Irrlicht 62 – Mystikroman - Anne Bodmann - E-Book

Irrlicht 62 – Mystikroman E-Book

Anne Bodmann

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Beschreibung

Der Liebesroman mit Gänsehauteffekt begeistert alle, die ein Herz für Spannung, Spuk und Liebe haben. Mystik der Extraklasse – das ist das Markenzeichen der beliebten Romanreihe Irrlicht: Werwölfe, Geisterladies, Spukschlösser, Hexen und andere unfassbare Gestalten und Erscheinungen erzeugen wohlige Schaudergefühle. Sanfte Mozartmusik erklang, aber sie hatte nichts Freundliches für Olivias Ohren. Sie wollte fliehen, davonstürzen, doch es war, als liefe sie gegen ein Hindernis an. Irgend jemand stellte sich ihr in den Weg und versperrte ihr die Tür. Doch dieser Jemand war nicht zu sehen. Olivia konnte ihn nur fühlen, er war kalt und grausig. Kalte Hände legten sich um ihren Hals. Sie wollte um Hilfe schreien, brachte aber keinen Ton heraus. Und dann kam die Stimme, diese Stimme wie aus der Tiefe eines Gewölbes. »Gib dir keine Mühe, mein Kind. Du entkommst mir nicht. Ich werde bei dir sein, so oft ich es will. Ich werde keine Ruhe geben, ehe wir nicht gemeinsam auf die große Reise gehen…« Professor Dr. Clemens Thorberg saß in seinem behaglich eingerichteten Arbeitszimmer am Schreibtisch. Vor ihm lagen viele engbeschriebene Schreibmaschinenseiten. Es war der Text seines neuesten Buches über Parapsychologie, das demnächst erscheinen sollte. Merkwürdig, die Arbeit ging heute nicht recht voran. Seine Gedanken waren nicht bei der Sache, er war abgelenkt und unkonzentriert. Das war ungewöhnlich für Professor Thorberg. Normalerweise arbeitete er umso leichter, je mehr eine Abhandlung sich dem Ende neigte.

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Irrlicht – 62 –

Reise ohne Wiederkehr

Anne Bodmann

Sanfte Mozartmusik erklang, aber sie hatte nichts Freundliches für Olivias Ohren. Sie wollte fliehen, davonstürzen, doch es war, als liefe sie gegen ein Hindernis an. Irgend jemand stellte sich ihr in den Weg und versperrte ihr die Tür. Doch dieser Jemand war nicht zu sehen. Olivia konnte ihn nur fühlen, er war kalt und grausig. Kalte Hände legten sich um ihren Hals. Sie wollte um Hilfe schreien, brachte aber keinen Ton heraus. Und dann kam die Stimme, diese Stimme wie aus der Tiefe eines Gewölbes. »Gib dir keine Mühe, mein Kind. Du entkommst mir nicht. Ich werde bei dir sein, so oft ich es will. Ich werde keine Ruhe geben, ehe wir nicht gemeinsam auf die große Reise gehen…«

  Professor Dr. Clemens Thorberg saß in seinem behaglich eingerichteten Arbeitszimmer am Schreibtisch. Vor ihm lagen viele engbeschriebene Schreibmaschinenseiten. Es war der Text seines neuesten Buches über Parapsychologie, das demnächst erscheinen sollte. Merkwürdig, die Arbeit ging heute nicht recht voran. Seine Gedanken waren nicht bei der Sache, er war abgelenkt und unkonzentriert. Das war ungewöhnlich für Professor Thorberg. Normalerweise arbeitete er umso leichter, je mehr eine Abhandlung sich dem Ende neigte.

  Schon wollte er das Manuskript zur Seite legen, um spät am Abend noch einmal daran zu gehen, als er die bekannte Melodie hörte. Sie verfolgte ihn bis in seine Träume, sie weckte in ihm jedesmal von neuem tiefes Erschrecken.

  »Nein, nicht schon wieder!« stöhnte er entsetzt. Dabei waren es eigentlich freundliche Töne aus einer Mozartsonate, die keinerlei Furchterregendes an sich hatten. Aber Clemens Thorberg kannte sie. Dieser Melodie folgte fast immer eine Geistererscheinung, die ihn mehr und mehr beunruhigte.

