Invasion - Der Gegenschlag - John Ringo - E-Book

Invasion - Der Gegenschlag E-Book

John Ringo

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Beschreibung

Kann Major O’Neal die Posleen aufhalten?

Fünf Jahre nach der Invasion haben die Posleen die Kontrolle über weite Teile der Erde übernommen und verwüstet. In den Appalachen gibt es jedoch die letzten Enklaven der Menschheit, die in einem langwierigen Guerilla-Krieg alles geben, um die Aliens zurückzudrängen. Angeführt werden sie von Major Michael O’Neal, der alles tut, damit seine Jungs durchkommen – selbst wenn das bedeutet, dass er sich mit den eigenen Leuten anlegen muss.

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Titel der amerikanischen Originalausgabe WHEN THE DEVIL DANCES Deutsche Übersetzung von Heinz Zwack Das Umschlagbild ist von Paul Youll Die Übersetzung der Gedichte von Rudyard Kipling ist von Gisbert Haefs
Copyright © 2002 by John RingoCopyright © 2004 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbHNeumarkter Str. 28, 81673 München.Covergestaltung: Nele Schütz Design, München Redaktion: Werner BauerSatz: Schaber Satz und Datentechnik Wels
ISBN 978-3-641-12194-5V002
www.heyne.dewww.penguinrandomhouse.de

Inhaltsverzeichnis

Chronologie der Posleen-InvasionKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37Kapitel 38Kapitel 39Kapitel 40Kapitel 41EpilogNachwort des AutorsAnmerkung des ÜbersetzersVergleich amerikanischer und deutscher Army-(Heeres-)DienstgradeDie Dienstgrade und Kampffahrzeuge der PosleenGlossarSpezifikationen SheVa EinsCopyright

Gewidmet:

Thomas Burnett, 38, Vater von drei Kindern

Und all den anderen Kriegern von Flug 93. Sie starben, damit andere leben konnten.

Call me not false, beloved,If, from your scarce-known breastSo little time removed,In other arms I rest.

For this more ancient bride,Whom coldly I embrace,Was constant at my sideBefore I saw thy face.

Live, then, whom Life shall cure,Almost, of Memory,And leave us to endureIts immortality.

»The Bridegroom«;aus »Epitaphs of the War«– Rudyard Kipling

Nenn mich nicht treulos, Liebste, wenn ich, so kurz erst deiner kaum gekannten Brust entrissen, in andren Armen ruhe.

Denn diese ältere Braut, die ich kalt umarme, war treulich an meiner Seite, eh ich dein Gesicht sah.

So leb du denn, die das Leben Von Erinnerungen fast heilen wird, Und lass uns diese Unsterblichkeit ertragen.

»Der Bräutigam«,aus: »Grabschriften des Friedens«– Rudyard Kipling

9. Oktober 2009Erste Landung, fünf Battle Globes; Landungen: Fredericksburg, Zentralafrika, Südostasien, Usbekistan28. Juli 2010Erste Welle, zweiundsechzig Battle Globes; Schwerpunkte: Ostküste Nordamerikas, Australien, Indien15. August 2010Letztes Lebenszeichen: australisches Verteidigungskommando Alice Springs12. April 2011Zweite Welle, fünfundvierzig Battle Globes; Schwerpunkte: China, Südamerika, Westküste Nordamerikas, Naher Osten, Südostasien14. Mai 2011Letztes Lebenszeichen: Chinesische Rote Armee, Xianging28. Mai 2011Letztes Lebenszeichen: Türkische Allianz, Dschalallabad18. Juni 2011Letztes Lebenszeichen: Kombiniertes Indochina-Kommando, Angkor Wat19. Dezember 2011Letztes Lebenszeichen: Verbündete des Buches, Jerusalem23. Januar 2012Schlacht von L3: Verlust des Super-Monitors Lexington, Task Fleet 4.217. Februar 2012Schlacht um Titan-Basis27. März 2012Dritte Welle, dreiundsiebzig Battle Globes; Landungen: Europa, Nordafrika, Indien II, Südamerika II30. April 2012Letztes Lebenszeichen: Islamische Verteidigungsstreitkräfte, Khartoum5. Juli 2012Letztes Lebenszeichen: Indische Verteidigungsstreitkräfte, Gujarrat25. August 2012Letztes Lebenszeichen: Streitkräfte Bolivars, Paraguay24. September 2012Erste Schlacht von Irmansul; Verlust der Super-Monitore Enterprise, Yamato, Halsey, Lexington II, Kusnetsov, Victoria, Bismarck. Task Fleets 77.1, 4.4, 1117. Dezember 2012Zweite Schlacht um die Erde: Verlust der Super-Monitore Moskva, Honshu, Mao. Task Fleet 7.1, 4.1, 1418. Dezember 2012Vierte Welle, fünfundsechzig Battle Globes; Schwerpunkte: China II, Ostküste Nordamerika II, Europa II, Indien III14. März 2013Letztes Lebenszeichen: Europäische Unionsstreitkräfte, Innsbruck28. August 2013Fünfte Welle, vierundsechzig Battle Globes; Schwerpunkte: Westküste Nordamerika II, Ostküste Amerika III, Russland, Zentralasien, Südafrika, Südamerika III17. September 2013Letztes Lebenszeichen: Großafrikanische Allianz, Pietermaritzburg12. Oktober 2013Letztes Lebenszeichen: Rote Armee, Nischnij Nowgorod21. Oktober 2013Offizielle Feststellung: keine zusammenhängenden Streitkräfte-Formationen außerhalb Nordamerikas14. November 2013Zweite Schlacht von Irmansul: Verlust der Super-Monitore Lexington III, Yamato II. Task Fleet 141. Dezember 2013Geheimbericht des Senatsausschusses: geschätzte Erdbevölkerung 1,4 Milliarden/ geschätzte Posleen-Bevölkerung: über 12 Milliarden26. Mai 2014Letzte einsatzfähige Posleen-Streitkräfte auf Irmansul vernichtet

The Commando’s Prayer

Give me, my God, what you still have;give me what no one asks for.I do not ask for wealth, nor success,nor even health.

People ask you so often, God, for all that,that you cannot have any left.

Give me, my God, what you still have.Give me what people refuse to accept from you.I want insecurity and disquietude;I want turmoil and brawl.

And if you should give them to me,my God, once and for all,let me be sure to have them always,for I will not alwayshave the courage to ask for them.

Special Air Service– Corporal Zirnheld, 1942

Gib mir, mein Gott, was du noch hast: Gib mir, was keiner haben will. Nicht Reichtum will ich, nicht Erfolg, nicht mal Gesundheit.

So oft erbitten von dir alles das die Menschen, dass du ganz sicher davon nichts mehr hast.

Gib mir, mein Gott, was du noch hast. Gib mir, was andre sich nicht von dir erbitten. Unsicherheit, Unruhe wünsch ich mir, Kampf und Tumult.

Und, solltest meinen Wunsch du mir erfüllen, dann, mein Gott, dann sorg dafür, dass ich sie immer habe, denn nicht immer werde den Mut ich haben, dies von dir zu erbitten.

Der Nachthimmel über den Ruinen von Clayton im Bundesstaat Georgia schien in Flammen zu stehen, als eine ganze Artilleriebrigade den Himmel mit Splittern füllte. Das orangegelbe Licht der unregelmäßigen Salven beleuchtete das Skelett eines ausgebrannten Burger King und die herumhastenden Zentaurengestalten der Posleen-Invasoren.

Die krokodilköpfigen Aliens stoben unter dem massiven Beschuss auseinander, während Sergeant Major Mosovich zusah, wie der Scharfschütze seines Teams mit der Regelmäßigkeit eines Metronoms auf sie schoss.

Drei Gottkönige hatten das Posleen-Bataillon geführt, das, was die Invasoren ein »Oolt’ondar« nannten, eine Truppeneinheit unterschiedlicher Größe, etwa zwischen einem menschlichen Bataillon und einer Division. Zwei der drei Führungskasten waren mit zwei präzise gezielten Schüssen aus ihren untertassenförmigen Antigrav-Fahrzeugen geschleudert worden, ehe der Letzte das Tempo seines Fahrzeugs gesteigert und zugesehen hatte, außer Schussweite zu kommen. Als er verschwunden war, fing der Scharfschütze an, sich mit den Posleen-Normalen zu befassen.

Der Rest von Fernaufklärungsteam Fünf hatte das Feuer eingestellt. Im Gegensatz zu dem Scharfschützen mit seinem .50-Kaliber-Karabiner musste der Rest des Teams damit rechnen, dass ihre Leuchtspurmunition sie verraten würde. Und dann würden sie fallen wie Weizen vor der Sense des Schnitters; das Bataillon semi-intelligenter Normaler würde selbst ohne seine Führer imstande sein, das FAT einfach niederzuwalzen.

Also lenkten sie den Artilleriebeschuss, bis die restlichen Aliens das Feld geräumt hatten.

»Saubere Arbeit«, sagte Mueller mit ruhiger Stimme und ließ den Blick über Dutzende pferdegroßer Kadaver schweifen, die die Straßen bedeckten. Der große blonde Master Sergeant hatte schon gegen Posleen gekämpft, als der größte Teil der Menschheit noch gar nichts von ihrer Existenz gewusst hatte. Ähnlich Mosovich hatte er all die schlimmen Seiten dieser Invasion und die wenigen guten, die sie vielleicht auch mit sich gebracht hatte, am eigenen Leibe erlebt.

