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In 'Iphigenie auf Tauris: Ein Schauspiel' von Johann Wolfgang von Goethe wird die Geschichte der Prinzessin Iphigenie erzählt, die von den Göttern gerettet und auf der Insel Tauris gebracht wurde. Das Schauspiel ist geprägt von dramatischen Dialogen, tragischen Konflikten und tiefen Emotionen, die typisch für die Sturm und Drang Periode sind. Goethe zeigt in diesem Werk seine Meisterschaft im Umgang mit klassischer Mythologie und beleuchtet dabei Themen wie Schuld, Vergebung und das Streben nach Freiheit. Die poetische Sprache und die lebendigen Charaktere machen dieses Schauspiel zu einem beeindruckenden literarischen Werk. Johann Wolfgang von Goethe, einer der bedeutendsten deutschen Dichter und Denker, schrieb 'Iphigenie auf Tauris' während seiner Weimarer Zeit. Als Universalgenie war Goethe nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Wissenschaftler und Staatsmann bekannt. Seine tiefe Auseinandersetzung mit der Antike und seine humanistischen Ideale prägen sein Schaffen und spiegeln sich in diesem Schauspiel wider. Goethe schöpft aus seiner eigenen Lebenserfahrung, um die Handlung und die Charaktere mit starken Emotionen und moralischen Konflikten zu bereichern. 'Iphigenie auf Tauris: Ein Schauspiel' ist ein Meisterwerk der deutschen Literatur, das sowohl literarische als auch philosophische Tiefgründigkeit bietet. Für Liebhaber von klassischer Literatur, Dramen und antiken Mythologien ist dieses Werk ein absolutes Muss. Goethes einfühlsame Darstellung von menschlichen Beziehungen und moralischen Dilemmas macht dieses Schauspiel zu einer zeitlosen Lektüre, die den Leser zum Nachdenken anregt und gleichzeitig unterhält.
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Seitenzahl: 76
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Iphigenie: Heraus in eure Schatten, rege Wipfel Des alten, heil’gen, dichtbelaubten Haines, Wie in der Göttin stilles Heiligtum, Tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl, Als wenn ich sie zum erstenmal beträte, Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher. So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe; Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd. Denn ach! mich trennt das Meer von den Geliebten, Und an dem Ufer steh ich lange Tage, Das Land der Griechen mit der Seele suchend; Und gegen meine Seufzer bringt die Welle Nur dumpfe Töne brausend mir herüber. Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern Ein einsam Leben führt! Ihm zehrt der Gram Das nächste Glück vor seinen Lippen weg, Ihm schwärmen abwärts immer die Gedanken Nach seines Vaters Hallen, wo die Sonne Zuerst den Himmel vor ihm aufschloß, wo Sich Mitgeborne spielend fest und fester Mit sanften Banden aneinanderknüpften. Ich rechte mit den Göttern nicht; allein Der Frauen Zustand ist beklagenswert. Zu Haus und in dem Kriege herrscht der Mann, Und in der Fremde weiß er sich zu helfen. Ihn freuet der Besitz; ihn krönt der Sieg! Ein ehrenvoller Tod ist ihm bereitet. Wie eng-gebunden ist des Weibes Glück! Schon einem rauhen Gatten zu gehorchen Ist Pflicht und Trost; wie elend, wenn sie gar Ein feindlich Schicksal in die Ferne treibt! So hält mich Thoas hier, ein edler Mann, In ernsten, heil’gen Sklavenbanden fest. O wie beschämt gesteh ich, daß ich dir Mit stillem Widerwillen diene, Göttin, Dir, meiner Retterin! Mein Leben sollte Zu freiem Dienste dir gewidmet sein. Auch hab ich stets auf dich gehofft und hoffe Noch jetzt auf dich, Diana, die du mich, Des größten Königes verstoßne Tochter, In deinen heil’gen, sanften Arm genommen. Ja, Tochter Zeus’, wenn du den hohen Mann, Den du, die Tochter fordernd, ängstigtest, Wenn du den göttergleichen Agamemnon, Der dir sein Liebstes zum Altare brachte,
Iphigenie. Arkas.
Arkas: Der König sendet mich hierher und beut Der Priesterin Dianens Gruß und Heil! Dies ist der Tag, da Tauris seiner Göttin Für wunderbare neue Siege dankt. Ich eile vor dem König und dem Heer, Zu melden, daß er kommt und daß es naht.
Iphigenie: Wir sind bereit, sie würdig zu empfangen, Und unsre Göttin sieht willkommnem Opfer Von Thoas’ Hand mit Gnadenblick entgegen.
Arkas: O fänd ich auch den Blick der Priesterin, Der werten, vielgeehrten, deinen Blick, O heil’ge Jungfrau, heller, leuchtender, Uns allen gutes Zeichen! Noch bedeckt Der Gram geheimnisvoll dein Innerstes; Vergebens harren wir schon jahrelang Auf ein vertraulich Wort aus deiner Brust. Solang ich dich an dieser Stätte kenne, Ist dies der Blick, vor dem ich immer schaudre; Und wie mit Eisenbanden bleibt die Seele Ins Innerste des Busens dir geschmiedet.
Iphigenie: Wie’s der Vertriebnen, der Verwaisten ziemt.
Arkas: Scheinst du dir hier vertrieben und verwaist?
Iphigenie: Kann uns zum Vaterland die Fremde werden?
Arkas: Und dir ist fremd das Vaterland geworden.
