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Eine Zeit großer Verheißungen - und eine unglaubliche Bedrohung ...
Irland zu Beginn des 20. Jahrhunderts: In einem ehemaligen Schlachthaus entdeckt der Privatdetektiv Quinn Devlin ein monströses eisernes Geschöpf. Kurz darauf verschwindet der reiche Kaufmann Stanley Garland, der am Bau der Titanic beteiligt ist. Quinn versucht, das mysteriöse Geschehen aufzuklären - und legt sich dabei mit Mächten an, die das größte Schiff der Welt für ein mörderisches Spiel missbrauchen ...
Der Auftakt zu Wolfgang Hohlbeins »Irondead«! Jetzt als eBook von beBEYOND - fremde Welten und fantastische Reisen.
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Seitenzahl: 829
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Über dieses Buch
Über den Autor
Titel
Impressum
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Das Herz des Waldes
Die Chronik der Unsterblichen:
1 – Am Abgrund
2 – Der Vampyr
3 – Der Todesstoß
4 – Der Untergang
5 – Die Wiederkehr
6 – Die Blutgräfin
7 – Der Gejagte
8 – Die Verfluchten
8½ – Blutkrieg
9 – Das Dämonenschiff
10 – Göttersterben
Irland zu Beginn des 20. Jahrhunderts: In einem ehemaligen Schlachthaus entdeckt der Privatdetektiv Quinn Devlin ein monströses eisernes Geschöpf. Kurz darauf verschwindet der reiche Kaufmann Stanley Garland, der am Bau der Titanic beteiligt ist. Quinn versucht, das mysteriöse Geschehen aufzuklären – und legt sich dabei mit Mächten an, die das größte Schiff der Welt für ein mörderisches Spiel missbrauchen …
Wolfgang Hohlbein, 1953 in Weimar geboren, ist der erfolgreichste deutschsprachige Fantasy-Autor der Gegenwart. Der Durchbruch gelang ihm 1983 mit dem preisgekrönten Jugendbuch Märchenmond. Inzwischen hat er 150 Bestseller mit einer Gesamtauflage von über 44 Millionen Büchern verfasst. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen hat Wolfgang Hohlbein erhalten, vom »Preis der Leseratten« 1983 über»Bester Autor National« Deutscher Phantastik-Preis 2004 bis zum internationalen Literaturpreis NUX 2012. Weitere Informationen unter: www.hohlbein.de
WOLFGANG HOHLBEIN
IRONDEAD
Der zehnte Kreis
Roman
beBEYOND
Digitale Neuausgabe
»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2014 by INK.digital
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Lektorat: Dieter Winkler
Covergestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung von Motiven © Geoffrey Ernault
eBook-Erstellung: Greiner & Reichel, Köln
ISBN 978-3-7325-6333-3
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
Seit nunmehr einem guten halben Jahr versuchte ich, das Zigarrenrauchen einzustellen oder – sollte ich es nicht schaffen – doch wenigstens einzuschränken. Selbstverständlich war mir bisher weder das eine noch das andere gelungen. Ganz im Gegenteil hatte mein Konsum an teuren kubanischen Zigarren sogar noch deutlich zugenommen, seit ich meinen ersten ernst gemeinten Versuch gestartet hatte, enthaltsamer zu leben. Auch meine Idee, von teuren Zigarren auf preiswerten Zigarettentabak umzusteigen, hatte sich als kontraproduktiv erwiesen, denn der günstige Tabak verführte mich trotz seines zweifelhaften Geschmacks zum ständigen Paffen. Also hatte ich irgendwann mein schlechtes Gewissen hintenangestellt und war wieder in meine alten Gewohnheiten zurückgefallen, jeden Tag viel zu viele teure importierte Zigarren zu konsumieren, die ich mir nicht leisten konnte, begleitet von dem einen oder anderen Gläschen einheimischen Whiskys, der mein Budget endgültig sprengte.
Jetzt war ich froh, mir binnen einer Stunde die dritte Zigarre angezündet zu haben, ohne deren würzigen Rauch ich mich vermutlich schon längst übergeben hätte.
Vielleicht würde ich das ja trotzdem noch tun, Zigarrenrauch hin oder her, denn der Gestank an dem fast überbordenden Kanal, an dessen Ufer ich meiner Verabredung entgegenstrebte, war einfach unerträglich. Im Wasser trieben nicht nur Abfälle und tote Tiere – Ratten, Mäuse, Katzen und auch der eine oder andere tote Hund –, sondern auch ganz andere Dinge. Erst vor wenigen Minuten hatte die träge Strömung etwas vorübergetrieben, das einem kleinen menschlichen Umriss so sehr geähnelt hatte, dass ich instinktiv davor zurückgeschreckt war, ein zweites Mal genauer hinzusehen.
Den Geruch des Todes war ich gewohnt, schon durch meinen Beruf, der mich wiederholt an weit üblere Orte geführt und mir Einblicke in die schlimmsten Abgründe der menschlichen Seele aufgezwungen hatte. Nichts von alledem hatte mich jedoch auf diesen Gestank vorbereitet, der meine Sinne verwirrte und in mir ein Gefühl tiefsten Abscheus auslöste.
Da waren Tod und Verwesung – selbstverständlich –, doch unter all den Nuancen des Vergänglichen verbarg sich noch etwas anderes und womöglich wahrhaft Bedrohliches. Etwas, das in meiner Kehle brannte und mir das Gefühl gab, dass meine Augen ununterbrochen tränten, obwohl das genaue Gegenteil der Fall war und sich jeder Lidschlag so anfühlte, als scheuerte Sand über meine Augäpfel.
Aber vielleicht spielten mir ja auch nur meine Nerven einen Streich, und vielleicht war ich auch nur diesem Viertel und der ganzen Stadt gegenüber voreingenommen und sah (und vor allem roch) nicht nur das, was um mich herum existierte, sondern vor allem das, was ich zu sehen und zu riechen glaubte.
Ich war widerwillig und mit dem Gefühl hierhergekommen, mit etwas konfrontiert zu werden, von dem ich eigentlich gar nichts wissen wollte. Meine Verabredung ließ nun schon fast eine Stunde auf sich warten, und das missfiel mir nicht nur wegen der Verspätung immer mehr. Das hier war kein Ort für erbauliche Spaziergänge. Bereits seit einer ganzen Weile mutmaßte ich, dass die Verursacher der gierigen Blicke, die ich wie die Berührung nicht minder gieriger Hände auf mir zu spüren glaubte, nur deshalb noch nicht aus ihren Verstecken hervorgestürmt und über mich hergefallen waren, weil ich ein kräftiger Mann von nicht ganz unbeeindruckender Statur und einer gewissen Ausstrahlung war und mir darüber hinaus auch keine große Mühe gab, den langläufigen Revolver zu verbergen, den ich im Gürtel trug.
Dabei gab es kaum etwas, das ich mehr hasste als Waffen, denn schließlich hatte ich oft genug gesehen, welchen Schaden sie in den falschen Händen anrichten konnten. Aber ich hasste auch Ratten und Schmutz und menschlichen Abschaum, und von alledem gab es in dieser Umgebung überreichlich.
Immerhin konnte ich zwei von diesen drei Dingen erschießen, wenn es sein musste.
Was alles nichts daran änderte, dass mir allmählich ernsthaft übel zu werden begann. Ich schluckte einen Mundvoll säuerlich schmeckenden Speichels hinunter, woraufhin mein Magen endgültig zu rebellieren begann, spuckte ins trübe Wasser des Kanals und schnippte den Zigarrenstummel hinterher. Er erlosch zischend, auch wenn es mir so vorkam, als täte er es längst nicht so schnell wie üblich. Ich ertappte mich dabei, ganz instinktiv einen halben Schritt von der blubbernden Brühe zurückzuweichen, so als hätte ich Angst, die Glut der Zigarre könnte den ganzen Kanal in Brand setzen, statt in seinem Wasser zu ersticken. So etwas war schon vorgekommen.
Wenn es denn Wasser war, das da träge vor meinen Schuhspitzen schwappte. Nicht einmal dessen war ich mir ganz sicher, denn weder sah es wie Wasser aus, noch bewegte es sich wie solches, von dem Geruch ganz zu schweigen. Die Brühe war nicht einmal klar oder hatte wenigstens den Anstand, wie moderndes Abwasser oder Jauche auszusehen, sondern schillerte in widerwärtigen grünblauen Schlieren, und da und dort stiegen Blasen an die Oberfläche, um mit einem ekelhaften Geräusch zu platzen und dabei einen Schwall noch viel ekelhafteren Gestanks freizusetzen – den der Wind natürlich genau in meine Richtung trug, und zwar ganz gleich, woher er wehte und wo am Ufer ich gerade stand.
Spätestens jetzt, gestand ich mir ein, begannen meine Gedanken endgültig in gefährliche Gefilde abzugleiten. Aber in einem Moment wie diesem konnte ich mir eine solch kleine Schwäche wohl leisten.
Vorsichtige Schritte näherten sich, und das Gefühl, beobachtet zu werden, wurde noch einmal um Etliches unangenehmer. Doch statt mich sofort umzudrehen, griff ich betont langsam in die Jackentasche und nahm eine weitere Zigarre heraus, um sie in aller Seelenruhe anzuzünden. Selbst der Rauch schmeckte inzwischen faul.
