Italienische Küsse - Roberta Gregorio - E-Book
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Italienische Küsse E-Book

Roberta Gregorio

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Beschreibung

Wenn das Leben dir nur Zitronen gibt, mach daraus Zitronenlikör! Der romantische Sammelband »Italienische Küsse« von Roberta Gregorio als eBook bei dotbooks. Gina hat einen Traum: Endlich ihr eigenes Leben beginnen! Allerdings lässt Mamma Lorenza sie nur als verheiratete Frau ziehen … oder für einen Job. Ein Vorstellungsgespräch beim besten Hochzeitsplaner von Salerno könnte ihre Rettung sein. Doch dann legt sie beim Vorführen eines Brautkleids eine sagenhafte Bruchlandung hin und blamiert die Familie der Braut. Freiheit adé – das war's! Aber einem Mann scheint sie mit ihrem Auftritt direkt ins Herz gestolpert zu sein … Ganz anders Hotelerbe Cristiano: Er ist es gewöhnt, alles zu bekommen, was er will – bis ihn seine Eltern dazu verdonnern, die alte Familienvilla zu renovieren. Helfen soll ihm dabei ausgerechnet die freche Kellnerin Sofia ... »Familie ist da, um einen zu quälen«, das weiß auch die hübsche Elisabetta – und verliert auf einem Familienausflug prompt die Nerven … findet dafür aber die große Liebe! In Roberta Gregorios Feder sitzt Cupido höchstpersönlich – drei sommerleichte Liebesromane in einem Band! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Romance-Highlight »Italienische Küsse« von Roberta Gregorio – vorab veröffentlicht unter dem Titel »Sommer, Sonne und Amore« – bietet perfekte Urlaubslektüre und zaubert Sonnenschein in Ihre Lesestunden. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 255

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Über dieses Buch:

Gina hat einen Traum: Endlich ihr eigenes Leben beginnen! Allerdings lässt Mamma Lorenza sie nur als verheiratete Frau ziehen … oder für einen Job. Ein Vorstellungsgespräch beim besten Hochzeitsplaner von Salerno könnte ihre Rettung sein. Doch dann legt sie beim Vorführen eines Brautkleids eine sagenhafte Bruchlandung hin und blamiert die Familie der Braut. Freiheit adé – das war's! Aber einem Mann scheint sie mit ihrem Auftritt direkt ins Herz gestolpert zu sein …Ganz anders Hotelerbe Cristiano: Er ist es gewöhnt, alles zu bekommen, was er will – bis ihn seine Eltern dazu verdonnern, die alte Familienvilla zu renovieren. Helfen soll ihm dabei ausgerechnet die freche Kellnerin Sofia …»Familie ist da, um einen zu quälen«, das weiß auch die hübsche Elisabetta – und verliert auf einem Familienausflug prompt die Nerven … findet dafür aber die große Liebe!

In Roberta Gregorios Feder sitzt Cupido höchstpersönlich – drei sommerleichte Liebesromane in einem Band!

Über die Autorin:

Roberta Gregorio, geboren 1976 in Bayern, ist staatlich geprüfte Fremdsprachenkorrespondentin. Heute lebt sie als Autorin mit ihrer Familie im tiefsten Süden Italiens, wo sie am kleinen, grünen Schreibtisch mit Blick aufs Meer ihrer Fantasie freien Lauf lässt.

Bei dotbooks erscheinen auch ihre Romane:

»Der Sommer der Zitronenblüten«»Im Schatten der Zitronenbäume«»Das kleine Restaurant des Glücks«»Stille Nacht, Herz erwacht. Eine weihnachtliche Liebesgeschichte«

Sowie ihre Heiligen-Trilogie:

»Mit Liebe, Herz und Gloria«»Ein Halleluja für die Liebe«»Wie im Himmel so im Herzen«

Und die Heiligen-Trilogie im Sammelband:»Sommerduft und Rosenknospen«

Der Roman »Das kleine Restaurant des Glücks« ist auch im Sammelband »Ein Restaurant zum Verlieben« enthalten.

***

Aktualisierte Originalausgabe Juni 2019

Dieses Buch erschien bereits 2016 unter dem Titel »Sommer, Sonne und Amore« bei dotbooks.

Copyright © der Originalausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Copyright © der aktualisierten Originalausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock/Aygul Sarvaova, Isabella Pfenninger und 0512

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-95824-616-4

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

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***

Besuchen Sie uns im Internet:

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Roberta Gregorio

Italienische Küsse

Drei Romane in einem eBook

dotbooks.

Per sempre

Kapitel 1

»Virginiaaaaa!«

Gott, wie sie das hasste! Virginia war weder schwerhörig noch schwer von Begriff. Dennoch ging ihre Mutter ständig vom Gegenteil aus, rief sie jeden Morgen mit einer Energie aus dem Bett, an die selbst ein aufgebrachter Tarzan nicht herankommen konnte.

