hosen an und nicht immer diese bunten Beutelhosen«, sagte sein Stiefvater beim letzten gemeinsamen Abendessen, als Niklas erzählte, dass er es schwer hat, Freunde zu finden, auch weil das einzige Jugendzentrum in Brützingen von der Stadt aus Kostengründen geschlossen wurde. Niklas wurde warm und sein Puls begann zu rasen. Er spürte Zorn in sich aufsteigen und dachte sich: »Damit ich so abgehalftert aussehe wie Du?«

Sagen würde er das nie, denn Bernd hat sich schon öfter derart über ihn aufgeregt, dass seine Mutter anfing zu weinen. Das mag Niklas nicht mit ansehen. Seitdem Bernd seine Arbeitsstelle verloren hat, haben seine Stimmungsschwankungen zugenommen. Er wurde entlassen, damit sein Arbeitgeber (eine große Firma für elektronische Steuerungsanlagen im Stadtteil) dem internationalen Konkurrenzdruck finanziell standhalten konnte. Er betäubt sich zunehmend mit Alkohol und Reality-TV-Shows, weil er sich als Mann ohne Arbeit von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlt. Deswegen steht die Beziehung zwischen ihm und Niklas' Mutter auch auf der Kippe.

Teil I: Grundlagen

1 Methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit

Soziale Arbeit ist ein spannender Beruf. Die Tätigkeiten sind sehr abwechslungsreich, es stehen über die Kinder- und Jugendhilfe bis zur Altenhilfe alle Altersgruppen im Fokus.

Je nach Arbeitsfeld wird vorwiegend individual-‍, gruppen- oder gemeinwesenbezogen gearbeitet. Wie sich noch zeigen wird, können diese drei Formen Sozialer Arbeit auch ineinanderfließen.

Doch was ist Soziale Arbeit? Wofür gibt es diesen Beruf?Um zu klären, was Soziale Arbeit in wissenschaftlicher und berufspraktischer Hinsicht auszeichnet, lässt sich ihre gesellschaftliche Funktion reflektieren. Jeder Beruf ist darauf angelegt, eine spezielle Funktion für die Gesellschaft zu erfüllen (vgl. Heiner, 2018, S. 33).

1.1 Was ist Soziale Arbeit?

T Was Sie in diesem Kapitel lernen können

In diesem Kapitel geht es um die gesellschaftliche Funktion Sozialer Arbeit.

Mit dem Begriff der Funktion wird eine klar umrissene Aufgabe innerhalb eines größeren Zusammenhangs beschrieben (vgl. Dudenredaktion, 2023a). Die Funktion Sozialer Arbeit lässt sich reflektieren, indem geklärt wird,

a)

welche gesellschaftlichen Ziele mit Sozialer Arbeit verfolgt werden und

b)

wie die Leistungen Sozialer Arbeit erbracht werden können, um diese Ziele zu erreichen.

Einen Hinweis auf die Ziele Sozialer Arbeit liefert die Definition Sozialer Arbeit von der International Federation of Social Workers (IFSW):

»Soziale Arbeit fördert als praxisorientierte Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen. Die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlage der Sozialen Arbeit. Dabei stützt sie sich auf Theorien der Sozialen Arbeit, der Human- und Sozialwissenschaften und auf indigenes Wissen. Soziale Arbeit befähigt und ermutigt Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens bewältigen und das Wohlergehen verbessern, dabei bindet sie Strukturen ein.« (DBSH, 2019)

In dieser Definition wird Soziale Arbeit als Profession und nicht als Beruf bezeichnet. Der Fachdiskurs zur Frage, ob Soziale Arbeit ein Beruf oder eine Profession ist, wird in diesem Buch nicht behandelt. Die Grundsatzdebatte kann an anderer Stelle nachgelesen werden (vgl. u. a. Hochuli Freund & Stotz, 2021, S. 28 ff.; von Spiegel, 2021, S. 38 ff.; Galuske, 2013, S. 123 ff.).

An dieser Stelle sind die drei Zielsetzungen in der Definition des IFSW interessant, weil sich mit ihnen die Funktion Sozialer Arbeit skizzieren lässt:

1.

Im ersten Satz werden gesellschaftliche Veränderungen und soziale Entwicklungen angesprochen. Die gesellschaftlichen Ziele, die Sozialer Arbeit zugrunde liegen, sind mit der im Grundgesetz festgeschriebenen Sozialstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland verknüpft. Unter anderem legen die Artikel 20 und 28 des Grundgesetzes fest, dass Deutschland ein Sozialstaat ist. Sozialstaatlichkeit wird sozialpolitisch realisiert, indem u. a. die Grundversorgung der Menschen gesichert und sozialer Frieden gewahrt wird (vgl. Stimmer, 2020, S. 53). Soziale Arbeit weist als sozialstaatlich organisierte Hilfe eine »Abhängigkeit von staatlicher Steuerung und direkter Einbindung in bürokratische Organisationen« (Galukse, 2013, S. 47) auf. Sozialarbeitende sind in der Regel in Organisationen tätig, die durch die öffentliche Hand finanziert werden (vgl. Stimmer, 2020, S. 53 f.). Die Arbeit der dort tätigen Fachkräfte orientiert sich an sozialrechtlichen Vorgaben, die das Ergebnis sozialpolitischer Entscheidungen sind (vgl. ebd., S. 54). Diese Vorgaben sind in den Sozialgesetzbüchern (SGB) zusammengefasst und regeln u. a., was für Hilfeleistungen von welchen Organisationen in einem Arbeitsfeld erbracht werden. So heißt es bspw. in § 3 Abs. 2 SGB VIII: »Leistungen der Jugendhilfe werden von Trägern der freien Jugendhilfe und von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe erbracht.« Sozialrechtliche Vorgaben werden von Organisationen häufig konkretisiert, indem sie Konzepte entwickeln, aus denen hervorgeht, wie sie die vorgesehenen Hilfeleistungen erbringen. Dazu als Beispiel ein Auszug aus dem Konzept des Amts für Jugend und Familie der Stadt Graz:

»Kinder, Jugendliche und Familien bekommen benötigte Hilfe möglichst auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt. Sie werden dazu aktiviert, ihre eigenen Potenziale und Fähigkeiten einzusetzen, um gemeinsam mit dem Jugendamt Lösungswege zu erarbeiten und auch umzusetzen. Gefördert werden die Selbsthilfekräfte unter Einbeziehung der Möglichkeiten des Lebens- und Wohnumfeldes der Menschen, durch die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Vereinen im Sozialraum.« (Stadt Graz, 2023)

2.

Sozialarbeitende arbeiten mit eigensinnigen Menschen. Zum subjektiven Eigensinn gehören Vorstellungen über ein gutes Leben; er beeinflusst, was Menschen gerne tun, was ihnen Freude macht und welche Personen sie gern um sich haben oder hätten. Die persönlichen und eigensinnigen Lebensentwürfe der Menschen, die sie realisieren wollen, sind zentral für die Interventionsgestaltung.

3.

Die dritte Zielsetzung ergibt sich aus den Vorstellungen Sozialarbeitender über Soziale Arbeit. In Berufsverbänden wie der IFSW werden Ziele für Soziale Arbeit von Sozialarbeitenden entwickelt. Aus der Definition geht hervor, dass zur professionellen Eigenzielsetzung sowohl Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit und der Menschenrechte als auch die theoriebasierte Arbeit gehören: Mit der Formulierung »dabei stützt sie sich auf Theorien ...« wird hervorgehoben, beim methodischen Handeln nicht willkürlich vorzugehen, sondern wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen.

Welche Theorien und Konzepte bieten Orientierung?An welchen Theorien und Konzepten sich Sozialarbeitende beim methodischen Handeln orientieren können, war und ist Thema vieler Fachdiskussionen. Taucht man in die Fachliteratur ein, ist eine enorme Vielfalt an theoretischen und konzeptionellen Perspektiven beobachtbar. Diese Vielfalt lässt sich hier nicht umfassend aufarbeiten, sie kann an anderer Stelle nachgelesen werden (bspw. bei Engelke, Borrmann, Spatscheck, 2018). Hier wollen wir uns damit begnügen, Perspektiven zu skizzieren, die im Fachdiskurs besonders häufig thematisiert werden:

Sozialarbeitende können Menschen dabei unterstützen, sich zu »empowern« (Herriger, 2019): Stärkung von individueller Eigenmacht und Autonomie sind für dieses Funktionsverständnis zentral. Menschen in prekären Lebenslagen sollen dabei unterstützt werden, ihr Leben (wieder) selbst in die Hand zu nehmen. Dafür werden ihre persönlichen Stärken und kollektive Ressourcen aufgegriffen.

Soziale Arbeit ist eine Menschenrechtsprofession (Staub-Bernasconi, 2019): Die Basis der Menschenrechte ist die Menschenwürde. Staub-Bernasconi war die erste Sozialarbeitswissenschaftlerin, die die Menschenwürde als Anknüpfungspunkt für Soziale Arbeit hervorgehoben hat. Damit könne einerseits hinterfragt werden, inwiefern soziale Probleme zur Verletzung der Menschenwürde beitragen und somit den Menschenrechten entgegenstehen. Andererseits könne kritisch reflektiert werden, welche sozialarbeiterischen Handlungspraktiken nicht mit der Menschenwürde vereinbar sind.

Soziale Arbeit zur stellvertretenden Inklusionsvermittlung, Exklusionsvermeidung und Exklusionsverwaltung: Für Bommes und Scheer (2000) vermitteln Sozialarbeitende zwischen individuellen Lebenslagen und gesellschaftlichen Funktionssystemen wie etwa dem Bildungssystem: »Die Soziale Arbeit heilt, therapiert, qualifiziert, erzieht usw. nicht abschließend und in erster Linie durch ihre Leistungen. Sie bemüht sich vielmehr um die Eröffnung von Zugängen sowie um die Ergänzung der Leistungen derjenigen Teilsysteme und Organisationen, die gesellschaftlich jeweils primär zuständig sind« (ebd., S. 77 f.). Unterstützen Sozialarbeitende junge Menschen erfolgreich im Bewerbungsprozess, wird ein Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet, was Bommes und Scheer Inklusionsvermittlung nennen. Wird ein junger Mensch in Ausbildungsschwierigkeiten bei der Bewältigung dieser Schwierigkeiten unterstützt und ein drohender Ausbildungsplatzverlust dadurch abgewendet, findet laut den Autoren eine Exklusionsvermeidung statt. Exklusionsverwaltung erfolgt bspw., wenn bei einer Massenentlassung viele Menschen arbeitslos werden, denen zunächst Arbeitslosengeld I oder II vermittelt wird.

Sozialraumorientierte Soziale Arbeit: Anders als es die Bezeichnung »Sozialraumorientierung« vermuten lässt, ist dieses Fachkonzept hochgradig personenbezogen. Im Mittelpunkt sozialraumorientierter Sozialer Arbeit steht der Mensch mit seinem Lebensentwurf und seinem Eigensinn. Vor allem das erste methodische Prinzip des Fachkonzepts Sozialraumorientierung, wonach die Interventionsgestaltung ihren Ausgangspunkt beim Willen der Menschen nimmt (vgl. Hinte, 2020, S. 12), ist eine Besonderheit (in ▸ Kap. 1.7.1 werden alle methodischen Prinzipien sozialraumorientierter Arbeit vorgestellt). In der Fachdebatte ist häufig die Rede davon, sich an den Bedürfnissen oder den Wünschen der Menschen zu orientieren. Erfüllen Sozialarbeitende Wünsche, nehmen sie den Menschen Selbstwirksamkeitserfahrungen. Wenn jemand etwas für mich tut, ist die einzige Gabe, die ich noch geben kann, dankbar zu sein. Aus dieser Gabe speist sich für die Menschen jedoch nicht dieselbe Würde, die sie erleben, wenn sie sagen können: »Das habe ich geschafft.« Die Idee, den Willen zum Ausgangspunkt der Hilfegestaltung zu machen, ist so eindeutig nur im Fachkonzept Sozialraumorientierung formuliert worden. Demzufolge diagnostizieren Fachkräfte in der sozialraumorientierten Sozialen Arbeit nicht. Sie geben nicht vor, wie eine Intervention zu erfolgen hat, sondern sie erkunden den Willen der Menschen, um die Interventionsgestaltung an diesem auszurichten. Anders als ein Wunsch lässt sich der menschliche Wille als Lebensenergie verstehen. Wenn Sozialarbeitende an dieser Energie andocken, können sie Arbeitsbündnisse gestalten, die es den Menschen ermöglichen, sich mit ihren Stärken aktiv in eine Intervention einzubringen: »Soziale Arbeit tut sich mitunter schwer mit ihren Adressaten, insbesondere dann, wenn wohlmeinende professionelle Einzelhilfe Hilfen ›nahelegt‹, die nicht so ganz mit dem Willen der Leute übereinstimmen. Von Professionellen wird ein Prozess, der nicht am Willen der Klienten anschließt, als anstrengend erlebt. Termine werden nicht eingehalten, Absprachen missverstanden, Planungen laufen ins Leere« (Früchtel, Budde, Cyprian 2013b, S. 75). Ich habe diese Erfahrung als Sozialarbeiter gemacht, weshalb Sozialraumorientierung meine fachliche Haltung entscheidend geprägt hat. Diese Prägung beeinflusst zwar auch meine Ausführungen in diesem Buch, es geht jedoch nicht ausschließlich um das Fachkonzept Sozialraumorientierung. Leser:innen erhalten auch Einblicke in viele andere methodische Ansätze. Diese Ansätze sind nicht unmittelbar aus dem Fachkonzept Sozialraumorientierung hervorgegangen. Sie passen aber zum Anspruch sozialraumorientierter Sozialer Arbeit, keine Menschen zu verändern, sondern ausgehend von ihrem Willen mit ihnen ihre Lebensverhältnisse zu gestalten (siehe dazu ausführlich: Hinte, 2020). Damit sind diese Ansätze auch anschlussfähig an die sozialarbeiterische Berufsethik, in deren Mittelpunkt die »Hoheitlichkeit des Klientenwillens« (DBSH 2014, S. 16) steht (▸ Kap. 1.4).