»Sind Sie Devlin?«
Ich nahm einen zweiten, noch tieferen Zug und behielt den Rauch so lange in den Lungen, bis mir leicht schwindelig zu werden begann. Betont langsam – und mit der Linken wie zufällig den Griff meines Revolvers berührend – drehte ich mich um und erlebte eine Überraschung: Die Gestalt war eine gute Handspanne kleiner als ich und konnte nicht einmal die Hälfte meines Gewichts auf die Waage bringen. Auf den zweiten Blick war ich nicht einmal mehr ganz sicher, ob es schon ein Mann war oder noch ein Junge. Auf jeden Fall war er noch sehr jung.
Statt zu antworten, zog ich lediglich fragend die rechte Augenbraue hoch.
»Sind Sie Constabler Devlin?«, erkundigte sich der Junge noch einmal.
Es war lange her, dass mich jemand so genannt hatte, und auch wenn ich zum Schluss meiner Karriere für kurze Zeit Inspektor gewesen war, bevor man mich wieder degradiert hatte, weckte das Constabler Devlin die lebhaftesten Erinnerungen an meine nicht ganz glücklich verlaufene Polizeilaufbahn. Ich nickte knapp. »Und du?«
»Mister Jacobs schickt mich«, sagte der Junge. »Ich soll Ihnen was geben.«
Ich nahm immerhin die Hand von der Waffe – schon weil mir alles andere lächerlich vorgekommen wäre –, legte aber nur den Kopf auf die Seite und bemühte mich um einen fragenden Blick.
»Ich bin Chip.« Der Junge lächelte verschlagen. »Jacobs hat gesagt, dass Sie mich bezahlen.«
Ich antwortete erneut mit einem Nicken, was zugleich aber auch schon meine ganze Reaktion auf diese unverschämte Forderung war und auch bleiben würde. Ich würde ganz gewiss niemanden für irgendetwas bezahlen, bevor ich nicht selbst bezahlt worden war. Falls dieser unverschämte Bengel nicht ohnehin log, um mich zu übervorteilen.
Was offensichtlich der Fall war, denn nach einigen weiteren Augenblicken scharrte er unbehaglich mit den Füßen und griff dann unter seine Jacke, um einen schmalen Briefumschlag aus der Innentasche zu ziehen. Mir fiel nicht nur auf, wie schmutzig seine Finger waren, sondern auch, dass seine Jacke mindestens eine Nummer zu groß war, wenn nicht mehr. Vermutlich gestohlen, wie auch seine übrigen Kleider. Aber das ging mich nichts an.
»Das hat er mir gegeben«, sagte er, als er mir mit einer zögerlichen Bewegung den Brief überreichte. »Und gesagt, dass ich einen Sixpence bekomme.«
Ich ignorierte auch diesen zweiten und schon deutlich weniger subtilen Versuch, mir ein bisschen Geld abzuluchsen, riss den Umschlag auf und las:
Mein lieber Mister Devlin,
alles hat sich inzwischen aufgeklärt und mein Verdacht sich gottlob als unbegründet erwiesen, sodass ich Ihre Dienste nicht mehr länger benötige. Einen Betrag in Höhe des vereinbarten Honorars habe ich bereits auf Ihr Konto angewiesen.
Bitte verzeihen Sie, dass ich Ihre Zeit unnötig in Anspruch genommen habe.
Mit den besten Wünschen
Ihr Stanley Jacobs
Ich starrte den Brief an, überflog ihn ein zweites Mal, starrte erneut auf die ebenso winzige wie akribische Handschrift und las ihn dann noch ein drittes Mal.
»Irgendwas nicht in Ordnung?«, wollte Chip wissen.
Mir war nicht klar, was das den Burschen anging, aber ich ertappte mich trotzdem dabei, ganz automatisch zu nicken. So konnte man es durchaus nennen.
Ich wusste nicht, ob diese fast schon kalligrafisch anmutende Notiz tatsächlich von Jacobs stammte, denn ich hatte ihn selbst nur ein einziges Mal und seine Handschrift noch nie zu Gesicht bekommen, doch ich erinnerte mich auch gut an seine eher joviale Art zu sprechen und sich zu geben, und weder die Wortwahl noch die schon fast überpräzise Schrift schienen mir zu einem Mann wie ihm zu passen.
Mein Verstand wollte mir (mit Recht) klarmachen, dass sich ein Mann wie Stanley Jacobs durchaus jemanden leisten konnte, der Dinge wie das Verfassen lästiger Notizen für ihn erledigte, aber das war längst nicht alles. Es gab keine Summe, auf die wir uns geeinigt hatten, und ich konnte mich auch nicht erinnern, ihm jemals meine Bankdaten genannt zu haben. Ich bevorzuge Barzahlung, und jetzt erinnerte ich mich auch, dass Jacobs zwischen zwei Schlucken Portwein wissend gelächelt und angemerkt hatte, dass die Steuer ja schließlich nicht alles wissen müsse und es ihn im Übrigen auch nichts angehe, was sie wusste und was nicht.
»Und diesen Brief hast du von Mister Jacobs persönlich bekommen?«, vergewisserte ich mich.
Chip hob die Schultern, und etwas klimperte in seiner Jackentasche. Ich sah ihn noch weitere zwei oder drei Sekunden lang auffordernd an, begriff schließlich, dass ich das auch noch zwei oder drei weitere Stunden lang tun konnte, ohne irgendeine andere Reaktion zu bekommen, und griff widerwillig in die Jackentasche, um einen Sixpence zutage zu fördern. Als Chip jedoch nach dem Geldstück greifen wollte, verbarg ich es blitzartig in der Faust und schüttelte den Kopf.
Der Junge verstand. »Ich kenne diesen Jacobs nicht«, bekannte er. »Er hat behauptet, das sei sein Name. Ein großer Kerl mit Backenbart und teuren Kleidern. Er hat Zigarren geraucht und nach Portwein gerochen.«
Was so ungefähr auf jeden zweiten Kaufmann und Bankier in dieser Stadt zutraf. Ich wiederholte mein Kopfschütteln.
»Aber mehr weiß ich nicht«, beharrte Chip. »Er hat Sie mir beschrieben und mir den Brief gegeben. Und gesagt, dass Sie mich bezahlen.«
Das sah ich zwar nicht ein, händigte ihm aber trotzdem den in Aussicht gestellten Sixpence aus und war nicht überrascht, als mir der Junge das Geldstück aus der Hand riss und dann zurücksprang. Ich wäre auch nicht überrascht gewesen, wäre er auf der Stelle verschwunden, doch Chip gab sich mit diesem kleinen Sicherheitsabstand zufrieden. Vielleicht spekulierte er ja auf einen weiteren Sixpence … den er ganz bestimmt nicht bekommen würde. Ich griff trotzdem noch einmal wie zufällig in dieselbe Tasche und ließ die Hand auch darin. Ganz wie es zu erwarten gewesen war, setzte der Junge seine begonnene Flucht nicht fort, und in seinen Augen flammte neue Gier auf.
Sehr aufmerksam studierte ich den Text ein viertes Mal. Nichts daran war so ungewöhnlich, dass es nicht zu einem exzentrischen Kaufmann gepasst hätte, und doch schien er mir mit jedem Mal weniger überzeugend. »Wo hast du ihn getroffen?«
»Nicht weit von hier.« Chip machte eine wedelnde Geste überallhin, verstand wohl die Bedeutung, als meine Augenbraue ein weiteres Stück an meiner Stirn emporwanderte, und deutete daraufhin auf ein großes Backsteingebäude ein gutes Stück entfernt, und selbstverständlich auf der anderen Seite des Kanals mit seinem blubbernden Inhalt.
»Dort?«, fragte ich unüberhörbar zweifelnd. Meine Augen tränten jetzt wirklich, und jeder Zug aus der Zigarre hinterließ einen scharfen Nachgeschmack tief in meinem Rachen, den ich allenfalls von jenem billig verschnittenen Tabak kannte, wie man ihn in zwielichtigen Spelunken und ärmlichen Vierteln für ein paar Pennys erstehen konnte. Ich musste ein paarmal blinzeln, um das dreistöckige Gebäude klar zu erkennen, aber dadurch wurde es auch nicht ansehnlicher und schon gar nicht vertrauenswürdiger. Wie ein großer Teil der Häuser hier stand es leer und musste schon vor Jahren aufgegeben worden sein, wie die zahllosen eingeschlagenen Scheiben und herausgerissenen Türfüllungen bewiesen. Schon der bloße Anblick bereitete mir Unbehagen, und eigentlich wollte ich nichts weniger, als dorthin zu gehen.
Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, welcher Teufel Jacobs eigentlich geritten hatte, mich ausgerechnet hierher zu bestellen, in eine Gegend, die so heruntergekommen, leer und vor allem gefährlich war, dass ein so vornehmer Mann wie er eigentlich nicht einmal wissen sollte, dass es sie überhaupt gab. Er hatte mir etwas zeigen wollen, aber was? Tote Katzen und ersoffene Ratten?
Chip scharrte erneut mit den Füßen, und ich erwartete, dass er nun losgehen würde, um mir den Weg über den Kanal zu zeigen, aber der Junge druckste nur weiter herum. Schließlich zog ich einen zweiten Sixpence hervor, ließ aber auch ihn sofort wieder in der geschlossenen Faust verschwinden, sodass das verlockende Geldstück nur ganz kurz zwischen meinen Fingern aufblitzte, und das verstand sogar dieser gierige Bengel und setzte sich missmutig in Bewegung.