»Virginiaaaaaaaaaaaaaaaaaa!«

»Ja doch!«

»Bist du endlich wach?«

Brachte es irgendwem etwas, wenn sie ihrer Mutter erzählte, dass sie schon seit Stunden wach war, um im Netz nach Arbeitsangeboten zu suchen? Wahrscheinlich nicht. Meistens war es ohnehin zwecklos, mit mamma Lorenza zu diskutieren. Sie wusste es sowieso immer besser. Gerade aus diesem Grund wollte Virginia raus aus ihrem Elternhaus – was sich als schwieriger herausstellte, als gedacht. Im tiefen Süden Italiens verließen junge Frauen das Nest nur als Verheiratete oder wenn sie eine Arbeit hatten.

Da Virginia aber weder in Punkt a noch in Punkt b besondere Erfolge vorzuweisen hatte, würde ihr Zwangsaufenthalt zu Hause wohl noch eine Weile dauern.

»Ja-ha!«

»Dann heb deinen Hintern aus den Federn und komm endlich runter!«

Virginia seufzte tief. Ihr Bruder Stefano schnarchte im Nebenzimmer ungestört weiter. Er war ja auch ein Mann – oder so etwas in der Art. Männer konnten ausschlafen, während sich die Frauen um den Haushalt kümmerten. Wie sie das alles anwiderte! Sie musste hier raus. Nur wohin? Genervter als sonst schlüpfte sie in ihre Jeans und stieg die steile, dunkle Marmortreppe hinab. Es roch bereits verdächtig nach Tomatensoße. Im ganzen Haus, um 8:00 Uhr morgens! Mamma Lorenza war der Meinung, dass man nicht früh genug mit den Vorbereitungen anfangen konnte. Virginia hingegen fand das krank. Es reichte doch vollkommen aus, wenn man nach dem Frühstück damit anfing. Und wer brauchte schon jeden Tag ein 3-Gänge-Mittagessen? Zwecklos, auch dieses Thema aufzugreifen.

»Buongiorno!«

Aus Lorenzas Mund klang das wie eine Anschuldigung.

»’ngiorno!«

Virginia ging um den Küchentisch herum und drückte ihrer Großmutter einen Kuss auf die Wange. Nonna Betta lebte schon sehr lange bei der Familie, da der Großvater früh verstorben war. Sie war wohl die vitalste nonna, die es gab, und Virginia war froh, sie um sich zu haben.

»Tag, Kindchen. Leistest du mir bei einem Kaffee Gesellschaft?«

Die alte Dame lächelte ihre Enkeltochter warm an und klopfte dabei mit der Hand auf den freien Platz neben sich.

»Sehr gerne, nonna!«

Virginia genoss es, von ihrer Oma umsorgt zu werden. Vor allem, weil ihre Mutter es nicht wagte, nonna Betta zu widersprechen.

»Hast du gut geschlafen, bambina mia?«

Lorenza schnaubte verächtlich und warf noch eine Ladung Salz in die Soße.

»Danke, nonna. Sehr gut. Und du?«

Sie schenkte ihrer Oma etwas Espresso nach und holte für sich selbst einen Schuss Milch aus dem Kühlschrank.

»Ach, es geht so. Meine Knochen …«

Ein Ritual. Jeden Morgen wurden dieselben Themen angesprochen. Wenn nonna Betta anfing, von ihren Leiden zu erzählen, musste man schon sehr viel Geduld mitbringen. Aber Virginia ließ sie gerne reden – sie wusste, dass Betta maßlos übertrieb, um Aufmerksam auf sich zu ziehen. Und alles war besser als mamma Lorenzas Schimpferei.

»… dann können wir vielleicht später noch zum Friedhof«, beendete die Alte ihren Monolog.

»Oh, das müssen wir wohl verschieben, nonna. Heute muss ich zu Addolorata.« Sie bedauerte es sehr, ihrer Großmutter einen Korb geben zu müssen. Aber Adas Besuche in Casaletto waren mehr und mehr zu Virginias einzigem Lichtblick geworden – ein bisschen Sauerstoff für ihren monotonen Alltag. Ada war nicht nur Virginias beste Freundin, nein, sie gehörte auch zu den wenigen aus ihrem Jahrgang, die von sich behaupten konnten, es geschafft zu haben. Sie war der Einöde entkommen, lebte ihr aufregendes Leben in der Großstadt, während die Männer bei ihr Schlange standen, und hatte noch dazu einen Traumjob in einer Agentur. Praktisch all das, was Virginia sich jeden Tag wünschte.

»Ach, schon gut, bambina mia. Ist ja nicht so dringend. Morgen wird nonno wohl auch noch dort liegen.«

Betta kicherte über ihren eigenen Witz und steckte Virginia, die den eigenartigen Humor ihrer Oma liebte, mit ihrer heiteren Art an.