Als man ihnen befohlen hatte, auf Streife alle Posleen zu erschießen, die ihnen vor die Rohre kamen, war ihnen das gar nicht sonderlich schlau vorgekommen. Schließlich wusste er, wie es war, wenn man von Posleen gejagt wurde, und es machte absolut keinen Spaß. Die Aliens waren schneller als Menschen, hielten mehr aus, und wenn sie einmal die Verfolgung aufgenommen hatten, erforderte es unglaubliches Geschick oder weit überlegene Feuerkraft, um sie wieder loszuwerden. Aber wie es schien, setzten die Invasoren die Verfolgung nie über bestimmte Zonen hinaus fort, und die Aufklärungsteams verfügten über hinreichende Feuerkraft, um den größten Teil ihrer Verfolger auszulöschen; und deshalb nutzten sie jetzt jede Chance, die Invasoren unter Beschuss zu nehmen.

»Lang genug haben die ja gebraucht«, knurrte Sergeant Nichols. Der E-5 war kürzlich von den Zehntausend zu ihnen versetzt worden. Wie alle Spartaner war der Sergeant so hart wie der Lauf seines Scharfschützenkarabiners, aber wenn es darum ging, wie es hinter dem Wall zuging, musste er noch eine ganze Menge lernen.

»Die Ari setzt gewöhnlich ziemlich spät ein«, sagte Mueller und richtete sich auf. Ebenso wie der Scharfschütze trug auch er einen Ghillie-Anzug. Die herunterhängenden Stofffetzen, die einen Soldaten im Buschwerk fast unsichtbar machten, waren gewöhnlich recht lästig. Aber der Anzug leistete gute Dienste, wenn es darum ging, den etwas überdimensionierten Master Sergeant zu verbergen.

Die Fronten entlang der Ostküste waren jetzt seit fast zwei Jahren ziemlich stabil gewesen. Beide Seiten hatten ihre Stärken und Schwächen, und daraus hatte sich so etwas wie eine Patt-Situation entwickelt.

Die Posleen verfügten über modernste Waffen, Hunderte von Generationen besser als alles, was Menschen aufzubieten hatten. Ihre leichten Hochgeschwindigkeitsgeschosse konnten einen Kampfpanzer oder einen Bunker aufschlitzen wie eine Blechdose, und jedes zehnte »Normale« war damit ausgestattet. Die Plasmakanonen und die schweren Railguns auf den Untertassenfahrzeugen der Gottkönige waren fast ebenso wirksam, und ihre Sensorik stellte sicher, dass kein Flugzeug und keine Lenkwaffe sich über den Horizont wagen durfte.

Und zu diesem technischen Vorteil kam, dass sie gegenüber den menschlichen Verteidigern weit in der Überzahl waren. Die fünf Invasionswellen, die bisher über die Erde hereingebrochen waren, sowie die zahlreichen »kleineren« Landungen dazwischen hatten zwei Milliarden Posleen auf dem belagerten Planeten abgesetzt. Und es dauerte nur zwei Jahre, bis ein Posleen ausgereift war. Wie viele von ihnen sich im Augenblick auf der Erde befanden, war unmöglich abzuschätzen.

Natürlich waren nicht alle in Nordamerika gelandet. Tatsächlich waren die USA sogar im Vergleich mit dem Rest der Welt relativ glimpflich davongekommen. Afrika war, wenn man einmal von gewissen Guerillaaktivitäten im Dschungel und in den Weiten Südafrikas absah, als »menschlicher« Kontinent praktisch von der Landkarte gewischt worden. Asien hatte nahezu das gleiche Schicksal erlitten. In bergigem Gelände und im Dschungelterrain befanden sich die pferdeähnlichen Posleen dagegen deutlich im Nachteil, und deshalb leisteten Teile Südostasiens, insbesondere die Himalaja-Region, Burma und Teile von Indochina, noch aktiven Widerstand. China und Indien waren praktisch Posleen-Provinzen. Die Gäule hatten weniger als einen Monat gebraucht, um China zu durchqueren, damit gewissermaßen Maos »Langen Marsch« zu wiederholen und dabei fast ein Viertel der Bevölkerung der Erde hinzumetzeln. Der größte Teil Australiens und Südamerikas, mit Ausnahme der dichten Dschungelregionen im Landesinneren und der Anden-Region, waren ebenfalls gefallen.

Europa war ein einziges Schlachtfeld. Die Posleen taten sich in kalten Regionen äußerst schwer, was nicht so sehr an der Kälte lag als vielmehr daran, dass sie in kaltem Klima kaum Nahrung fanden; so kam es, dass sie die skandinavische Halbinsel und das Innere Russlands weitgehend ignoriert hatten. Aber Posleen-Streitkräfte hatten ganz Frankreich und Deutschland, mit Ausnahme gewisser Teile Bayerns, eingenommen und überfluteten inzwischen die norddeutsche Tiefebene bis an den Rand des Ural. Dort waren sie zum Stillstand gekommen, eher weil die Umweltbedingungen sie anwiderten denn wegen nennenswerten militärischen Widerstands.

Zurzeit wurde ihnen in den Alpen, auf dem Balkan und in Osteuropa Widerstand geleistet, aber die belagerten Überlebenden litten unter mangelhafter Nahrungsversorgung, unzureichender Produktionskapazität und dem Verlust jeglicher Hoffnung. Der Rest Europas, das gesamte Flachland und der größte Teil der historischen »zentralen« Zonen waren fest in der Hand der Posleen.

Amerika hatte es einer günstigen Kombination von geografischen Gegebenheiten, Glück und einer brutalen Strategie zu verdanken, dass es noch überlebte.

An beiden Küsten gab es Ebenen, die sie mit Ausnahme bestimmter Städte den Posleen überlassen hatten. Aber die Bergketten zu beiden Seiten des Kontinents hatten es im Verein mit dem Mississippi der Nation ermöglicht, ihre Streitkräfte neu zu konsolidieren und an manchen Orten sogar zum Gegenangriff überzugehen.

Im Westen schützte das gewaltige Bergmassiv der Rocky Mountains das Landesinnere und verhinderte, dass sich die auf dem schmalen Streifen Land zwischen den Bergen und dem Meer eingezwängten Posleen vereinigten. Aber jener schmale Streifen Land hatte einmal einen nennenswerten Anteil der Bevölkerung der USA enthalten, und die Verluste an Zivilisten waren gewaltig gewesen. Am Ende hatte es der größte Teil der Bewohner Kaliforniens sowie der Staaten Washington und Oregon geschafft, in den Rockys sichere Zuflucht zu finden. Die meisten von ihnen hielten sich in den immer noch im Bau befindlichen unterirdischen Städten, den »SubUrbs«, auf, die auf eine Empfehlung der Galakter zurückgingen. Dort saßen sie, arbeiteten in unterirdischen Fabriken und stellten das her, was für die Kriegführung benötigt wurde – und schickten ihre Gesunden hinaus, um die Front zu verteidigen.

In den Rocky Mountains gab es viele Bodenschätze, die alle intensiv für den Kriegseinsatz genutzt wurden, doch was fehlte, war Nahrungsproduktion. Vor der ersten Landung hatte man jegliche Zurückhaltung in der landwirtschaftlichen Produktion aufgegeben, und die enorme amerikanische landwirtschaftliche Kapazität war auch sofort angesprungen. Aber den größten Teil der so erzeugten Nahrungsmittel hatte man in die wenigen befestigen Städte in den Ebenen geschickt, von denen man erwartete, dass sie mindestens fünf Jahre durchhielten. Das größte Problem war halt die Verpflegung. Und deshalb herrschte an allen anderen Orten erheblicher Lebensmittelmangel, als die ersten Landungen erfolgten. Die Posleen hatten fast die gesamte landwirtschaftliche Produktionsfläche im Westen, mit Ausnahme des Klamath-Beckens, erobert. Und deshalb musste der größte Teil der Lebensmittelversorgung für die westlichen SubUrbs über eine lange, dünne Verbindungskette erfolgen, die quer über die nördlichen Ebenen verlief und der I-94 und der Santa-Fé-Eisenbahnlinie folgte. Wenn diese Kette abgeschnitten wurde, würden fünfundachtzig Millionen Menschen langsam verhungern.

Im Osten war es nicht viel anders. Die Appalachenfront erstreckte sich von New York bis Georgia und bildete zusammen mit dem Tennessee River eine natürliche Barriere, die vom St. Lawrence bis zum Mississippi reichte. Einem Vergleich mit den Rocky Mountains freilich hielten die Appalachen in keiner Weise stand. Nicht nur, dass sie insgesamt bei weitem nicht so hoch aufragten, es gab dort auch Pässe, die fast so offen wie das flache Land waren. So fanden die Posleen entlang der ganzen Front zahlreiche Orte, die sich für einen Angriff eigneten. Und an all diesen Stellen, Roanoke, Rochester, Chattanooga und anderen, waren die Kämpfe erbittert und blutig gewesen. In all diesen Schluchten kämpften Tag und Nacht reguläre Einheiten, unter die sich galaktische Gepanzerte Kampfanzüge und die Elitetruppe der Zehntausend mischten, gegen scheinbar endlose Angriffswellen von Posleen. Aber die Front hielt. Manchmal allerdings hielt sie nur deswegen, weil die Überlebenden eines Angriffs einfach zu müde waren, um davonzulaufen; gelegentlich schwankte der Frontverlauf etwas, aber ganz aufgerissen wurde die Front nie.

Dass es gelang, die Front im Bereich der Appalachen zu halten, war von entscheidender Wichtigkeit. Mit dem Verlust der Küstenregionen und eines Großteils des Mittleren Westens blieben für die Produktion von Nahrungsmitteln lediglich noch Zentral-Kanada, das Cumberland-Plateau und das Ohio-Tal übrig. Und obwohl Kanada Getreide von höchster Qualität produzierte, war der Ertrag pro Anbaufläche doch recht gering, zudem konnte Kanada auch nur einen beschränkten Bereich von Produkten erzeugen. Außerdem war der Anteil der Industrie in British Columbia und Quebec zwar im Laufe der Jahre angewachsen, doch die logistischen Probleme einer breit angelegten Produktion unter subarktischen Bedingungen, unter denen Kanada schon immer gelitten hatte, hielten auch angesichts der Bedrohung durch die Posleen an. Es war schlichtweg unmöglich, die gesamte überlebende Bevölkerung der USA nach Kanada hineinzuzwängen. Und selbst wenn man es geschafft hätte, wäre es ihnen dort auch nicht besser als den Indern ergangen, die sich auf engstem Raum im Gujarrat und im Himalaja-Gebiet zusammendrängten.