Iphigenie: Das ist’s, warum mein blutend Herz nicht heilt In erster Jugend, da sich kaum die Seele An Vater, Mutter und Geschwister band, Die neuen Schößlinge, gesellt und lieblich, Vom Fuß der alten Stämme himmelwärts Zu dringen strebten: leider faßte da Ein fremder Fluch mich an und trennte mich Von den Geliebten, riß das schöne Band Mit ehrner Faust entzwei. Sie war dahin, Der Jugend beste Freude, das Gedeihn Der ersten Jahre. Selbst gerettet, war Ich nur ein Schatten mir, und frische Lust Des Lebens blüht in mir nicht wieder auf.
Arkas: Wenn du dich so unglücklich nennen willst, So darf ich dich auch wohl undankbar nennen.
Iphigenie: Dank habt ihr stets.
Arkas: Doch nicht den reinen Dank, Um dessentwillen man die Wohltat tut; Den frohen Blick, der ein zufriednes Leben Und ein geneigtes Herz dem Wirte zeigt. Als dich ein tief geheimnisvolles Schicksal Vor so viel Jahren diesem Tempel brachte, Kam Thoas, dir als einer Gottgegebnen Mit Ehrfurcht und mit Neigung zu begegnen, Und dieses Ufer ward dir hold und freundlich, Das jedem Fremden sonst voll Grausens war, Weil niemand unser Reich vor dir betrat, Der an Dianens heil’gen Stufen nicht Nach altem Brauch, ein blutig Opfer, fiel.
Iphigenie: Frei atmen macht das Leben nicht allein. Welch Leben ist’s, das an der heil’gen Stätte Gleich einem Schatten um sein eigen Grab Ich nur vertrauern muß? Und nenn ich das Ein fröhlich selbstbewußtes Leben, wenn Uns jeder Tag, vergebens hingeträumt, Zu jenen grauen Tagen vorbereitet, Die an dem Ufer Lethes selbstvergessend Die Trauerschar der Abgeschiednen feiert? Ein unnütz Leben ist ein früher Tod; Dies Frauenschicksal ist vor allen meins.
Arkas: Den edlen Stolz, daß du dir selbst nicht gnügest, Verzeih ich dir, sosehr ich dich bedaure: Er raubet den Genuß des Lebens dir. Du hast hier nichts getan seit deiner Ankunft? Wer hat des Königs trüben Sinn erheitert? Wer hat den alten grausamen Gebrauch, Daß am Altar Dianens jeder Fremde Sein Leben blutend läßt, von Jahr zu Jahr Mit sanfter Überredung aufgehalten Und die Gefangnen vom gewissen Tod Ins Vaterland so oft zurückgeschickt? Hat nicht Diane, statt erzürnt zu sein, Daß sie der blut’gen alten Opfer mangelt, Dein sanft Gebet in reichem Maß erhört? Umschwebt mit frohem Fluge nicht der Sieg Das Heer? und eilt er nicht sogar voraus? Und fühlt nicht jeglicher ein besser Los, Seitdem der König, der uns weis’ und tapfer So lang geführet, nun sich auch der Milde In deiner Gegenwart erfreut und uns Des schweigenden Gehorsams Pflicht erleichtert? Das nennst du unnütz, wenn von deinem Wesen Auf Tausende herab ein Balsam träufelt? Wenn du dem Volke, dem ein Gott dich brachte, Des neuen Glückes ew’ge Quelle wirst Und an dem unwirtbaren Todesufer Dem Fremden Heil und Rückkehr zubereitest?
Iphigenie: Das Wenige verschwindet leicht dem Blick, Der vorwärts sieht, wie viel noch übrigbleibt.
Arkas: Doch lobst du den, der, was er tut, nicht schätzt?
Iphigenie: Man tadelt den, der seine Taten wägt.
Arkas: Auch den, der wahren Wert zu stolz nicht achtet, Wie den, der falschen Wert zu eitel hebt. Glaub mir und hör auf eines Mannes Wort, Der treu und redlich dir ergeben ist: Wenn heut der König mit dir redet, so Erleichtr ihm, was er dir zu sagen denkt.
Iphigenie: Du ängstest mich mit jedem guten Worte; Oft wich ich seinem Antrag mühsam aus.
Arkas: Bedenke, was du tust und was dir nützt. Seitdem der König seinen Sohn verloren, Vertraut er wenigen der Seinen mehr, Und diesen wenigen nicht mehr wie sonst. Mißgünstig sieht er jedes Edlen Sohn Als seines Reiches Folger an, er fürchtet Ein einsam hülflos Alter, ja vielleicht Verwegnen Aufstand und frühzeit’gen Tod. Der Skythe setzt ins Reden keinen Vorzug, Am wenigsten der König. Er, der nur Gewohnt ist, zu befehlen und zu tun, Kennt nicht die Kunst, von weitem ein Gespräch Nach seiner Absicht langsam fein zu lenken. Erschwer’s ihm nicht durch ein rückhaltend Weigern, Durch ein vorsätzlich Mißverstehen. Geh Gefällig ihm den halben Weg entgegen.
Iphigenie: Soll ich beschleunigen, was mich bedroht?
Arkas: Willst du sein Werben eine Drohung nennen?
Iphigenie: Es ist die schrecklichste von allen mir.
Arkas: Gib ihm für seine Neigung nur Vertraun.
Iphigenie: Wenn er von Furcht erst meine Seele löst.
Arkas: Warum verschweigst du deine Herkunft ihm?
Iphigenie: Weil einer Priesterin Geheimnis ziemt.
Arkas: Dem König sollte nichts Geheimnis sein; Und ob er’s gleich nicht fordert, fühlt er’s doch Und fühlt es tief in seiner großen Seele, Daß du sorgfältig dich vor ihm verwahrst.
Iphigenie: Nährt er Verdruß und Unmut gegen mich?
Arkas: