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Im Herbst 2023 erschien unter dem Titel „Blick in den Abgrund“ das Tagebuch Saul Friedländers über den Kampf in Israel um die Zukunft seiner Demokratie. Es fand große Beachtung und erhielt einen Platz auf der Liste der besten Sachbücher. Friedländer, inzwischen 91 Jahre alt, hatte sein Tagebuch schon zur Seite gelegt. Doch dann kam der 7. Oktober. Der Angriff der Hamas auf Israel, bei dem Männer, Frauen, Teenager, selbst Babys wahllos ermordet und mehr als 200 Menschen als Geiseln verschleppt wurden, ist der düstere Beginn eines neuen Kapitels im Nahost-Konflikt. Saul Friedländer, der jener Generation angehört, die den Staat Israel mit aufgebaut hat, ein liberaler Jude und Anhänger der Zweistaaten-Lösung, der die Politik Israels immer wieder scharf kritisiert hat, sieht sein Land nun nicht nur von innen, sondern auch von außen erneut akut bedroht. Nicht zuletzt registriert der vielfach preisgekrönte und mit dem Friedenspreis geehrte Holocaustforscher eine erschreckende Wiederkehr des Antisemitismus. Sein um Fassung ringendes, immer wieder in Rückblenden die Geschichte des Konflikts rekapitulierendes Tagebuch legt beklemmend intensiv Zeugnis davon ab, wie fragil all das ist, was einst für verfolgte Juden in aller Welt als Heimstatt und gelobtes Land begonnen hat.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Saul Friedländer
ISRAELIMKRIEG
EINTAGEBUCH
Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn
C.H.Beck
Cover
Inhalt
Textbeginn
OKTOBER 2023
7. Oktober 2023
8. Oktober 2023
9. Oktober 2023
10. Oktober 2023
11. Oktober 2023
12. Oktober 2023
13. Oktober 2023
14. Oktober 2023
15. Oktober 2023
16. Oktober 2023
17. Oktober 2023
18. Oktober 2023
19. Oktober 2023
20. Oktober 2023
21. Oktober 2023
22. Oktober 2023
23. Oktober 2023
24. Oktober 2023
25. Oktober 2023
26. Oktober 2023
27. Oktober 2023
28. Oktober 2023
29. Oktober 2023
30. Oktober 2023
31. Oktober 2023
NOVEMBER 2023
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7. November 2023
8. November 2023
9. November 2023
10. November 2023
11. November 2023
12. November 2023
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16. November 2023
17. November 2023
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30. November 2023
DEZEMBER 2023
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7. Dezember 2023
8. Dezember 2023
9./10. Dezember 2023
11. Dezember 2023
SCHREIBPAUSE
MÄRZ 2024
25. März 2024
26. März 2024
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29. März 2024
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MAI 2024
1. Mai 2024
2. Mai 2024
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20. Mai 2024
21. Mai 2024
22. Mai 2024
EPILOG
Zum Buch
Vita
Impressum
Unfassbar! Das Land wird angegriffen! Die Hamas ist massiv in den Süden Israels eingedrungen, entlang der Grenze zu Gaza. Völlige Überraschung und totale Panik. Offenbar hat niemand das kommen sehen. In den ersten Berichten ist von Dutzenden, vielleicht Hunderten toten Israelis die Rede, und Dutzende Bewohner dieser Grenzgemeinden sollen als Geiseln genommen und nach Gaza verschleppt worden sein. Die Wiederholung des Oktobers 1973 im Oktober 2023 hat Israel völlig überrascht: Die Regierung hat geschlafen, die Armee hat geschlafen, die Experten, die uns jeden Tag mit Interpretationen darüber bombardieren, was die Araber getan haben und was sie tun werden, wurden alle völlig überrumpelt, nicht nur mit heruntergelassenen Hosen, sondern schlafend und ohne Hosen … Was für eine Schande, vor allem für den Militärgeheimdienst, den Schin Beth und den Mossad. Und natürlich für Benjamin Netanjahu und seinen Verteidigungsminister Yoav Galant. Die Vergeltung wird wegen der Geiseln in den Händen der Hamas kompliziert sein. Zu allem Überfluss befindet sich Israel im Inneren in einer schrecklichen Situation, buchstäblich zerrissen zwischen verschiedenen feindlichen Fraktionen und mit einer intern geschwächten Armee.
Die Hisbollah im Norden wartet wahrscheinlich nur darauf, dass sich der Großteil unserer Streitkräfte nach Süden bewegt, bevor sie eine zweite Front eröffnet; diese wird sehr viel problematischer sein.
