Ivanhoe - Walter Scott - E-Book

Ivanhoe E-Book

Walter Scott

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Beschreibung

England im Mittelalter: König Richard Löwenherz befindet sich auf Kreuzzug im Heiligen Land. Derweil herrschen unter seinem Bruder und Statthalter Willkür und Chaos, und die alte Rivalität zwischen Normannen und Angelsachsen flammt wieder auf. Da zieht der tapfere Ritter Ivanhoe, angetrieben von seiner Liebe zu der schönen Rowena, in den Kampf für den König. Unterstützt wird er von einem geheimnisvollen Schwarzen Ritter sowie Räuberhauptmann Robin Hood. – Mit »Ivanhoe« schuf Walter Scott einen abenteuersatten historischen Roman, der Fakten und Legende kunstvoll ineinander verwebt.

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Seitenzahl: 778

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Walter Scott

Ivanhoe

Historischer Roman

Aus dem Englischen von Elise von Hohenhausen

Anaconda

Titel der englischen Originalausgabe: Ivanhoe (Edinburgh: Constable 1820). Die Übersetzung folgt der Ausgabe Halle a. S.: Paalzow o. J. [um 1913]. Orthografie und Interpunktion wurden den Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst.

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2021 by Anaconda Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotive: August Spieß (1841–1923), »Parzival fordert den König von Cumberland, der sich über ihn lustig macht, zum Zweikampf heraus«, aus dem Parzival-Zyklus, Sängersaal, um 1883–1884 (Wandgemälde), Schloss Neuschwanstein / De Agostini Picture Library / A. Dagli Orti / Bridgeman Images (Ritter). – Albert Charles August Racinet (1825–1893), »Middle Ages«, plate 44 from Polychromatic Ornament: One Hundred Plates in Gold, Silver and Colours (1873), Brooklyn Museum of Art, New York, Bridgeman Images (Ornamentik)

Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de

Satz und Layout: www.paque.de

ISBN 978-3-641-28390-2V002

www.anacondaverlag.de

1. Kapitel

So lebten sie, als abends nach der HütteDie Schweine kehrten, statt nach ihrer SitteSich heftig sträubend, lärmend, heulend, trägeUnd doch bezwungen durch die Macht der Schläge.

Homer, »Odyssee«

In der anmutigen Provinz des glücklichen England, die der Fluss Don durchströmt, breitete sich in alter Zeit ein großer Wald aus und bedeckte die reizenden Hügel und Täler, die zwischen Sheffield und der freundlichen Stadt Doncaster liegen. Die Überreste dieser ausgedehnten Waldung gewahrt man noch rings um die Rittersitze Wentworth, Warncliffe Park und bei Rotherham. Hier hauste einst der fabelhafte Drache von Wantley, hier wurde manche verzweiflungsvolle Schlacht im Bürgerkrieg der weißen und roten Rose geschlagen und hier lebten in alten Zeiten jene Banden tapfrer Räuber, deren Taten durch englische Volkslieder überall verbreitet wurden.

Hier ist der Hauptschauplatz unserer Erzählung; ihre Zeit geht bis gegen das Ende der Regierung Richards I. zurück, wo dessen Rückkehr aus langer Gefangenschaft von seinen verzweifelnden Untertanen, die jeder Art Bedrückung ausgesetzt waren, mehr gewünscht als gehofft wurde. Der Adel, dessen Macht während Stephans Regierung unbegrenzt geworden war und den nur die Klugheit Heinrichs II. der Krone unterwürfig gemacht, überließ sich jetzt wieder seiner Willkür, er verwarf den ohnmächtigen Einspruch des englischen Staatsrats, befestigte seine Schlösser, verstärkte die Zahl seiner Hörigen, brachte alles in einen Stand der Vasallenschaft und strengte alle Kräfte an, um sich, jeder in seinem Kreis, an die Spitze einer Macht zu stellen, die eine große Rolle in den bevorstehenden Staatserschütterungen spielen könnte.

Die Lage des niederen Adels oder der Franklins, wie man sie nannte, die durch Gesetz und Geist der englischen Konstitution berechtigt waren, sich unabhängig vom hohen Adel zu erhalten, wurde schwankend. Wenn er, was am öftesten geschah, sich unter den Schutz eines der kleinen Könige der Nachbarschaft begab, in dessen Haus Lehnsdienste annahm oder sich durch Bündnis verpflichtete, ihm in seinen Unternehmungen beizustehen, so konnte er damit eine augenblickliche Sicherheit erkaufen, aber dann wurde jene Unabhängigkeit geopfert, die jedem englischen Herzen teuer ist, und er war gewiss, als Partei in irgendein unbesonnenes Unternehmen verwickelt zu werden, zu dem der Ehrgeiz seinen Schutzherrn verleitete. Auf der anderen Seite waren die Mittel der großen Barone zur Unterdrückung und Plage so vielfältig, dass es ihnen nie an einem Vorwand und selten an dem Willen fehlte, bis zum Äußersten diejenigen ihrer weniger mächtigen Nachbarn zu verfolgen und zu quälen, die es wagten, sich von ihrer Oberherrschaft zu trennen und in diesen gefahrvollen Zeiten allein auf ihr tadelloses Betragen und die Gesetze des Landes vertrauten.