»Wenn die junge Dame sich genug ausgeruht hat, kann sie sich vielleicht mal um die Wäsche kümmern.«

Lorenza griff ein, als es gerade gemütlich wurde. Und Virginia sah sich gezwungen, sich letztendlich doch an die Hausarbeit zu machen. Bevor sie sich erhob, warf sie ihrer Großmutter noch einen dankbaren Blick zu. Wenn nonna Betta nicht wäre …

Virginia verließ das Haus am frühen Nachmittag. Natürlich erst, nachdem sie alle Betten gemacht, sich um den Abwasch und die Badsäuberung gekümmert hatte. Leichten Schrittes durchquerte sie die engen Gassen, huschte vorbei an Topfpflanzen, die trotz der mangelnden Sonneneinstrahlung prächtig gediehen. Wie oft war sie diesen Weg wohl gegangen? Sie hatte jeden Winkel, jede Natursteinmauer, jeden unverhofften Aussichtspunkt und Innenhof geradezu verinnerlicht. Eines hatte sich aber grundlegend geändert: Während sie in ihrer Kindheit noch an lebendigen, lauten und einladenden Hauseingängen vorbeigegangen war, standen jetzt nur noch vereinzelte Türen offen. Casaletto, ihr winziger Heimatort, ging langsam aber sicher ein. Und wenn sie nicht selbst als ein Teil von Casaletto verenden wollte, dann musste sie endlich etwas an ihrem Leben ändern. Geistesabwesend nahm sie den hübschen Türklopfer, der einen Löwenkopf darstellte, und hämmerte damit auf das Gegenstück – dreimal, wie immer. Sie war da. Hier wohnten die Blinis – die heiterste, aufgeschlossenste famiglia, die Virginia jemals erlebt hatte. Sie beneidete Ada auch ganz offen, da sie all das hatte, was man sich nur wünschen konnte.

»Avanti!« Da, die Stimme von Signora Blini.

»Buonasera!«

»Virginia! Komm rein! Nur immer rein in die gute Stube. Wie geht es dir, Herzchen?«

Sie ließ sich von der Mutter ihrer besten Freundin umarmen und knuddeln und wurde erst dann zu Adas Zimmer vorgelassen, nachdem sie zumindest ein Bonbon angenommen hatte.

Ada kam ihr im Flur bereits entgegen, und Virginia fiel ihr in die Arme. Sie hatte ihre Freundin so sehr vermisst.

Die beiden jungen Frauen schlossen die Tür hinter sich ab und warfen sich auf die abgewetzte Couch, die seit Jahren im Zimmer stand. Überhaupt sah das Zimmer noch genauso aus, wie in ihrer Kindheit. Nur waren sie keine kleinen Mädchen mehr, sondern erwachsene Frauen.

»Du siehst so super aus, Ada! Dein neuer Haarschnitt ist toll.«

Ada griff sich in ihr lockiges, schwarzes Haar, das sie jetzt im Nacken kurz trug.

»Gefällt es dir? Man trägt es jetzt so.«

»Sehr. Es macht dich irgendwie älter.«

Sie dachte an ihren eigenen langweiligen Haarschnitt. Rosaria, die Friseuse aus dem Ort, konnte nur Spitzen schneiden. Jeder, der es gewagt hatte, sie um einen neuen, innovativen Haarschnitt zu bitten, hat es letztendlich bitter bereut. Das konnte doch nicht alles sein, was Virginia von ihrem Leben zu erwarten hatte. Sie war 24, aber deutlich zu jung, um sich aufzugeben.

»Hmm … das will ich jetzt einfach mal als ein Kompliment deuten.«

»So war es auch gemeint.«

Die Freundinnen kicherten ausgelassen.

»Also, schieß los! Was gibt es Neues in der Stadt?«

»Ach herrje. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«

»Irgendwo …?«

Ada stand auf, ging zu ihrem Hartschalenkoffer, der geöffnet auf ihrem Bett lag, und kramte umständlich darin. Sie warf dabei achtlos Klamotten herum, für die Virginia getötet hätte.

»Was suchst du denn?«

Langsam wurde Virginia neugierig. Sie kannte ihre Freundin. Ihr Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes.

Virginia bekam zunächst keine Antwort. Ada fand schon bald, was sie gesucht hatte: ein zerknittertes Blatt. Sie hielt es wichtig und stolz in ihren Händen.

»Das, meine liebe Virginia, ist für dich!«

Feierlich überreichte Ada es ihr. Interessiert warf Virginia einen Blick darauf. Es sah nach einer vergrößerten Kopie einer Anzeige aus. Bei näherem Betrachten bestätigte sich dieser Eindruck.

Wir suchen Dich!

Unser Team braucht dringend Verstärkung für die Planung, Organisation und Umsetzung zahlreicher Projekte.

Keine Arbeitserfahrung notwendig. Einzige Anforderung an Dich: höchste Flexibilität.

Info unter: PER SEMPRE – Wedding Planer.

Das klang hübsch, ja! Aber was hatte das mit ihr zu tun?

»Was ist das, Ada?«

Virginia drehte und wendete das Blatt, suchte nach einem versteckten Hinweis. Wollte ihre Freundin ihr etwa damit sagen, dass sie heiratete?

»Das ist deine Zukunft!«

»Hä?«

»Ich habe dir ein Vorstellungsgespräch organisiert.«

»Echt?«

»Ja!«

Zum ersten Mal überhaupt hatte Virginia ein Vorstellungsgespräch. Selbst wenn sie nicht angenommen wurde – was sehr wahrscheinlich war –, so würde es trotzdem einen enormen Schritt in Richtung Unabhängigkeit bedeuten.