  Schon stand ihm der kalte Schweiß auf der Stirn, seine Hände zitterten und sein Puls raste. Die elektrische Schreibtischlampe flackerte, um dann ganz zu erlöschen. Von den Straßenlaternen drang nur wenig Licht durch die dichten Fenstervorhänge, so daß der Raum in ein gespenstisches Halbdunkel getaucht war. Und dann sah er SIE. Sie schwebte in einer hellen Wolke, die sich langsam zu seinem Schreibtisch herabsenkte. Sie war ihm nah und bekannt, aber doch auf eine seltsame Art entrückt. Wie gebannt starrte er auf die Erscheinung. Er war unfähig, sich zu bewegen oder die Frau aus dem Jenseits von sich aus anzusprechen. Sie mußte das Wort ergreifen, mußte ihm Fragen stellen, erst dann fand er seine Sprache wieder. Er kannte es bereits von vielen Begegnungen ähnlicher Art, aber es war immer wieder neu und bedrückend. Er hätte daran gewöhnt sein können, so oft hatte er es schon erlebt. Aber das Gegenteil war der Fall. Es wurde von Mal zu Mal schlimmer für ihn.

  »Habe ich dir einen Schrecken eingejagt, Clemens?« fragte die Stimme, die er unter Tausenden wiedererkannt hätte. Es war die Stimme seiner verstorbenen Frau, aber sie war auf schaurige Art verändert. Sie klang, als käme sie aus einem dumpfen Gewölbe. Ein Widerhall, der jedes Wort begleitete, verstärkte diesen Eindruck auch noch.

  »Wie oft willst du dieses Spiel noch wiederholen, Esther?« fragte er mutlos.

  Sie lachte schrill.

  »Sooft es mir gefällt. Gib mir Olivia, dann hast du deine Ruhe.«

  »Nein!« sagte Clemens Thorberg entschieden. »Olivia soll leben, sie soll glücklich werden.«

  »Bei mir wäre sie aber viel glücklicher als irgendwo auf deiner Erde. Ihr Menschenwürmer wißt ja gar nicht, wie unser Leben aussieht.«

  »Olivia ist noch so jung.« Clemens Thorberg spürte selbst, wie matt seine Worte klangen. Die Erscheinung aus einer anderen Welt konnte er damit nicht überzeugen.

  »Ich war nicht viel älter, als ich die Reise ohne Wiederkehr antreten mußte. Durch deine Schuld übrigens. Ich werde es dir nie verzeihen. Und darum komme ich wieder und wieder. Du sollst niemals Ruhe finden. Auch du mußt für deine Schuld bezahlen.«

  »Schuld, Schuld«, murmelte der Professor. »Es war ein Unglück, das weißt du so gut wie ich. Das Gericht hat mich freigesprochen.«

  Wieder erklang dieses höhnische Lachen.

  »Die Juristen kannst du wohl täuschen, nicht aber mich. Du hättest mich retten können, aber du hast dich nur um Olivia gekümmert. Sie war mitschuldig an meinem frühen Ende. Und darum gehört sie mir.«

  »Sie ist alles, was ich habe!« klagte der Professor. »Sie ist der Inhalt meines Lebens, mein ganzes Glück. Wenn du die Rache willst, gut, dann nimm mich. Aber verschone das Kind. Sie ist wirklich unschuldig an dem Verhängnis.«

  »Das Kind?« höhnte die Erscheinung. »Sie war erwachsen und groß genug, die Vergangenheit zu verstehen. Sie ist dein ganzes Glück? Umgekehrt gilt das nicht. Sie liebt einen jungen Mann, nicht ihren Vater. In Wahrheit wartet sie auf den Tag, an dem sie dich verlassen kann. Das ist ihr Dank dafür, daß du sie gerettet hast.«

  »Ich erwarte keinen Dank!« entrüstete sich Clemens Thorberg. »Es ist die natürlichste Sache der Welt, daß eine junge Frau die Liebe zu einem jungen Mann entdeckt.«

  »Mag sein. Sie wird diesen Mann jedoch niemals heiraten. Ihn nicht und auch keinen anderen. Weil ich sie mit mir nehme auf eine Reise ohne Wiederkehr. Ihre Tage sind gezählt.«