Hunderttausende Israelis werden mobilisiert, der Zivilbevölkerung steht eine sehr schwere Zeit bevor.
Benny Gantz ist bereit, der Koalition von Netanjahu ohne Bedingungen beizutreten. Lapid will nur beitreten, wenn Smotrich und Ben-Gvir vor die Tür gesetzt werden. Ich denke, er hat Recht. Die Einnahme der Polizeistation von Sderot, die von fünf, ja fünf Hamas-Kämpfern gehalten wird, dauert unendlich lange. Unglaublich! Es gibt unendlich viele Fragen, und jeder in der Armee schweigt: Wo war unser hochgerüsteter Geheimdienst, wo war der Mossad, was ist mit dem super ausgeklügelten Zaun passiert, der um die Enklave Gaza gebaut wurde? Natürlich werden zu gegebener Zeit Köpfe rollen und Netanjahu und seine Frau Sara’le werden bei den nächsten Wahlen vor die Tür gesetzt werden. Er würde niemals den Mut zeigen, den Golda Meir 1974 bewies, und zurücktreten. Die gesamte Regierung ist ein Haufen von Verrückten, aber im Moment hat das Land keine andere Wahl, als sie zu behalten.
Die Zahl der Getöteten ist auf 700 gestiegen und noch nicht endgültig, und die der 2200 verwundeten Israelis ist es auch nicht. Mehr als 130 Israelis sind Geiseln, darunter, das möchte ich betonen, kleine Kinder, alte, gehbehinderte Menschen, Frauen jeden Alters und natürlich auch Männer jeden Alters. Die Eltern und Verwandten der Geiseln und Gefangenen, die rund um die Uhr im Radio und im Fernsehen zu hören sind, erhalten keine Antwort, keine Nachricht, keine Unterstützung von offizieller Seite. Nicht eine Silbe. Sie weinen, sie flehen um ein Wort, aber es kommt keine Antwort, nichts.
Höchstwahrscheinlich hat der Iran der Hamas bei der Vorbereitung des Angriffs geholfen, so wie China dem Vietcong möglicherweise bei der Tet-Offensive geholfen hat, die 1968 den Verlauf des Vietnamkriegs veränderte. Es ist unwahrscheinlich, dass sich das militärische Kräfteverhältnis zwischen Israel und der Hamas ändern wird, aber der Gang der Ereignisse im Nahen Osten scheint kurz vor einer Veränderung zu stehen. Das erklärt die starke Unterstützung der USA für Israel. Eine ganze Flugzeugträger-Kampfgruppe wurde in die Nähe der israelischen Küste beordert, und es werden verschiedene militärische Hilfen entsandt. Natürlich spielt die Sympathie Bidens für Israel eine Rolle. Aber entscheidender als die Sympathie ist die Gegenwehr gegen eine wahrscheinliche Front in der Region – wie auch anderswo – von Iran, Russland und möglicherweise China.
Netanjahu hat gesprochen und nichts gesagt: «Wir werden ihnen die Knochen brechen …».
Selbst an Jom Kippur war der Beginn weniger katastrophal und schrecklich als jetzt. Inmitten dieses totalen Chaos schweigen die offiziellen Quellen, entweder als «Strategie» oder, was plausibler ist, als Ausdruck der Beschämung angesichts des völligen Fehlens jeglicher Vorbereitung und, was vielleicht noch schlimmer ist, des absoluten Versagens der so genannten Vorbereitungen. Die verschiedenen Online-Netzwerke füllen diese Stille, aber der allgemeine Eindruck ist der eines völligen offiziellen Durcheinanders.
Man geht davon aus, dass sich die Armee auf einen Einmarsch in Gaza vorbereitet. Dieser Schritt könnte auf allen Seiten schrecklich viele Menschenleben kosten.
In seiner ersten Erklärung seit Beginn der Ereignisse räumte der Generalstabschef ein, dass es viele Fragen und viel Verbitterung gebe, «aber jetzt ist es an der Zeit, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen» (und nicht nach Antworten zu suchen, wenn ich seine Erklärung vervollständigen darf). Generalleutnant Herzi Halewi war in der Tat ein unglücklicher Generalstabschef, der ständig von den Ben-Gvirs und ihresgleichen angegriffen und von Netanjahu in Friedenszeiten nicht verteidigt wurde, und er wird nun sicherlich für die mangelnde Vorbereitung der Armee verantwortlich gemacht werden. Es wird, wenn die Zeit gekommen ist, viele Untersuchungskommissionen geben. Übrigens sind Ben-Gvir und Smotrich völlig still. Das sollten sie auch sein.