Wir gingen dichter an dem stinkenden Kanal entlang, als mir lieb war. Die Ränder des künstlich angelegten Flusses waren längst von ätzenden Dämpfen und der erbarmungslosen Witterung Belfasts angegriffen und zum Teil sogar zerstört worden. Unter jedem zweiten oder dritten Schritt lösten sich Staub und zerbröckelnder Stein, manchmal ganze Trümmerlawinen, die mit einem heftigen Platschen im Wasser verschwanden, woraufhin nur zu oft ein Schwall noch übleren Gestanks folgte. Ich würde meine Kleider wechseln müssen, dachte ich missmutig, sobald ich zu Hause war; möglicherweise baden.
Falls ich wieder nach Hause kam. Mit einem Mal war ich gar nicht mehr so sicher, dass ich diesen Ort lebend verlassen würde.
Ich blieb stehen, als wir eine schmale Brücke erreichten, die in einem Bogen über die zischende Brühe hinwegführte, der den meisten kühn vorgekommen wäre, mir aber schier die Haare zu Berge stehen ließ. Es war nicht so, dass ich der Brücke nicht traute. Sie sah baufällig aus, stand aber nun schon seit mindestens einem Menschenalter hier und würde sicher auch noch einige weitere Minuten und meinem Gewicht standhalten. Aber allein der Gedanke, diese widerwärtige Brühe zu überqueren, war mir zuwider.
»Ich würde da nicht reingehen«, sagte Chip, fast als hätte er meine Gedanken gelesen. »Ist eine gefährliche Gegend. Hier ist schon so mancher einfach verschwunden.«
Vielleicht nur, um vor dem Jungen nicht das Gesicht zu verlieren, betrat ich, ohne zu zögern, den geländerlosen Steg und legte ein forsches Tempo vor. Ich ertappte mich dabei, die ganze Zeit über die Luft anzuhalten, und auf der anderen Seite angekommen entfernte ich mich rasch ein paar Schritte und blieb dann wieder stehen, um das Gebäude einer weiteren Musterung zu unterziehen. Es gefiel mir immer weniger. »Hier hast du ihn getroffen?«, fragte ich misstrauisch.
Statt zu antworten, starrte Chip meine geschlossene Faust an. Ich reichte ihm den Sixpence, der wie weggezaubert verschwand, und fügte warnend hinzu: »Und lass dir nicht einfallen, mich zu betrügen, Freundchen.«
Der Junge schüttelte den Kopf, und diesmal war das Klimpern so laut, als hätte er eine ganze Schlüsselfabrik in der Jackentasche. »Auf der anderen Seite. Ich war auf der Straße unterwegs, um mich mit ein paar Kumpel zu treffen, da hat er mich angesprochen. Hat mit seinem schicken Wagen am Straßenrand gehalten und mir den Brief und einen Sixpence … ich meine den Brief gegeben und mir gesagt, dass ich einen Sixpence von Ihnen bekomme.«
Ich hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken. Eigentlich sollte ich zornig werden, doch irgendwie beeindruckte mich diese ganz bestimmte Art von Unverschämtheit auch beinahe. »Ich sehe keine Straße«, widersprach ich trotzdem.
»Hinter dem Haus, auf der anderen Seite«, sagte Chip. »Wir können außen rumgehen, aber dann müssen wir das ganze Stück zurück. Und er ist auch gleich wieder abgefahren.«
Ich überlegte. Alles in mir sträubte sich dagegen, diese Ruine zu betreten, aber die Vorstellung, die ganze Strecke neben und über den Kanal wieder zurückzugehen, behagte mir noch viel weniger. Außerdem wollte ich vor dem Jungen nicht als Feigling dastehen.
»Dann zeig mir, wo du ihn getroffen hast.«
»Bestimmt?« War da plötzlich etwas Lauerndes in Chips Augen? »Ist nicht ganz ungefährlich.«
Ich paffte an meiner Zigarre und sah auf ihn hinab. Chip begriff, zog eine Grimasse und ging weiter.
Das Gebäude war riesig und strahlte etwas ebenso Abweisendes wie fast Heimtückisches aus. Trotz der zahlreichen Fenster, in denen es schon seit Jahren kein Glas mehr gab, herrschte in seinem Inneren nahezu vollkommene Finsternis und ein Gestank, der im wortwörtlichen Sinne atemberaubend war. Ich sog so stark an meiner Zigarre, dass ich husten musste, doch diesmal funktionierte der Trick nicht, und der Tabakqualm machte es eher noch schlimmer. Es stank nach geronnenem Blut und nassem Fell und Öl und Ruß und Wagenschmiere und verdorbenen Lebensmitteln, nach Katzenpisse und faulendem Wasser und hundert anderen Dingen, die allesamt unangenehm waren und in ihrer Summe augenblicklich erneut ein Gefühl latenter Übelkeit in mir weckten. Ich verspürte ein Rumoren in den Eingeweiden, das das Potenzial hatte, bei der geringsten unvorsichtigen Bewegung zu etwas weit Unangenehmerem zu werden.
»Passen Sie auf, wo Sie hintreten«, warnte Chip. »Hier kann man leicht zu Schaden kommen.«
Ich trat erst einmal nirgendwohin, sondern blieb stehen, damit sich meine Augen an das schwache Licht gewöhnen konnten. Ich hatte ein vages Gefühl von Weite, das mich zugleich aber auch zu erdrücken schien, so absurd es mir auch selbst vorkam. Chip hatte recht. Ich sollte nicht nur aufpassen, wo ich hintrat, sondern auf dem Absatz kehrtmachen und von diesem unheimlichen Ort verschwinden, so schnell ich nur konnte. Sollte dieser dahergelaufene Straßenjunge doch von mir denken, was er wollte!
Stattdessen blinzelte ich ein paarmal heftig, und um zusätzliche Zeit zu gewinnen, fragte ich: »Was war das hier früher einmal?«
»Weiß nicht. Ein Schlachthof. Vielleicht. Oder sie haben hier nur die Felle und die Haut verarbeitet. Warum?«
Eine ehemalige Gerberei würde zumindest den aufdringlichen Geruch nach Chemikalien und Tod erklären, aber eigentlich konnte ich nicht einmal genau sagen, warum ich diese Frage überhaupt gestellt hatte, denn es interessierte mich auch nicht. Über den Niedergang Belfasts in dem ständig von Hungerkatastrophen bedrohten Irland waren schon zahllose kluge Artikel verfasst und viele noch klügere Bücher geschrieben worden, eloquente Abhandlungen über die Gründe besagten Niedergangs und düstere Warnungen, dass alles nur noch viel schlimmer werden konnte. Die einen meinten, dass nur eine engere Anlehnung Irlands an das englische Parlament helfen könnte, den drohenden Niedergang zu verhindern, die anderen kämpften für eine eigene Verfassung und Selbstverwaltung oder sogar die völlige Loslösung vom Britischen Empire, in der sie die einzige Chance sahen, Irland in eine bessere Zukunft führen zu können.
Ich war für mich selbst schon zu einer viel simpleren Erklärung gekommen: Die Dinge änderten sich, unerbittlich und immer und unaufhaltsam, und jeder musste für sich sehen, wie er mit diesem Wandel der Zeiten zurechtkam. So einfach war das.
Meine Augen hatten sich umgestellt. Ich sah immer noch nicht viel, aber wenigstens genug, um nicht unversehens in einen jäh aufklaffenden Abgrund zu stürzen oder mich an irgendeiner heimtückischen Kante aufzuspießen, die auf mich lauerte.
Es gab keine Abgründe. Der Boden war massiv und mit einer klebrigen schwarzen Schicht bedeckt, auf der unsere Schritte unangenehme Sauggeräusche verursachten. In dem wenigen Licht, das meinen Augen blieb, erkannte ich kaum mehr als gedrungene finstere Umrisse, die gefährlichen Raubtieren gleich in der ewigen Dämmerung lauerten. Wie eiserne Spinnweben hingen Ketten von der Decke, die sich höher über unseren Köpfen erhob, als mein Blick reichte, und irgendwo tropfte regelmäßig eine Flüssigkeit; kein Wasser, eher etwas Dickflüssigeres. Obwohl es bei Weitem nicht das erste Mal war, dass ich einen solch heruntergekommenen Ort sah, hatte ich das Gefühl, eine vollkommen fremde Welt zu betreten, einen Winkel der Schöpfung, in dem Menschen nicht willkommen waren und auch nicht sein sollten.
Das irritierte mich. Ich hielt mich vollkommen zu Recht für einen rationalen Menschen, zu dem solcherlei krudes Zeug gar nicht passte. Aber ich wurde das unangenehme Gefühl, hier vollkommen fehl am Platz zu sein, auch nicht los.
»Wohin?«, fragte ich knapp. Selbst an diesem einzelnen Wort war etwas … unpassend, als wäre allein der Klang einer menschlichen Stimme an diesem Ort ein Frevel, der nicht ungesühnt bleiben konnte.
Ich ahnte Chips deutende Geste mehr, als dass ich sie sah. Eine der Ketten rasselte, als hätte er sie berührt, doch das konnte nicht sein, denn er stand ein gutes Stück entfernt. »Wir müssen durch die Halle und dann einfach die Treppe runter.«
Seltsamerweise klang seine Stimme nicht annähernd so deplatziert wie meine eigene, sah man von einem leicht metallischen Unterton ab, als redete er mit Stimmbändern aus Eisen. Sicher eine Folge der verwirrenden Akustik dieses Ortes.