Ein Verlust des Cumberland-Plateaus und des Ohio-Tales würde daher praktisch dem Ende jeglicher aktiven Verteidigungsfähigkeit gleichkommen. Es würden Menschen auf dem Kontinent übrig bleiben, aber diese Menschen würden, ebenso wie dies auf allen anderen Kontinenten der Fall war, nur noch verstreute Überlebende sein, die in den Ruinen nach Nahrungsresten herumscharrten.

Aus der Erkenntnis heraus, dass der untere Bereich der Great Plains nicht verteidigt werden konnte, hatten sich die dort stationierten Streitkräfte, hauptsächlich Panzerverbände und GKA-Einheiten, zurückgezogen, ohne sich vom Feind in Kampfhandlungen verwickeln zu lassen, sofern sie nicht die Gewissheit hatten, ihm gewaltige Verluste zufügen zu können. Diese Rückzugsoperation war in der Nähe des Minnesota River zum Stillstand gekommen, und zwar weitgehend aus denselben Gründen wie die Rückzugsoperationen in Sibirien. Dabei hatten die Posleen, ob ihnen das bewusst war oder nicht, eines geschafft: Im Laufe der lang gezogenen Rückzugsoperationen war die 11th Mobile Infantry, die größte Einheit von mit GalTech-GKAs ausgestatteten Soldaten der Erde, vernichtet worden. Sämtliche Verteidigungsmaßnahmen basierten auf den bekannten Schwächen der Posleen: der Unfähigkeit, längerem Artilleriebeschuss standzuhalten, und der Unfähigkeit, nennenswerte Hindernisse im Terrain zu überwinden. Die Gottkönige konnten zwar Flugzeuge und auch Lenkwaffen mit fast hundertprozentiger Sicherheit bekämpfen, waren aber immer noch außer Stande, Artilleriebeschuss abzuwehren. Solange sie in Artillerieschussweite von Menschen waren, waren sie verletzbar. Und wegen ihrer seltsamen mentalen Blockade war es für sie buchstäblich unmöglich, moderne Verteidigungsanlagen zu überwinden. Wenn Posleen vorbereitete Stellungen mit Befestigungsanlagen angriffen, betrug die Verlustrate normalerweise hundert Posleen für jeden getöteten Menschen; und selbst mit ihrer überwältigenden Übermacht schafften sie es einfach nicht, mehr als die vorderste Linie befestigter Stellungen einzunehmen. Und praktisch alle Festungsanlagen in den Rockys und den Appalachen waren tief gestaffelt. Und deshalb rannten die Posleen gegen sie an und starben in so gewaltiger Zahl, dass es unmöglich war, ihre Verluste exakt zu erfassen. Und sie unterlagen. Jedes einzelne Mal.

Jetzt kauerten die Menschen in den meisten Bereichen hinter ihren massiven Befestigungsanlagen, während die Posleen außerhalb der Reichweite der menschlichen Artillerie eine Zivilisation aufbauten. Und dazwischen dehnte sich ein von Unkraut überwuchertes und von Geistern bevölkertes Niemandsland niedergewalzter Dörfer und zerstörter Städte aus.

Und durch diese Wildnis streiften die Fernaufklärungsteams.

»Lass uns hinausgehen«, sagte Mosovich leise und schob sein Fernglas ins Futteral zurück. Das Glas war ein Produkt alter Technik, nicht einmal lichtverstärkt, aber in Situationen wie der gegenwärtigen reichte das aus. Außerdem war es ihm ganz angenehm, sich nicht auf Elektronik verlassen zu müssen; Batterien, selbst solche, die GalTech zur Verfügung gestellt hatte, gaben schließlich den Geist auf. »Ich schätze, die Jungs waren in südlicher Richtung unterwegs, auf unser Ziel zu.«

»Kannst du mir sagen, was wir eigentlich gegen einen Globe machen sollen, Jake?«, fragte Mueller. Aber trotzdem setzte er sich hügelabwärts in Bewegung, Richtung Süden.

Vor einer Woche war einer der gigantischen »Battle Globes« der Posleen-Invasoren beim Landeanflug ausgemacht worden. Das Raumschiff war unter besserer Kontrolle gelandet, als dies bei den Posleen normal war. Üblicherweise fanden die Landungen mehr oder weniger willkürlich statt, aber dieser Globe war in einem der wenigen Bereiche der östlichen USA gelandet, wo kein massiver Artillerieschutz zur Verfügung stand; das Planetarische Verteidigungszentrum, das normalerweise die Landung behindert hätte, war schon vor seiner Fertigstellung zerstört worden.

Die Globes setzten sich aus Tausenden kleinerer Schiffe von mehreren Welten zusammen. Sie formierten sich an vorher bestimmten Treffpunkten im Tiefraum und nahmen dann Kurs auf den Zielplaneten. Sobald sie die Ausläufer der Atmosphäre erreichten, lösten sich die Globes auf, und die nachgeordneten Einheiten und Kommando-Dodekaeder schwärmten in einem riesigen Kreis rings um das Zielgebiet aus.

Einer dieser K-Deks war irgendwo in der Nähe der bereits eroberten Stadt Clarkesville, Georgia, gelandet. Das FAT hatte den Auftrag, den K-Dek zu finden und herauszubekommen, zu welchem Ziel seine Truppen unterwegs waren.

Bis jetzt sah es so aus, als würden die Posleen Truppen sammeln, nicht etwa absetzen. Und das war, gelinde gesagt, ungewöhnlich.

»Zuerst finden wir das Ding«, erklärte Mosovich, »anschließend überlegen wir uns, was zu tun ist.«

Den K-Dek zu finden würde schwierig sein. Überall in dem unzugänglichen Terrain waren Posleen-Trupps unterwegs. Da die zentauroiden Posleen in bergigem Gelände Schwierigkeiten hatten, bedeutete das, dass sie sich auf die Straßen beschränkten. Und das wiederum bedeutete, dass das Erkundungsteam bemüht sein musste, einen weiten Bogen um alle Straßen zu schlagen. Am besten würde sich das bewerkstelligen lassen, wenn sie sich in bergigem Gelände von Bergkamm zu Bergkamm bewegten. Aber bedauerlicherweise verliefen die Bergzüge im Norden Georgias von Ost nach West und nicht von Nord nach Süd. Aus diesem Grund hatte das Team eine Erhebung von vielleicht zweihundert Meter Höhe zuerst auf der einen Seite hinauf- und dann auf der anderen Seite wieder hinunterklettern müssen. Im Tal angelangt, galt es sogleich, den unvermeidlichen Fluss zu überqueren, und dann begann das Ganze wieder von vorne.

Mosovich ließ sie einen weiten Bogen um den Highway 441 schlagen und führte sie in die Wildnis um den Stone Wall Creek hinunter. Die dichten Wälder aus Fichten und Eichen überzogen das Land mit einer mittelalterlich wirkenden Dunkelheit; die Hintergrundbeleuchtung der Zivilisation war schon seit Jahren erloschen. In dem urwaldhaften Gestrüpp war immer wieder das Rascheln von Wild zu hören, und in den Hügeln südlich von Tiger Creek scheuchten sie ein Rudel Rehe auf, das vermutlich mehrere hundert Tiere umfasste.

Ein Stück weiter nördlich hielt Mueller dann an und hob die Hand. Vor ihnen war ein gedämpftes, aber stetiges Rascheln zu hören. Er kroch ein Stück nach vorn und drehte die Lichtverstärkung seiner Brille etwas hoch.

Als er sah, wie die ersten Gäule mühsam aus einem drei Meter hohen Erdhaufen geklettert kamen, nickte er bloß und zog sich zurück. Er sah Mosovich an und deutete nach Süden, gab dem anderen zu verstehen, dass sie einen Bogen schlagen mussten. Als Mosovich darauf mit einer fragenden Geste antwortete, hob er zwei Finger, die er wie ein V abspreizte, und richtete sie dann nach unten, als wollte er sie in den Boden rammen. Der Sergeant Major nickte und deutete ebenfalls nach Süden: Niemand wollte eine Abat-Wiese durchqueren.

Diese Geschöpfe waren eine der Plagen, die die Posleen mitgebracht hatten. Ebenso wie die Posleen fraßen sie alles, was ihnen in den Weg kam, und konnten sich von terranischer Vegetation ernähren. Sie waren etwa so groß wie ein Kaninchen, hatten weißes Fell und sahen wie eine Kreuzung zwischen einer Ratte und einem Pillendreher aus. Sie bewegten sich wie ein Hase, hoppelten auf einem einzelnen Hinterbein herum, das mit einem breiten, flexiblen Fuß versehen war. Wenn sie einzeln auftraten, waren sie harmlos, und im Gegensatz zu den Posleen konnten sie auch von Menschen gegessen werden. Mueller hatte welche gegessen und musste zugeben, dass sie immerhin besser als Schlange schmeckten, so ähnlich wie Capybara. Ihre Nester bauten sie unter der Erde, ähnlich Ameisen, und verteidigten diese auch heftig, schwärmten aus und griffen alles an, wobei ihnen ihr gewaltiger, schnabelartig ausgebildeter und mit rattenähnlichen Zähnen besetzter Unterkiefer sehr zustatten kam. Sie fällten Bäume, ähnlich Bibern, zerkauten sie und bauten aus dem Brei unterirdische Pilzgärten, rodeten riesige Lichtungen in die Wälder. Sie fraßen eine Vielfalt an Vegetation und waren auch schon dabei beobachtet worden, wie sie Aas fraßen.