Lässt sich bei den skizzierten Perspektiven ein gemeinsamer Nenner finden, an dem sich die gesellschaftliche Funktion Sozialer Arbeit erkennen lässt? Laut Erath und Balkow (2016, S. 32 f.) sind übergreifende »Funktionszuschreibungen mit Vorsicht« zu betrachten, da ihnen häufig persönliche Vorlieben der Verfassser:innen zugrunde liegen. Zudem können sie den Eindruck erwecken, sich zwischen unterschiedlichen Funktionszuschreibungen entscheiden zu müssen. Daher ist es hilfreich, den gemeinsamen Nenner unterschiedlicher Funktionsauffassungen zu suchen. Dieser Nenner wurde bereits 1999 von Schaarschuch auf den Punkt gebracht:

»Die Bearbeitung des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft als ›Vermittlung‹ kann als weithin geteilte, allgemeinste Bestimmung sozialer Arbeit gelten.« (Schaarschuch, 1999, S. 64)

Diese Funktionsbestimmung findet sich seit einigen Jahren bei verschiedenen Wissenschaftler:innen wieder (vgl. Simon, 2019, S. 52 ff.; Borrmann, 2016, S. 85; Erath, 2006, S. 13; Thiersch, 2002, S. 34). Dazu zwei Beispiele:

1997 formulierte Hamburger: »Die Idee der ›Versöhnung‹ von Individuum und Gesellschaft [...] ist die revolutionäre Idee« (S. 250) der Sozialen Arbeit. Die Aufgabe der Sozialen Arbeit fängt für Hamburger dort an, »wo die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft (wobei mit ›Gesellschaft‹ sehr unterschiedliche Sozialgebilde von der Familie bis zum politischen System gemeint sein können) als Entfremdungsverhältnis begriffen wird (ebd.).«

Heiner (2004) bezieht sich auf Hamburger und sieht eine Möglichkeit, Entfremdungsverhältnisse zu bearbeiten, darin, Sozialer Arbeit eine intermediäre Funktion zuzuschreiben, die durch die Vermittlung zwischen »Individualität und Sozialität« (ebd., S. 32) gekennzeichnet ist. Sie warnt jedoch davor, dass eine vermittelnde Rolle Sozialer Arbeit nicht zu einer »unkritischen Bejahung [...] erhöhter sozialer Risiken bei gleichzeitigem Rückzug des Sozialstaats aus vielen Aufgabenfeldern« (ebd., S. 33) führen darf.

Um zwischen Individuum und Gesellschaft zu vermitteln, ohne dabei gesellschaftliche Widersprüche zu bagatellisieren, lassen sich personen- und verhältnisbezogene Tätigkeiten miteinander verknüpfen. Coachen, Begleiten, Beschützen, Vertreten, Kontrollieren und Sanktionieren sind Beispiele für personenbezogene Tätigkeiten (▸ Kap. 8.1 und 8.2). Sozialarbeitende können auch verhältnisbezogen tätig sein, um gesellschaftliche Teilhabechancen für Individuen zu verbessern, indem sie u. a. über Rechtsansprüche auf Geld- und Hilfeleistungen außerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches informieren, Menschen dabei unterstützen, sich zu vernetzen, und soziale Missstände durch Öffentlichkeitsarbeit skandalisieren (▸Kap. 8.4).Wie Sozialarbeitende zwischen Individuum und Gesellschaft vermitteln, wird nachfolgend vertieft.

Kurz gefasst

Es gibt verschiedene Funktionsbestimmungen für Soziale Arbeit.

Eine Parallele, die bei verschiedenen Funktionsbestimmungen auftaucht, ist die Vorstellung, dass Sozialarbeitende zwischen Individuen und der Gesellschaft vermitteln.

1.2 Was kennzeichnet methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit?

T Was Sie in diesem Kapitel lernen können

In diesem Kapitel geht es darum, wie sich die Funktion Sozialer Arbeit durch methodisches Handeln realisieren lässt.

Wie sich noch zeigen wird, findet Soziale Arbeit einzelfall-‍, gruppen- und gemeinwesenbezogen statt. Die Vermittlung zwischen Individuum und Gesellschaft erfolgt in den drei Arbeitsformen unterschiedlich. Dazu ein paar Beispiele:

a)

Informationsvermittlung in der einzelfallbezogenen Sozialen Arbeit: Ein junger Mann, der nach Deutschland gezogen ist, sucht die Sozialberatung eines freien Trägers auf, um sich über staatliche Unterstützungsleistungen zu informieren. Ihn interessieren vor allem Möglichkeiten, ein Studium zu finanzieren.

b)

Leistungsvermittlung in der einzelfallbezogenen Sozialen Arbeit: Ein älterer Herr, der seine Frau pflegt, sucht einen Pflegestützpunkt auf. Er benötigt Hilfe bei der Beantragung von Pflegegeld und will sich über Selbsthilfegruppen für pflegende Angehörige informieren. Die Fachkraft unterstützt ihn bei der Antragsstellung und begleitet ihn anschließend zu dem Gemeindesaal, in dem sich eine Selbsthilfegruppe trifft.

c)

Vermittlung bei unterschiedlichen Perspektiven in der einzelfallbezogenen Sozialen Arbeit: Eine Fachkraft, die bei einem Leistungsträger der Eingliederungshilfe arbeitet, ist für die Teilhabeplanung zuständig. Sie vermittelt zwischen unterschiedlichen Vorstellungen einer Mutter und eines Vaters darüber, wie die Eingliederungshilfe für ihr minderjähriges Kind zu gestalten ist.

d)

Vermittlung bei persönlichen Ambivalenzen in der einzelfallbezogenen Sozialen Arbeit: Ein Mann sucht aufgrund eines positiven Drogentests bei seinem Arbeitgeber eine Drogenberatungsstelle auf. Er selbst findet nicht, dass er zu viel Cannabis konsumiert. Die Fachkraft vermittelt zwischen dem Konsumverhalten des Mannes und seinem Interesse daran, seinen Arbeitsplatz zu behalten.

e)

Vermittlung im Zwangskontext in der einzelfallbezogenen Sozialen Arbeit: Im Allgemeinen Sozialen Dienst arbeitet eine Fachkraft mit Eltern, die das Wohl ihrer Kinder gefährden. Sie vermittelt zwischen ihrer Kontrollaufgabe und dem Interesse der Eltern, ihre Kinder zu behalten.

f)

Vermittlung bei unterschiedlichen Interessen in der gruppenbezogenen Sozialen Arbeit: In einem Jugendzentrum vermittelt eine Sozialarbeiterin zwischen den unterschiedlichen Ideen von Kindern, die sie zur Gestaltung einer Ferienfreizeit einbringen.

g)

Vermittlung bei Konflikten in der gemeinwesenbezogenen Sozialen Arbeit: Nachdem sie aktivierende (Haustür-)‌Gespräche (Lüttringhaus & Richers, 2019; Hinte & Karas, 1989) durchgeführt haben, veranstalten zwei Fachkräfte im Stadtteil eine Bewohnerversammlung. Dort entbrennt ein Streit zwischen jungen Familien und älteren Personen, die sich von spielenden Kindern gestört fühlen. Die Fachkräfte vermitteln zwischen den streitenden Bewohnergruppen.

Aus den Beispielen geht einerseits hervor, dass Vermittlung durch personen- und verhältnisbezogene Tätigkeiten erfolgt.

Andererseits zeigt sich: Die Gegenüberstellung von Mensch und Gesellschaft muss konkretisiert werden. Dem einzelnen Menschen ist es nicht möglich, »der Gesellschaft« zu begegnen. Es sind gesellschaftliche Funktionsträger:innen (bspw. Polizeibeamte) und Organisationen (bspw. arbeitgebende Organisationen, Bildungsorganisationen oder Soziale Dienste), denen der einzelne Mensch begegnet oder zu denen er Zugang erhalten will (wie etwa der junge Mann, der Zugang zu einer Hochschule erhalten möchte).