»Dann geh voraus.«
Diese Worte wiederum klangen wieder falsch. Allmählich wurde mir dieser Ort wirklich unheimlich.
Ich wartete, bis sich Chip vor mir in Bewegung gesetzt hatte, was von einem neuerlichen und diesmal lang anhaltenden Kettenrasseln begleitet wurde, und nun sah ich, dass sich etliche der dicken Kettenbündel bewegten. Vielleicht ein Luftzug, den wir mit unserem Eintreten ausgelöst hatten.
Ich folgte dem Jungen, aber ich fiel auch mit jedem Schritt, den er machte, ein wenig weiter zurück, denn ich trat nur sehr behutsam auf, schon wegen der unangenehmen Geräusche, die ich dabei verursachte.
»Was wollte Jacobs Ihnen denn eigentlich hier zeigen?«, fragte Chip, nachdem wir vielleicht ein Drittel der großen Halle durchquert hatten. Auch er ging jetzt etwas langsamer, aber es wollte mir einfach nicht gelingen, wirklich zu ihm aufzuholen. Ich hatte das verrückte Gefühl, dass sich der Junge immer gerade außerhalb meines Blickfelds hielt; ganz egal, wie schnell oder langsam ich auch ging.
»Warum fragst du das?«, erwiderte ich. Das unheimliche Gefühl, einen monströsen Schatten irgendwo in der Dunkelheit über mir entlanghuschen zu sehen, ergriff mich.
»War nur neugierig«, sagte Chip. Er blieb nun doch stehen und strich in Gedanken über eine der Ketten, die neben ihm von der Decke hingen. Als hier noch gearbeitet worden war, hatten sie vielleicht dazu gedient, tote Schweine und Rinderhälften zu transportieren oder schwere Maschinenteile zu bewegen. Jetzt mochten sie weit sinisteren Zwecken dienen, über die ich gar nicht nachdenken wollte. »Ist schon ein komischer Ort, nicht?«
Mir wäre durchaus eine andere Bezeichnung dafür eingefallen, aber ich schwieg.
Chip betastete eine der Ketten, folgte ihr mit Blicken, bis sie in der Dunkelheit über uns verschwand, und zog prüfend daran. Ich wünschte mir, er hätte das nicht getan. Chip selbst vermutlich auch, denn die Kette geriet ins Pendeln, berührte ihn sacht an der Wange und hinterließ einen langen Schmierer aus Rost und Öl darauf. »Ob sie es wohl gewusst haben?«
»Was?«
»All diese Tiere, die hier getötet worden sind. Das müssen Tausende gewesen sein.«
»Man sagt, dass Tiere die Angst der anderen riechen«, bestätigte ich, bekam aber nur ein neuerliches Kopfschütteln zur Antwort. Und ein noch länger anhaltendes Kettenrasseln.
»Das meine ich nicht. Ob sie wohl von uns gewusst haben?«
»Von uns?«
»Es waren nur Tiere, aber auch sie haben die Welt rings um sich herum bestimmt irgendwie wahrgenommen.« Chip machte ein übertrieben nachdenkliches Gesicht. »Ich frage mich, ob all diese Kreaturen davon wissen, dass es da noch eine andere Spezies gibt, die mitten unter ihnen lebt … und die viel intelligenter ist als sie und viel gefährlicher.«
Für einen vermeintlichen Straßenjungen, als den ich Chip eingeschätzt hatte, waren das sehr seltsame Gedanken. »Was soll das?«, fragte ich misstrauisch.
»Ich denke nur so«, erwiderte Chip. »Wie erstaunt sie wohl wären, wenn sie es wüssten. Und ob sie wohl fähig wären, sich zu wehren.«
»Wehren?«
»Gegen das Schicksal. Gegen uns.«
»Was soll der Unsinn?«, fragte ich noch einmal und fügte noch schärfer hinzu. »Geh weiter.«
Chip sah sehr ernst zu mir hoch. »Wirklich?«
»Geh weiter«, sagte ich noch einmal. »Und ich warne dich. Wenn du irgendetwas Dummes versuchst, dann wirst du es bereuen.«
Chip sah fast ein bisschen traurig aus. »Wohl kaum«, seufzte er … und verschwand.
»Sie hätten Jacobs’ Geld nehmen und nach Hause gehen sollen«, sagte er. Vielleicht sagte er es auch nicht wirklich, denn so wie er selbst plötzlich verschwunden war, hörte ich nur noch das Klirren der Ketten, in dem diese Worte irgendwie mitzuschwingen schienen.
Ich blinzelte, schüttelte den Kopf und blinzelte noch einmal. Was war nur mit mir los? Hatte ich zu viel von den schädlichen Dämpfen eingeatmet? Und wo war dieser verdammte Bengel?
Zwei- oder dreimal rief ich Chips Namen und bekam nur ein anhaltendes Kettenrasseln zur Antwort, nicht einmal das Echo meiner eigenen Stimme. Ich war nahe daran, einfach die Halle zu durchqueren und nach der Treppe zu suchen, von der Chip gesprochen hatte, verwarf diesen Gedanken aber auch fast schneller wieder, als er mir gekommen war. Ich konnte immer noch nicht viel sehen, aber schon die bloße Vorstellung, mich in diesem unheimlichen Gebäude zu verlaufen, ließ mir die Knie weich werden. Wir waren zwar schon fast in der Mitte der Halle angelangt, aber ich ging lieber einen langen Weg zurück, den ich kannte, als eine vermeintliche Abkürzung zu wählen, die zur Todesfalle werden konnte.
Zur Sicherheit rief ich noch einmal nach Chip, dann drehte ich mich um und machte mich auf den Rückweg …
… oder hätte es getan, wäre er noch da gewesen.
Ich konnte ihn nicht finden. Es war verblüffend (und ein bisschen beunruhigend): Ich war mir sicher, nicht mehr als zwanzig oder fünfundzwanzig Schritte weit gegangen zu sein, und doch sah ich nichts als von Schatten und pendelnden Ketten erfüllte Weite, die mir schier die Luft abzuschnüren schien. Und diesem Gedanken wollten andere und noch viel bizarrere Überlegungen folgen. Doch das ließ ich nicht zu.
Stattdessen zwang ich mich, forschen Schrittes loszumarschieren. Wenn ich genau die Richtung einschlug, aus der ich gekommen war, dann musste ich den Eingang zwangsläufig wiederfinden, oder zumindest die Wand, an der ich mich schlimmstenfalls entlangtasten konnte.
Ich kam genau drei Schritte weit, bevor ich gegen ein Bündel Ketten prallte, das heftig zu klirren und peitschen begann und sein Möglichstes tat, sich um meine Glieder zu schlingen.
Mit einem erschrockenen Keuchen prallte ich zurück und streifte das klebrige Metall ab. Dabei verlor ich das Gleichgewicht und landete unsanft auf dem Hinterteil. Als ich meinen Sturz schon fast verzweifelt wenigstens so weit abzufangen versuchte, dass ich nicht auf dem Rücken oder gar Hinterkopf aufschlug, prellte ich mir beide Handgelenke so schmerzvoll, dass mir die Tränen in die Augen schossen. Ich wusste zwar nicht, wieso, war mir aber vollkommen sicher, nicht mehr aufzuwachen, wenn ich in diesem Raum das Bewusstsein verlor.
Es fiel mir schwer, die Benommenheit abzuschütteln, und es verging noch einmal eine geschlagene Sekunde, bis ich den brennenden Schmerz in meiner Handfläche spürte und den Arm mit einem Fluch zurückzog. Ich hatte nicht nur meine kostbare Zigarre fallen gelassen, sondern mich auch darauf abgestützt. Wo auch sonst?
Immerhin bewies der Schmerz, dass das alles hier wirklich geschah, und ich mir nicht etwa den Schädel eingeschlagen hatte und es mir nur zusammenfantasierte. Vermutlich konnte ich noch von Glück sagen, mit einer Brandblase davonzukommen, denn zweifellos hatte mich dieser verschlagene Junge nur hierher gelockt, um mich zu überfallen und auszurauben.
Was ja durchaus noch geschehen konnte.
Ich kramte ein Taschentuch hervor, schloss die verbrannte Hand darum, zog den Revolver und ließ den Hahn zurückschnappen. Eine Warnung für Chip, sollte er etwas Dummes vorhaben oder plötzlich ein paar Freunde von ihm auftauchen.
Ein anderes und deutlich … machtvolleres Klicken antwortete auf das Geräusch, irgendwo aus der Dunkelheit unter der Decke. Ich gestattete mir nicht, hinzusehen, sondern strengte die Augen an, um das Zwielicht ringsum mit Blicken zu durchdringen. Es gelang mir nicht. Es war, als wäre ich zehnmal weiter gegangen, als ich überhaupt gemerkt hatte, oder der Eingang einfach verschwunden.
Oder als hätte etwas das Licht gefressen.
Was für ein Unsinn!
Gezwungen tief atmete ich ein paarmal ein und aus und ging weiter, und die Ketten, in denen ich mich gerade um ein Haar verfangen hätte, begannen zu klingeln und sanft hin- und herzuschwingen.
Und nicht nur sie.
Von überall her erscholl plötzlich ein metallenes Klimpern und Rasseln, hinter mir, über mir, neben mir, überall, als erzitterte das ganze Haus unter einem Erdbeben.