Ein Umstand, der sehr dazu beitrug, die Tyrannei des Adels und die Bedrängnis der niederen Klassen desselben zu erhöhen, entsprang aus den Folgen der Eroberung des Herzogs Wilhelm von der Normandie. Vier Generationen hatten das feindliche Blut der Normannen und Angelsachsen nicht vermischen, noch durch gleiche Sprache und gleiche Interessen zwei feindliche Stämme miteinander vereinigen können. Der eine fühlte stets den Stolz des Siegers, während der andere unter den Folgen der Niederlage schmachtete. Durch die Schlacht von Hastings kam die Macht ganz in die Hand des normännischen Adels, und dieser machte, wie unsere Geschichtsschreiber berichten, davon keinen milden Gebrauch. Das ganze Geschlecht der sächsischen Fürsten und Edeln wurde entweder ausgerottet oder, mit wenigen Ausnahmen, ihres Erbteils beraubt; die Zahl derjenigen, die in dem Land ihrer Väter als Eigentümer Land besaßen, war darum nicht groß. Die königliche Gewalt hatte sich lange bemüht, durch jedes gesetzliche und ungesetzliche Mittel die Macht desjenigen Teils der Bevölkerung zu schwächen, der, wie man mit Recht glaubte, tief eingewurzelte Abneigung gegen seine Besieger nährte. Alle Könige aus normannischem Stamm zeigten beständig Vorliebe für ihre normännischen Untertanen. Harte Gesetze, die dem milden, freien Geist der sächsischen Verfassung unbekannt, wurden dem Nacken der unterjochten Einwohner aufgebürdet, bei Hof und in den Schlössern der Großen, die den Glanz und die Pracht des Hofes nachahmten, wurde nur normännisch-französisch gesprochen, in den Gerichtshöfen erfolgten die Urteile und Klagen in dieser Sprache, kurz, Französisch war die Sprache der Vornehmen, der Ritterschaft und selbst der Gerechtigkeit, während das ausdrucksvolle Angelsächsische allein den Landleuten und Knechten überlassen blieb, die keine andere Sprache kannten. Die notwendige Gemeinschaft zwischen dem Herrn des Grundes und seinem Bebauer verursachte indes die allmähliche Bildung einer Mundart, aus dem Französischen und Angelsächsischen zusammengesetzt, in welcher sie sich einander verständlich machen konnten; aus dieser Notwendigkeit entstand nach und nach unsere englische Sprache, in welcher sich die Sprachen der Sieger und der Besiegten glücklich vermischten und die seitdem durch Worte aus den klassischen Sprachen und denen der Südländer Europas bereichert worden ist.

Ich fand es für notwendig, diesen Zustand der Dinge der Mehrzahl meiner Leser bekannt zu machen, damit sie nicht vergessen, dass, obgleich keine großen geschichtlichen Ereignisse wie Krieg oder Aufstand die Existenz der Angelsachsen als eines besonderen Volkes während der Regierung Wilhelms II. bezeichneten, dennoch eine Nationalverschiedenheit zwischen ihnen und ihren Siegern, so wie die Erinnerung dessen, was sie waren, im Vergleich dessen, wozu man sie gebracht hatte, fortdauernd bis zur Regierung Edwards III. bestanden hat. Die Wunden, die der Sieger geschlagen und offen hielt, bildeten eine Trennung zwischen den Abkömmlingen der siegenden Normannen und denen der überwundenen Sachsen.

Heller Sonnenschein leuchtete auf einen der reichen Grasplätze jenes Waldes, dessen wir im Anfang dieses Kapitels erwähnten. Hunderte von kurzstämmigen Eichen, die einst Zeugen des prächtigen Aufzugs der römischen Legionen gewesen waren, beschatteten mit ihren breiten, knotigen Zweigen den dichten grünen Teppich des Rasens; an manchen Stellen waren sie mit Buchen, Pappeln und anderen Bäumen so dicht bewachsen, dass die schrägen Strahlen der sinkenden Sonne nicht hindurchdringen konnten. An anderen Orten bildeten sie lange Durchsichten, in denen sich das Auge gern verliert, während die Einbildungskraft sie als die Eingänge zu noch romantischeren Erscheinungen waldiger Einsamkeit betrachtet. Die roten Strahlen der untergehenden Sonne verbreiteten hier einen milden, glanzlosen Schimmer, der die Zweige und moosigen Stämme der Bäume beleuchtete; so zeigte auch der Rasen hin und wieder glänzende Flecken, den Weg der Sonne bezeichnend. Ein großer, offener Raum in der Mitte des Grasplatzes schien ehedem den Druiden geweiht gewesen zu sein, denn auf dem Gipfel eines Hügels, der in seiner Regelmäßigkeit ein Werk von Menschenhänden zu sein schien, sah man die Überreste eines Kreises von großen roten, unbehauenen Steinen. Sieben davon standen aufrecht, die übrigen waren vielleicht durch den Eifer eines zum Christentum Bekehrten zertrümmert; einige lagen unfern ihres alten Platzes, andere an der Seite des Hügels. Ein einziger breiter Stein war ganz heruntergefallen und hatte den Lauf eines kleinen Baches gehemmt, der sich um den Fuß des Hügels wand und ein sanftes Murmeln hören ließ.

Die menschlichen Gestalten in dieser Landschaft waren zwei an der Zahl; sie trugen in Kleidung und Aussehen den rauen Charakter der Waldbewohner des westlichen Teiles von Yorkshire in damaliger Zeit. Der Älteste der beiden sah ernst, wild und düster aus. Seine Kleidung war so einfach wie möglich, sie bestand aus einer engen Jacke mit Ärmeln, die aus dem gegerbten Fell eines Tieres gefertigt war, an welchem das Haar geblieben, doch war es so sehr abgetragen, dass es schwer gewesen sein würde, die Tierart zu bestimmen, der einst dieser Pelz gehörte. Dies Kleidungsstück reichte von der Kehle bis zu den Knien und bedeckte somit den ganzen Körper, seine einzige Öffnung war groß genug, um den Kopf durchstecken zu können; daraus ging hervor, dass es wie ein Hemd über Kopf und Schultern angezogen werden musste. Sandalen, mit Riemen aus Schweinsleder festgebunden, schützten die Füße und eine Rolle von dünnem Leder war künstlich um die Beine gewunden und ließ, über der Wade aufhörend, die Knie nach Weise der Schottischen Hochländer nackt. Damit die Jacke fester anschließen sollte, wurde sie in der Mitte durch einen breiten ledernen Gürtel mit metallener Schnalle zusammengehalten; auf einer Seite desselben hing eine Tasche, auf der anderen ein Widderhorn, mit einem Mundstück zum Blasen eingerichtet. In diesem Gürtel steckte auch noch ein langes, breites, spitzes, zweischneidiges Messer mit einem Griff von Hirschhorn, welches in der Nachbarschaft verfertigt war und schon damals den Namen eines Sheffieldmessers trug. Der Mann hatte keine andere Kopfbedeckung als sein starkes Haar, welches, zusammengebunden und geflochten, durch die Sonnenstrahlen wie dunkelrot erschien und einen Kontrast mit dem die Wangen bedeckenden Bart bildete, der bernsteinfarbig war. Ein sehr merkwürdiges Stück seines Anzuges darf nicht übergangen werden, es war ein metallener, einem Hundehalsband ähnlicher Ring, der ohne Öffnung so fest um den Hals geschlossen war, dass er kaum das freie Atemholen gestattete; er konnte nur durch die Feile geöffnet werden. Auf diesem Halsschmuck stand mit sächsischen Buchstaben eine Inschrift folgenden Inhalts: »Gurth, der Sohn von Beowulf, ist der Leibeigene des Cedric von Rotherwood.«