Wenn Fachkräfte im Rahmen ihrer vermittelnden Aufgaben methodisch handeln, intervenieren sie. Das Wort Intervention stammt vom lateinischen Wort »intervenire« ab, was so viel wie »dazwischentreten« bedeutet. Diese Begriffsbedeutung verdeutlicht, dass Sozialarbeitende in individuelle Biografien und Alltagsabläufe ein- und dazwischentreten, wenn sie intervenieren (vgl. Müller, 2012, S. 69). Daher müssen Interventionen mit den Menschen ausgehandelt werden (vgl. Stimmer, 2020, S. 68 ff., Hochuli Freund & Stotz, 2021, S. 50 f., Müller, 2012, S. 69 f.).

Diese Aushandlung ist auch notwendig, weil methodisches Handeln nicht standardisierbar ist. In diesem Zusammenhang wird häufig auf das von Luhmann und Schorr (1982, S. 14) beschriebene »strukturell begründete Technologiedefizit« des Erziehungssystems hingewiesen. Im Kern weisen Luhmann und Schorr auf ein zentrales Strukturmerkmal pädagogischer und helfender Arbeit hin: Es stehen keine »Technologien« zur Verfügung, mit denen sich Menschen durch eine gezielte Intervention von einem Zustand A in einen vorher festgelegten Zustand B überführen lassen.

Dies liegt nach Luhmann und Schorr daran, dass Menschen keine trivialen Maschinen sind. Eine triviale Maschine, wie bspw. ein Staubsauger, reagiert stets auf die gleiche Art und Weise. Ein bestimmter Input (ich drücke den Knopf) führt zu einem erwartungsgemäßen Output (das Gerät beginnt zu saugen). Menschen entziehen sich dieser Input-Output-Logik. Sie sind operativ geschlossen wahrnehmende Wesen, sodass sie überraschend und unvorhersehbar auf sozialarbeiterische Interventionen reagieren können.

Operational geschlossen bedeutet, dass Menschen Umweltreize auf sich selbst bezogen und ausgehend von ihren Lebenserfahrungen wahrnehmen sowie interpretieren und dass diese Interpretationen ihr Handeln beeinflussen. Operative Geschlossenheit meint ferner die Unmöglichkeit, anderen Personen beim Denken zusehen zu können. Keine Person kann eine andere dabei beobachten, wie ihre Gedanken entstehen und sich verändern (vgl. Baecker, Luhmann, 2002, S. 91 ff.).

Sozialarbeitende können daher nicht mit Sicherheit vorhersehen, wie eine sozialarbeiterische Intervention »angenommen« wird. Menschen lassen sich nur sehr schwer beeinflussen, sodass sozialarbeiterische Interventionen Menschen im besten Fall dazu anregen können, sich selbst zu beeinflussen, was als Selbstsozialisation bezeichnet wird.

Anders als bei der trivialen Maschine Staubsauger, für die bei der Reparatur eines Motorschadens standardisierte Technologien zur Verfügung stehen, können Menschen nicht immer auf die gleiche Art und Weise im Sinne einer technischen Standardisierung unterstützt werden.

Aus dem sich daraus ergebenden Paradox, dass beim methodischen Handeln in der Sozialen Arbeit einzig die Unsicherheit sicher ist (vgl. Galuske, 2013, S. 66), sollte jedoch nicht der Fehlschluss gezogen werden, sozialarbeiterische Interventionen seien für die Menschen und ihre Lebensverhältnisse folgenlos. Die Geschichte methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit zeigt, dass sich »auf der Grundlage von Beachtung und Beobachtung des Klienten in seinem Lebensumfeld Bedingungen schaffen lassen, die intendierte Entwicklungsprozesse wahrscheinlicher werden lassen, ohne gewünschte Ereignisse im Einzelnen treffsicher erzielen zu können« (Galuske, 2013, S. 67). In diesem Sinne kann methodisches Handeln Interventionsunsicherheit reduzieren, die sich aus dem strukturell begründeten Technologiedefizit ergibt.

Galuske (vgl. ebd.) hat aus dem strukturell begründeten Technologiedefizit drei relevante Rückschlüsse für methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit abgeleitet.

1.

Sozialarbeitende müssen sich nicht dafür verantwortlich machen, Menschen zu verändern. Stattdessen können sie Verantwortung dafür tragen, Menschen anzuregen und sie dabei zu unterstützen, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es wollen.

2.

Sozialarbeitende sind gut beraten, ein Selbstmisstrauen gegenüber ihren Beobachtungen zu entwickeln, um »Denkschubladen«, die ihre Beobachtungen beeinflussen, zu reflektieren. »Denkschubladen« helfen Fachkräften zwar dabei, die Komplexität der Berufspraxis zu reduzieren, um handlungsfähig zu sein. Denkschubladen und die Berufserfahrungen sowie Theorien, auf denen sie beruhen, können jedoch zu Denkschablonen verkommen, wenn »man – bildlich gesprochen – nicht mehr bereit oder in der Lage ist, die Schublade wieder zu öffnen und neu zu ordnen« (ebd., S. 68).

3.

Die dritte Konsequenz besteht darin, sich in situativer Intelligenz zu üben, um Gelegenheiten mit potenziellen Veränderungschancen zu erkennen: »[...] wann ergibt sich ein Moment, der sofort wieder verschwindet, in dem man etwas sagen kann, was man niemals vorher und niemals hinterher mit der Überzeugungskraft, die sich aus diesem Moment ergibt, sagen kann. Man müsste eine Art Systemplanung haben, die sich nicht vorher die Mittel ausdenkt, mit denen man etwas bewirken will [...]. Stattdessen sollte man sich eine Technik der Beobachtung von Gelegenheiten, die sich ergeben oder nicht ergeben, aneignen und diese Gelegenheiten dann ausnutzen« (Luhmann, 1988, S. 129).

Durch diese Rückschlüsse wird deutlich: Um mit der begrenzten Planbarkeit und der Nicht-Standardisierbarkeit methodischen Handelns professionell umzugehen, ist eine reflektierte fachliche Haltung erforderlich. Welche Rolle die fachliche Haltung für IMSA spielt, wird im dritten Teil dieses Buches für jeden Hilfeschritt erörtert.

Welche Rolle spielen Organisationen für die Soziale Arbeit mit Menschen?Um diese Frage zu klären, ist es wichtig, den systemtheoretischen Begriff der »Funktionssysteme« zu verstehen. Funktionssysteme sind Ausdruck unserer arbeitsteiligen Gesellschaft.

Eine arbeitsteilige bzw. funktional differenzierte Gesellschaft besteht aus Teilsystemen. Zu den wichtigsten Teilsystemen gehören das politische System, das Wirtschaftssystem, das Erziehungssystem, das Rechtssystem, die Familien, die Religionen, das Gesundheitssystem und das Kunstsystem.