  »Ich flehe dich an, Esther, verschone Olivia. Es ist doch auch dein Kind.«

  »Ja, und darum möchte ich sie bei mir haben in einem Land, das keine Schatten kennt und keine Leiden. Ich weiß, jetzt wirst du wieder einmal deine Koffer packen und umziehen. Gib dir keine Mühe, Clemens. Ich werde dich überall finden.«

  »Wenn schon einer bezahlen muß für das Unheil, Esther, dann laß es mich tun. Aber laß Olivia in Ruhe. Ich hänge nicht an diesem Leben.«

  »Das könnte dir so passen«, lachte sie auf. »Ich werde dich quälen, bis ich sie endlich habe. Olivia soll ihr Glück bei mir finden, auf unserer Reise ohne Wiederkehr. Aber vermutlich wirst du auch dann noch keine Ruhe finden, denn dein Gewissen wird dir permanent zusetzen. Ich werde dich zerstören, so wie du mich zerstört hast.«

  »Du widersprichst deinen eigenen Worten, Esther«, sagte er so ruhig wie möglich, doch in seinem Innern herrschte Aufruhr. Er fuhr fort: »Sagtest du nicht, daß du mich in Ruhe ließest, sobald du Olivia hättest? Deine letzten Worte haben es mir verraten: Du willst mich zerstören und du willst mich mein Leben lang verfolgen.«

  In diesem Augenbick wurde an der Wohnungstür geschlossen. Eine helle Stimme rief verwundert:

  »Was ist mit dem Licht, Vati? Die ganze Wohnung ist dunkel. Schläfst du etwa schon?«

  Die helle Wolke über dem Schreibtisch wurde matter und dunkler. Die Frauengestalt schwebte von dannen. Dabei flog sie ohne Mühe durch Wände und Zimmerdecke. Es gab überhaupt keine Hindernisse für sie. Es war ein Bild, das den Professor von neuem daran erinnerte, daß er dem Geist seiner Frau rettungslos ausgeliefert war. Es gab kein Entrinnen für ihn, sooft er auch eine Flucht versucht hatte.

  Als Olivia das Arbeitszimmer ihres Vaters betrat, leuchtete die Schreibtischlampe wieder auf. Mit Wohlwollen betrachtete der Vater seine junge, schöne Tochter. Olivia war 22 Jahre alt, sie war zierlich und schlank. Ihr dunkles Lockenhaar fiel ihr bis auf die Schultern, grün funkelten ihre lebhaften Augen. Sie glich so sehr ihrer Mutter, daß der Professor Mühe hatte, die beiden zu unterscheiden. War die unheimliche Fremde die Geistererscheinung seiner Frau… oder aber war sie Olivia, seine Tochter?

  »Ist dir nicht gut, Vati?« fragte Olivia besorgt. »Du siehst so blaß aus. Ich glaube, du arbeitest zu viel.«

  »Unsinn!« wehrte er ab. »Die Arbeit hält mich frisch. Ich wollte noch die Nacht durcharbeiten, damit ich morgen die Korrekturbogen der Druckerei übergeben kann.«

  »Erstmal koche ich uns einen starken Kaffee, der wird dir guttun. Und dann überlasse ich dich deinem Buch. Ich muß auch noch arbeiten. Morgen schreiben wir eine Klausur.«

  Als der Kaffee vor ihm stand, fühlte sich Clemens Thorberg schon besser. Aber wahrscheinlich lag das weniger an dem belebenden Getränk als vielmehr an Olivias Anwesenheit. Sie war wirklich die Freude seines Lebens. Er war entschlossen, ihr Enttäuschungen und Leiden zu ersparen.

  »Fehlt dir nicht manchmal der Betrieb an der Uni, Vati?« fragte Olivia mehr aus Höflichkeit als aus wirklichem Interesse. Sie hatte es nie richtig verstanden, warum der Vater sich so früh zur Ruhe gesetzt hatte.