Kapitel 2

Virginia war nervös. Sie hatte ihre Mutter schamlos angelogen und von einem Notfall bei Ada im Büro erzählt, bei dem sie für einen Tag aushelfen sollte. Da hatte Lorenza nicht Nein sagen können. Arbeit war Arbeit. Virginia hatte nicht vom Vorstellungsgespräch erzählen wollen, weil sie sich bildlich vorstellen konnte, wie fertig ihre Mutter sie machen würde, wenn sie den Job nicht bekam. Diese ganzen Gedanken verwandelten Virginias Magen in einen schmerzenden Knoten.

Immerhin hatte sie aber das Gebäude problemlos gefunden. Ada hatte sie im Zentrum abgesetzt und ihr wiederholt erklärt, wie sie dorthin kam. Sie hatten sich dann für die Mittagspause verabredet. Jetzt war Virginia zunächst auf sich selbst gestellt.

Klar war sie schon oft in Salerno gewesen, war es doch die nächstgelegene Großstadt. Aber dieses Mal war alles anders. Das Auge des Betrachters hatte sich geändert. Virginia versuchte, sich zum ersten Mal vorzustellen, wie es sich hier lebte und wie es wohl sein würde, das antike Mehrfamilienhaus direkt an Salernos Strandpromenade jeden Tag zu betreten. Zu schön, um wahr zu sein!

Mit geheuchelter Selbstsicherheit betrat sie die pompöse Eingangshalle, wo grüner Marmor das Bild prägte. Virginia fröstelte. Obwohl es ein fast sommerlich warmer Frühlingstag war, spürte sie die Kälte des Marmors ihre nackten Beine hochklettern. Der Pförtner, der hinter einer Glaswand saß, lächelte ihr aufmunternd zu. Sein rundliches Gesicht war ihr sofort sympathisch. Und rundlich war an dem Mann auch der ganze Rest – allen voran sein enormer Bauch.

»Buongiorno, Signoria. Kann ich Ihnen behilflich sein?«

»Buongiorno. In welchem Stockwerk befindet sich der Wedding Planer?«

»Oh, sie heiraten? Amedeos Laden ist im obersten Stockwerk. Am besten nehmen Sie den Fahrstuhl gleich vorne rechts. Oben gibt es nur eine Eingangstür. Da können Sie nichts falsch machen.«

»Ähm, nein, ich werde nicht heiraten. No, no. Vielen Dank für Ihre Auskunft, Signor …?«

»Mario. Mein Name ist Mario.«

»Bis dann, Mario.«

Virginia eilte auf den Fahrstuhl zu. Dann überlegte sie es sich doch anders und ging noch einmal zu Mario zurück.

»Eine Frage hätte ich noch.«

»Nur zu!«

»Wie sehe ich aus?«

Der Mann guckte erst erstaunt, schmunzelte aber dann.

»Ganz hervorragend.«

»Danke, Mario. Und … würden Sie mir die Daumen drücken?«

»Auf jeden Fall!«

»Dann gehe ich jetzt wohl.«

»Ja, das sollten sie vielleicht.«

»Gut.«

Mario winkte ihr zu.

»Ach, Mario, ich heiße übrigens Virginia.«

Es war ihr richtig unangenehm, aber Virginia konnte nicht anders als zu gaffen. Natürlich hatte sie sich in ihrer Fantasie viele Bilder vorgestellt, wie eine Wedding-Planer-Agentur aussehen könnte. Es war aber kein einziges dabei gewesen, das der Realität auch nur ansatzweise ähnlich gesehen hatte.

Vor ihr taten sich enorme Räumlichkeiten auf, die nur so überquollen von lebendigem Treiben. Kein Mensch stand am Empfang. Ein Grüppchen ging aufgeregt von Raum zu Raum, allen voran ein hektischer, bunter Mann, der ordentlich hysterisch wirkte.

»Das überlebe ich nicht!«, rief er immer wieder theatralisch. Das tat er genau so lange, bis er Virginia entdeckte.

»Du …«, visierte er sie an, wobei er durch eine imaginäre, mit den Fingern angedeutete Kamera schaute. Das Grüppchen um ihn herum hielt synchron die Luft an. Virginia machte aus Solidarität gleich einmal mit. Sie fühlte sich überrumpelt, wusste nicht, was sie sagen konnte oder sollte.

»Tesoro, ich weiß ja nicht, wer du bist, aber du rettest mir heute meinen Arsch.«

Oh. »Ich bin …«

Virginia ging mit ausgestreckter Hand auf den Mann zu.

»Jaja, das besprechen wir später. Renato, nimm sie mit ins Schminkzimmer, mach sie wenigstens halbwegs präsentierfähig und schick sie mit dem neuen Ricucci raus. Schnell. Der Termin ist in weniger als 30 Minuten.«

Der Mann wedelte mit der Hand, während er Renato anwies, und verschwand kurz danach mit zwei weiteren Mitarbeiterinnen in einem anderen Zimmer.

Renato kam auf sie zu.