Außer diesem Schweinehirten, denn das war Gurths Amt, saß auf den Trümmern des Druiden-Males ein Mann, der um zehn Jahre jünger schien und dessen Kleidung, obgleich im Schnitt der seines Kameraden ähnlich, doch von besseren Stoffen war und ein mehr fantastisches Aussehen hatte. Seine Jacke hatte einst eine helle Purpurfarbe gehabt, auf welche groteske Zierraten in verschiedenen Farben gemalt waren. Der Mantel von karmesinrotem Tuch ging nur bis zur Hälfte der Gestalt, war sehr abgetragen und hellgelb eingefasst; da er von einer Schulter zur anderen und rund um den Leib geschlagen werden konnte, so bildete seine Weite im Verein mit seiner Kürze ein wunderliches Kleidungsstück. Der Mann trug dünne silberne Armbänder und um seinen Hals ein Band von demselben Metall mit der Inschrift: »Wamba, der Sohn des Witless, ist der Leibeigene des Cedric von Rotherwood.« Er trug Sandalen wie sein Gefährte, doch statt der ledernen Rolle um seine Beine eine Art Gamaschen, wovon der eine rot, der andere gelb war. Sein Hut war mit einer Menge von Schellen, wie man sie den Falken anhängt, geziert und klangen, sooft er den Kopf bewegte; und da er keine Minute ruhig blieb, so gab es ein ewiges Geklingel. Um die Spitze des Hutes zog sich ein zackiges Lederband, das die Gestalt einer Krone hatte, und von diesem hing ein Beutel bis auf die Schulter nieder, der auch Schellen trug. Diese Kopfbedeckung und der halb listige und halb verrückte Ausdruck im Gesicht des Mannes verrieten, dass er zu jener Klasse von Hausnarren gehörte, die den Reichen, welche gelangweilt in ihren Schlössern saßen, zur Unterhaltung dienen mussten. Er trug wie sein Gefährte eine Tasche in seinem Gürtel, doch weder Horn noch Messer, vermutlich weil man es für gefährlich hielt, der Klasse, zu der er gehörte, schneidende Instrumente anzuvertrauen; stattdessen war er mit einem hölzernen Schwert bewaffnet.

Die äußere Erscheinung dieser beiden Menschen bildete keinen größeren Kontrast als ihre Blicke und ihr Benehmen. Das des Hirten und Leibeigenen war trübe und düster; sein Blick mit dem Ausdruck tiefer Niedergeschlagenheit zu Boden gekehrt, schien Fühllosigkeit auszusprechen, hätte nicht das Feuer, das oft in seinem Auge glänzte, verraten, dass unter diesem dumpfen Kleinmut das Gefühl des Unterdrücktseins und die Neigung zum Widerstand schlummerten. Die Blicke des Narren hingegen zeigten die bei Menschen seines Schlages gewöhnliche müßige Neugier und immerwährende Unruhe, begleitet von der größten Zufriedenheit über seine Lage und seinen Anzug. Das Gespräch zwischen ihnen wurde im Angelsächsischen geführt, welches allein von den niederen Klassen gesprochen wurde, von Ausnahme der normännischen Soldaten, und den unmittelbar von den hohen Lehnsherren abhängenden Personen.

»Möchte doch der heilige Withold die verdammten Schweine holen«, sagte der Schweinehirt, nachdem er aus allen Kräften in sein Horn gestoßen hatte, um die zerstreute Herde zu sammeln, welche, obgleich sie den Ruf ebenso melodisch beantwortete, sich doch nicht von dem reichen Mahl aus Eicheln wegbegeben wollte; ebenso wenig bezeigte sie Lust, die morastigen Ufer des Flusses zu verlassen, wo einige sich recht bequem im Schlamm wälzten und durchaus nicht auf den Ruf achteten. »Der heilige Withold hole sie und mich«, sagte Gurth, »wenn der zweibeinige Wolf nicht noch einige vor Nacht wegschnappt, so will ich kein ehrlicher Mann sein. – Hier! Fangs! Hier!«, schrie er einem zottigen, wolfähnlichen Hund zu, einer Art Dachs, halb Bullenbeißer, halb Windspiel, der hin und her hinkte, um die widerspenstigen Grunzer seinem Herrn sammeln zu helfen, aber in der Tat, entweder weil er des Hirten Signale nicht verstand oder vorsätzlich bösen Willen hatte, sie nur umhertrieb und so das Übel vermehrte, statt ihm abzuhelfen. »Der Teufel mag dem die Zähne ausreißen«, sagte Gurth, »und seine Großmutter den Waldläufer quälen, der unseren Hunden die Vorderpfoten stutzt und sie zu ihrer Arbeit unbrauchbar macht! – Wamba! Auf, und hilf mir, wenn du ein braver Kerl bist, lauf um den Hügel herum, dass du hinter sie kommst. Hast du ihnen den Wind abgewonnen, so kannst du sie wie unschuldige Lämmer vor dir hertreiben.«

»Wahrhaftig«, sagte Wamba der Narr, ohne sich von der Stelle zu rühren, »ich habe meine Beine darüber befragt, und sie sind der Meinung, dass, wenn ich meine Kleider durch diese Pfützen treibe, ich schlecht an meiner hohen Person und königlichen Garderobe handeln würde; darum, Gurth, rate ich dir, rufe den Fangs ab und überlasse die Herde ihrem Schicksal, welches, sie mögen auf reisende Soldaten, Räuber oder wandernde Pilger stoßen, doch kein anderes sein wird, als dass sie zu deiner nicht geringen Freude und Bequemlichkeit in Normannen verwandelt werden.«

»Die Schweine in Normannen?«, fragte Gurth. »Erkläre mir das, Wamba, mein Gehirn ist zu dumm und mein Gemüt zu geplagt, um Rätsel zu erraten.«

»Wie nennst du die grunzenden Tiere, die auf vier Beinen laufen?«, fragte Wamba.