Ein Einzelschicksal, dessen Geschichte im Rundfunk zu hören war: Eine Frau rief ihren Sohn an, einen Jugendlichen, der sich im Süden aufhielt, um Nachrichten von ihm zu erhalten. Ein Fremder nahm ihren Anruf entgegen: «Mein Name ist Muhammed. Ihr Sohn ist tot.» Einer von siebenhundert. Die Zahl der Israelis, die als Geiseln oder Gefangene nach Gaza verschleppt wurden, wird inzwischen auf 150 bis 200 geschätzt. Das wird die Vergeltungsmaßnahmen auf schreckliche Weise erschweren.
Die derzeitige Situation hat etwas Mysteriöses an sich: Die Angriffe der israelischen Luftwaffe auf den Gazastreifen, die ziemlich verheerend sein könnten, fallen sehr zurückhaltend aus, offenbar ganz bewusst; es befinden sich immer noch Hamas-Leute auf israelischem Gebiet, und sie sind noch nicht ausgeschaltet; all dies scheint sich ganz bewusst mit verringerter Intensität zu entwickeln. Ich weiß, dass einige Leute an Verrat denken; ich glaube eher an amerikanischen Druck als Bedingung für die versprochene Hilfe und, entweder dank amerikanischer oder ägyptischer Vermittlung, ein Versprechen der Hamas, den in Gaza festgehaltenen Geiseln und Gefangenen nichts anzutun, wenn Israel auf drastische Vergeltungsmaßnahmen verzichtet. Kurzum, ein Versuch, die Ereignisse auf das Niveau der üblichen Übergriffe und der üblichen Reaktionen zurückzubringen, wenn sich alle Seiten an die auferlegte Mäßigung halten. Dies würde auch das allgemeine Schweigen der offiziellen israelischen Quellen erklären. Aber wie lange kann das noch so weitergehen?
Eine weitere mögliche Erklärung ist: Netanjahu konnte beweisen, dass der Iran Drahtzieher des Hamas-Angriffs war, und hat Biden davon überzeugt, dass dies der richtige Moment ist, um Teheran anzugreifen und damit verschiedenen Ärgernissen im Nahen Osten (Hamas, Hisbollah) ein Ende zu machen und die Vorherrschaft des westlichen Einflusses in der arabischen Welt wiederherzustellen. Ein solcher Schritt wäre mit Gefahren verbunden, da die Ajatollahs nicht kampflos untergehen würden. Dies allein könnte die amerikanische Verstärkung auf allen Ebenen erklären. Meine Frau Orna vertritt diese gewagte, aber logische Interpretation; sie klingt recht überzeugend, sieht man von den damit verbundenen Risiken einmal ab, die nicht zu Netanjahus üblichem modus operandi passen.
Schätzungen zufolge wurden mehr als 800 Israelis getötet. Ansonsten keine Anzeichen für eine größere Operation. Chaos auf den Straßen: Es dauert Stunden, bis die Reservisten zu ihren Einheiten kommen.
Es scheint, dass Abbas Kamel, der ägyptische Geheimdienstchef, Netanjahu ein paar Tage vor dem Angriff gewarnt hat, dass vom Gazastreifen aus etwas Großes passieren würde; Netanjahu antwortete angeblich, dass die Armee in den besetzten Gebieten beschäftigt sei. In der Tat war die Armee damit beschäftigt, Rachels Grab oder etwas Ähnliches zu «schützen», wie Ben-Gvir und Smotrich es gefordert hatten. Kamal soll ob der Gleichgültigkeit des Premierministers verblüfft gewesen sein. Wenn die ägyptischen Informationen über die Warnung stimmen, wiegt Netanjahus Verantwortung noch schwerer als bislang gedacht. Das Büro von Netanjahu bezeichnet sie als «Fake News». Ist ja klar.
Heute habe ich ein Exemplar meines Buches erhalten, des Tagebuchs, das ich zwischen Januar 2023 und Juli 2023 geschrieben habe. Sein deutscher Titel lautet (da die Erstveröffentlichung auf Deutsch ist): Blick in den Abgrund. Ein israelisches Tagebuch. Wenn, wie ich hoffe, das Tagebuch, das ich am Vorabend dieses Krieges begonnen habe, die Zeit bis zu seinem Ende abdeckt, würde ich mir sehr eine einbändige Darstellung des gesamten Zeitraums wünschen, von Januar 2023 bis zum Ende der gegenwärtigen Ereignisse. Der Zeitraum davor erklärt nicht, was am 7. Oktober geschah, aber er beschreibt die politische Blindheit in Israel und die Horrorshow, die Netanjahus Koalition darstellte, als ein Element in einer Ereignisfolge, die wir noch nicht überblicken und noch nicht zusammenfassen können. Aber all das ist vorerst irrelevant; lassen Sie mich zu den Ereignissen zurückkehren.