»Keine Sorge. Das ist bei uns ganz normaler Alltag. Komm mit.«

Er war angenehm in seiner Art. Und wunderschön. Zu schön und zu offensichtlich schwul. Virginia folgte ihm wortlos. In was für ein Irrenhaus war sie geraten? Sie lugte vorsichtig auf ihre Armbanduhr. Viel zu früh für die Mittagspause. Da konnte sie auch genauso gut hier bleiben. Vielleicht bekam sie am Ende ja doch noch eine Chance, sich zumindest vorzustellen.

»Was? Das Kleid soll ich anziehen?«

Inzwischen hatte sie mit Renato eine Art schüchterne Freundschaft geschlossen. Sie hatte ihm erzählt, dass sie wegen der Anzeige gekommen war. Und er hatte an ihren Haaren gezerrt, ihre Augenbrauen malträtiert, allerhand Cremes und Farben in ihrem Gesicht verteilt … so etwas verband. Aber was wollte er jetzt mit dem prächtigen Hochzeitskleid?

»Natürlich. Und du solltest es mit Stolz tragen. Es ist ein ganz neues Ricucci. Normalsterbliche kommen noch nicht einmal in die Nähe eines solchen Kunstwerks.«

Das glaubte sie ihm aufs Wort.

»Aber was soll ich denn mit einem Brautkleid?«

»Du sollst es unseren Kunden vorführen.«

Renato sagte das in einem Tonfall, der in etwa so klang wie: Bist du vollkommen bescheuert?

»Ausgeschlossen!«

So, Virginia hatte lang genug bei diesem seltsamen Spiel mitgemacht. Es war jetzt an der Zeit, diese Sache zu beenden. Sie war doch kein Model. Den Job würde sie offensichtlich nicht bekommen, da der Chef überhaupt nicht gefragt hatte, weshalb sie hier war. Sie war diesen Leuten gegenüber nicht verpflichtet. Entschlossen erhob sie sich vom Schminksessel.

»Das kannst du nicht machen!«

»Doch. Ich werde jetzt gehen.«

Renato drehte sich weg. Himmel, was tat er denn jetzt? War das Schluchzen? Zu viel – viel zu viel – Dramatik an einem einzigen Vormittag. Aber wenn Virginia mit einer Sache nicht umgehen konnte, dann waren das Tränen. Vor allem, wenn sie aus so traumhaft schönen Augen wie Renatos flossen.

»Schon gut, schon gut!«

»Du machst es also?«

Wenn sie es sich recht überlegte, dann hatte Renato sich aber blitzschnell erholt.

»Ja. Also her mit diesem Ranucci.«

Renato schnappte nach Luft, langte sich an die Brust.

»Ricucci!«

»Wie dem auch sei. Es ist nur ein Hochzeitskleid.«

Darauf sagte Renato nichts mehr. Aber sein Blick sprach Bände.

»Das sind keine Schuhe, das sind Folterwerkzeuge!«

»Wie kannst du so etwas sagen? Ricuccis Schuhe sind das Objekt der Begierde jeder Frau, die etwas auf sich hält.«

»Mag sein. Nett sehen sie ja aus. Aber ich kann unmöglich darin laufen.«

»Laufen sollst du auch gar nicht. Eher schreiten.«

»Schreiten? Kann ich noch nicht einmal in Ballerinas.«

»Egal. Virginia, du musst jetzt ohnehin raus.«

Renato hielt sie kurz an den Schultern fest und blickte ihr dabei tief in die Augen.

»Du musst nichts weiter tun als langsam, wie eine Braut auf dem Weg zum Altar, den goldfarbenen Teppich entlanglaufen. Klar?«

»Geht klar.«

»Also, dann mach es. Los.«

Gut.

Los.

Mamma mia, was war sie aufgeregt.

»Ach, Virginia?«

»Was gibt es denn noch?«

»Dieser Auftrag ist sehr wichtig für uns. Tu nichts Falsches, ja?«

Hervorragend! Dieser letzte Satz trug natürlich sehr dazu bei, ihre angespannten Nerven wieder zu beruhigen.

Kapitel 3

Natürlich hatte auch Virginia oft davon geträumt, am wichtigsten Tag ihres Lebens eine weiße Robe zu tragen. Nun hatte sie das auch geschafft. Sie hatte ein Ranucci-Kleid an – oder war es Ricucci? –, für das so manche Frau wahrscheinlich getötet hätte. Nur war der Tag eher bescheiden. Alles lief falsch, entglitt ihrer Kontrolle, entwickelte sich dramatisch. Und das Gegenstück zu ihrem weißen Traum aus Tüll fehlte auch. Virginia kam sich richtig dämlich vor. Ihre Mutter hätte wahrscheinlich mit ihr geschimpft. Zu Recht!

Trotzdem zog sie das Ding jetzt durch und ging den flauschigen Teppich entlang, der direkt in ein Zimmer führte. Sie hörte gedämpfte Stimmen aus dem Raum. Eine davon konnte sie inzwischen einordnen, da sie zu Amedeo, dem Chef, gehörte. Renato war während der Schminksession so nett gewesen, sie ein wenig aufzuklären. Es machte sie noch nervöser, wenn sie daran dachte, dass sie jetzt gleich wildfremde Menschen angaffen würden. Aber das machte letztendlich sowieso keinen Unterschied. Ihr Magen war zu einem harten Stein zusammengeschrumpft, während ihr Herz wahrscheinlich nicht bis zum Abend überleben würde.