Jedes Teilsystem übernimmt eine spezifische Funktion in der Gesellschaft (vgl. Noack, 2014, S. 33). Diese Funktionen bestehen darin, spezifische Aufgaben für Menschen in der Gesellschaft zu erfüllen, wie etwa die Versorgung mit medizinischen Leistungen. Funktionssysteme haben Organisationen. So gehört etwa eine Fabrik zum Wirtschaftssystem und ein Krankenhaus zum Gesundheitssystem. Diese Organisationen müssen für Menschen zugänglich sein, damit sie ihre Leistungen nutzen können. Oder systemtheoretisch formuliert: Um an Funktionssystemen teilzuhaben, ist es notwendig, in funktionssystemische Organisationen inkludiert zu sein. Einen Arbeitsplatz zu haben bedeutet, in das Wirtschaftssystem inkludiert zu sein. Wer wahlberechtigt ist, kann an den Wahlen zum Bundestag teilnehmen. Die Krankenversicherung verschafft u. a. Zugang zu medizinischen Leistungen und fördert somit Inklusion in das Gesundheitssystem.

Bleiben wir beim Beispiel Krankenhaus. In den Organisationen eines Funktionssystems sind Spezialkräfte aus verschiedenen Berufsgruppen tätig. Um die Aufgaben des Gesundheitssystems in einem Krankenhaus zu erfüllen, arbeiten dort u. a. Mediziner:innen und Pflegefachkräfte. Diese sind mit der Vermeidung, Behandlung und Heilung von Krankheiten befasst. Sie befassen sich mit einem speziellen Ausschnitt des menschlichen Lebens, nämlich dem biologisch-körperlichen. Im Sozialdienst eines Krankenhauses arbeiten Sozialarbeitende. Sie sind nicht medizinisch tätig und pflegen auch nicht.

Warum arbeiten sie dort?Sozialarbeitende werden insbesondere dann tätig, wenn Spezialleistungen allein nicht ausreichen, um Menschen dabei zu unterstützen, Herausforderungen zu bewältigen oder ihre Lebensverhältnisse zu gestalten (vgl. Kleve & Wirth, 2009, S. 118).

Wenn eine ältere und alleinlebende Frau mit einem Beinbruch in ein Krankenhaus kommt, wird der Bruch medizinisch versorgt. Was die damit einhergehende Bewegungseinschränkung für ihren Alltag bedeutet, ist keine medizinische Frage. Ein Arzt behandelt eine Krankheit, und zwar nur die Krankheit. Die alltägliche Lebensführung eines/einer Patient:in wird von einem Arzt nicht behandelt.

Vielleicht benötigt die Dame eine Haushaltshilfe, weil sie nicht mehr putzen und ihre Einkäufe nicht mehr in den vierten Stock ihres Wohnhauses ohne Aufzug tragen kann. Sie weiß aber nicht, ob es entsprechende Unterstützungsleistungen gibt. Sozialarbeitende im Sozialdienst des Krankenhauses können sie dabei unterstützen, Leistungen anderer Berufsgruppen – wie bspw. Haushaltshilfen – zu erhalten.

Während eine klassische Profession wie etwa die Medizin einen recht klar umrissenen Zuständigkeitsbereich hat, aus dem sich spezialisierte berufliche Tätigkeiten herleiten (Vermeidung, Diagnose und Behandlung von Krankheiten), beschäftigen sich Sozialarbeitende mit allem, »was das Alltagsleben an Problemen« (Hochuli Freund & Stotz, 2021, S. 49) mit sich bringen kann. Dabei kooperieren sie mit anderen Berufsgruppen.

Die Zuständigkeit für alltagsbezogene Aspekte komplexer Problemlagen wird auch als »diffuse Allzuständigkeit« (vgl. Galuske, 2013, S. 40 f.) bezeichnet. Diffuse Allzuständigkeit bedeutet nicht, Sozialarbeitende seien für alle Alltagsbelange der Menschen allein zuständig. Der Begriff bezieht sich auf Herausforderungen, die sich aus der alltäglichen Lebensführung eines Menschen ergeben können, für die neben anderen Berufsgruppen auch Sozialarbeitende zuständig sind: von Erziehungsschwierigkeiten über Eheprobleme bis hin zur Arbeitslosigkeit und der Lebensqualität im Wohnquartier.

Aus der diffusen Allzuständigkeit ergeben sich zwei Herausforderungen:

Für die Menschen ergibt sich aus der Allzuständigkeit ein Vorteil: Die Komplexität ihres Alltags und ihrer Lebenslage wird berücksichtigt. Ein Nachteil kann darin bestehen, dass für die Menschen unklar ist, welche Leistungen sie von Sozialarbeitenden erwarten können und welche nicht.

Es gibt viele Arbeitsfelder, in denen Sozialarbeitende kein Handlungsmonopol haben. In der Regel sind neben Sozialarbeitenden weitere Fachkräfte aus verschiedenen Professionen und Berufen mit einem Fall beschäftigt (vgl. Hochuli Freund, Stotz, 2021, S. 50).

Sozialarbeitende können diesen Herausforderungen gerecht werden, wenn sie (auch) als Schnittstellenmanager:innen agieren. Ausgehend von komplexen Alltagsherausforderungen der Menschen können Sozialarbeitende die Teilleistungen anderer Berufsgruppen untereinander und mit ihren Tätigkeiten verknüpfen.

Individuell einzigartige Alltagsherausforderungen und Probleme, die (auch) in die Zuständigkeit Sozialer Arbeit fallen, werden in diesem Buch in Anlehnung an Hochuli Freund (2017, S. 191. f.) als Fälle bezeichnet.

»Fälle sind Situationen, in denen Professionelle der Sozialen Arbeit grundsätzlich (auch) zuständig sind und die Frage aufwerfen: ›Was ist zu tun?‹ Der Fall wird dadurch zum Fall (für die Soziale Arbeit), indem sich Sozialpädagogen oder Sozialarbeiterinnen mit ihm beschäftigen, ihn bearbeiten. Entgegen dem Alltagssprachgebrauch sind mit ›Fall‹ also nicht einzelne Adressaten sozialpädagogisch-sozialarbeiterischen Handelns gemeint, ist nie eine Person ›der Fall‹ (...). Ein Fall entsteht – und wird nach dem Klienten benannt –, wenn eine Arbeitsvereinbarung getroffen wird mit einer Klientin oder einem Klientensystem, gemeinsam an einem Thema zu arbeiten und Professionelle in der Folge darüber nachdenken, welche Aufgaben sich für sie hier ergeben.« (Hochuli Freund, 2017, S. 191 f.)

Vom Begriff »Fall« wird in diesem Buch der Begriff »Einzelfall« abgegrenzt. Der Begriff »Einzelfall« wird hier genutzt, um die Arbeit mit einzelnen Menschen und ihren wichtigsten Bezugspersonen zu bezeichnen. Zur Einzelfallarbeit gehört also u. a. die Arbeit mit Familien und mit einzelnen Personen, bspw. im Rahmen der Suchthilfe.

Merkkasten 1: Unterscheidung von Fall und Einzelfall

Situationen von Personen, Gruppen oder Gemeinwesen, für die Professionelle der Sozialen Arbeit (auch) zuständig sind, werden nachfolgend als »Fälle« bezeichnet.

Die Menschen, für deren Situationen Sozialarbeitende (auch) zuständig sind, werden in diesem Buch als »Fallbeteiligte« bezeichnet.

Für die Arbeit mit einzelnen Menschen und ihren wichtigsten Bezugspersonen wird der Begriff »Einzelfallarbeit« verwendet.

An dieser Stelle lässt sich zusammenfassen: Aus der alltagsbezogenen, diffusen Allzuständigkeit leitet sich kein exklusives Handlungsmonopol für Soziale Arbeit ab. Für Herausforderungen bei der alltäglichen Lebensführung sind auch andere Berufe und Professionen zuständig. Dadurch ergeben sich drei Kooperationserfordernisse für Sozialarbeitende:

1.