  »Gelegentlich schon, Olivia«, antwortete ihr Vater. »Aber im Grunde meines Herzens liebe ich die Forschung. Zur Lehre fühle ich mich eigentlich nicht berufen. Ich bin ein Mensch, der am Schreibtisch sitzt und seine Theorien ausarbeitet. Ich habe nicht die Fähigkeit, den wissenschaftlichen Nachwuchs angemessen zu fördern.«

  »Von Kommilitonen, die dich aus München kennen, hörte ich es anders«, widersprach Olivia. »Sie hätten selten so gute Vorlesungen erlebt. Ehemalige Doktoranden lobten dich als hervorragenden Doktorvater.«

  »Studenten können die Fähigkeiten eines Professors nicht immer richtig einschätzen«, antwortete der Vater. »Ich muß ja selbst wissen, was mir leicht fällt und was ich nur mit großem Fleiß schaffe. Seit ich mich auf die Forschung konzentriere, habe ich das Gefühl, wirklich gute Arbeit zu leisten.«

  »Bist du deshalb so früh in den Ruhestand gegangen?«

  »Ja. Aber laß uns das Thema wechseln!« bat Professor Thorberg seine Tochter. Doch sie war in diesem Punkt hartnäckig.

  »Es ist ja nur, weil ich immer wieder danach gefragt werde. Mit fünfundfünfzig setzt man sich noch nicht zur Ruhe, zumal du in deinem Alter nicht einmal eine Pension bekommst.«

  »Das macht dir also Sorgen?« schmunzelte der Vater. »Ich denke, du hast in der Vergangenheit nie Not gelitten. Du wirst auch in Zukunft nichts entbehren müssen, glaube mir. Ich verdiene mit den Büchern ganz gut. Außerdem gehört mir Gut Wernershöh, das seit dreihundert Jahren im Besitz meiner Familie ist. Da ich zum Landwirt nicht taugte, habe ich lieber Psychologie studiert und für das Gut einen Verwalter eingestellt. Genügt dir diese Auskunft, Olivia?«

  »Nun, ja…«, sagte sie zögernd. »Ich weiß so wenig über unsere Familie. Von dem Gut habe ich bisher nie etwas gehört. Warum haben wir dort nie Ferien gemacht? Und die Familie meiner Mutter ist mir auch total unbekannt. Wieso eigentlich?«

  »Die Vergangenheit ist leider sehr schmerzlich für mich, mein Kind. Es fällt mir schwer, darüber zu sprechen. Eines Tages werde ich dir bestimmt alles erzählen, das verspreche ich dir. Aber jetzt muß ich mich wieder an die Arbeit setzen.«

  Damit mußte sich Olivia zufriedengeben. Sie räumte die Kaffeetassen zusammen, wünschte ihrem Vater eine angenehme Nachtruhe und zog sich in ihr Jungmädchenzimmer zurück Sie spürte, daß es ein Geheimnis gab, das sorgsam vor ihr verborgen wurde. Aber worum konnte es sich dabei handeln?

*

  Am anderen Morgen ging Olivia schon früh aus dem Haus. Die Klausur der Jurastudenten war schon um acht Uhr angesetzt.

  Die Aufgaben waren schwer, Olivia mußte konzentriert arbeiten, um sie in der angegebenen Zeit zu lösen Sie merkte dabei nicht einmal, daß ihr Freund Markus Härtel zum Aufsichtspersonal gehörte. Er war zwei Jahre älter als sie und daher schon weiter im Studium. Gelegentlich wurden die fortgeschrittenen Studenten als Hilfs- und Aufsichtskräfte eingesetzt. Es war eine Aufgabe, die sie gern übernahmen, brachte sie doch einen kleinen Zusatzverdienst. Als Olivia ihre Arbeit abgegeben hatte, traf sie Markus in der Vorhalle des Audimax, wo er auf sie gewartet hatte.

  »Na, wie lief’s bei dir?« fragte er sie.

  »Nicht ganz so gut, wie gehofft, aber auch nicht so daneben, wie gefürchtet.«

  »Eine salmonische Antwort«, sagte er und grinste. »Wie ist’s, leisten wir uns ein Festmenü in der Mensa zu Ehren der überstandenen Klausur?«

  »Es geht nicht, Markus«, sagte Olivia bedauernd. «Unsere Haushälterin, Frau Beier, plant irgend eine Überraschung für mich zum Mittagessen. Auch mein Vater hat mir eingeschärft, ausnahmsweise einmal pünktlich zu kommen. Ich habe beiden versprochen, diesmal rechtzeitig zu Haus zu sein. Sei mir nicht böse, Markus. Wir können uns ja morgen abend im Schwedenkrug treffen und feiern. Ein paar Freundinnen von mir kommen auch.«

  Der Schwedenkrug war eine beliebte Studentenkneipe in der Nähe der Uni. Markus winkte ab.