Ein Korrespondent in Sderot berichtet an diesem dritten Tag des Krieges, dass sich immer noch Hamas-Kämpfer an verschiedenen Stellen auf israelischem Gebiet um den Gazastreifen herum versteckt halten; sie kämpfen weiterhin sporadisch und scheinen gut getarnt zu sein. Dutzende sind getötet worden, aber einige sind noch übrig. Das einzige Lebensmittelgeschäft in der Stadt ist das von Mofida, einer arabischen Frau, die seit fünfundzwanzig Jahren in Sderot lebt. Sie verkauft Lebensmittel, Kleidung und andere Dinge des täglichen Bedarfs; ihr Sohn kümmert sich um die Belieferung der Einwohner, die nicht selber kommen können. Mofida sagt, sie habe keine Angst, sie sei Araberin und die Bewohner von Sderot seien nach all den Jahren ihre Familie.
Es wird immer schwieriger, sich ein klares Bild von den Geschehnissen zu machen; die einzelnen Zeugnisse, die man aus dieser Region über das, was die Überlebenden erlebt haben, erhält, sind kaum zu glauben und lassen einem das Blut in den Adern gefrieren. Die Zahl der getöteten Israelis wird auf nahezu 1000 geschätzt. Die ersten beiden Tage verwandelten den Süden, wo die Hamas-Terroristen eindrangen, zum Schauplatz eines beispiellosen Massakers.
Einer der schlimmsten Orte lag direkt an der Grenze, in der Nähe von Re’im, wo sich Hunderte von jungen Menschen zu einem Musikfestival versammelten, ohne jeden Schutz, ohne jede Warnung, wie im tiefsten Frieden. Mehr noch, die Polizei verlangte einen Ortswechsel: Die Hamas kannte den neuen Ort. Nachdem die jungen Leute die ganze Nacht getanzt hatten, schliefen sie ein paar Stunden und erwachten, oft aus einem drogengeschwängerten Schlummer, durch den Klang von Schüssen. Bislang wurden etwa 300 Leichen entdeckt. Die Straße, die dorthin führt, ist gesäumt von Hunderten verlassener Autos, ihren Autos.
In den ausländischen Kommentaren, die sich oft auf israelische Quellen stützen, ist eines der wiederkehrenden Themen das unbegreifliche Versagen des israelischen Geheimdiensts, der im Laufe der Jahre in den Himmel gelobt wurde. Es gibt viele andere Beispiele aus anderen Ländern aus den vergangenen Jahrzehnten, aber Israel ist zu klein und im Grunde zu schwach, um sich mit den Präzedenzfällen des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, Pearl Harbor oder dem uns näher liegenden 11. September zu trösten. Was ist mit uns passiert?
Offenbar haben die Hamas und die iranischen Planer gelernt, Operationen vorzubereiten, ohne die üblichen technischen Kommunikationsmittel zu verwenden, die Israel leicht abfangen könnte. Überdies tragen die zunehmende Ablenkung durch die Geschehnisse im Westjordanland und vor allem die wachsende Aufmerksamkeit, die den Siedlern und Siedlungen durch die messianische Ideologie der Netanjahu-Koalition und ihr Beharren auf einer Justizreform zuteilwurde, welche die demokratische Struktur des Landes bedrohte und zu einer inneren Spaltung führte, zweifellos einen Teil der Verantwortung.
Die Europäische Union hat die jährliche Finanzhilfe für die Palästinenser gestoppt. Bislang schien es der Hamas nicht an Geld zu mangeln. Netanjahu ruft alle Parteien auf, sich an einer Regierung der nationalen Einheit zu beteiligen.
Die offizielle Zahl der massakrierten Israelis wird nun mit 900 angegeben. Es gibt etwa 2200 Schwerverletzte.
Nach neuesten Meldungen haben militante Hamas-Kämpfer erneut den angeblich unüberwindbaren Sicherheitszaun durchbrochen und sind irgendwo im Süden eingedrungen.