Andererseits wurden sie von Wölfen, verwilderten Hunden und Kojoten gefressen, aber ihr einziger natürlicher Feind war ein Lebewesen, das die Posleen »Grat« nannten. Diese Grats waren wesentlich schlimmer als Abats, ein fliegendes Ungeziefer, das bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Wespen aufwies. Das einzig Gute war, dass sie in ihrer Vermehrung dadurch beeinträchtigt waren, dass sie sich ausschließlich von Abats ernähren konnten. Da es in der Nähe ein Abat-Nest gab, achtete Mueller darauf, nach Grats Ausschau zu halten; sie hatten wesentlich ausgeprägtere Territorialinstinkte als die Abats, und ihr Stich war tödlich.

Doch der Rest ihrer Reise verlief ohne Zwischenfälle, und in der Morgendämmerung lagerten sie in den Hügeln oberhalb des Lake Rabun. Sie waren nur verhältnismäßig langsam vorangekommen, aber das war schon in Ordnung. Morgen würden sie das Lager der Posleen ausspähen und Berichte zurückschicken. Clarkesville lag in Reichweite der 155-mm-Artillerie-Batterien, die am Pass in Stellung waren, und deshalb konnten die Posleen, ganz gleich was sie unternahmen, mit einem warmen Empfang rechnen.

Schwester Mary hob beide Daumen, um damit anzuzeigen, dass sie eine Verbindung hergestellt hatte. Der weibliche Fernmeldesergeant war gerade im Begriff gewesen, Nonne zu werden, als bekannt wurde, dass eine Invasion bevorstand. Daraufhin hatte man sie von ihren bereits geleisteten Gelübden entbunden, und sie war in die Army eingetreten. Die kräftig gebaute Fernmeldetechnikerin schaffte es problemlos, eine ganze Ladung Relaisgeräte zu schleppen; und zugleich musste sie sich ständig vergewissern, dass die Verbindung zur Nachhut nicht abriss.

Mueller rollte seinen Poncho aus, legte die Ghillie-Decke darüber und kroch dann darunter, nicht ohne vorher mit zwei hochgehobenen Fingern anzudeuten, dass er die zweite Wache übernehmen wollte.

Mosovich nickte, deutete auf Nichols und hob erst einen Finger und dann vier, mit denen er auf Schwester Mary deutete. Sie würden den größten Teil des Tages schlafen und sich, wenn es dann dunkel wurde, zum Fluss vorarbeiten. Am nächsten Morgen hatte er vor, auf Clarkesville hinunterzublicken.

Nichols zog sich die Ghillie-Decke hoch, um sich und seine Waffe zuzudecken, und suchte sich dann einen passenden Felsbrocken. Der Marsch war verdammt anstrengend gewesen; die Bergflanken erwiesen sich als ziemlich steil, und das Gestrüpp war höllisch dicht. Aber er kannte ein Geheimnis, das er den anderen nicht mitteilen würde. Und dieses Geheimnis lautete, dass ein anstrengender Tag in bergigem Gelände wesentlich besser als ein guter Tag bei den Zehntausend war. Und so betrachtet war er lieber hier als in Rochester.

God of our fathers, known of old,Lord of our far-flung battle-line.Beneath whose awful Hand we holdDominion over palm and pine –Lord God of Hosts, be with us yet,Lest we forget – lest we forget!

»Recessional«– Rudyard Kipling, 1897

Gott unsrer Väter, Altbekannt, Herr unsrer schier endlosen Schlachtenreihen, unter dessen furchtbarer Hand wir ausüben Herrschaft über Palme und Kiefer – Herr Gott der Heerscharen, sei dennoch mit uns, dass wir nicht vergessen – dass wir nicht vergessen.

»Schlusschoral«

Mike O’Neal blickte auf das von Rauch verhüllte Tal hinunter, wo früher einmal die Stadt Rochester gestanden hatte. Jetzt war sie platter, als wenn ein Hurrikan über sie hinweggegangen wäre; die Menschen verstanden sich hervorragend darauf, inmitten von Gebäuden, Schutt und Trümmern zu kämpfen, während dies den Posleen wegen ihres pferdeähnlichen Körperbaus beinahe unmöglich war. Aber das hieß nicht, dass Rochester noch eine menschliche Stadt war. Es verhielt sich halt jetzt so, dass zwei verschiedene Gattungen von Ungeziefer um sie kämpften.

Der Regen fiel wie ein Nebelschleier, ein dicker, dunstiger Nebel, den der Wind vom Ontario-See herüberwehte. Mike hielt mit der einen Hand seinen Helm, mit der anderen eine Gravpistole umfasst. Hinter ihm war ein fernes Grollen zu hören, wie Donner, und auf der Ostseite des Genesee River brach plötzlich ein Vorhang aus weißem Feuer in die Höhe, knatternd, als ob eine Million Knallfrösche explodierten. Eine weitere fehlgeleitete Salve, die auf dem Höhenzug niederging, wo früher einmal die Rochester University gestanden hatte.

»These mist covered mountains are home now for me«, sang er, ließ die Pistole in seiner Hand kreisen und beobachtete das Artilleriefeuer.

»But my home is on the lowlands and always will be, Someday you’ll return to your valleys and farms. And you’ll no longer burn to be brothers in arms.«

Vor ihm tanzte ein Hologramm. Eine hoch gewachsene, schlanke dunkelhaarige Frau in der Uniform eines Lieutenant Commander der Flotte sprach darüber, wie man aus der Distanz eine Tochter erziehen konnte. Der weibliche Flottenoffizier war sehr schön, eine echte Schönheit, die früher einmal einen seltsamen Kontrast zu dem an einen Neandertaler erinnernden Äußeren ihres berühmten Ehemanns gebildet hatte. Sie war auch ruhiger und konnte besser mit Menschen umgehen; auch darin bildete sie einen wohltuenden Gegensatz zu dem oft so hitzköpfigen Mann, den sie geheiratet hatte.

Nur dass sie nicht ganz so glücklich wie ihr Mann war, und das war etwas, was er nie ganz vergessen konnte.

Eine weitere Artilleriesalve kam herunter, und gleich darauf stieg eine Anzahl untertassenförmiger Fahrzeuge auf und jagte in westlicher Richtung über den Fluss. Die Posleen lernten schnell, lernten, dass man, wenn man nur entschlossen genug vorging und seine Truppen gut führte, auch Hindernisse im Terrain überwinden konnte. Er sah interessiert zu, wie die HV-Geschosse und Plasmakanonen der Gottkönigsfahrzeuge eine Artilleriebatterie zum Schweigen brachten und wie gleich darauf ein Trupp Normaler die improvisierte Brücke überquerte. Das hölzerne Gebilde, einfache Bretter über einem Dutzend aus der ganzen Gegend zusammengekratzter Boote, hätte spielend leicht mit Artilleriefeuer zerstört werden können, aber die Artillerie konzentrierte sich wie gewöhnlich auf »feindliche Konzentrationen« und »strategisches Terrain«. Und nicht etwa die vorrückenden Posleen, ohne die das Terrain bald nicht mehr strategisch sein würde.

»Die lernen, Honey«, flüsterte er. »Das tun wir nie.«

Sie hatten in den unerwarteten Gefechten vor dem offiziellen Beginn des Krieges nichts gelernt, als sie Fredericksburg verloren und Washington beinahe verloren hatten. Als man den Battle Globes ohne zu überlegen leicht bewaffnete »schnelle Fregatten« entgegengeworfen hatte.

Die Battle Globes bestanden aus mehreren Schichten übereinander angeordneter Kampfschiffe. Ein direkter Treffer eines Antimaterie-Sprengkopfes würde zwar eine äußere Schicht zerstören, aber die Schiffe dahinter würden den Schaden einfach abschütteln und sich neu formieren. Darauf basierte die Theorie, dass man sie mit einem massiven Schlag aufbrechen und anschließend die verstreuten Schiffe mit »Sekundäreinheiten« bekämpfen musste. Doch das setzte nicht nur voraus, dass Flotten von sekundären Schiffen zur Verfügung standen, also Jäger, Fregatten und Zerstörer, sondern darüber hinaus brauchte es auch ein massives, zentrales, kapitales Schiff.

Aber anstatt abzuwarten, bis die Flotte in vollem Ausmaß vorbereitet war, hatte das galaktische Oberkommando immer mehr Schiffe praktisch frisch aus den Werften in die Schlacht geworfen. Sie tröpfchenweise vergeudet, nicht nur im terranischen Weltraum, sondern auch über Barwhon und Irmansul. Der Verlust der Schiffe, der für den Generalplan entscheidend wichtigen Sekundärschiffe, war schon schlimm genug, aber die Verluste an ausgebildetem Personal waren geradezu vernichtend gewesen.

Die Invasion der Erde hatte sie praktisch vom Weltraum abgeschnitten, und keine der anderen Rassen der galaktischen Föderation konnte kämpfen. Um die Flotte gemäß der Planung mit Mannschaften zu versehen, hatte man alle brauchbaren Kandidaten von der Erde abgezogen und sie über Monate, wenn nicht über Jahre hinweg in Simulatoren ausgebildet, um sie darauf vorzubereiten, schließlich triumphierend in den Weltraum hinauszuziehen. Doch stattdessen hatte man sie in einem Gefecht nach dem anderen vergeudet, ohne dass sie den Posleen nennenswerten Schaden hatten zufügen können. Auf diese Weise war die ohnehin beschränkte Zahl für den Einsatz off-planet in Frage kommender Streitkräften ausgeblutet, ehe das erste kapitale Schiff fertig gestellt war.

Ehe der erste »Super-Dreadnought« vom Stapel lief, war bereits die zweite Invasionswelle in vollem Gange. Dieses gewaltige, beinahe vier Kilometer lange Schiff verfügte über eine Hyperkanone, die durch die Schiffsachse verlief und imstande war, die Battle Globes aufzubrechen. Und die neuen Hyperkanonen funktionierten, funktionierten sogar mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit. Die Lexington war mit Höchstgeschwindigkeit von der Titan-Basis zur Erde gerast und hatte zwei der Battle Globes zerschmettert, die Kurs auf Terra genommen hatten. Und dann waren ganze Schwärme über sie hereingebrochen.