  »Ich wollte mit dir heute allein sein«, murrte er. »Das habe ich mir redlich verdient. Schließlich war ich tagelang als dein Repetitor tätig und habe mit dir die Paragraphen des Erbrechts gepaukt. Ich finde überhaupt, du solltest endlich zu Hause ausziehen. Keine Studentin lebt noch bei ihren Eltern.«

  »Mein Vater wohnt an meinem Studienort. Die anderen Studentinnen kommen aus anderen Städten und können nicht zu Haus wohnen. Mein Vater hat hier in der Stadt eine große Altbauwohnung. Da ist es doch nur vernünftig, wenn ich dort ein Zimmer bewohne, zumal er nicht gerade reich ist. Er arbeitet als Privatgelehrter. Da gibt es kein Gehalt und keine Pension.«

  »Daß ich nicht lache!« höhnte Markus. »In der Universitäts-Bücherei stehen reihenweise Bücher deines Vaters. Damit muß er ganz schön Geld verdienen, jedenfalls genug, um dir ein Studium in Freiheit zu ermöglichen.«

  »Kommst du nun morgen abend oder nicht?« fragte Olivia und wollte damit die ihr unliebsame Debatte beenden. Aber Markus hatte sich noch nicht den ganzen Zorn von der Seele geredet.

  »Das muß wirklich ein komischer Vogel sein, dein Herr Vater. In letzter Zeit schreibt er vor allem über Parapsychologie. Glaubt er wirklich an Geister, Hexen und ähnliche obskure Leute?«

  »Den ›komischen Vogel‹ habe ich überhört«, erklärte Olivia verärgert. »Er untersucht den Geisterglauben, der hier und da noch lebendig ist. Auch Träume gehören dazu, Vorahnungen, Erscheinungen. Man braucht nicht selbst daran zu glauben, wenn man Berichte über solche Dinge sammelt und auswertet.«

  »Zieht er deswegen alle paar Jahre um?« fragte Markus. »Vertreiben ihn die ortsansässigen Geister, wenn er einige Zeit in derselben Stadt lebt?«

  Olivia kaute auf ihrer Unterlippe. Sie konnte solche Kritik an ihrem Vater nicht leiden.

  »Weißt du was?« fragte sie darum schnippisch. »Komm doch zu uns und frag ihn selbst. Dann bekommst du die richtige Antwort auf alle deine Fragen. Ciao!«

  Damit ließ sie Markus stehen, der ihr wütend nachschaute. Eigentlich hatte er ihr vorschlagen wollen, in ein Zimmer seiner Wohngemeinschaft einzuziehen, das überraschend freigeworden war. Aber dazu war er gar nicht gekommen. Er ärgerte sich ganz allgemein über alle Studentinnen, die noch bei ihren Eltern lebten. Ganz besonders schlimm schienen ihm solche zu sein, die als einzelne Töchter bei ihrem alleinerziehenden Vater wohnten, vor allem dann, wenn diese Väter erfolgreich wissenschaftliche Bücher schrieben.

  Markus war voller Zorn auf Olivia, ihren Vater und sogar auf sich selbst. Er nahm sich vor, nirgendwo hinzugehen, wo er Olivia treffen könnte. Einer Feier zum Semesterschluß würde er jedenfalls aus dem Wege gehen. Und natürlich würde er sich nicht länger um Olivias Freundschaft bemühen. Da müßte sie schon kommen und ihm die Hand zur Versöhnung reichen.

  Olivia hatte die kleine Auseinandersetzung mit Markus schon wieder vergessen, als sie ihre Wohnungstür aufschloß. Sie hörte aus dem Eßzimmer die Stimme ihres Vaters, der sich mit Frau Beier lautstark unterhielt. Olivia brauchte nicht einmal zu lauschen, um jedes Wort des Gesprächs zu verstehen.

  »Mir kommt es so vor, als planten Sie einen neuen Umzug, Herr Professor«, sagte Frau Beier.

  »Wie kommen Sie darauf?« fragte ihr Vater.