»Schweine, Narr, Schweine!«, sagte der Hirt. »Jeder Narr weiß das.«

»Und Schweine ist gut sächsisch«, sagte der Hausnarr. »Aber wie nennt ihr die Sau, wenn sie ausgenommen, gebrüht und aufgehangen ist wie ein Hochverräter?«

»Porc!«, erwiderte der Schweinhirt.

»Ich bin froh, dass das auch jeder Narr weiß«, sagte Wamba, »und porc, denke ich, ist gut Normannisch; Französisch – wenn das Tier lebt und von einem sächsischen Leibeigenen bewacht wird, so hat es seinen sächsischen Namen; doch es wird ein Normann und porc genannt, wenn es, in ein stattliches Schloss gebracht, den Edelleuten zum Mahl dient. Was meinst du dazu, Freund Gurth?«

»Die Lehre ist richtig, Freund Wamba, obgleich sie in einem Narrenschädel entstanden.«

»Nun, ich kann dir noch mehr sagen«, fuhr Wamba in demselben Ton fort, »da ist der ehrliche Alderman Ochs, der behält seinen sächsischen Namen, weil er von Dienstbaren und Leibeigenen bewacht wird, aber er wird sogleich zum boeuf, einem stolzen, galanten Franzosen, wenn er vor die vornehmen Kinnladen, die bestimmt sind, ihn zu verzehren, kommt; Mynherr Kalb wird auf diese Art Monsieur de veau; er ist ein Sachse, wenn er Aufsicht fordert, und wird ein Normann, sobald er ein Gegenstand des Genusses wird.«

»Beim heiligen Dunstan!«, antwortete Gurth. »Du sprichst nur traurige Wahrheiten aus; man hat uns nicht viel mehr gelassen als die Luft, die wir einatmen, und auch diese scheint man uns ungern und nur darum gelassen zu haben, weil wir die Lasten tragen sollen, die sie unseren Schultern aufbürden. Das Beste und Fetteste ist für ihren Tisch, das Hübscheste für ihr Bett, die Bravsten müssen als Soldaten zu fremden Herren, ihre Knochen bleichen in fernen Ländern und nur wenige bleiben zurück, die Macht und Willen hätten, die unglücklichen Sachsen zu beschützen. Gott segne unseren Herrn Cedric, der hat gehandelt wie ein Mann; aber Reginald Front-de-Boeuf durchzieht das Land in Person, und wir werden sehen, wie wenig Cedrics Mühe und Sorge ihm helfen werden. Hier, hier!«, rief er wieder, seine Stimme erhebend. »So, ho, so, ho, recht so, Fangs! Du hast sie nun alle vor dir und treibst sie wacker fort.«

»Gurth!«, sagte der Narr. »Du hältst mich für einen dummen Teufel, sonst würdest du nicht so leicht deinen Kopf zwischen meine Zähne stecken. Ein Wort zu Reginald Front-de-Boeuf oder Philip de Malvoisin, dass du von Verräterei gegen die Normannen gesprochen hast, und du bist ein abgesetzter Schweinehirt und wirst bald an einem dieser Bäume baumeln, zum Schrecken derer, die von hohen Herren übel reden.«

»Hund! Du wirst mich nicht verraten«, sagte Gurth, »nachdem du mich zu solchen Reden verleitet hast.«

»Dich verraten!«, antwortete der Narr. »Nein, das schickt sich nur für einen weisen Mann, ein Narr weiß sich anders zu helfen; doch still! Wer ist hier?«, sagte er, indem er auf den hörbar werdenden Hufschlag mehrerer Pferde lauschte.

»Das kümmert mich nicht«, antwortete Gurth, der seine Herde vor sich her und mit Fangs’ Hilfe durch einen dunklen Baumgang trieb.

»Ich aber will die Reiter sehen«, rief Wamba, »sie kommen wohl aus dem Feenland, mit einer Botschaft des Königs Oberon.«

»Der Henker hole dich!«, rief der Schweinehirt. »Wie magst du von solchen Dingen reden, während ein fürchterlicher Sturm mit Donner und Blitz wenige Meilen von uns tobt. Horch, wie der Donner rollt, ich sah im Sommerregen niemals solch fette Tropfen herabfallen. Obgleich hier noch alles ruhig ist, so seufzen und krachen schon sturmahnend die alten Eichen mit ihren großen Ästen; spiele den Starken, wenn du willst, diesmal glaube mir und lass uns nach Hause gehen, ehe der Sturm anfängt, das wird eine entsetzliche Nacht werden.«

Wamba folgte seinem Gefährten, der seinen Weg fortsetzte, nachdem er einen kurzen Stab vom Gras aufgehoben hatte, und hastig durch den Waldplatz mit Fangs’ Beistand die ganze Herde vor sich hertrieb.

2. Kapitel

Da war ein Mönch, geschickt, ein Lord zu sein,Der liebte Pferde, Mädchen, Jagd und Wein,Ein kühner Mann zu einem Abt gewandt,Manch edel Ross in seinem Stalle stand,Und wenn er ritt, sein Zügel fast erklangMit leichtem Rauschen, tönend wie GesangDem fernen Horcher, laut doch und helleSowie das Glöckchen einer Betkapelle.

Geoffrey Chaucer, »Die Canterbury-Erzählungen«

Trotz Ermahnungen und Schelten seines Gefährten konnte Wamba, da das Pferdegetrappel näher kam, nicht verhindert werden, bei jeder Gelegenheit auf der Straße sich aufzuhalten. Bald riss er von einem Haselstrauch ein Büschel halb reifer Nüsse herunter, bald guckte er einem Bauernmädchen nach, das über seinen Weg ging. Die Pferde und Reiter hatten sie auf diese Weise bald eingeholt.