Entwicklung vertrauensbasierter und tragfähiger Arbeitsbündnisse mit Personen, mit denen sozial gearbeitet wird.

2.

Teamarbeit mit Sozialarbeitenden und Fachkräften anderer Berufe in der eigenen Organisation.

3.

Kooperation mit Sozialarbeitenden und Fachkräften anderer Berufe aus anderen Organisationen, um Spezialleistungen, ausgehend von komplexen Alltagssituationen, zu ergänzen oder miteinander zu verknüpfen.

Mit einer Situation aus Niklas' Leben lässt sich veranschaulichen, was diffuse Allzuständigkeit auszeichnet.

Situation II: Niklas muss ins Krankenhaus

Es ist Montagmorgen. Niklas sitzt im Politikunterricht. Der Lehrer, Herr Merten, hat das Thema »Rechtspopulismus« an die Tafel geschrieben. »Niklas, was fällt Dir dazu ein?«, fragt er. »Du hast Dich in letzter Zeit so selten gemeldet.«Niklas fängt an: »Ich ... äh ... denke ...«, und weiter kommt er nicht. Er fängt an zu zittern und hyperventiliert so stark, dass Herr Merten mit ihm das Klassenzimmer verlässt. Auch auf dem Flur kann sich Niklas nicht fangen. Er atmet immer schneller und beginnt zu weinen. Herr Merten ruft einen Krankenwagen. In der Notfallambulanz wird schnell klar: Niklas hat eine Panikattacke. Der Ambulanzarzt vermutet eine soziale Phobie, sagt aber, dass dies mit einem Psychotherapeuten abgeklärt werden muss. Er verlässt das Behandlungszimmer und schickt Niklas mit seiner Mutter, die zwischenzeitlich eingetroffen ist, zu Frau Reige vom Sozialdienst.

Wer Soziale Arbeit studiert, dem fällt auf: Das Studium ist sehr breit gefächert. Es werden psychologische, soziologische, sozialmedizinische, rechtliche und weitere Grundlagen sogenannter Bezugswissenschaften vermittelt. Aus der zweiten Situationssequenz gehen die Gründe hierfür hervor. Sozialarbeitende benötigen Wissen, mit dem sie Lebenssituationen beschreiben und erklären können, um methodische Handlungsstrategien zu entwickeln. Außerdem müssen Sozialarbeitende einschätzen können, wofür sie allein zuständig sind, an welche Spezialleistungen zu verweisen ist und/oder welche Spezialleistungen miteinander zu verknüpfen sind.

Daher wird im Rahmen des Hochschulstudiums »Soziale Arbeit« wissenschaftliches Wissen vermittelt. Wissenschaftlich ist dieses Wissen, weil es auf Theorien und Konzepten basiert.

Im Unterschied zum erfahrungsbezogenen Wissen ist bei wissenschaftlichem Wissen nachvollziehbar, wie Erkenntnisse gewonnen und interpretiert wurden. Dies legen Wissenschaftler:innen offen, damit andere Personen nachprüfen können, wie die Erkenntnisse zustande gekommen sind.

Sozialarbeitende haben es auch mit komplexen und herausfordernden Lebenssituationen zu tun. Dies erfordert es, unterschiedliche wissenschaftliche Blickwinkel einnehmen zu können bzw. zu interdisziplinärem Denken fähig zu sein. So kann Wissen aus unterschiedlichen Wissenschaften miteinander kombiniert werden, um für komplexe Situationen passende Handlungsstrategien zu entwickeln.

Müller (2012) hat ein Sortierschema entwickelt, mit dem es gelingen kann, fallbezogen zu reflektieren, für welche Situationsaspekte Sozialarbeitende allein zuständig sind, an welche Spezialleistungen zu verweisen ist und/oder welche Spezialleistungen miteinander zu verknüpfen sind. Es beinhaltet drei Perspektiven: Fall von, Fall mit und Fall für.

1. Sozialarbeitende müssen Situationen dahingehend unter die Lupe nehmen können, ob sie als Fall von das Arbeitsfeld betreffen, in dem sie tätig sind (vgl. Müller, 2012, S. 43).In Anschluss an Becker (2021, S. 30) wird in diesem Buch mit dem Begriff »Arbeitsfeld« ein

»fachlicher Kontext bezeichnet, der durch soziale Lebens- und Problemlagen von Menschen, entsprechende Erklärungs- und Handlungstheorien, sozialrechtliche, sozialpolitische und organisationelle Rahmenbedingungen sowie spezifische Handlungskonzepte und Methoden gekennzeichnet ist.«

Sozialarbeitende sind u. a. in der Alten-‍, der Bewährungs- und der Eingliederungshilfe, aber auch im Quartiermanagement, der Jugendhilfe sowie in der offenen Kinder- und Jugendarbeit tätig. Häufig werden die Begriffe Praxis-‍, Handlungs- oder Aufgabenfeld synonym zum Begriff des Arbeitsfelds genutzt.Wie lässt sich ermitteln, ob eine Situation ein Fall von dem Arbeitsfeld ist, in dem man arbeitet?

Sozialarbeitende können das nicht unabhängig von sozialrechtlichen Bestimmungen entscheiden. Ob bspw. eine ältere Dame mit Angststörungen zu einem Fall von Eingliederungshilfe wird, ist sozialrechtlich geregelt. Das methodische Handeln von Sozialarbeitenden ist also sozialrechtlich eingebunden. Dadurch lassen sich willkürliche Entscheidungen über die Gewährung, die Gestaltung und die Durchführung von Hilfen vermeiden. Insofern fungieren sozialrechtliche Regelungen als Filter. Mit ihnen lässt sich entscheiden, welche Fallaspekte in die Zuständigkeit eines Arbeitsfeldes fallen und welche nicht. Sozialarbeitende müssen daher in der Lage sein, zu prüfen, ob die im Sozialrecht genannten Voraussetzungen für Soziale Arbeit in einer speziellen Fallsituation vorliegen. Diese Bedingungen sind sehr allgemein formuliert. So heißt es bspw. in § 27 SGB VIII:

»Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.« (BMJ, o. J.)

Sozialarbeitende im Jugendamt subsumieren individuelle Lebenssituationen unter diese allgemein formulierten Leistungsvoraussetzungen. Dabei prüfen sie, ob die Situation Personensorgeberechtigter von Aspekten gekennzeichnet ist, die auf eine notwendige Entwicklungsunterstützung des Kindes oder eine Kindeswohlgefährdung hindeuten. Dies erfordert, sozialrechtliche Regelungen mit den Menschen auf ihre Lebenssituation zu beziehen. Dies gelingt, indem Sozialarbeitende ihre sozialrechtlichen Kenntnisse mit weiteren Wissensbeständen, etwa aus der Pädagogik, der Psychologie und/oder der Sozialmedizin, veknüpfen. Dabei gilt es, die Lebenssituation der Menschen nicht allein aus einer professionellen Perspektive zu betrachten, sondern sie gemeinsam mit den Menschen auf sozialrechtliche Leistungsvoraussetzungen zu beziehen.

2. Fachkräfte müssen einen Fall mit den Menschen dahingehend durchleuchten, ob ggf. Fachkräfte anderer Berufsgruppen hinzugezogen werden müssen.