Es wird berichtet, dass die Hamas bei ihrem ersten Eindringen in den Süden Pick-ups benutzt hat. Diese Fahrzeuge wurden nicht nur verwendet, um die Terroristen zu transportieren, sondern blockierten auch Kreuzungen und verschiedene Zugangsstraßen und behinderten so die Entsendung von Hilfe usw. Was hat das zu bedeuten? Im gesamten Umfeld des Gazastreifens gab es keinen einzigen israelischen Panzer, keinen einzigen gepanzerten Wagen, keinen einzigen Bulldozer! Und wenn doch, gab es niemanden, weder oben noch unten in der Hierarchie, der die Geistesgegenwart hatte, deren Einsatz anzuordnen.
Die Details, die uns erreichen, sind entsetzlich: Die Terroristen schlugen Gefangenen die Köpfe ab, sie vergewaltigten weibliche Geiseln und töteten sie dann, sie rissen schwangeren Frauen die Föten aus dem Leib und brachten sie dann um. Das sind wilde Tiere, und es ist fast unmöglich, ein Mindestmaß an gesundem Menschenverstand zu bewahren und sich daran zu erinnern, dass die Hamas nicht die Palästinenser repräsentiert, sondern eine fanatische islamistische Fraktion des palästinensischen Volkes darstellt. Sie sind Marionetten des Iran; ihr Ziel ist es, Juden zu töten, Israel zu zerstören und Palästina zu befreien.
Das wird eine vernünftige politische Lösung sehr schwierig machen, da die meisten Israelis die Hamas und die Palästinenser gleichsetzen. Meiner Meinung nach ist die Schaffung eines palästinensischen Staates, der in Frieden neben Israel existieren wird, die einzige vernünftige langfristige Lösung; diese Ansicht vertrete ich seit vielen Jahren. Nach dem Angriff der Hamas werden die meisten Israelis nicht nur darauf verweisen, dass es sich bei der Hamas um Palästinenser handelt, sondern auch auf die Tatsache, dass die meisten Palästinenser sich in irgendeiner Form zufrieden über den «Erfolg» der Hamas geäußert haben, um so zu beweisen, dass sie alle nichts weiter wollen als unseren Tod und das Verschwinden Israels und damit die Unmöglichkeit einer friedlichen Koexistenz. Aus diesem Grund spreche ich von einem stufenweisen Prozess. Zweifellos werden sich die Palästinenser an die Vorteile der Koexistenz gewöhnen müssen und dürfen nicht täglich erleben, wie versucht wird, weitere jüdische Siedlungen auf dem ihnen zugewiesenen Land zu errichten, wie es unter unserer katastrophalen Koalitionsregierung der Fall war. Doch zurück zu den unmittelbaren Ereignissen.
In einer ungewöhnlich einfühlsamen zweiten Rede hat der US-Präsident heute sein Entsetzen über die Gräueltaten der Hamas und die volle amerikanische Unterstützung für Israel zum Ausdruck gebracht. Der Flugzeugträger Gerald Ford, der modernste der US-Marine, und seine Unterstützungsgruppe, die jetzt nahe der Küste des Landes unterwegs sind, haben 5000 Soldaten an Bord, die bereit sind, im Bedarfsfall einzugreifen.
Das erste US-Flugzeug mit hochentwickelter Munition ist in Israel gelandet.
Es scheint, dass wir uns auch an der Nordgrenze im Krieg befinden. Die Gesamtzahl der getöteten Israelis wird jetzt auf 1200 geschätzt.
Das Kriegskabinett wird gebildet. Gantz gehört ihm an, ein Platz ist für Lapid freigehalten worden. Ansonsten bleibt die Situation chaotisch und die Ungewissheit bezüglich des Nordens bestehen: Wird sich die Hisbollah der Hamas anschließen oder vorsichtshalber im Hintergrund bleiben? Offenbar sind einige Gleitsegler aus dem Libanon nach Galiläa eingedrungen; Flugzeuge suchen nach ihnen. Nach etwa zwei Stunden wurde bekannt gegeben, dass es sich um einen Irrtum handelt. Das Chaos in Israel erinnert mich an den Lattenzaun des Dichters Christian Morgenstern, «mit Zwischenraum, hindurchzuschaun».
Netanjahus Versagen wird immer eklatanter: Amerikanische Quellen bestätigen, dass der ägyptische Geheimdienstchef unseren Premierminister drei Tage vor dem Hamas-Angriff vor etwas Großem gewarnt hat, das aus dem Gazastreifen kommt; es gab keine Reaktion oder vielmehr völlige Gleichgültigkeit.