Es waren ihrer zehn, wovon die beiden Vorausreitenden Leute von Bedeutung, die anderen ihr Gefolge zu sein schienen. Es war nicht schwer, Charakter und Stand des einen dieser beiden Männer zu bestimmen: er war unzweifelhaft ein Geistlicher von hohem Rang; seine Kleidung, die eines Zisterzienser-Mönchs, bestand aus feineren Stoffen, als dies die Regel dieses Ordens zulässt. Mantel und Kappe waren von dem besten flämischen Tuch und fielen in weiten, geschmackvollen Falten um seine hübsche, wohlgenährte Gestalt. Seine Physiognomie zeigte ebenso wenig von Selbstverleugnung als seine Kleidung von Verachtung weltlichen Glanzes. Seine Gesichtszüge hätte man einnehmend nennen können, ohne das Blinzeln, welches unter dem gesenkten Augenlid lauerte und den vorsichtigen Wollüstling verriet. Außer diesem hatten ihm sein Amt und seine Stellung eine große Gewalt über sein Gesicht gegeben, welchem er, sobald er wollte, ein feierliches Ansehen gab, obgleich dessen natürlicher Ausdruck gut gelaunte, gesellige Nachsicht war. Gegen die Klosterregeln und die Edikte der Päpste und Konzilien waren die Ärmel seines Amtsrocks mit kostbarem Pelzwerk besetzt und gefüttert, sein Mantel am Hals mit einem goldenen Schloss befestigt und seine ganze Ordenskleidung so verfeinert und verziert wie die einer Quäkerschönheit heutiger Zeit, die, Form und Farbe ihrer Sekte beibehaltend, bei aller ihrer Einfachheit doch durch die Wahl der Stoffe und die Art, sie zu ordnen, sich einen Anstrich von Koketterie gibt, der gar sehr nach den Eitelkeiten dieser Welt schmeckt.

Dieser würdige Diener der Kirche ritt auf einem wohlgenährten Maultier, dessen Reitzeug schön verziert war; der Zaum war nach der Sitte jener Zeit mit silbernen Glöckchen behängt. Er ritt nicht mit klösterlicher Ungelenkheit, sondern wie ein geübter Reiter. In der Tat schien auch der demütige, obgleich gut zugerittene Maulesel von dem galanten Mönch nur auf der Heerstraße benutzt zu werden. Ein Laienbruder in seinem Gefolge führte für andere Gelegenheiten einen der schönsten spanischen Hengste bei sich, die je Andalusien erzeugte; damals wurden diese von Handelsleuten mit großer Mühe und Gefahr für Personen von hohem Rang und Reichtum nach England gebracht. Sattel und Satteldecke dieses prächtigen Zelters waren mit einem langen Teppich bedeckt, der bis zur Erde herabhing und auf welchem Bischofsmützen, Kreuze und andere kirchliche Embleme reich gestickt waren. Ein anderer Laienbruder führte ein Saum-Maultier, das mit dem Gepäck belastet war, und zwei Mönche desselben Ordens ritten hinter ihm, untereinander scherzend und lachend, ohne sich im Mindesten um die anderen Mitglieder der Reiterschar zu kümmern.

Der Gefährte des Prälaten war ein älterer Mann, schlank, mager, aber stark und muskulös gebaut, eine Athletengestalt, dem lange Strapazen und beständige Bewegung wenig von Fleisch übrig gelassen, sondern ihn fast ganz in Knochen, Adern und Sehnen verwandelt hatten. Er hatte der tausendfachen Mühen getragen und war zu weiteren bereit. Sein Kopf war mit einer scharlachroten, mit Pelz verbrämten Mütze nach Art derjenigen, welche die Franzosen wegen ihrer Ähnlichkeit mit einem umgestürzten Mörser mortier nennen, bedeckt. Sie ließ das Gesicht des Reiters frei, und dieses trug einen Ausdruck, der dem Fremden nicht Furcht, aber Achtung einflößte. Seine stolzen Gesichtszüge waren durch die tropische Sonne fast bis zur Negerschwärze gebräunt und schienen in der Ruhe wie nach dem Sturm vorübergegangener Leidenschaften zu schlummern, allein die stark hervortretenden Adern auf der Stirn, die Schnelligkeit, womit die Oberlippe mit ihrem dicken schwarzen Stutzbart bei der leichtesten Erregung zuckte, ließen ahnen, dass der Sturm leicht zu erwecken sei. Des Mannes kühne, durchdringend schwarze Augen verkündeten bei jedem Blick die Geschichte überwundener Schwierigkeiten und bestandener Gefahren und schienen Widerstand herauszufordern, geübten Mut und festen Willen zu zeigen. Eine tiefe Narbe an seiner Stirn erhöhte den Ernst seines Gesichts, ebenso der Ausdruck des einen Auges, welches bei Entstehung jener Narbe gleichfalls leicht beschädigt worden und völlig gesund einen schiefen Blick hatte.

Das Oberkleid dieses Mannes glich in der Form ganz dem seines Gefährten; es war ein langer Klostermantel, doch feine scharlachrote Farbe zeigte, dass er zu keinem der vier regelmäßigen Mönchsorden gehörte. Auf der rechten Schulter war auf den Mantel ein achteckiges Kreuz geheftet. Dies Oberkleid verhüllte etwas, was beim ersten Anblick nicht zu ihm zu passen schien, nämlich ein Panzerhemd mit Ärmeln und Handschuhen von gleicher Art, seltsam gearbeitet und durchwebt, sodass es sich ebenso an den Körper schmiegte wie jene, die auf dem Strumpfwirkerstuhl von weicheren Stoffen gearbeitet werden. Seine Schenkel, soweit sie der Mantel sichtbar ließ, waren auch mit Metallplatten bedeckt. Knie und Füße schützten dünne, künstlich zusammengefügte Stahlplatten; ein Schuppenstrumpf, der vom Knöchel bis zum Knie reichte, vollendete die Rüstung des Reiters. In seinem Gürtel trug er als einzige Verteidigungswaffe einen langen, zweischneidigen Dolch.