Tausende kleinerer Schiffe, die wolkenkratzerförmigen Lampreys und die K-Dek-Kommandoschiffe schlossen eine Art Belagerungsgürtel um den Super-Dreadnought und hämmerten von allen Seiten auf ihn ein. Trotz der massiven Abwehrgeschütze an den Seiten und trotz der massiven Panzerung wurde der Koloss von wiederholten Antimaterie-Treffern förmlich in Fetzen gerissen, und als seine Geschütze schließlich schwiegen, ließ der Feind das Wrack einfach treiben. Dabei war die Panzerung des Schiffes so wirksam, dass die Generatoren im Kern überhaupt nicht beeinträchtigt worden waren und man die Lexington schließlich bergen und wiederherstellen konnte. Aber das nahm Jahre in Anspruch, mehr Jahre, als sie der Erde zur Verfügung standen.

Mike fragte sich, wie viele andere Ehemänner und Ehefrauen, Mütter und Väter wohl auf die gottverdammte Flotte sauer waren: über »Admirale«, die nicht einmal dazu imstande waren, Pisse aus einem Stiefel zu schütten, selbst wenn man ihnen die Gebrauchsanweisung auf den Absatz druckte; über ein »Hohes Kommando«, das den verdammten Darhel die Stiefel leckte. Über Befehlshaber, die nie im Leben einen Posleen zu Gesicht bekommen hatten, geschweige denn einen getötet.

Und dann fragte er sich, wann wohl er an der Reihe sein würde.

Er sah den Geist seiner Frau lächeln, während der kalte Herbstregen über seinen glatt rasierten Schädel strömte und die Artillerie auf die vorrückenden Zentauren einhämmerte. Und spielte dabei mit dem Sicherungshebel seiner Pistole.

Jack Horner stand mit verschränkten Armen da und lächelte den Plastahl-Helm mit der undurchsichtigen Gesichtsplatte an, den er vor sich hatte. »Wo in drei Teufels Namen steckt O’Neal?«

Lieutenant Stewart zuckte in seinem Panzeranzug zusammen. Er wusste verdammt genau, wo der Major war. Und der Kommandeur der Continental Army wusste das auch. Was sie beide nicht wussten, war, weshalb O’Neal nicht auf ihre Anrufe reagierte.

»General Horner, ich kann nur sagen, wo er nicht ist, nämlich hier.« Der für das Nachrichtenwesen des Bataillons zuständige Offizier zuckte in seinem Kampfpanzer die Achseln, was der General natürlich nicht sehen konnte. »Aber ich bin sicher, dass er sobald wie möglich hier sein wird.«

Das Gespräch der Kommandeure und Leitenden Offiziere der Zehntausend und der GKA fand auf den Hügeln über dem Black Creek statt. Von hier aus konnte man trotz der vom See herüberziehenden Nebelschwaden den erfolgreichen Vormarsch der Posleen über den Fluss deutlich beobachten. Ebenso wie das völlig wirkungslose Artilleriefeuer des lokalen Korps, dessen Hauptquartier samt Kommandeur und Stab sich fünfundsiebzig Kilometer hinter dem augenblicklichen Standort des Kommandeurs der Continental Army befand.

»Wir müssen sie aufhalten«, sagte Colonel Cutprice. Der Colonel sah aus wie ein Zwanzigjähriger – bis man seine Augen sah. Tatsächlich war er einer der höchstdekorierten Veteranen des Koreakrieges. Dank der Wunderwerke galaktischer Verjüngungstechnik und der endlich getroffenen Entscheidung, mehr »Krieger« ins Offizierskorps zu verpflichten, hatte man das alte Schlachtross verjüngt. Und Cutprice hatte sofort wieder angefangen, Orden und Auszeichnungen zu sammeln.

Die silbernen Adler auf seiner Schulter wirkten bei ihm beinahe affektiert; die von ihm befehligte Abteilung der »Zehntausend« umfasste mehr als Brigadestärke und verfügte dank umgebauten Posleen-Geräts über die Kampfkraft eines ganzen Panzerkorps. Aber er lehnte Beförderungen über den Rang eines Colonels hinaus hartnäckig ab, und ein gescheiterter Versuch, ihn abzulösen, hätte beinahe eine Meuterei ausgelöst. So kam es, dass ein Colonel eine Division befehligte.

»Meine Jungs und die Zweiundsiebzigste Division haben sie entlang der Genesee Park Avenue zum Stehen gebracht, eine Kompanie der Vierzehnten hält im Park noch stand; die haben sich auf dem Hügel eingegraben. Aber diese Gäule drängen in immer größerer Zahl über die Brücke. Wir müssen einen Gegenangriff starten und die Brücke zerstören. Wenn wir dazu GKA-Unterstützung bekommen könnten, wäre das recht hilfreich.«

Stewart zuckte erneut zusammen, als er diesen mit gleichmäßiger Stimme vorgetragenen Wunsch hörte. Die Posleen mit konventionellen Streitkräften oder selbst den ungepanzerten Zehntausend anzugreifen, war eine brutale Geschichte. Die Railguns und Plasmakanonen des Feindes machten alles zu Hackfleisch, was sich ihnen entgegenstellte, und die Gottkönige schnitten Panzerwagen auf wie Blechdosen. Das war der Grund, weshalb man für solche Angriffe immer GKAs, die von den Galaktern gelieferten gepanzerten Kampfanzüge, einsetzte. Aber das hatte dazu geführt, dass die GKA-Einheiten bei einem Angriff nach dem anderen mit der Zeit zusammengeschrumpft waren, besonders auf den Ebenen des Mittleren Westens und hier in der Ontario-Frontausbuchtung. Und seit die Erde vom Rest der Galaxis abgeschnitten war und die einzigen Fabriken, die Anzüge herstellen konnten, sich off-planet befanden, hieß das »zehn kleine Anzüge, neun kleine Anzüge, acht kleine Anzüge«. Bis kein kleines Negerlein mehr da war.

Ein Rinnsal von Nachschub gab es von den Galaktern. Tarnkappenschiffe landeten auf Inseln im Pazifik und luden ihre Ladung auf Unterseeboote um. Und diese fuhren zu Häfen wie Anchorage. Anschließend wurde die Ladung in LKWs an Orte gebracht, wo die Front noch stand. Aber die Art von Versorgung reichte nicht aus, um die Verluste auszugleichen. Und aus diesem Grund waren die zwei Divisionen GKA der USA inzwischen auf weniger als zwei Bataillone zusammengeschrumpft, ein Verlust von mehr als neunzig Prozent im Laufe der letzten vier Jahre. Und insgesamt waren bereits mehr als vier Divisionen diesen Weg gegangen.

1st Bataillon 555th Mobile Infantry, »The Real Black Panthers«, hatte weniger Einheiten als die anderen Bataillone verloren und verfügte auch noch über einen soliden Kern an Veteranen, die sämtliche Schlachten überlebt hatten. Aber auch bei ihnen betrug der »Umsatz« mehr als zweihundert Prozent. Und in Anbetracht auf die zögerliche Versorgung mit Ersatzanzügen hieß das, dass zu guter Letzt auch »First Batt« dem Untergang geweiht war.

Wohingegen der Nachschub an Posleen immer noch anzuwachsen schien.

Horner schüttelte den Kopf und wandte sich dem anderen Anzug zu, der an der Konferenz teilnahm.

»Wenn Major O’Neal nicht bald auftaucht, übergebe ich Ihnen das Kommando, Captain Slight.« Seine blauen Augen funkelten eiskalt wie Achate. Mike O’Neal war früher einmal sein Adjutant gewesen und so etwas wie ein handverlesener Protegé, aber wenn Rochester fiel, lag die nächste Auffanglinie östlich von Buffalo. Und die Front dort war doppelt so lang. Die Stellung in Rochester zu halten war deshalb in den östlichen USA Priorität Nummer eins.

»Yes, Sir«, sagte die Chefin der Bravo-Kompanie. »Sir, es wäre hilfreich, wenn wir die Ari dazu bringen könnten, auf diese Brücke zu schießen und nicht, verzeihen Sie, diesen beschissenen ›logistischen Schwanz‹, Sir.«

Horners Lächeln wurde noch breiter, ein sicheres Zeichen seiner Verärgerung, und Cutprice schnaubte.

»Daran arbeiten wir. General Gramns ist vor zwanzig Minuten auf meine Anweisung seines Kommandos enthoben worden. Im Augenblick ist der Artilleriekoordinator der Zehntausend dort und versucht die Jungs davon zu überzeugen, dass eine Pontonbrücke ein besseres Ziel als eine ›Aufmarschzone‹ ist.«

»Mit einem Platoon meiner MPs«, fügte Cutprice nach einer kurzen Pause hinzu. »Und zwei Untertassen. Ich hab ihm gesagt, wenn ihm einer von diesen verdammten Festungskommandanten Ärger macht, soll er ihn in aller Öffentlichkeit abknallen. Mit einer Plasmakanone.« Der Colonel sagte das mit so völlig ausdrucksloser Miene, dass keiner erkennen konnte, ob er das ernst meinte.