Langsam sickerte eine Gewissheit zu ihr durch: Inzwischen wusste sie, wie das gemeint war mit der Flexibilität, die laut Anzeige mitzubringen war, wenn man für Per sempre arbeiten wollte. Virginia hatte ja nun hoffentlich gezeigt, dass sie zumindest in dieser Hinsicht kaum zu überbieten sein würde. Diesen Gedanken fand sie plötzlich unheimlich witzig. So witzig, dass sie sich das Lachen kaum verkneifen konnte. Sie schluckte. Grinste. Und schluckte. Betrat den Raum mit einem dämlichen Ausdruck auf dem Gesicht, hielt dabei den Brautstrauß wie ein Schutzschild vor sich und versuchte, alle neuen Details, die sich ihr boten, zu registrieren und einzuordnen. Was ihr natürlich nicht gelang. Am Rande nahm sie war, dass ein Paar anwesend war. Und eine etwas ältere Dame. Die Gesichter verschwammen jedoch undefiniert. Viel zu konzentriert war Virginia, sich dem wichtigen Kleid angemessen zu verhalten. Amedeo erzählte und erzählte. Lullte sie mit seiner Stimme so weit ein, dass sie sich sicher glaubte, wobei sich der Absatz ihrer viel zu hohen Schuhe im viel zu weichen Teppich verhedderte. Eben dachte sich noch Huch, jetzt falle ich!, und schon lag sie der Länge nach auf dem Bauch.

»Und dann?«

Ada machte große Augen, nippte abwesend an ihrem Getränk und kräuselte gleichzeitig die Oberlippe. Eine Geste, die mehr schlecht als recht versteckte, dass sie ein Lachen nur mit Mühe zurückhalten konnte.

»Und dann hat der Brautstrauß die Mutter der Braut direkt am Kopf getroffen.«

Virginia war nicht stolz auf dieses Detail. Da half Adas offenes Lachen auch nichts.

»Komm schon. Mach dir nichts draus. Brautmütter sind ohnehin meistens richtige Drachen.«

»So etwas in der Art …«

»Hat sie geschimpft?«

»Etwas, ja.«

Sie dachte an die aufgebrachten Worte der Dame, die sie direkt an Amedeo gerichtet hatte. Virginia selbst war ja nur das Model gewesen – also nicht wert, überhaupt als Lebewesen betrachtet zu werden. Ihr stieg immer noch die Schamesröte ins Gesicht.

»War die Braut wenigstens netter?«

»Nicht wirklich. Ziemlicher Snob.«

Ein bildschöner Snob. Wie viel davon echte Schönheit war, hatte sie in der Aufregung nicht bemerkt. Dass der Schönheitschirurg etwas nachgeholfen hatte, war aber allzu offensichtlich gewesen.

»Gemeine Brautmutter, versnobte Braut … lass mich raten: Der Bräutigam war hingegen geradezu perfekt, oder?«

Ja, das war er. Wenn es einen Signor Perfetto auf der Welt gab, dann war Virginia ihm wohl heute begegnet. Nur er hatte sich zu ihr hinuntergebeugt, um ihr aufzuhelfen.

»Alles in Ordnung?«, hatte er sie gefragt. Die Stimme allein hatte schon ausgereicht, um Virginias Körper mit Gänsehaut zu bedecken. Erst als Virginia zu ihm aufgeblickte, bemerkte sie, wie hervorragend er aussah. Kurz war sie in der Tiefe seiner Augen verschwunden. Braun, warm, geradezu magnetisch.

»Danke.«

»Das ist doch selbstverständlich.«

Ja, so selbstverständlich, dass nur er daran gedacht hatte.

»Machen Sie sich keine Sorgen. Jeder normale Mensch wäre mit solchen Schuhen gestolpert.«

»Ihre Verlobte wäre sicher nicht gefallen.«

Diese Feststellung war ihr einfach so herausgerutscht. Braut und Brautmutter waren so in ihrem Element und redeten so heftig auf Amedeo ein, dass sie gar nicht bemerkt hatten, wie sie sich mit dem Bräutigam unterhielt.

Der Mann hatte kurz überlegt. Genickt.

»Ja, da haben Sie wohl recht.«

In seiner Stimme war eine seltsame Wehmut, die Virginia mitten ins Herz getroffen hatte.

»Erzähl weiter!«

Adas Stimme holte Virginia zurück ins Hier und Jetzt.

»Amedeo hat die Anwesenden überredet, sich das Kleid trotz Malheur meinerseits doch noch genauer anzuschauen.«

»Haben sie sich überreden lassen?«

»Ja!«

»Himmel, dir muss man wirklich jedes Wort aus der Nase ziehen. Was dann?«

»Das Kleid hat ihnen doch so gut gefallen, dass sie letztendlich auch über Locations sprechen wollten.«

»Das klingt vielversprechend.«

»Per sempre wird vermutlich die Traumhochzeit des Jahres organisieren. Und ich habe es nicht ganz vermasselt.«

Worüber sie sich einerseits freute, weil das bedeutete, dass ihr Unfall nicht alles kaputt gemacht hatte, sie andererseits aber fast traurig stimmte, weil der arme Bräutigam ihr jetzt schon leidtat. Bei so einer Ehefrau und so einer Schwiegermutter würde er mit Sicherheit zeit seines Lebens untergebuttert werden. Und das verdiente er ganz und gar nicht. Virginia hatten die paar Minuten mit ihm gereicht, um seine Gutmütigkeit zu spüren.