Er ritt nicht wie sein Gefährte auf einem Maultier, sondern auf einem tüchtigen Klepper, um sein edles Streitross zu schonen, welches ein zum Kampf gerüsteter Knappe ihm nachführte; dieser trug eine schützende Platte vor dem Haupt, von der eine kurze Spitze ausging. An der einen Seite seines Sattels hing eine kurze, reich damaszierte Streitaxt, an der anderen des Reiters befiederter Helm und Sturmhaube nebst einem langen, zweigriffigen Schwert, wie es die Ritter in jener Zeit trugen. Ein zweiter trug die Lanze seines Herrn aufrecht, von deren Spitze ein schmaler Streifen herabflatterte, den ein Kreuz gleich dem, das auf den Mantel gestickt war, zierte. Der Knappe trug auch des Herrn kleines dreieckiges Schild, oben breit genug, um die Brust zu schützen und dann spitz zulaufend. Das Scharlachtuch, das es bedeckte, verhinderte, seine Devise zu sehen. Diesen beiden Waffenträgern folgten zwei Diener, deren dunkle Gesichtsfarbe, weiße Turbane und orientalische Kleidung sie als die Söhne des Morgenlandes bezeichneten. Der ganze Aufzug dieses Kriegers hatte etwas Gewaltiges und Ausländisches, die Kleidung seiner Knappen war kostbar, und seine orientalischen Diener trugen silberne Halsbänder und Spangen von demselben Metall um ihre schwarzbraunen Arme und Beine, wovon die ersten vom Ellbogen an und die anderen vom Schenkel bis zum Knöchel nackt waren. Seide und Stickerei zeichnete ihre Kleidung aus und machten den Reichtum und das Ansehen ihres Herrn kund, indem sie zugleich einen auffallenden Kontrast mit der kriegerischen Einfachheit seines eignen Anzugs bildeten. Sie waren mit krummen Säbeln bewaffnet, deren Griffe und Scheiden mit Gold ausgelegt glänzten, und mit türkischen Dolchen von noch köstlicherer Arbeit. Jeder von ihnen trug an dem Sattelknopf ein Bündel Pfeile oder Wurfspieße mit scharfen Stahlspitzen; diese Waffe war bei den Sarazenen sehr gebräuchlich, und ihr Andenken ist noch in dem kriegerischen Spiel El Jerrid aufbewahrt, welches im Morgenland häufig stattfindet.

Die Pferde dieser Diener sahen ebenso fremdartig aus als ihre Reiter; es waren Sarazenen-Rosse, also arabischer Abkunft, und ihre feinen, schlanken Glieder, ihre dünnen Mähnen, schmalen Hufe und ihr leichter, springender Gang bildeten einen gewaltigen Kontrast mit den stark gebauten, schweren Rossen, deren Rasse in Flandern oder der Normandie gezogen wurde, um die Ritter jener Zeit in ihrem vollen Panzer tragen zu können: neben den morgenländischen Rennern sahen sie wie das Wesen neben dem Schatten aus.

Der wunderbare Aufzug dieser Reiterschar zog nicht allein Wambas Neugierde auf sich, sondern auch die seines minder beweglichen Gefährten. Im Mönch erkannte er sogleich den Prior der Jorvaulx-Abtei, welcher in der ganzen Gegend als ein Freund der Jagd, der Tafelfreuden und, wenn das Gerücht ihm nicht unrecht tat, auch anderer, noch weniger mit den Mönchsgelübden sich vertragender weltlicher Vergnügungen bekannt war.

Doch die Begriffe jener Zeit waren in Hinsicht des Betragens der Geistlichkeit so lockere, dass Prior Aymer dennoch in der Nachbarschaft seiner Abtei einen guten Ruf besaß. Seine Jovialität und die Leichtigkeit, womit er Absolution von allen Sünden zu erteilen pflegte, machten ihn beim hohen Adel und dem vornehmen Bürgerstand sehr beliebt. Da er aus einer vornehmen normannischen Familie stammte, so war er mit manchen unter ihnen verwandt. Die Damen insbesondere richteten die Aufführung eines Mannes nicht zu streng, der ein erklärter Bewunderer ihres Geschlechts war und manche Mittel besaß, die Langeweile zu vertreiben, die sich so leicht in die Hallen der alten Adelsschlösser einzuschleichen pflegte. Der Prior ergab sich mit Eifer der Jagd; er galt dafür, die besten abgerichteten Falken und die flinksten Windhunde in den nördlichen Provinzen zu besitzen. Mit den Alten überließ er sich anderen Lustbarkeiten, bei welchen er, wenn es darauf ankam, Anstand zeigte. Obgleich seine Gelehrsamkeit oberflächlich war, so konnte er doch der Unwissenheit der anderen einen hohen Begriff von seinem vermeintlichen Wissen beibringen, und die Würde seiner Sprache wie der hohe Ton, womit er von Macht und Ansehen der Kirche und Priesterschaft sprach, gaben eine hohe Meinung von seiner Heiligkeit. Selbst der gemeine Mann, der stärkste Kritiker der Schwächen der Vornehmen, hatte Nachsicht mit den Schwächen des Priors Aymer. Er übte Wohltätigkeit, und diese bedeckt, wie bekannt, eine Menge Sünden, auch in einem anderen Sinn, wie die Schrift meint. Die Einkünfte seines Klosters, die größtenteils zu seiner Verwendung standen, begünstigten diese Freigebigkeit, die er dem Bauernstand zukommen ließ und mit der er sehr oft die Unterdrückten unterstützte. Wenn Prior Aymer rüstig zur Jagd ritt, wenn er lange beim Mahl blieb, wenn er in der Morgendämmerung durch das geheime Pförtchen der Abtei schlich, von einem Stelldichein in der Finsternis kommend, so zuckte jedermann die Achseln und dachte, dass manche seiner Brüder dasselbe taten, ohne durch gute Eigenschaften ihre Fehler wiedergutzumachen. Prior Aymer und sein Charakter waren auch den sächsischen Leibeigenen wohl bekannt, sie bezeigten ihm trotzdem ihre Verehrung.