»Ja, was immer nötig ist, um die Jungs aufzuwecken«, seufzte Horner. »Vielleicht braucht es wirklich eine standrechtliche Erschießung. Ich würde ja Ihnen den Befehl über das Korps geben, Robert, aber ich kann Sie nicht entbehren. Und beides gleichzeitig schaffen Sie nicht.«

»Am Ende würde ich jedenfalls sämtliche Etappenhengste umlegen, die die haben«, brummte der Colonel. »Und anschließend die Arschlöcher von der regulären Armee, die es nicht schaffen, ihre Divisionen in den Kampf zu schicken.«

»Die 24th New York und die 18th Illinois sammeln sich in der Nähe von North Chili neu«, sagte Horner. »Aber ich will die nicht einfach in die Lücke schicken. Sobald wir die Gäule hier rausgeworfen haben, möchte ich, dass Sie Brücken bauen und zum Gegenangriff übergehen. Ich habe Bailey-Brückenkompanien kommen lassen und möchte, dass Sie die auch einsetzen. Machen Sie diesen verdammten Gäulen die Hölle heiß! Treiben Sie sie so weit nach Osten, wie es geht. Ich garantiere Ihnen, dass Sie Infanterie hinter sich haben, wenn Sie zurückfallen müssen. Mein Wort darauf.«

»Was ist die Zielposition?«, fragte Stewart. »Wo sollen wir Halt machen?«

»Ziel ist der Atlantik«, antwortete Horner. »Aber rücken Sie nicht zu schnell vor, damit die Versorgungseinheiten nicht hinter Ihnen zurückbleiben. Ich würde die Front gern bis Clyde zurückdrängen. Dort wäre die Front nicht so breit, und das Gelände eignet sich besser für uns.«

»Kapiert«, sagte Cutprice und grinste. Sein Gesicht wirkte dabei wie ein Totenschädel. »Aber unsere Flanke ist dann so weit offen wie eine Nutte von der Subic Bay.«

»Ich schicke GKAs hin«, sagte der General leise. »Ob O’Neal nun auftaucht oder nicht.«

Ernie Pappas seufzte. Der Hügel war eine Moräne, ein Überbleibsel des Gletschers, aus dem der Ontario-See entstanden war. Auf seiner Hinterseite, nach Südwesten gewandt, abseits von den Kampfhandlungen, stand ein ehemaliges Kinderkrankenhaus, das man umgebaut hatte und in dem die Zehntausende von Verwundeten der monatelangen Schlacht versorgt wurden; darunter auch mindestens ein Dutzend GKA-Soldaten, deren Verwundungen zu schwer waren, als dass ihre Anzüge ihnen hätten helfen können.

Selbst hier, in der sauberen, frischen Luft, war der stinkende Brodem des Schmerzes wahrzunehmen. Aber von dem Hügel aus konnte man gut die Schlacht beobachten, die das XIII. Korps gerade im Begriff war zu verlieren. Eine sehr gute Aussicht.

Zweifellos hatte der Alte diesen Punkt deshalb ausgewählt, um hier zu meditieren. Je länger der Krieg sich hinzog und je größer die Verluste geworden waren, umso mürrischer war die Stimmung des Majors geworden. Es gab nichts, was irgendjemand auf der Welt dagegen hätte tun können, aber der Alte schien das einfach alles persönlich zu nehmen. Als ob die Last, die Welt zu retten, einzig und allein auf seinen Schultern ruhte.

Vielleicht hing es noch mit dieser Sache ganz zu Anfang der Auseinandersetzung mit den Posleen zusammen, als man es seinem Platoon zugeschrieben hatte, dass es praktisch allein die Posleen-Invasion auf dem Planeten Diess gestoppt hatte. Aber das war klare Geschichtsklitterung. Einige der besten NATO-Verbände waren mit dabei gewesen, und die Indowy hatten damals die Front errichtet; den Vormarsch der Posleen hatten die konventionellen amerikanischen, französischen, britischen und deutschen Infanterieeinheiten zum Stillstand gebracht. Wenn man davon absah, dass O’Neal der einzige Mensch war, der jemals einen atomaren Sprengkörper von Hand gezündet und dies überlebt hatte, gründete sich sein Ruhm darauf, dass er es geschafft hatte, eine Einheit von GKA-Truppen aus einem Megascraper zu befreien, wo sie nach einer Explosion eingeschlossen gewesen waren.

Gunnery Sergeant Ernest Pappas, ehemals Angehöriger des United States Marine Corps, wusste, dass jene Ritter in glänzender Rüstung nichts anderes als mörderische Mistkerle zu Pferd gewesen waren. Und Ernie wusste, dass das Überleben das Einzige war, was wirklich zählte. Einfach überleben. Und vielleicht schaffte man es, dabei den Feind aufzuhalten, vielleicht auch nicht. Aber solange man überlebte und ihnen zusetzen konnte, reichte das schon. Gunny Pappas wusste allerdings, dass man damit die Boys nicht dazu bringen konnte, immer wieder aufzustehen und zu schießen. Die Boys standen auf und schossen wegen jener leuchtenden Vision und weil sie glaubten, dass sie einfach nicht verlieren konnten, solange Iron Man O’Neal neben ihnen stand. Weil das einfach so sein sollte.

Pappas blickte auf die Rauchschwaden und die Flammen hinunter, die über der Schutthalde standen, die einmal eine Stadt gewesen waren, und seufzte. Das hier war ganz sicherlich nicht so, wie es sein sollte. Und wenn Captain Karen Slight versuchte, das Bataillon in jene Flammen hineinzuführen, dann würden sie dort unten einfach verdampfen, wie Wasser auf einer heißen Herdplatte. Weil sie nicht an sie glaubten.

»Major?«, sagte er und legte Mike die Hand auf die Schulter.

»Ernie«, antwortete der Major. Sie waren jetzt zusammen, seit O’Neal das Kommando über die Bravo übernommen hatte, damals, in jener schrecklichen Zeit, als es so ausgesehen hatte, als hätte die ganze Army den Verstand verloren. Sie hatten miteinander das ganze Auf und Ab miterlebt, hauptsächlich Ab. Ob sie es nun wussten oder nicht, dieses Team, das aus ihnen beiden bestand, aus Pappas und O’Neal, war es, was die 1st/555th definierte und zu dem machte, was sie war.

»Das war jetzt für einen alten Mann ein verdammt langer Aufstieg, und daran sind Sie schuld.«

»Aber ’ne klasse Aussicht, nicht wahr?« Mike lächelte ein trauriges Lächeln und spuckte zielsicher in seinen Helm, wo die biotische Unterschicht den Speichel und den Tabaksaft aufsog und das Ganze auf die lange Reise schickte, an deren Ende wieder Kampfrationen daraus wurden.

Pappas warf einen Blick auf die Pistole und zuckte zusammen. »Sie sollten aufhören, sich Dire Straits anzuhören.«

»Wieso? Würden Sie James Taylor vorziehen?« »Wir haben eine … Situation.« »Jo.« Mike seufzte und rieb sich mit der freien Hand die Augen. »Als ob wir nicht immer eine hätten.«

»Die 14th Division ist abgehauen.« Der Sergeant Major nahm jetzt auch den Helm ab und hielt sich die Hand über die Augen. »Die sind inzwischen auf halbem Wege bis Buffalo.«

»Sonst noch was Neues?«, knurrte O’Neal. »Klasse Ari-Feuer übrigens. Nicht, dass die was treffen würden, aber wirklich sehr hübsch.«

»Korps Ari. Ich bezweifle, dass wir die noch lange haben werden. Das ganze Korps träumt inzwischen vom Abhauen.«

»Und die Zehntausend schließen die Lücke?«

»Jo.«

»Jo.«

Dann herrschte eine Weile Schweigen, und der Sergeant Major kratzte sich am Kopf. Die biotische Unterschicht seines Anzugs hatte endlich seinen ständigen Schuppen den Garaus gemacht, aber die Gewohnheit, sich zu kratzen, war ihm immer noch geblieben.

»Also, wie steht’s, werden wir was unternehmen, Boss?«

»Was unternehmen?«, fragte der Bataillonskommandeur. »Einen heroischen Angriff gegen den Feind und ihn mit Waffengewalt zurücktreiben? ›Unser sympathisches Wesen unter künstlicher Wut verbergen?‹ Dem feindlichen Angriff das Rückgrat brechen und sie in die Flucht schlagen? Seit Monaten verlorene Stellungen zurückgewinnen? Sie bis Westbury und Clyde zurücktreiben, wo sie eigentlich sein sollten?«

»Ist das Ihr Plan?«, fragte Pappas.

»Ich habe gar keinen Plan!«, erwiderte Mike knapp. »Aber ich vermute, dass es das ist, was Jack erwartet. Ich stelle fest, dass er aufgetaucht ist.«

»Daraus erkennt man, wie ernst es ist«, witzelte Pappas. »Wenn CONARC auftritt, ist die Scheiße wirklich am Dampfen.«

»Ich stelle auch fest, dass es keine Artillerieeinheiten gibt, die reagieren, wenn man Artillerie anfordert.«

»Daran arbeiten die aber.«

»Und dass die beiden Divisionen an den Flanken von Shelly als ›wackelig‹ bezeichnet werden.«

»Na ja, die sind ja schließlich Army, oder nicht?« Der ehemalige Marine schmunzelte. »Die gelten immer als ›wackelig‹. Das ist die Standardeinstellung.«

Jetzt ging Artilleriefeuer auf die improvisierte Pontonbrücke herunter, und das Gebilde aus Holz und Aluminium löste sich in seine Bestandteile auf.