Aber es war kein Erdbeben.
Es war etwas viel, wirklich viel Schlimmeres.
Ich meinte erneut eine vage Bewegung über mir zu registrieren, legte nun doch den Kopf in den Nacken und erstarrte zur sprichwörtlichen Salzsäule.
Ich sah jetzt, dass mein allererster und vermeintlich so alberner Gedanke gar nicht so albern gewesen war. Die zahllosen Ketten, die einzeln oder auch in dicken Bündeln von der Decke hingen, bildeten in ihrer Gesamtheit tatsächlich so etwas wie ein titanisches eisernes Spinnennetz.
Und in seinem Zentrum hockte eine gigantische Spinne.
Durch das schlechte Licht und die schwer einzuschätzende Entfernung gelang es mir nicht, ihre Größe zu bestimmen, doch allein der aufgedunsene Hinterleib musste einen Yard messen, und die weit gespreizten Beine überspannten gleich ein Mehrfaches dieser Distanz. Irgendetwas an diesem Ungetüm war nicht so, wie es sein sollte (abgesehen von seiner Größe), doch ich war viel zu entsetzt, um darüber nachzudenken. Eigentlich konnte ich gar nicht denken. Ich wusste nicht einmal, ob mein Herz noch schlug. Vielleicht war ich ja tot und das hier die Hölle.
Als wäre sie zu dem Schluss gekommen, mir nun hinlänglich Zeit gelassen zu haben, sie im gleichen Maße zu studieren wie vor Angst zu erstarren, setzte sich die Spinne gemächlich in Bewegung. Allerdings wirkten ihre Bewegungen wohl eher zurückhaltend, als dass sie es wirklich waren. Allein schon durch ihre monströse Größe legte sie doch mit jedem staksenden Schritt eine nennenswerte Distanz zurück. Das Kettennetz begann nun in seiner Gänze zu klirren und zu scheppern.
Es war dieses gewaltige Getöse, das mich endgültig aus meiner Erstarrung riss.
Einen Schrei des Entsetzens auf den Lippen und eindeutig in Panik stürmte ich los und versuchte die klimpernden und staksenden Laute über mir zu ignorieren, die entsetzlich schnell näher kamen. Nahezu ziellos jagte ich davon, prallte prompt gegen eine weitere Kette und hätte nicht nur fast schon wieder die Balance verloren, sondern stellte auch noch eine weitere Gemeinsamkeit zwischen diesem und einem wirklichen Spinnennetz fest. Zwar waren seine Fäden aus geschmiedeten Kettengliedern und nicht aus Seide, doch Öl und Fett und jahrzehntealter Dreck machten es beinahe genauso klebrig.
Einen schrecklichen Moment lang drohte ich mich in dem scheppernden Gespinst zu verfangen, bevor es mir gelang, mich loszureißen und weiterzustolpern.
Im Laufen warf ich einen Blick über die Schulter zurück und hätte fast aufgeschrien, als ich sah, dass sich die Entfernung zwischen mir und der monströsen Spinne bereits halbiert hatte. Die gigantische Spinne – unmöglich oder nicht – turnte mit sonderbar eckigen, nichtsdestoweniger aber auch schrecklich schnellen Bewegungen heran und würde mich in wenigen Augenblicken eingeholt haben, wenn kein Wunder geschah.
Aber vielleicht hielt ich ja auch genau das in der rechten Hand.
Ich hielt an, wobei ich das Kreischen meiner Instinkte ignorierte – die nichts anderes verlangten, als zu rennen –, ließ mich auf das linke Knie sinken und stützte den Pistolenlauf auf den angewinkelten Unterarm, um mit einer Kaltblütigkeit zu zielen, für die ich mich vermutlich selbst bewundert hätte, wäre ich nicht halb wahnsinnig vor Angst und Ekel gewesen.
Genau im richtigen Moment drückte ich ab.
Der langläufige Colt entlud sich mit einem Knall, der in der leeren Halle wie ein Kanonenschlag widerhallte und ein mehrfaches Echo aus der Dunkelheit schlug. Die Kugel hämmerte genau zwischen die beiden faustgroßen Hauptaugen des Ungetüms – und prallte Funken sprühend ab, um mit einem lang gezogenen Jaulen als Querschläger davonzufliegen.
Instinktiv drückte ich noch einmal ab, doch diesmal schoss ich daneben, denn die erste Kugel hatte die Spinne zwar möglicherweise nicht verletzt, doch allein die schiere Wucht des Aufpralls warf das Ungeheuer zurück. Einen halben Atemzug lang kämpfte es mit fast komisch wirbelnden Beinen um seinen Halt auf dem eisernen Netz, dann stürzte es in die Tiefe und schlug mit einem Knall auf, der das gesamte Gebäude zum Erzittern zu bringen schien.
Ich verschwendete keine dritte Kugel und auch keine weitere Sekunde, sondern beschloss darüber hinaus, mich später zu wundern und erst einmal am Leben zu bleiben und mich aufs Weglaufen zu verlegen. Zumal das Schicksal nun ausnahmsweise einmal auf meiner Seite zu sein schien, denn endlich hatte ich den Ausgang erblickt und jagte nun mit weit ausgreifenden Schritten auf ihn zu.
Ich hatte ihn beinahe erreicht, als sich die Spinne aufrappelte und mit einem einzigen gewaltigen Satz über mir war.
Vielleicht war es tatsächlich ihr eigener Schatten, der mich rettete. Etwas Riesiges und unvorstellbar Gefährliches näherte sich mir, und da war plötzlich eine Dunkelheit, die nicht von dieser Welt zu sein schien und meinen eigenen Schatten verschlang, sodass ich erschrocken zusammenzuckte und ins Stolpern geriet. Etwas traf mich mit der Wucht eines Fausthiebes zwischen die Schulterblätter und stieß mich davon, und noch während ich fiel, donnerten acht monströse Klauen an den Enden ebenso vieler Beine in den Boden und schlugen Funken daraus.
Ich brüllte vor Schmerz und Angst und schaffte es mit mehr Glück als wirklichem Geschick, mich noch im Fallen auf den Rücken zu drehen und sogar den beinahe dolchlangen Giftklauen zu entgehen, die nach meinem Gesicht hackten und beiderseits meiner Schläfen Betonsplitter und weitere Funken aus dem Boden schlugen.
Verzweifelt rammte ich beide Füße gegen den mit drahthartem Fell bedeckten Hinterleib der Spinne – es war, als hätte ich gegen eine gusseiserne Kirchenglocke getreten, nur dass es nicht annähernd so klang –, hob zugleich aber auch mit beiden Händen den Revolver und riss den Abzug durch.
Der Knall war ohrenbetäubend, und die Mündungsflamme stach wie ein rot glühender Dolch in eines der großen Augen des Ungetüms und löschte es in einer Explosion aus Glassplittern und gelben elektrischen Funken aus.
Das Ungeheuer schrie, bäumte sich auf die beiden hinteren Beinpaare auf und spuckte mir verbrannten Kautschuk, Glasscherben und heißes Öl ins Gesicht. Ich kroch verzweifelt rücklings unter dem Ding hervor, von dem mein Verstand immer noch hartnäckig behauptete, dass es gar nicht existieren konnte.
Ich gab einen weiteren Schuss ab, der nichts als einen Funkenschauer und einen zweiten Querschläger zur Folge hatte, die Spinne allerdings auch ein kleines Stück zurückwarf, und mehr als diese eine Chance brauchte ich nicht. Ich würde wohl auch keine zweite bekommen.
Ich katapultierte mich auf die Füße und stürmte los. Etwas sehr Starkes und absolut Tödliches schlug nach mir, traf mich zwar nicht direkt, aber prellte mir die Waffe aus der Hand, die in der Dämmerung verschwand und sich mit einem ohrenbetäubenden Knall noch einmal entlud, als sie auf den Boden prallte. Dann hatte ich die Tür erreicht und warf mich mit einem Satz hindurch.
Hinter mir erbebte das Haus noch einmal wie unter dem Hammerschlag eines zornigen nordischen Gottes, und Holzsplitter, Putz und roter Ziegelsteinstaub explodierten in meine Richtung, als das Ungeheuer mir zu folgen versuchte und prompt in der Tür stecken blieb.
Dann hatte ich den Kanal erreicht, verlor endgültig das Gleichgewicht und fiel kopfüber in die stinkende Brühe.
Es vergingen drei Tage, ohne dass es mir auch nur gelang, zu Jacobs Sekretärin vorzudringen. Zumindest einer dieser drei Tage war nicht der Sturheit von Jacobs’ Personal geschuldet, die beiden anderen dafür umso mehr.
Einen Gutteil des ersten Tages hatte ich gebraucht, um nach Hause zu kommen, ausgiebig zu baden und meine verbrannte Hand zu versorgen. Anschließend versuchte ich mich mit einer halben Flasche Whisky so weit zu betrinken, dass ich mir wenigstens einreden konnte, ich hätte mir dieses ganze verrückte Erlebnis nur eingebildet.
Es blieb allerdings bei dem Versuch.