Häufig helfen Sozialarbeitende nicht allein. Stellt sich etwa heraus, dass eine alleinerziehende Person, die gemäß § 27 SGB VIII zu einem Fall von Jugendhilfe geworden ist, auch unter einer Depression leidet, kann es notwendig sein, psychotherapeutische Leistungen zu vermitteln, wenn es die Person will. Die Depression der alleinerziehenden Person wird dann auch zu einem Fall für Psychotherapie (vgl. Müller, 2012, S. 50).

3. Schließlich müssen Fachkräfte mit den Menschen strukturiert und offen methodisch handeln.

Sind die ersten beiden Fragen geklärt, geht es um die Gestaltung der Sozialen Arbeit mit den Fallbeteiligten (vgl. Müller, 2012, S. 57). Das Wort »mit« deutet auf einen wichtigen Punkt hin: Sozialarbeitende können nicht allein Soziale Arbeit erbringen; sie sind auf die Mitarbeit der betroffenen Menschen angewiesen. Insofern bezieht sich die Perspektive »Fall mit« auf willensorientierte Beziehungsarbeit, die dazu dient, »in professionellen Beziehungen mit Menschen in Schwierigkeiten Räume des Möglichen zu schaffen« (Müller, 2012, S. 63).

Merkkasten 2: Fall von, Fall für, Fall mit

Fall von: In dieser Perspektive geht es darum, eine ›Wenn-dann-Beziehung‹ zwischen dem jeweiligen Fall und allgemeinen sozialrechtlichen Regelungen (z. B. dem Kinder- und Jugendhilfegesetz) herzustellen (vgl. Müller, 2012, S. 44).

Fall für: Diese Perspektive erfordert Kenntnisse über das Sonderwissen anderer Expert:innen, die in einen Fall involviert sind oder hinzugezogen werden müssen. Diese Kenntnisse werden auch als Verweisungswissen bezeichnet (vgl. Müller, 2012, S. 46).

Fall mit: Im Fokus dieser Perspektive steht die Fallarbeit als »Beziehungsarbeit«, die die »Fähigkeit zu einem respektvollen und humanen Umgang mit anderen« ebenso erfordert wie »Geduld, Standfestigkeit, Selbstsicherheit und Humor« (Müller, 2012, S. 63).

Mit einer Situationssequenz aus Niklas' Leben bringen wir etwas Leben in die auf Müller (ebd.) zurückgehende multiperspektivische Unterscheidung »Fall von«, »Fall für« und »Fall mit«.

Situation III: Niklas wird weitervermittelt

Frau Reige hat durch die Angaben von Niklas und seiner Mutter sowie durch die Informationen aus dem Arztbrief erste Beschreibungen und Erklärungen erhalten. Niklas wird im Arztbrief als körperlich gesunder junger Mann beschrieben. Sein Zitter- und Hyperventilationsanfall im Unterricht wird vom Arzt mit einer etwaig vorhandenen sozialen Phobie in Zusammenhang gebracht. Dass Niklas angibt, sich in letzter Zeit immer mehr aus dem sozialen Leben seiner Klasse zurückgezogen zu haben, stützt diese vorläufige Erklärung. Für den Arzt ist an dieser Stelle seine medizinische Aufgabe erfüllt. Er hat abgeklärt, dass es keine physiologischen Ursachen sind, die Niklas in die Ambulanz geführt haben. Frau Reige führt mit Niklas und seiner Mutter ein lösungsorientiertes Beratungsgespräch.

Sie fragt Niklas: »Stell Dir vor, Du schläfst heute Nacht ein und Deine Situation hat sich verbessert. Woran erkennst Du die Verbesserungen?«

Niklas antwortet: »Hm ... mir geht es besser, weil ich mit jemanden, der sich auskennt, über diese Angst reden kann.«

Frau Reige greift die Antwort auf und informiert Niklas und seine Mutter über die Formen und Inhalte von Psychotherapien. Niklas sagt, er will das gern mal ausprobieren. Weil Niklas' Mutter nicht weiß, wie man eine psychotherapeutische Diagnosestellung organisiert, ob und welche Kosten anfallen, vermittelt Frau Reige diese Informationen. Niklas, der Angst hat, jetzt als »Psycho« dazustehen, wird über die Schweigepflicht von Psychotherapeut:innen aufgeklärt.

Dass Niklas und seine Mutter zunächst ein Fall von Frau Reige aus dem Sozialdienst werden, ist im V. Sozialgesetzbuch sowie in den Krankenhausgesetzen der Bundesländer geregelt. Diese Regelungen dienen einem reibungslosen Übergang von Krankenhausleistungen zu weiteren benötigten Hilfen. So sieht § 112 SGB V die soziale Betreuung und Beratung der Versicherten im Krankenhaus vor.

Frau Reige ergänzt die medizinischen und pflegerischen Spezialleistungen des Krankenhauses, indem sie aufklärt, Informationen vermittelt und bei der Beantragung psychotherapeutischer Leistungen unterstützt. Sie informiert Niklas und seine Mutter über verschiedene psychotherapeutische Behandlungsformen und deren Finanzierung durch die Krankenkasse. Dafür benötigt sie Verweisungswissen. Aus ihren Recht-Modulen ist ihr bekannt, wer die Kosten einer Psychotherapie trägt. Die Lehrveranstaltung »Psychologische Grundlagen Sozialer Arbeit« hat sie in die Lage versetzt, Niklas und seiner Mutter erste Informationen über das Krankheitsbild »Sozialphobie« zu vermitteln und sie über die Schweigepflicht von Psychotherapeut:innen aufzuklären. Dass Niklas zu einem Fall für Psychotherapie wird, hat Frau Reige jedoch nicht für Niklas, sondern mit Niklas erarbeitet.

Sie hat die Technik der »Wunderfrage« aus dem Konzept der lösungsorientierten Beratung (▸ Kap. 7.2.1) genutzt, um keine Lösungen vorzugeben. Stattdessen hat sie Niklas dazu angeregt, sich selbst Gedanken über einen Lösungsweg zu machen, den er gehen will. So fand sie heraus, ob und wie Niklas seine Situation verändern will.

Merkkasten 3: Sozialarbeiterisches Operieren und Kooperieren

Im Rahmen eines Interventionsprozesses gibt es Tätigkeiten, die von einer Fachkraft allein erbracht werden. Darüber hinaus kooperieren Sozialarbeitende mit Fachkräften anderer Berufe und Professionen, um deren Spezialleistungen zu ergänzen bzw. zu vermitteln.

Vermittelnde, ergänzende oder ausschließlich sozialarbeiterische Leistungen werden in der Regel nicht von den Menschen gezahlt.

Es gibt sogenannte kostentragende Organisationen (im Folgenden Leistungsträger), die vom Bund, den Bundesländern oder kreisfreien Städten und Landkreisen eingerichtet wurden. Das Jugendamt ist z. B. ein Leistungsträger. Jede kreisfreie Stadt und jeder Landkreis (im Folgenden: Kommunen) muss ein Jugendamt einrichten, so schreibt es das Achte Sozialgesetzbuch (SGB VIII) für das Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe vor.

Aber damit nicht genug der Vorschriften. In den §§ 27 ff. SGB VIII wird darüber hinaus geregelt, in welchen Lebenssituationen sorgeberechtigte Personen bzw. Eltern einen Rechtsanspruch auf Hilfen haben, welche Hilfearten es gibt und wie die Durchführung einer Hilfe zu planen ist.