Adas Handy, das aufdringlich läutete, unterbrach Virginias Gedankenfluss. Was ging sie das Schicksal des Mannes auch an?

Virginia widmete sich ihrem Essen. Wenigstens das konnte sie jetzt wohl genießen, war es doch der einzige Lichtblick eines ruinierten Tages.

Dem Gespräch ihrer Freundin brauchte sie gar nicht erst lauschen. Mehr als Aha und Mhm war offensichtlich nicht zu erwarten.

Als Ada das Gerät weglegte, war ihr Gesichtsausdruck derartig enigmatisch, dass Virginia sich kurz Sorgen machte.

Dann aber kam die Offenbarung.

»Das errätst du nie, wen ich gerade am Apparat hatte.«

Virginia dachte angestrengt nach. Dieses Spiel hatte sie bereits im Vorfeld verloren. Woher sollte sie auch wissen, wer ihre Freundin zur Mittagszeit anrief?

»Keine Ahnung. Eine deiner Mitbewohnerinnen?«

Ada machte ungeduldige Handbewegungen. »Amedeo!«

Hmm … Amedeo? Kannte Virginia einen Amedeo? Nein. Nur einer viel ihr ein. Aber der konnte unmöglich ihre Freundin angerufen haben. Oder etwa doch? Er hatte ja in der Bewerbungsvorphase Kontakt mit Ada gehabt. Mist. Bei ihrem Glück hatte sie beim Sturz das doofe Ranucci-Ricucci-Wie-auch-immer-Kleid beschädigt und musste sich jetzt versklaven, um es bis ans Ende ihrer Tage wieder zurückzahlen zu können.

Was für ein Albtraum!

Ihre Mutter hatte recht. Sie war eine wandelnde Katastrophe. Was sie auch anpackte, endete in einem mittelschweren Desaster.

»Mach es kurz.«

Ja, Virginia wollte natürlich wissen, was er gesagt hatte. Aber, wenn möglich, direkt und schmerzlos.

»Er wollte wissen, warum du davongerannt bist, ohne deine Kontaktdaten zu hinterlassen.«

Klar, die brauchte er wahrscheinlich, weil er ihr die Rechnung schicken wollte. Virginia war plötzlich schlecht. Selbst das tolle Mittagessen verschwor sich gegen sie.

»Ja, warum nur?«

Virginia hoffte, dass man zumindest die Ironie heraushörte.

»Der Bräutigam hat scheinbar etwas für dich dagelassen.«

Oh. Das machte sie aber jetzt neugierig. Ihr Kopf war so leer, wie ein Strand im Winter. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, um was es ging.

»Ein Trinkgeld, Virginia«, gab Ada endlich Auskunft.

Wofür das denn? Hielten die Leute sie für einen Hofnarren?

»Bevor du jetzt wieder in deine verwirrte, verstrickte Gedankenwelt gerätst: Das Trinkgeld bewahren sie für dich auf. Du kannst es dir nächsten Montag holen. Du bist nämlich eingestellt.«

Moment, Moment, Moment! Was war das gerade?

»Irre! Virginia zieht in die Großstadt!«

Ada freute sich sichtlich. Und Virginia war so überrascht, dass sie nur noch auf ihren Magen hören konnte, der rumorte und rebellierte. Vielleicht, wenn sie sich anstrengte, schaffte sie es noch rechtzeitig zur Toilette.

Kapitel 4

»Das kommt gar nicht in Frage!«

Mamma Lorenzas Reaktion war unerwartet heftig. Voller Freude und Stolz war Virginia nach Hause gefahren, um ihrer Familie sofort diese tolle Nachricht zu überbringen. Sie hatte endlich eine Arbeit. Lorenzas Veto aber verpasste ihrem Enthusiasmus einen ordentlichen Dämpfer.

»Ich dachte, du freust dich vielleicht für mich?«

Virginia ließ sich schwer auf den Küchenstuhl fallen. Nach all den Unfällen des Tages hatte sie jetzt eigentlich nur eine feste Umarmung gewollt. Nichts weiter.

»Also ich freue mich für dich«, meldete nonna Betta sich aus ihrem Schaukelstuhl zu Wort.

Dankbar blickte Virginia sie an. Zu mehr reichte ihre Energie gerade nicht aus.

»Mutter, bitte!«, zischte Lorenza.

»Ach komm schon, wo liegt das Problem?«, wollte die Ältere von ihr wissen.