Nachdem ich hinlänglich genug angetrunken war, um lange nach Mitternacht endlich in einen von wirren Albträumen heimgesuchten Halbschlaf zu sinken, erwachte ich am nächsten Morgen mit einem gehörigen Kater, einer ungeschickt verbundenen Hand, die heute eindeutig mehr wehtat als gestern, und neben den immer noch feuchten Resten meines Anzugs, der zum Himmel stank und darüber hinaus aussah, als hätte ich versucht, ihn in einer säuregefüllten Kloake zu waschen. Jacobs’ Brief hatte das unfreiwillige Bad erstaunlich gut überstanden. Die Schrift war kein bisschen verwischt, und auch das Papier überraschend gut erhalten. All das bewies, dass zumindest ein Teil meiner Erinnerungen tatsächlich Erinnerungen waren und nicht etwa Nachwehen meines Rauschs vom vergangenen Abend – was mir eindeutig lieber gewesen wäre.
Möglicherweise hätte ich es trotzdem dabei belassen, hätte mich mein Weg nicht als Nächstes zu meiner Bank geführt, wo ich mein Konto überprüfte und feststellte, tatsächlich eine Baranweisung von Jacobs bekommen zu haben.
Es war die Summe, die mich verwirrte und letzten Endes dann auch dazu bewog, in Jacobs’ Büro vorstellig zu werden: fünfundachtzig Pfund und ein Sixpence. Möglicherweise (also eigentlich nicht, aber möglicherweise und unter ganz und gar unvorstellbaren Umständen vielleicht) hätte mir ja entfallen sein können, mich mit Jacobs doch auf eine pauschale Bezahlung geeinigt zu haben … aber an diese nicht ganz unbeträchtliche Summe hätte ich mich selbstverständlich erinnert.
Also ging ich zu Jacobs.
Oder versuchte es wenigstens.
Der Kaufmann residierte – und dieses Wort traf in einem Ausmaß zu, das mich seine Bedeutung zum allerersten Mal wirklich begreifen ließ – in einem palastgroßen Gebäude in Sichtweite des Rathauses, und als ich durch die bronzeverglaste Drehtür in das weitläufige Foyer trat, überkam mich genau das Gefühl, das die Architekten dieses Gebäudes vermutlich beabsichtigt hatten.
Ich fühlte mich klein und unbedeutend und musste gegen das lächerliche Bedürfnis ankämpfen, der halben Drehung der Tür noch die andere Hälfte folgen zu lassen und gleich wieder hinauszugehen. Die Halle war so groß, dass man meinen konnte, mit einem Luftschiff darin umherfliegen zu können, und gerade so eben noch nicht teuer genug eingerichtet, um protzig zu wirken: An den mit edlen Hölzern vertäfelten Wänden hingen unaufdringliche Gemälde, auf dem Boden lagen kostbare Teppiche, und etliche kleine Sitzgruppen verliehen dem Raum eher das Ambiente eines Hotels der oberen Preisklasse als das des Empfangs eines großen Geschäftshauses. Exotische Topfpflanzen sorgten für Flair, schüchterten mich aber auch noch zusätzlich ein, und wie um sich endgültig daran zu erinnern, dass ich mich zwar noch immer in derselben Stadt aufhielt, dennoch aber in einer vollkommen anderen Welt, erblickte ich in der Wand neben dem Empfang eine der neuesten und kostspieligsten Errungenschaften modernster Technik: die geschlossenen Doppeltüren gleich zweier getriebeloser Aufzüge, mit denen man ruckfrei und völlig sicher in die oberen Etagen hinauffahren konnte, statt die breite Marmortreppe zu benutzen – die ebenfalls eher in ein Luxushotel zu gehören schien als ausgerechnet in ein Belfaster Bürogebäude. Ganz eindeutig, wer hier hereinkam, der sollte sich klein und wie ein Bittsteller vorkommen.
Bei mir verkehrte sich die Wirkung jedoch schnell ins Gegenteil und weckte meinen Trotz, sodass ich forschen Schrittes den Empfang ansteuerte und mich etliche Male ebenso laut wie unecht räusperte, um die Aufmerksamkeit des Portiers zu wecken.
Gerade als der Mann aufsah und mit einem einzigen Blick nicht nur meine äußere Erscheinung einschätzte – wobei er sich keine Mühe gab, zu verhehlen, was er von meinem schäbigen Anzug hielt –, erscholl ein heller Glockenton, und eine der beiden Aufzugkabinen in der Wand glitt auf, um einen einzelnen Fahrgast ins Freie zu entlassen: eine junge Frau mit schulterlangem rötlich-dunklem Lockenhaar, die ein modisches und ganz und gar nicht zur Jahreszeit passendes weißes Sommerkleid trug; vielleicht nicht ganz so hoch geschlossen, wie es sich geziemte, und vor allem von einer sehr mutigen Farbe für eine Stadt mit so schmutziger Luft. Obwohl sie eiligen Schrittes an mir vorbeiging, nahm sie sich die Zeit, mir ein flüchtiges Lächeln zu schenken, und jetzt war es der Portier, der sich räuspern musste.
Ein wenig verlegen, dafür aber umso hastiger händigte ich dem Mann eine der Visitenkarten aus, die ich mir erst vor Kurzem hatte anfertigen lassen und auf die ich insgeheim stolzer war, als ich sollte, und verlangte Jacobs zu sprechen. Ich wurde dergestalt abgefertigt, dass er strengste Anweisung hätte, niemanden ohne schriftlich bestätigten Termin passieren zu lassen.
Natürlich gab ich mich damit nicht zufrieden und beharrte nur umso hartnäckiger darauf, mit Mister Jacobs zu sprechen, was mir aber auch genauso hartnäckig verweigert wurde. Und das nicht mehr ganz so freundlich wie zuvor.
Die einzige Alternative wäre nun gewesen, wirklich grob zu werden, doch dazu fühlte ich mich nicht in der richtigen Verfassung. Außerdem hatte ich mit Jacobs absolute Diskretion vereinbart, wogegen ich streng genommen schon durch den bloßen Umstand verstieß, hier ungefragt hereinzuplatzen. Also hinterließ ich lediglich die dringende Nachricht, am nächsten Tag wiederzukommen, und trollte mich.
Ich kam am nächsten Tag nicht wieder, denn ich verbrachte ihn fast zur Gänze mit Fieber und Schüttelfrost im Bett. Meine Hand hatte sich entzündet. Kein Wunder, war sie doch mit dem Wasser des Kanals in Berührung gekommen. Erst am späten Nachmittag des dritten Tages fühlte ich mich wieder kräftig genug, erneut in Jacobs’ Trutzburg vorstellig zu werden. Ich hatte keine besseren Argumente als zuvor, dafür aber meinen besten Anzug angezogen. Trotzdem sah ich vermutlich noch weit weniger vertrauenerweckend aus als bei meinem ersten Besuch, von anderthalb Tagen Fieber, Schüttelfrost und schlechten Träumen gezeichnet, aber ich versuchte es immerhin und wurde auch angemessen lauter. Das Ergebnis war das, womit ich eigentlich auch hätte rechnen können: Der Portier lächelte unerschütterlich weiter, und auch die beiden großen und teuer gekleideten Männer, die er mit einem diskreten Wink herbeirief, benahmen sich ausgesprochen höflich, während sie mich auf die Straße hinausexpedierten.
Beim ersten Mal.
Als ich es diesmal tatsächlich tat und die gläserne Drehtür einfach um weitere hundertachtzig Grad aufstieß, sie durchschritt und gesenkten Blickes an den beiden Gorillas vorbeizudefilieren versuchte, packten sie mich kurzerhand an den Oberarmen und trugen mich zwischen sich her zum zweiten Mal durch die Drehtür, um mich diesmal wortwörtlich auf die Straße zu setzen.
Immerhin warfen sie mich nicht hinaus.
Das war vermutlich schon mehr, als ich erwarten durfte. Dennoch war mein Stolz verletzt, und die stirnrunzelnden Blicke, die mir die vorüberflanierenden Passanten zuwarfen, während ich mich übellaunig aufrappelte und den Staub von meiner Hose klopfte, waren meiner Stimmung auch nicht zuträglich. Mein Hut war heruntergefallen und lag verkehrt herum da, und eine ältliche Frau, die an mir vorüberging und nicht mit missbilligenden Blicken geizte, begann in ihrem Beutel zu kramen, zog dann aber nur ein weißes Spitzentuch hervor, um sich demonstrativ die Nase zu tupfen. Ich atmete innerlich auf. Hätte sie mir eine Münze in den Hut geworfen, wäre ich vielleicht wirklich ausfällig geworden.
Für den Augenblick war ich mit meinem Latein am Ende. Also warf ich dem protzigen Eingang noch einen angemessen zornigen Blick zu und ging dann quer über die belebte Straße zu einem der zahlreichen Cafés, die es hier überall gab. Dort wollte ich zur Ruhe kommen und einen neuen Plan ersinnen, wie zu Jacobs durchzudringen war.
Vermutlich würde es sich schwieriger gestalten, als ich jetzt noch annahm. Ich hatte gewusst, dass Stanley Jacobs ein wohlhabender und einflussreicher Mann war, hätte mir aber niemals träumen lassen, dass er sich so gut abschirmte und anscheinend auch noch menschenscheu war. Das einzige Mal, dass wir uns getroffen hatten, hatte in einer eher ungezwungenen Atmosphäre in meinem Büro stattgefunden, dessen Hinterzimmer mir zugleich auch als Wohnung diente.