Der Hirt und der Narr konnten vor Verwunderung über den Anblick dieses Zuges die Frage des Priors von Jorvaulx nach einer Herberge in der Nachbarschaft kaum beantworten, so sehr erstaunten sie über die halb klösterliche, halb militärische Erscheinung des Fremden und die sonderbare Tracht und Bewaffnung seines orientalischen Gefolges. Es ist wahrscheinlich, dass die Sprache, in der der Segen erteilt und jene Nachfrage geschehen war, den sächsischen Bauern unangenehm, wenn auch nicht unverständlich klang. »Ich frage euch, meine Kinder«, sagte der Prior, seine Stimme erhebend und die lingua franca gebrauchend, in welcher gemischten Sprache die Normannen und Sachsen untereinander redeten, »ob es hier in der Gegend nicht einen guten Mann gibt, der um Gottes willen und aus Ergebenheit gegen die Mutter Kirche zwei ihrer demütigsten Diener mit ihrem Gefolge auf eine Nacht beherbergen und erquicken möchte?« Er sagte dies mit einem Selbstgefühl, das einen großen Kontrast mit den bescheidenen Worten machte, die er zu gebrauchen für gut fand.

»Zwei der demütigsten Diener der Mutter Kirche!«, wiederholte Wamba vor sich hin, doch obgleich ein Narr, hütete er sich, laut zu reden. »Nun möchte ich doch ihre Oberhofmeister, Oberkellermeister oder andere hohe Diener sehen.«

Nach dieser stillen Bemerkung zu des Priors Rede erhob er seinen Blick und beantwortete die an ihn gerichtete Frage: »Wenn die verehrten Väter«, sagte er, »gute Tafel und reiche Betten lieben, so finden sie einige Meilen von hier das Priorat Brinxworth, wo ihr Stand ihnen sicher die ehrenvollste Aufnahme verschaffen wird; ziehen sie es aber vor, den Abend in Entbehrungen hinzubringen, so mögen sie den freien Platz dort hinabreiten, auf dem sie nach der Einsiedelei von Copmanhurst gelangen werden, wo ein frommer Einsiedler lebt, der sein Dach und sein Gebet gern mit ihnen teilen wird.«

Bei beiden Vorschlägen schüttelte der Prior sein Haupt.

»Mein guter Freund«, sagte er, »wenn das Schellengeklingel deinen Verstand nicht verwirrt hätte, so würdest du wissen: Clericus clericum non decimat, das heißt, wir Geistlichen nehmen nicht gern unter uns die Gastfreiheit in Anspruch, sondern lieber die der Laien, denen wir dadurch eine Gelegenheit geben, Gott zu dienen, indem sie seine treuen Diener ehren und erquicken.«

»Es ist wahr«, erwiderte Wamba, »obgleich ich ein Esel bin, so habe ich doch die Ehre, wie das Maultier Ew. Hochwürden Schellen zu tragen, doch kann ich es nicht begreifen, warum die Wohltätigkeit der Mutter Kirche und ihrer Diener nicht wie andere Wohltätigkeiten bei sich selbst anfangen sollte.«

»Halt’s Maul, frecher Bursche«, sagte der bewaffnete Reiter, das Geschwätz mit mächtiger Stimme unterbrechend, »und sag uns, wenn du kannst, den Weg zu – wie nennt Ihr Euren Franklin, Prior Aymer?«

»Cedric«, antwortete der Prior, »Cedric, der Sachse; sage mir, guter Freund, sind wir noch weit von seiner Wohnung, und wo geht der Weg dahin?«

»Der Weg ist schwer zu finden«, sagte Gurth, der jetzt den Mund auftat, »und Cedrics Familie geht früh zu Bett.«

»Sag mir das nicht, Kerl«, rief der Krieger, »sie können leicht wieder aufstehen und solche Reisenden wie wir unterstützen, die nicht um Gastfreundschaft betteln wollen, wo sie befehlen können.«

»Ich weiß nicht«, sagte Gurth finster, »ob ich denjenigen den Weg nach meines Herrn Haus zeigen darf, die das Obdach, welches die meisten als eine Gunst erflehen, als ihr Recht ansehen wollen.«

»Streite nicht mit mir, Sklave«, rief der Krieger, und sein Pferd spornend ließ er es eine halbe Wendung über den Pfad herüber machen und erhob zugleich die Reitgerte in seiner Hand mit dem Vorsatz, die Grobheit des Bauern zu bestrafen.

Gurth warf ihm einen wilden, rachsüchtigen Blick zu und legte mit stolzer, doch zögernder Bewegung die Hand an den Griff seines Messers. Doch die Dazwischenkunft des Priors Aymer, der sein Maultier zwischen seinen Gefährten und den Schweinehirten trieb, verhinderte jede Gewalttätigkeit.

»Bei der heiligen Maria, Bruder Brian, Ihr müsst nicht denken, dass wir jetzt in Palästina sind und über Heiden, Türken und ungläubige Sarazenen herrschen. Wir Inselbewohner lieben keine Schläge, außer jene der heiligen Kirche, die züchtigt, wen sie liebt. – Zeige mir, guter Freund«, sagte er zu Wamba und begleitete sein Wort mit einer kleinen Silbermünze, »wo hinaus geht der Weg zu Cedric, dem Sachsen? Du weißt es gewiss, und es ist deine Schuldigkeit, die Wanderer zurechtzuweisen, selbst wenn sie nicht von so heiligem Stand sind als wir.«

»Wahrhaftig, ehrwürdiger Vater«, antwortete der Narr, »der Sarazenensinn Eures Gefährten hat mich so erschreckt, dass ich selbst den Weg nach Hause vergessen habe.«

»Schweig«, sagte der Abt, »du kannst uns den Weg zeigen, wenn du willst. Dieser hochwürdige Bruder hat sein ganzes Leben gegen die Sarazenen um das Heilige Grab gefochten, er ist vom Orden der Tempelherrn, von dem du sicher hast sprechen hören; er ist halb Mönch, halb Soldat.«

»Wenn er halb Mönch ist«, sagte der Narr, »so hätte er nicht so unvernünftig mit Leuten umgehen sollen, die er auf der Landstraße trifft, wenn sie sich auch gerade nicht beeilen, Dinge zu beantworten, die sie nichts angehen.«

»Ich verzeihe dir deinen Witz«, erwiderte der Abt, »unter der Bedingung, dass du mir den Weg zu Cedrics Wohnung zeigst.«

»Gut denn«, antwortete Wamba, »Ew. Hochwürden müssen sich auf diesem Pfad halten, bis Sie ein versunkenes Kreuz finden, das kaum einen Fuß hoch über dem Boden herausragt. Dann schlagen Sie den Pfad zur Linken ein, denn es treffen vier Pfade am versunkenen Kreuz zusammen, und ich bin gewiss, Ew. Hochwürden werden unter Dach gelangen, ehe der Sturm hereinbricht.«