»Ich mache mir halt Sorgen um sie. So ganz allein in einer Großstadt. Sie kann doch noch nicht einmal kochen.«

»Das wird sie schon lernen.«

»Und wo soll sie wohnen?«

»Ich bin mir sicher, dass sie etwas finden wird.«

Virginia schaute hin und her, fühlte sich dabei wie bei einem Tennismatch. Sie wollte ja einschreiten, um ihrer Mutter zu sagen, dass sie kein Kind mehr war und sehr wohl im Großstadt-Dschungel zurechtkommen würde, aber sie fand kein Loch, durch das sie ins Gespräch schlüpfen konnte.

»Nein. Das werde ich ihr nicht erlauben.«

»Lorenza, sie braucht keine Einwilligung. Sie ist alt genug.«

»Mutter!«

»Ja, Mutter! Ich werde nicht zulassen, dass du ihr Leben ruinierst, Lorenza. Sie hat diese tolle, einmalige Chance und sie wird sie nutzten. Und damit basta!«

Hoppla. So wütend hatte Virginia ihre nonna noch nie erlebt. Wegen ihr mussten sie jetzt doch nicht streiten! Derselben Meinung war wohl auch mamma Lorenza, die den Raum verließ.

»Nonna, ich danke dir für deinen Einsatz. Ich bin mir aber sicher, mamma wird einsehen, dass sie mich nicht halten kann.«

»Ja, das wird sie …«

Aber Bettas Augen leuchteten nicht wie sonst.

»Sei nicht traurig. Mamma mimt die Böse, um ihr gutes Herz zu schützen.«

»Ich weiß. Geh zu Bett, bambina mia. Alles wird sich richten.«

»Virginiaaaaaa!«

Manche Dinge änderten sich nie. Wie die Stimme ihrer Mutter, die sich in Virginias Traumwelt schlich, um sie unsanft herauszureißen.

»Virginiaaaaaaaaaaaaaaaa!«

»Ja doch!«

»Bist du endlich wach?«

»Ja-ha!«

»Dann beweg deinen Hintern endlich in die Küche. Ich muss mit dir reden!«

Verdammt. Dieses Ich muss mit dir reden! klang gar nicht gut. Aber was blieb ihr schon anderes übrig, als der Aufforderung nachzukommen?

Noch im Schlafanzug begab sich Virginia in die Küche. Sie wusste sehr wohl, dass ihre Mutter das nicht mochte. Lorenza war der Meinung, dass man immer, sogar in aller Früh, mit Besuch rechnen musste. Und was sollten die Besucher denken, wenn man die Tür im Schlafanzug öffnete?

Virginia würde sich anhören, was ihre Mutter zu sagen hatte. Auf jeden Fall würde sie aber ihre Arbeitsstelle antreten. Das wäre ja gelacht! Immerhin hatte sie sich bis ins Mark dafür blamiert! Und Ada würde sie bestimmt für die erste Zeit in ihrem WG-Zimmer aufnehmen. Nur so lange, bis Virginia selbst etwas fand. Das würde schon klappen. Es nervte sie arg, dass Lorenza sie noch immer bemutterte. Andererseits war das in Casaletto einfach so. Ja, sie lebten im tiefen Süden. Da spielte die Musik einfach anders. Aber jetzt war es an der Zeit, dass Virginia ihr eigenes Ding machte.

»Setzt dich!«

Kein buongiorno? Himmel, das waren ja auf einmal Sitten.

»Mamma, hör zu …«

»Sei still und hör mir zu!«

Das konnte ja heiter werden. Virginia jedenfalls hüllte sich zunächst in Schweigen. Nochmal wollte sie so früh am Morgen nicht angepöbelt werden.

»Ich habe mit nonna geredet.«

Instinktiv schaute Virginia auf den leeren Stuhl, der sonst immer von ihrer Oma besetzt war. Leer. Wo war sie nur? Hoffentlich hatte sie da keinen Familienstreit verursacht.

»Und?«

»Und sie hat sich angeboten, mit dir nach Salerno zu ziehen. Zumindest für die erste Zeit. Bis du dich eingelebt, bis du eine eigene Bleibe hast.«

Fragen und Gedanken flogen auf Virginia zu. Sie liebte ihre nonna. Aber das war doch nun wirklich kindisch!

»Sie freut sich drauf. Mach ihr gegenüber also bitte nicht dieses Gesicht.«

Ja. Ihr Gesicht. Es fühlte sich gerade an wie aus Marmor.

Wieso überschlugen sich die Ereignisse bei ihr nur dauernd? Und wieso gingen die Ereignisse stets so unerwartete Wege?

»Es ist hier, nonna.«

Virginia schaute zum wiederholten Mal auf die Notiz, die sie sich gemacht hatte. Die Hausnummer stimmte. Das Gebäude sah sehr gut aus.

»Wie gut, dass sich Cettinas Erben noch nicht einig sind, was aus dieser Wohnung hier werden soll.«

»Ja. Da hattest du eine wirklich tolle Eingebung. Und wir können die Räume erst einmal für einen tollen Preis nutzen.«

»Ich bin ja gespannt auf die Möbel.«

»Mich interessiert viel mehr das Bad.«

Virginia tolerierte alles, aber kein heruntergekommenes Bad. Da war sie pingelig. Zum Glück stellten sich die Bedenken der zwei Frauen als unnötig heraus.

»Schön ist es hier! Schau mal, der Blick geht direkt auf den Dom.«