Ich nahm an einem Tisch am Fenster Platz, von dem aus ich das große Gebäude gut im Blick hatte, und winkte den Kellner heran. Noch während er meine Bestellung aufnahm, bewegte sich die Drehtür erneut und zuerst zwei, gleich darauf noch einmal drei uniformierte Polizisten traten heraus und begannen sich auf dem Trottoir vor dem Eingang zu verteilen. Etliche von ihnen sprachen vorübergehende Passanten an, und mindestens einer steuerte nach einem dieser kurzen Gespräche auch zielsicher in meine Richtung, schien dann aber etwas anderes entdeckt zu haben, denn er machte im letzten Moment wieder kehrt.
Ich bestellte einen Kaffee und einen Whisky und hielt die Polizisten auf der anderen Straßenseite so unauffällig im Auge, wie ich konnte, ohne die Neugier der anderen Gäste zu erregen. Ich vermutete, dass es nicht sonderlich unauffällig war, und ich vermutete zudem, dass sich die Männer auf der Suche nach mir befanden. Es gab keinen Grund für diese Annahme, aber ich war schließlich lange genug selbst Polizist gewesen, um so etwas zu spüren. Doch ich hatte Glück. Nach einigen Minuten zogen sich die Uniformierten wieder ins Haus zurück.
Die Geschichte wurde immer seltsamer. Ich musste wirklich einen klaren Kopf bekommen und mir einen guten Plan zurechtlegen. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie er aussehen sollte, und da war auch eine leise Stimme in meinen Gedanken, die mich fragte, warum ich nicht einfach Jacobs fünfundachtzig Pfund samt des Sixpence nahm und ein paar wirklich gute Zigarren und eine teure Flasche Scotch kaufte, um mich selbst für die überstandene Unbill zu belohnen.
Vielleicht halfen mir ja ein starker Kaffee und ein guter Whisky dabei, einen klaren Kopf zu bekommen.
Eine halbe Stunde später und bei der dritten Tasse Kaffee und dem zweiten Whisky angekommen hatte ich noch immer keine neue Idee, außer dem wenig erfolgversprechenden Einfall, einfach sitzen zu bleiben und das Haus im Auge zu behalten, um Jacobs abzufangen, wenn er herauskam. Das konnte Stunden dauern, bis weit in den Abend und, wenn ich Pech hatte, sogar in die Nacht hinein, und ich wusste ja noch nicht einmal, ob es noch einen anderen Ausgang gab, vor dem Jacobs’ Wagen vorfahren konnte. Oder er es nicht erneut in Begleitung der beiden ungehobelten Burschen tat, die beim dritten Mal vermutlich noch ein wenig ungehobelter sein würden oder der Polizei oder oder oder …
Beim siebten oder achten oder angekommen ging die Tür auf, und eine junge Frau mit dunklem Lockenhaar und in einem schlichten weißen Kleid kam herein. Ich erkannte sie sofort wieder. Es war dieselbe, die aus dem Aufzug gekommen war und mir so freundlich zugelächelt hatte – was nicht nur bedeutete, dass sie ein freundliches Wesen haben musste, sondern vermutlich auch irgendwo in den oberen Etagen von Jacobs’ Trutzburg arbeitete. Hatte sie nicht einen Aktendeckel unter dem Arm gehabt, als sie an mir vorübergegangen war?
Ich erinnerte mich nicht, zerbrach mir aber trotzdem den Kopf, wie ich sie möglichst unverfänglich ansprechen konnte, um vielleicht mit ihrer Hilfe ein wenig näher an Jacobs heranzukommen, doch sie nahm mir die Entscheidung ab, indem sie sich nur kurz umsah und dann mit energischen Schritten meinen Tisch ansteuerte.
»Mister Devlin?«
Selbst meinen Namen kannte sie. Ich reagierte mit einem überraschten Stirnrunzeln und kramte noch einmal angestrengt in meinem Gedächtnis, ohne indes zu einem anderen Ergebnis zu kommen, als sie nur ein einziges Mal und auch nur für wenige Sekunden gesehen zu haben; was umgekehrt offensichtlich nicht der Fall war. Zugleich stand ich aber auch rasch auf und deutete eine Verbeugung an.
»Quinn Devlin, stets zu Diensten, Miss …?«
»Carter«, antwortete die Dunkelhaarige. Sie war sehr hübsch, stellte ich zum zweiten Mal fest. Keine von diesen Vorzeige-Schönheiten, die jedem Mann den Atem verschlagen und ihn zugleich so einschüchtern, dass er augenblicklich zu der Überzeugung kommt, ohnehin keine Chance zu haben, in ihren Augen jemals über den Rang einer Küchenschabe aufzusteigen. Vielmehr war sie eine jener Frauen, die ihr Leben lang etwas Mädchenhaftes behielten, sodass es schwer war, ihr wirkliches Alter zu schätzen.
»Allison Carter. Ich hatte gehofft, Sie noch hier anzutreffen.«
Und sie war keck wie ein Mädchen, denn sie wartete weder meine Einladung ab, noch gab sie mir Gelegenheit ihr etwa einen Stuhl zurückzuziehen, sondern übernahm beides kurzerhand selbst und ignorierte auch meine hilfreich ausgestreckte Hand. Ich war so verblüfft, dass ich noch einen Moment stehen blieb, um dann umso überhasteter linkisch Platz zu nehmen.
»Was kann ich für Sie tun, Miss Carter?«
»Vielleicht kann ich eher etwas für Sie tun, Mister Devlin.« Sie hob die Hand, um dem Kellner zu winken, und ich bemerkte aus den Augenwinkeln, dass der Mann zwar nickte, aber keine Anstalten machte, näher zu kommen. Sie verkehrte also regelmäßig hier, sodass das Personal ihre Wünsche kannte.
»Man hat mir gesagt, dass Sie nach Stan…, nach Mister Jacobs gefragt haben?«
»Ich wollte ihn sprechen, das ist richtig.« War das ein Versprecher gewesen oder hatte sie mir auf diese subtile Art etwas mitteilen wollen, was sie einem Fremden gegenüber nicht offen aussprechen konnte? »Aber wie es aussieht, hat er wohl keine Zeit für mich.«
Der Kellner kam und brachte unaufgefordert eine Tasse mit dampfend heißem Tee, in dem ein Stück Zitronenschale schwamm, und Carter nippte daran, bevor sie fortfuhr: »Sie sind der Privatdetektiv, den Mister Jacobs engagiert hat?«
»Dann und wann nehme ich private Aufträge an, das ist richtig.«
»So wie für … Mister Jacobs?« Wieder dieses fast unmerkliche Zögern, von dem ich mich jetzt allerdings fragte, ob es nicht reine Berechnung war, um mir Anlass zu gewissen Überlegungen zu geben und zugleich eine Vertrautheit zu suggerieren, die es nicht gab.
»Selbst wenn es so wäre, dürfte ich nicht darüber sprechen«, erwiderte ich. »Das können Sie doch sicher verstehen, nicht wahr, Miss Carter?«
»Allison«, verbesserte sie mich und nahm einen weiteren Schluck Tee. Ihr Blick streifte meine verbundene Hand, und ich war sicher, dass sie nun zu einer entsprechenden Frage ansetzen würde, doch dann nippte sie nur noch einmal an dem heißen Getränk und fuhr fort: »Ihre Diskretion ist äußerst löblich, Mister Devlin …«
»Quinn.«
»… aber in diesem Fall ganz und gar nicht notwendig. Ich weiß sehr wohl, warum Stanley sie engagiert hat.«
Das mochte stimmen oder auch nicht. Ich fragte mich, ob sie mich wohl testete. Zugleich erfreute ich mich immer mehr ihres Anblicks. Sie war wirklich hübsch, aber das war längst nicht alles. Da war etwas an ihr, das mich faszinierte, aber ich vermochte nicht genau zu sagen, was. Vielleicht alles.
»Es geht um diese Diebstähle«, fuhr sie fort. »Die Unterschlagungen. All das Material, das verschwunden ist.«
Das war immer noch kein Beweis, dass sie wirklich so vertraut mit Jacobs war, wie sie behauptete. Ich schwieg weiter, und Carter trank einen weiteren und deutlich größeren Schluck Tee. Sie hielt meinem Blick so ruhig stand, dass ich nicht sicher war, wer dieses stumme Duell gewinnen würde, wenn sie es darauf anlegte, und auch ihre Hand, die die Tasse hielt, war so ruhig, dass der Tee darin genauso gut gemalt hätte sein können. Zugleich spürte ich aber auch, wie es unter dieser nach außen demonstrierten Ruhe aussah. Sie war nervös, und aus irgendeinem Grund hatte sie Angst. Vor mir? Ich beschloss, die Taktik zu wechseln. »Was wollen Sie, Miss Carter? Allison.«
Ganz kurz zerbrach die Maske aus gespielter Gelassenheit, und ich sah Carter, wie sie wirklich war: eine sehr verstörte und durch und durch verängstigte junge Frau, die verzweifelt genug war, sich an einen Wildfremden zu wenden. Sie hatte sich jedoch sofort wieder in der Gewalt, aber auch ihre nachfolgende Reaktion überraschte mich: Sie schenkte mir zwar ein halb verlegenes Lächeln, sah sich zugleich aber auch auf eine ganz bestimmte Art um; auf die Art, die Menschen an den Tag legen, die Angst haben, beobachtet oder belauscht zu werden.