»Sehen Sie?«, sagte O’Neal. »Die haben uns gar nicht gebraucht.«

»Horner möchte einen Gegenangriff haben.«

O’Neal drehte sich um und wollte sehen, ob der Sergeant Major sich über ihn lustig machte, aber das breite, dunkle Gesicht zeigte keinerlei Ausdruck. »Ist das Ihr Ernst?«

»So ernst wie ein Herzanfall. Ich dachte, darüber hätten Sie sich beklagt.«

»Du große Scheiße«, flüsterte der Major. Er beugte sich vor, hob den Helm auf, den er auf den Boden gelegt hatte, setzte ihn auf und schüttelte dann leicht den Kopf, damit die Unterschicht sauber abdichtete. Das Gel strömte über sein Gesicht, füllte jede verfügbare noch so kleine Öffnung und löste sich dann wieder von Mund, Nase und Augen. Der Moment, wie man das nannte, dauerte eine ganze Weile und, wie es immer hieß, ein ganzes Leben, um sich daran zu gewöhnen. »Du große Scheiße. Gegenangriff. Großartig. Vermutlich soll Slight das Kommando führen? Klasse. Zeit, die Lücke mit toten GKAs zu füllen.«

»Sie sollten lächeln, wenn Sie das sagen, Sir«, sagte Pappas und setzte sich ebenfalls den Helm auf. »Wir springen wieder einmal auf die Bresche.«

»In die Bresche, heißt das, Sie ungebildeter Samoaner, und ich lächle wirklich«, erwiderte O’Neal. Er drehte sich zur Seite, so dass der Sergeant Major die Furcht erregende Fratze auf der Gesichtsplatte seines Panzers sehen konnte. »Sehen Sie’s?«

»Der muss seinen Panzer lieben«, schmunzelte Cutprice.

»Ich wünschte, ich hätte tausend Stück davon«, nickte Horner. »Aber ich wäre schon mit tausend regulären Anzügen zufrieden, also will das nicht viel sagen.«

Der Anzug war ein persönliches Geschenk des Indowy-Herstellers an den damaligen Captain O’Neal und enthielt all die »Sonder«-Funktionen, die er seinerzeit als Mitglied der Entwicklungsgruppe verlangt hatte. Neben den zusätzlichen Schießscharten an den Ellbogen und Handgelenken für den Nahkampf verfügte der Anzug über ein Antimaterie-Antriebsaggregat. Das beseitigte das schlimmste Handicap angetriebener Panzer, nämlich die relativ kurze Einsatzzeit. Der Spezifikation nach hatte ein Standardpanzer eine Reichweite von fünfhundert Kilometern oder zweiundsiebzig Stunden statischen Kampf. Die Praxis hatte gezeigt, dass die Wahrheit bei etwa der Hälfte dieser Werte lag. Einige Anzüge waren von den Posleen zerstört worden, als ihnen schlicht »der Sprit ausging«.

In Anbetracht der herrschenden Munitionsknappheit war die Belastung für die Energieversorgung der Anzüge noch größer geworden. Da terranische Fabriken die Standardmunition nicht herstellen konnten, die einen Klecks Antimaterie für die Energieversorgung der Schusswaffe benötigte, hatte es sich als notwendig erwiesen, an ihrer Stelle einfache Tropfen aus abgereicherten Uran einzusetzen. Und deshalb musste die Gravwaffe, die sich eigentlich selbst mit Energie hätte versorgen sollen, ihre Energie aus den Anzügen »saugen«. Da die Geschosse immer noch auf einen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wurden und das enorme Energie benötigte, war die »Lebensdauer« der Anzugbatterien auf fast belanglose Werte gefallen. Für die meisten Standardanzüge lief das auf die Wahl zwischen schießen oder sich bewegen hinaus, wobei O’Neals Anzug die Ausnahme bildete und über beinahe unbeschränkte Energie verfügte.

Die Kehrseite der Medaille war natürlich, dass Major O’Neal und ein Großteil der ihn im Umkreis einer Meile umgebenden Landschaft verdampfen würden, falls je etwas in das Antimateriereservoir durchdrang.

Aber all diese Dinge waren unsichtbar. Was Aufmerksamkeit erregte, war die »Oberfläche«; der Anzug sah aus wie ein grünschwarzer Dämon aus den Tiefen des Weltalls, mit einem von Fängen starrenden Maul und Händen, die wie Krallen aussahen. Es war erschreckend und barbarisch und es gab manch einen, der O’Neal näher kannte und den Anzug in mancher Hinsicht als den perfekten Ausdruck seiner Persönlichkeit empfand.

»Passt zu ihm«, sagte der Colonel aus langer Erfahrung. Die GKAs gingen dorthin, wo das Getümmel am heißesten war. Und die Zehntausend folgten.

Die Zehntausend – oder die Spartaner, wie man sie manchmal nannte – waren aus einer kleineren Gruppe entstanden, die sich die Sechshundert nannte. Als die ersten Posleen gelandet waren, früher als erwartet, überraschend und in überwältigender Stärke, waren die grünen Einheiten, die man nach North Virginia geschickt hatte, um sie aufzuhalten, beim ersten Zusammentreffen vernichtet worden. Viele von ihnen, besonders aus den hinteren Bereichen, waren über den Potomac entkommen. Eine große Zahl dieser Versprengten hatte sich in Washington gesammelt, und als sich die Posleen den Übergang über den Fluss erkämpft hatten und auf der Washington Mall erschienen waren, hatten sich Tausende dieser Soldaten ihnen unmittelbar gegenüber gesehen. Alle, mit Ausnahme einer verschwindend geringen Hand voll, waren geflohen. Und diese winzige Handvoll, sechshundertdreiundfünfzig, um es genau zu sagen, hatte entschieden, dass es Dinge gab, für die es sich lohnte, in einer scheinbar sinnlosen Geste zu sterben. Und deshalb hatten sie sich auf dem Hügel des Washington Monument gesammelt, um dem Feind einen letzten selbstmörderischen Verteidigungskampf zu liefern.

Wie sich herausstellte, war dieser Kampf nicht ganz selbstmörderisch und ganz sicher nicht sinnlos gewesen. Ihr Widerstand und die Verwirrung unter den die Brücke überquerenden Posleen hielten den Feind lange genug auf, dass die gepanzerten Kampfanzüge eintreffen konnten. Und im Zusammenwirken der GKA und des Artilleriefeuers wurde die Posleen-Vorhut aufgehalten, besiegt und schließlich vernichtet.

Für diese sechshundertdreiundfünfzig LKW-Fahrer und Köche, Infanteristen und Artilleristen, Kabelleger und Wäscher, die dem Feind standgehalten und sich angeschickt hatten, wie Soldaten vor ihren Schöpfer zu treten, wurde eine spezielle Auszeichnung geprägt. Nach einer kurzen Zeremonie sollten sie über die ganze Armee verteilt werden, und nichts als die Auszeichnung sollte an jenen heldenhaften Kampf erinnern. Doch der Anführer des Widerstands setzte sich mit Erfolg dafür ein, dass es eine bessere Verwendung für sie gab, als sie einfach in alle Winde zu zerstreuen. Das war die Geburtsstunde der Zehntausend. Der größte Teil der Sechshundert wurde befördert und als Kern einer Truppe genutzt, die man anschließend mit erbeuteten und umgebauten Posleen-Waffen ausgerüstet hatte. Als diese Einheit schließlich stand, verfügte der Befehlshaber der Landstreitkräfte über eine schnelle, hervorragend ausgerüstete Eliteeinheit.

Aber schwärmende Posleen griffen die Zehntausend nicht an, das konnten nur die GKA überleben.

»Major«, sagte General Horner. Dass er O’Neal mit seiner Rangbezeichnung ansprach, war das einzige Anzeichen von Tadel wegen seiner Verspätung.

»Jack?«, antwortete O’Neal.

Horner lächelte. Die GKA waren keine amerikanische Einheit; sie gehörten Fleet Strike an, einem Teil der Streitkräfte der Galaktischen Föderation. Daher gab es keine Vorschrift, die O’Neal zwang, den General korrekt mit seiner Rangbezeichnung anzusprechen, nur schlichte militärische Höflichkeit. Aber dass O’Neal seinen Vornamen benutzte, war ebenso eine Art Verweis wie Horners Gebrauch der Rangbezeichnung. In besseren Zeiten hatte O’Neal ihn mit »Sir« oder »General« angesprochen oder sogar mit »Colonel«. Dass er ihn in der Öffentlichkeit »Jack« nannte, war so gut wie eine Ohrfeige.

»Wir haben eine … Situation«, fuhr der General fort.

»Das sagen die Leute ständig«, schnaubte O’Neal. »Was wir hier haben, ist ein mächtiger Haufen Scheiße, Sir. Ist General ›die GKA sind eine unnötige Verschwendung von Ressourcen‹ weg?«

»Gramns ist bereits abgelöst worden«, schaltete Cutprice sich ein. »Und Captain Keren ist im Augenblick dabei, seinem Stab zu erklären, was ›Artillerieunterstützung‹ und ›Gegenfeuer‹ bedeuten.«

»Haben wir einen Plan?«, fragte O’Neal. »Oder stürzen wir uns einfach mit Gebrüll auf sie?«

»Wir halten die Anhöhen auf dieser Flussseite«, antwortete erneut Cutprice. »Aber die Posleen drängen in die Stadt und den Kanal hinauf, und die Anhöhen auf ihrer Seite sind höher, also bekommen die auf dieser Seite Feuerschutz von den Truppen, die sich auf der gegenüberliegenden Seite sammeln. Die sind dabei, uns an der Brooks-Avenue-Brücke den Nachschub abzuschneiden. Ich würde gerne sehen, wenn Sie sich zwischen dem Fluss und der Brücke festsetzen könnten. Meine Jungs kommen dann nach, aber vorher müssen Sie mit Ihren Leuten ran.«

»Weshalb nageln wir sie nicht einfach fest und bepflastern sie mit Artillerie?«, fragte Stewart. »Wenn Sie übrigens Keren brauchen, könnten wir ja auch Duncan rüberschicken, um ihnen ein wenig ›Vernunft‹ beizubringen.«

»Nein, verdammt! Ich möchte, dass das verdammte Hauptquartier stehen bleibt.« Der jungenhaft wirkende Colonel ließ ein Grinsen aufblitzen, wie es noch keiner an ihm gesehen hatte, und lachte dann brüllend. »Ich habe schließlich Duncan in Aktion erlebt!«

»Wir brauchen einen Flussübergang und wir brauchen ihn schnell, Lieutenant«, erklärte Horner ernst. »Nicht, weil ich möchte, dass mein Name in den Nachrichten erwähnt wird, sondern weil die Posleen genauso zu zielloser Flucht neigen wie Menschen, wenn sie erst einmal zu rennen angefangen haben. Und es ist einfach notwendig, dass wir sie zur Clyde-Front zurücktreiben. Unsere Fernaufklärungsteams melden uns, dass die Verteidigungsanlagen noch stehen. Wenn wir es schaffen, sie bis zum Clyde zu jagen, haben wir die Hälfte unserer Probleme im Osten gelöst.«

»Ich habe zugesehen, wie ihre Zahlen angeschwollen sind«, gab Mike zu bedenken. »Die ziehen in diese Schlacht wie Ameisen, die irgendwo Honig entdeckt haben.«

»Was schlagen Sie dann vor?«, fragte Horner. »Haben Sie eine Idee?«

»Yes, Sir«, erwiderte der Major und vergaß seinen Ärger. »Ich würde viel lieber mit einem Geschwader Banshees hinter ihnen landen; aber in Anbetracht des Terrains glaube ich nicht, dass das möglich wäre, und ich bezweifle auch, dass wir bis zum Eintreffen von Verstärkung aushalten könnten. Da diese Möglichkeit ausscheidet, möchte ich die Gäule platt machen und dann die Fronten begradigen. Nukes kommen immer noch nicht in Frage?«

Horner zuckte. Wenn es nach ihm ginge, würden in solcher Situation taktische Atomwaffen eingesetzt. Die hatten einen größeren Wirkungsradius als jede andere Art von Artillerie, außerdem modernste Munition.