So lässt sich an dieser Stelle zusammenfassen: Sozialarbeitende sind in sozialrechtlich eingebundenen Organisationen tätig, in die ihr methodisches Handeln bürokratisch eingebettet ist. Bürokratische Einbettung erfordert es, hierarchisch organisierte Zuständigkeiten und organisatorische Verfahrensabläufe zu beachten. Dennoch verfügen Sozialarbeitende auch über Gestaltungsspielräume. Im Fachdiskurs ist gar die Rede von »technischer Autonomie«:

»Der in diesem Zusammenhang etwas missverständliche Begriff ›technisch‹ meint, dass der Staat bzw. seine Instanzen zwar mithilfe von Gesetzen in der Ressourcenverteilung die Zwecke der Sozialen Arbeit steuern, dass aber niemand in der Lage ist, den Professionellen während der Ko-Produktion [...] sinnvolle Vorschriften zu machen. In der Wahl der Arbeitsmittel und der methodischen Vorgehensweisen wurde ihnen daher schon immer eine breite Handlungs- und Entscheidungsautonomie zugestanden.« (von Spiegel, 2021, S. 34, Hervorheb. i. Orig.)

Diesen autonomen Handlungs- und Entscheidungsspielraum sollten Sozialarbeitende jedoch nicht willkürlich (aus)‌nutzen. Weil sich Sozialarbeitende im gesellschaftlichen Auftrag in individuelle Biografien einmischen, sind »ein spezifischer Wertbezug und eine am Gemeinwohl ausgerichtete Handlungsorientierung« (Hochuli Freund & Stotz, 2021, S. 44) erforderlich.

Dieser Wertebezug wird im nächsten Kapitel vorgestellt. Anschließend steht die Frage im Fokus, wie sich der Wertebezug beim methodischen Handeln berücksichtigen lässt.

Kurz gefasst

Sozialarbeitende beschäftigen sich alltagsorientiert mit der konkreten Alltagspraxis der Menschen, aus der sich eine diffuse Allzuständigkeit ergibt.

Für den Alltag der Menschen sind Sozialarbeitende jedoch nicht allein zuständig.

Das berufliche Handeln Sozialarbeitender ist sozialrechtlich und bürokratisch eingebunden.

1.3 Berufliche Ethik

T Was Sie in diesem Kapitel lernen können

In diesem Kapitel geht es um die Werte, auf denen »gute« Soziale Arbeit basiert.

Im Fachdiskurs besteht Einigkeit darüber, dass »Fachkräfte ein belastungsfähiges berufsethisches Fundament [brauchen], auf das sie in Krisen- und Konfliktsituationen zurückgreifen können« (von Spiegel, 2021, S. 64; vgl. auch: Hochuli Freund & Stotz, 2021, S. 64 ff.; Stimmer, 2020, S. 55 ff.). Dafür werden u. a. diese Gründe genannt:

1.

Sozialarbeiterische Interventionen sind nicht auf leblose Objekte ausgerichtet, sondern auf den Alltag von Menschen und ihre Lebensverhältnisse. Zahlreiche Alltagssituationen von Menschen, für die Sozialarbeitende auch zuständig sind, wie etwa häusliche Gewalt, Substanzmittelmissbrauch, Einkommensarmut, Konflikte im Wohnquartier, betreffen ihre Privatsphäre, die durch das Grundgesetz geschützt ist.

2.

Sozialarbeitende arbeiten auch mit Menschen, die sozial, materiell, psychologisch, physiologisch verletzt oder verletzbar sind. Um Verletzungspotenzial im Unterstützungsprozess zu erkennen, zu bearbeiten und um Verletzungen durch die Unterstützung zu vermeiden, muss jede Situation als einzigartig (an)‌erkannt werden. In diesem Zusammenhang weist Nuss (2021, o. S.), Bezug nehmend auf Oevermanns Professionalisierungskonzeption (1979), auf die Notwendigkeit hin, dass Sozialarbeitende ihr Expertenwissen nicht linear »durch technische Problemlösung in den Fall ein‍[bringen], sondern auch die lebensweltliche Eigenlogik« respektieren und anerkennen müssen.

3.

Sozialarbeitende sollten sich bewusst sein, dass ihnen das Wissen, das sie sich im Studium aneignen, und ihre berufliche Position Macht verleihen. Damit Sozialarbeitende ihren Machtüberschuss nicht zu manipulativen Zwecken ausnutzen, sollten sie dazu in der Lage sein, ihr methodisches Handeln ethisch zu reflektieren.

Beispiel: Manipulationspotenzial der Motivierenden Gesprächsführung

Wie wir noch sehen werden, ist die Motivierende Gesprächsführung (Miller & Rollnick, 2012) dafür geeignet, mit Menschen zu arbeiten, die einer Verhaltensänderung ambivalent gegenüberstehen (vgl. ▸ Kap. 6.1).

Dieser Ansatz lässt sich auch zu manipulativen Zwecken ausnutzen. Ein manipulativer Zweck kann bspw. darin bestehen, berufliche oder institutionelle Eigeninteressen durch die Anwendung der Motivierenden Gesprächsführung (MG) zu verfolgen. Als Beispiel: Eine Fachkraft beim Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) möchte Konflikte mit ihrer Teamleitung vermeiden (Eigeninteresse). Die Teamleitung hat die Direktive ausgegeben, die leistungsberechtigten Menschen davon zu überzeugen, zunächst eine ambulante erzieherische Hilfe zu beantragen und nicht die kostenintensivere stationäre Hilfe (institutionelles Interesse). Wendet die Fachkraft ihr Wissen zur methodischen Ausführung der MG an, um das Ziel ihrer Teamleitung umzusetzen, kann von einem manipulativen Zweck gesprochen werden. Daher gilt:

»Je mehr Sie persönlich oder Ihre Institution davon profitiert, dass der Klient eine bestimmte Entscheidung einer anderen vorzieht, desto unangemessener ist nach unserer Überzeugung die Anwendung von MI [Motivierender Gesprächsführung], um diese Entscheidung zu beeinflussen.« (ebd., S. 153)

Sozialarbeitende können ihren »Machtüberschuss« auch zum Wohle der Menschen einsetzen. Wenn bspw. einer Person Hilfeleistungen, auf die sie einen sozialrechtlichen Anspruch hat, verwehrt werden, kann eine Fachkraft ihre Kenntnisse und beruflichen Kontakte nutzen, um sie dabei zu unterstützen, einen Widerspruch gegen den entsprechenden Verwaltungsakt einzulegen.

4.

Eine weitere Begründung ergibt sich aus dem sog. »doppelten Mandat«: Sozialarbeitende haben einerseits ein Hilfemandat. Sie sollen sich den Bedarfen der Menschen widmen und dabei ihre Interessen berücksichtigen. Andererseits unterliegen Sozialarbeitende dem Kontrollmandat: »Nun erwartet die Gesellschaft, welche definiert, welche Hilfe Soziale Arbeit leisten soll, zusammen mit dieser Hilfe auch eine Anpassung der Hilfeempfänger an die herrschenden Normen (z. B. Bereitschaft zur eigenen Existenzsicherung), und von den Professionellen der Sozialen Arbeit eine Kontrolle dieser Anpassung und gegebenenfalls eine Disziplinierung der Klientinnen.« (Hochuli Freund & Stotz, 2021, S. 52, Hervorheb. i. Orig.)Das doppelte Mandat