»Was genau meinen Sie, Mister Devlin?«
»Miss Carter, bitte.« Ich seufzte demonstrativ. »Allison. Sie haben mich angesprochen. Sie wissen eindeutig mehr über mich als ich über Sie. Aber bitte vergessen Sie nicht meinen Beruf. Ich weiß, wenn Menschen mich belügen …«
»Ich lüge nicht!«, empörte sich Carter. Der gerechte Zorn in ihren Augen stand ihr gut, fand ich.
»… oder mir etwas Wichtiges verschweigen.« Ich trank den Rest von meinem kalt gewordenen Kaffee, um Zeit zu gewinnen und meine Worte wirken zu lassen. »Sie haben mich angesprochen, Allison. Sie müssen mir gar nichts verraten, wenn Sie nicht wollen. Aber dann kann ich auch nichts für Sie tun.«
Carter sah sich noch einmal auf dieselbe verstohlene Art um, die mir Anlass zu der Vermutung gab, dass nun eine wirklich komplizierte Geschichte folgen würde. Ich war nicht sicher, ob ich sie hören wollte. »Was hat Stanley Ihnen erzählt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie zuerst, Allison.«
Ich bekam keine Antwort, doch ich konnte sehen, wie es hinter ihrer Stirn zu arbeiten begann, und ein intensives Gefühl von Mitleid ergriff von mir Besitz. Ich musste mich beherrschen, um nicht etwas sehr Dummes zu sagen, das ich schon bedauern würde, noch bevor ich es ganz zu Ende ausgesprochen hatte.
»Dann sind wir wohl in einer Zwickmühle, wie?«, fragte ich in einem (vergeblichen) Versuch, scherzhaft zu klingen. »Warum gehen wir nicht zusammen zu Jacobs und setzen unser Gespräch dort fort?«
Wieder verging etwas Zeit, in der Carter mich beinahe ausdruckslos ansah. Ihre Finger spielten nervös mit der Tasse. Dann schüttelte sie so heftig den Kopf, dass sich ihre dunklen Locken in einen Wirbelwind zu verwandeln schienen. Es sah hübsch aus, fand ich. »Das geht nicht.«
»Und warum?«
»Er ist verschwunden«, antwortete sie. Eigentlich flüsterte sie es.
»Jacobs? Wann?«
»Vor drei Tagen.«
Vor drei Tagen hatte ich das letzte Mal von Jacobs gehört, und auch das nur indirekt, indem er mich zu diesem ominösen Ort bestellt hatte. Gesehen hatte ich ihn das letzte Mal vor einer Woche.
»Und jetzt glauben Sie, dass ich etwas mit seinem Verschwinden zu tun habe?«
»Natürlich nicht«, antwortete Carter beinahe erschrocken. »Niemand glaubt das. Auch nicht die Polizei, wenn es das ist, was Sie befürchten.«
»Die Polizei?«
»Wir haben sie natürlich benachrichtigt, nachdem sich Stanley nicht mehr gemeldet hat. Sie haben alle im Kontor verhört, auch mich.«
»Mit mir hat niemand geredet.«
»Es weiß auch niemand von Ihnen, und dem … besonderen Arrangement, dass Sie mit Stanley getroffen haben.«
»Sie schon.«
»Das ist wahr, aber ich war die Einzige, mit der Stanley über diese Vorfälle gesprochen hat«, erwiderte Carter. Sie senkte verschwörerisch die Stimme, was ein bisschen übertrieben war, wie ich fand, aber auch irgendwie … niedlich. Ein anderes Wort fiel mir dafür nicht ein. »Sehen Sie, Stanley hat Ihnen nicht alles erzählt, was diese Diebstähle angeht.«
»Er hat über verschwundenes Material erheblichen Werts geklagt. Metall. Kupferkabel und Kautschuk, elektrische Materialien, Glas, Aluminium und Draht …«
»Und noch viel mehr«, bestätigte Carter. »Die Liste mit den fehlenden Materialien ist immer noch nicht komplett, aber sie ist lang. Und sie wird mit jedem Tag länger.«
Auch das deckte sich mit dem, was Jacobs mir berichtet hatte, nur klang es bei ihr deutlich dramatischer. »Und das hat niemand gemerkt?«
»Wenn es niemand gemerkt hätte, dann wären wir jetzt nicht hier«, antwortete sie mit sanftem Tadel. »Stanley ist nicht nur einfach ein reicher Kaufmann, von denen es in dieser Stadt mehr als genug gibt. Sie haben von der Titanic gehört?«
Wer hatte das nicht. »Dieses große Schiff, das sie bei Harland & Wolff bauen?« Ich nickte. »Selbstverständlich.«
Carters Antwort bestand jedoch nur aus einem so heftigen Kopfschütteln, dass eine ältere Frau am Nachbartisch den Kopf drehte und ihr ein fragendes Stirnrunzeln zukommen ließ. Und mir anschließend – selbstverständlich – einen missbilligenden Blick. »Die Titanic ist nicht nur irgendein großes Schiff«, belehrte sie mich. »Wenn sie fertig ist, dann wird sie nicht nur das größte Schiff der Welt sein, Quinn, sondern das größte bewegliche Objekt, das Menschen jemals erbaut haben!«
Auch das war mir nicht neu. Man lebte nicht in dieser Stadt, ohne alles über dieses wahrhaft zyklopische Schiff zu hören, was es zu hören gab, ob man nun wollte oder nicht, und natürlich war auch nahezu jeder, der in irgendeiner Form mit Belfast zu tun hatte, auf die eine oder andere Weise stolz darauf. Aber was ich bei Carter spürte, das war weitaus mehr, eine Begeisterung, die weit über das normale Maß hinausging und fast an Fanatismus grenzte. Ihre Augen leuchteten in einem missionarischen Eifer, der schon den bloßen Gedanken im Keim erstickte, sich ihm widersetzen zu wollen.
Außerdem machte es mich neugierig.
»Und was hat Jacobs mit diesem Schiff zu tun?«, fragte ich – obwohl ich die Antwort zu kennen glaubte. Schließlich hatte Jacobs mir nicht nur alles in aller Ausführlichkeit erklärt, sondern auch meine Fragen geduldig beantwortet; und das waren nicht wenige gewesen. Aber vielleicht erfuhr ich ja etwas Interessantes, wenn ich mich dumm stellte und sie einfach reden ließ. Oft war das das Klügste.
»Seine Firma ist am Bau der Titanic beteiligt?«
»Ist das nicht irgendwie jeder hier in Belfast?«, fragte Carter, schüttelte zugleich aber auch schon wieder den Kopf. »Vielleicht nicht direkt, und ganz bestimmt werden Sie seinen Namen nicht auf irgendeiner Bronzetafel finden, wenn das Schiff fertig ist. Aber Tatsache ist auch, dass es ohne ihn und das von seiner Firma gelieferte Material wahrscheinlich kaum fertig würde.«
»Sie liefern Stahl«, vermutete ich, »oder Maschinen.«
»Ein Schiff besteht nicht nur aus Stahl und Maschinen«, sagte Carter in einem leicht gönnerhaften Ton, den ich ihr beinahe übel nahm. Aber nur beinahe. »Es gehört schon ein wenig mehr dazu. Allein mit dem verarbeiteten Holz könnte man eine ganze Flotte kleinerer Schiffe bauen oder eine neue Kolonie auf einem anderen Kontinent gründen.«
»Aber Jacobs’ Kontor liefert kein Holz«, vermutete ich. »Was dann?«
»Alles, was irgendwie mit Elektrizität zu tun hat«, antwortete sie. »Nicht nur Glühbirnen und Lichtschalter, sondern auch Kabeltrommeln, Sicherungen und Relais, Stromleitungen und Generatoren und Isolatoren …« Sie breitete die Hände aus, um zu verdeutlichen, dass sie diese Aufzählung noch beliebig lange fortsetzen konnte, und ich beeilte mich zu nicken, bevor sie am Ende noch auf die Idee kam, es wirklich zu tun. Nicht, dass ich sie nicht gerne reden hörte. Oder ihr dabei zusah.
»Ein modernes Passagierschiff ist im Grunde so etwas wie eine schwimmende Stadt, und es braucht auch genauso viel Energie wie eine solche«, fuhr sie fort. »Stanleys Kontor liefert alles, was nötig ist, um diese Energie bereitzustellen, von den zahllosen Glühlampen im großen Salon hin bis zu den Kontakten im Morsegerät des Funkers. In einem so großen Unternehmen ist ein gewisser … Schwund normal.«
»Sie meinen, man sieht nicht zu genau hin, solange die Arbeiter nicht zu lange Finger machen.«
Ich hatte das vollkommen wertfrei gesagt, nicht mehr als die Feststellung einer Tatsache, die ohnehin allgemein bekannt war, und doch huschte ein Schatten über Carters Gesicht, als machten sie diese Worte so zornig, dass sie sich kaum noch beherrschen konnte, mich nicht anzuschreien.
»Diese Männer arbeiten für einen Hungerlohn, Mister Devlin«, sagte sie scharf und gewiss nicht zufällig für diesen einen Satz wieder in die förmliche Anrede wechselnd. »Zwölf, manchmal vierzehn oder sechzehn Stunden am Tag, und trotzdem reicht es oft kaum, um ihre Familien satt zu bekommen. Wollen Sie es einem Mann verübeln, wenn er ab und zu ein paar verbogene Kupfernägel mitnimmt oder ein Stück Draht, das sowieso niemand mehr braucht, um es zu verkaufen und seinen Kindern eine warme Mahlzeit zu ermöglichen?«