Der größte Teil von China war in weniger als zwei Monaten gefallen, die erste größere Posleen-Landung hatte lediglich zweiundvierzig Tage dazu gebraucht, um von Shanghai nach Tschengdu zu kommen. Und in dieser Zeit war die Bevölkerung Chinas zu einer Splittergruppe der Menschheit geworden: Über neunhundert Millionen Menschen und eine fünftausend Jahre alte Kultur waren vom Antlitz der Erde gewischt worden. In den bis dahin unter chinesischer Kontrolle stehenden Regionen gab es immer noch Widerstandsnester, insbesondere ein kleines Kontingent in Luoxia Shan, die vom ehemaligen Leiter des Beschaffungswesens der Roten Armee und »Radio Freies Tibet« geleitet wurden.

Während dieses Auflösungsprozesses war die chinesische Militärführung in Panik geraten und hatte ein atomares Arsenal abgefeuert, das sechs oder sieben Mal größer war, als es den Schätzungen der Nachrichtendienste vor Kriegsbeginn entsprach. Jener letzte Verzweiflungsschlag hatte in der Region von Xian stattgefunden, wo die Nachhut der sich in die Himalaja-Region zurückziehenden Truppen einen nuklearen Feuersturm ausgelöst hatte, der freilich die Posleen nur einen Tag lang hatte aufhalten können. Das Ergebnis dieses Aktes der Verzweiflung war, dass China in seinen Todeszuckungen den Jangtse-Fluss für die nächsten zehntausend Jahre radioaktiv verseucht und das politische Klima für etwa die gleiche Zeitspanne vergiftet hatte.

»Keine Atomwaffen«, sagte Horner. »Es gibt Dinge, bei denen die Präsidentin sich umstimmen lässt. Und dass die Munition für SheVa ebenso wie Ihre Handgranaten eigentlich im Wesentlichen Mikro-Atomwaffen sind, nimmt sie einfach nicht zur Kenntnis. Aber ein Atomschlag auf Rochester kommt nicht in Frage.« Er hob die Hand, um dem Widerspruch zuvorzukommen, der sonst mit Sicherheit gekommen wäre, und lächelte verkniffen. »Nicht einmal Neutronenbomben oder Antimaterie. Keine … Nukes.«

Mike wandte sich ab und blickte zu den Bergkämmen in der Ferne hinüber. Das Genesee-Tal stellte für Posleen und konventionelle Streitkräfte ein Hindernis dar, nicht aber für Anzüge; sie fühlten sich im Wasser ebenso zu Hause wie im Weltraum. Aber im Tal waren Millionen Posleen ausgeschwärmt, und es gab nur eine Hand voll Anzüge, die sich ihnen entgegenstellen konnte.

»Man muss sie trotzdem aus dem Tal treiben, ehe wir uns in Bewegung setzen können«, sagte Mike. »Und das muss passieren, ehe wir den Fluss überqueren. Ich werde diesen Angriff nicht ohne den Artilleriebeschuss durchführen, den ich für notwendig halte. Und das Gleiche gilt für mein Bataillon.«

Er konnte hören, wie die Offiziere um ihn herum den Atem anhielten, aber das war ihm gleichgültig. Die GKA stellten in einem sehr realen und auch legal bindenden Sinn eine separate militärische Einheit außerhalb der Landstreitkräfte der Vereinigten Staaten dar. Nach den Verträgen, die der Senat der USA in aller Unschuld unterzeichnet hatte, war O’Neal formal gesehen Jack Horners Vorgesetzter. Formal gesehen konnte O’Neal einen vorbereitenden Nuklearschlag anordnen, und formal gesehen würde General Horner seine Anordnungen befolgen müssen. Formal gesehen.

Realistisch betrachtet hatte kein GKA-Major je den Befehl eines terranischen Generals verweigert. Nicht einmal »Iron Mike« O’Neal. Mike hatte gelegentlich Einwände gegen spezifische Befehle erhoben, aber eine klare Weigerung war neu. Vielleicht war das die Folge davon, dass er miterlebt hatte, wie das Bataillon im Laufe von fünf Jahren zweihundert Prozent Ausfälle gehabt hatte und allmählich bis auf den Nullpunkt zusammengeschrumpft war.

Vielleicht war es auch einfach nur Erfahrung.

Horner überlegte kurz und nickte dann ausdruckslos. »Ich werde die Artillerievorbereitungen veranlassen. Sie können sich darauf verlassen, wenn Sie aus dem Wasser kommen, wird zwischen dem Genesee und der Mount Hope Avenue nichts mehr am Leben sein.«

»Sorgen Sie dafür, dass die Artillerie auch darauf vorbereitet ist, ihre Unterstützung durchzuhalten«, sagte O’Neal. »Wir brauchen Dauerbeschuss; ich möchte zu unseren primären Positionen vorrücken können und dabei spüren, dass wir sie im Rücken haben. Ich bin nicht sicher, ob das, was wir vorhaben, andernfalls machbar ist.«

»Einverstanden«, sagte Horner mit einem schmallippigen Lächeln. Dann sah er ebenfalls nach Osten und schüttelte den Kopf. »Ich sorge dafür, dass Sie so viel Artillerie bekommen, wie ich zwischen jetzt und morgen früh zusammenkratzen kann. Mein Wort darauf.«

»Tun Sie das, General, dann fressen wir ihre Seele«, sagte Stewart leise.

»Wir werden diese Kleinigkeit erledigen«, erklärte O’Neal entschieden. »Ob irgendwer von uns das überlebt, ist eine andere Frage. Und noch eines, Stewart: Kitzeln Sie Ihr AID. Mir wäre recht, wenn Sie diesen unglaublich schlauen Kessentai herausfinden können, der sich diese Idee mit der Brücke hat einfallen lassen. So viel Intelligenz sollte belohnt werden.«

Oh, East is East and East is West,and never the twain shall meet,Till Earth and Sky stand presentlyat God’s great Judgement Seat;But there is neither East nor West,Border, nor Breed, nor Birth,When two strong men stand face to face,tho’ they come from the ends of the earth!

»The Ballad of East and West«– Rudyard Kipling, 1889

Ah, Ost ist Ost und West ist West, und sie kommen nie zusammen, bis Erde und Himmel bald vor Gottes großem Richterstuhl stehen; doch gibt es weder Ost noch West noch Grenze, Erziehung, Geburt, wenn sich zwei starke Männer gegenüberstehen, kämen sie auch von den Enden der Welt!

»Die Ballade von Ost und West«

Tulo’stenaloor musterte den jungen Kessentai kühl. »Berichte mir noch einmal über dieses Gefecht.«

»Dieses was, Estanaar?«, fragte Cholosta’an. Der junge Spürmeister wirkte verwirrt und begriff nicht, was es an der Feindberührung zu berichten gab. Besonders an den »Estanaar« dieser großen Schar. Der Ausdruck war neu und zugleich uralt; man fand ihn im Netz, er war aber, solange sich jemand in der Horde erinnern konnte, nicht mehr benutzt worden. Er vereinte Begriffe wie »Kriegsführer« und »Mentor«, ja sogar »König« nach menschlichem Sprachgebrauch. Aber die Tage des letzten Estanaar lagen Jahrtausende zurück.

»Das Himmelsfeuer«, knurrte Tulo’stenaloor. »Diese kleine Schlacht.«

»Es gab keine Schlacht, Estanaar«, gab der Gottkönig zu. »Nur das Himmelsfeuer …«

»Artillerie«, warf Staraquon ein. Tulo’stenaloors für den Nachrichtendienst zuständiger Offizier ließ spöttisch den Kamm flattern. »Du solltest anfangen, die Worte zu lernen.«

»Ich bin kein Nestling«, schnaubte Cholosta’an. »Das brauche ich mir von dir nicht gefallen zu lassen, Kenstain!« Dieser Begriff war eine schreckliche Beleidigung, etwa so, als würde man einen Menschen als Eunuchen bezeichnen. Kenstain waren Gottkönige, die auf alle Zeiten von den Listen der Kämpfenden entfernt worden waren, sei es aus eigener Wahl oder infolge von Entscheidungen des Posleen-Datennetzes. Manche von ihnen waren Gottkönige, die sich aus freier Wahl dafür entschieden hatten, keine Schlachten zu führen, aber meist waren es solche, die das Schlachtenglück verlassen hatte oder die nicht imstande waren, Reichtümer anzuhäufen, sei es durch Kampf oder Täuschungsmanöver.