Der Abt dankte seinem Ratgeber, und die Schar ritt, ihre Pferde spornend, weiter, wie Menschen, die vor einem nächtlichen Sturm in die Herberge zu gelangen wünschen. Als ihr Hufschlag verhallt war, sagte Gurth zu seinem Gefährten: »Wenn sie deiner klugen Zurechtweisung folgen, so werden die hochwürdigen Väter Rotherwood schwerlich vor Nacht erreichen.«

»Nein«, sagte der Narr lachend, »aber wenn sie Glück haben, so mögen sie Sheffield erreichen, und das passt ganz für sie. Ich bin kein so schlechter Waidmann, dass ich dem Hund zeige, wo das Wild liegt, wenn ich nicht will, dass er es jagen soll.«

»Du hast recht«, sagte Gurth, »es wäre übel, wenn Aymer die Lady Rowena sieht, und schlimmer, wenn Cedric mit diesem militärischen Mönch in Streit kommt, welches gar leicht sein könnte. Doch lass uns wie gute Diener hören, sehen und nichts sagen.«

Wir kehren nun zu den Reitern zurück, die bald die Leibeigenen weit hinter sich gelassen hatten und jetzt folgende Unterredung in der normännisch-französischen Sprache führten, die die höheren Klassen redeten, mit Ausnahme derjenigen, die sich ihrer sächsischen Abkunft noch immer gern rühmten. »Was wollten diese Burschen mit ihrer eigensinnigen Unverschämtheit sagen?«, fragte der Templer den Benediktiner. »Und warum verhindertest du mich, sie zu züchtigen?«

»Bruder Brian«, erwiderte der Prior, »wie konnte ich denn mit dem einen anders als seiner Narrheit angemessen reden; und der andere Flegel gehört zu der wilden, stolzen, unbeugsamen Art, die unter den Abkömmlingen der Besiegten noch häufig gefunden wird, deren höchstes Glück darin besteht, wenn sie nach allen Kräften den Abscheu vor ihren Besiegern zeigen können.«

»Ich würde sie bald umgewandelt haben«, bemerkte Brian. »Ich weiß mit solchen Köpfen umzugehen. Unsere türkischen Gefangenen waren so stolz und unbeugsam, wie Odin selbst gewesen sein kann; doch zwei Monate unter meinem Gewahrsam, in der Behandlung meines Sklavenmeisters haben sie zahm, demütig, unterwürfig, gefällig und gehorsam gemacht. – Doch muss man ihnen nicht Gift und Dolch lassen, denn sie gebrauchen es gleich, sowie sie die kleinste Gelegenheit dazu finden.«

»Nun ja«, sagte Prior Aymer, »jedes Land hat eben seine eigenen Sitten und Gewohnheiten, und außerdem würden sie uns, wenn wir sie schlugen, nicht in das Haus des Cedric gewiesen haben, und Ihr hättet mit ihm gewiss Streit bekommen, wenn wir hinkamen. Erinnert Euch, dass ich sagte, dieser reiche Franklin sei stolz, wild, argwöhnisch und reizbar, der dem Adel und selbst seinen Nachbarn Reginald Front-de-Boeuf und Philip Malvoisin, die wahrlich keine Knaben sind, Widerstand leistet. Er behauptet die Privilegien seines Stammes so kühn und ist so stolz auf seine gerade Abkunft von Hereward (ein berühmter Kämpfer der Heptarchie), dass er allgemein nur Cedric der Sachse heißt, und freut sich zu diesem Volk zu gehören, während andere gern ihre Abkunft davon verleugnen aus Furcht, einen Teil des vae victis oder der Bürden der Überwundenen tragen zu müssen.«

»Prior Aymer«, sagte der Templer, »Ihr seid ein galanter Mann, wohl erfahren im Studium der Schönheit und als Troubadour in allem, worüber ein Liebeshof entscheiden kann; aber diese berühmte Rowena muss ich mir sehr schön vorstellen, wenn sie die Selbstverleugnung und Geduld aufwiegen soll, die ich anwenden muss, um einen solchen aufrührerischen Flegel zu hofieren, als den Ihr ihren Vater Cedric beschreibt.«

»Cedric ist nicht ihr Vater«, erwiderte der Prior, »er ist bloß ihr entfernter Verwandter; sie stammt aus edlerem Blut als selbst das, worauf er Ansprüche macht; er hat sich zu ihrem Aufseher, wie ich glaube, selbst bestellt, aber sie ist ihm so teuer wie sein eigenes Kind. Über ihre Schönheit sollt ihr bald selbst entscheiden, und wenn ihre zarte weiße Haut und der majestätisch sanfte Ausdruck ihrer blauen Augen nicht aus Eurem Gedächtnis alle schwarzhaarigen Mädchen von Palästina und alle Houris aus des alten Mahomet Paradies vertreiben, so bin ich ein Ungläubiger und kein echter Priester.«

»Wenn Eure gerühmte Schönheit«, sagte der Templer, »auf der Waage gewogen und zu leicht erfunden wird, so kennt Ihr unsere Wette.«

»Meine goldene Halskette«, antwortete der Prior, »gegen zehn Flaschen Chioswein – sie sind so gewiss mein, als lägen sie schon im Klostergewölbe unter dem Schlüssel des alten Kellermeisters Dennis.«

»Und ich selbst bin Richter«, sagte der Templer, »und soll durch meine eigenen Augen überzeugt werden, dass ich seit Pfingsten vor einem Jahr kein schöneres Mädchen sah. Seid nicht zu sicher, Prior, Euer Halsband ist in Gefahr, ich werde es um meinen Ringkragen in den Schranken zu Ashby-de-la-Zouche tragen.«

»Gewinnt es und tragt es immerhin«, sagte der Prior, »ich glaube Eurem Ausspruch, Ihr seid Ritter und Diener der Kirche; aber, Bruder, nehmt meinen Rat an und gewöhnt Eure Zunge mehr an Höflichkeit, sie übte sich bisher nur im Herrschen über gefangene Ungläubige und morgenländische Leibeigene. Wenn Cedric der Sachse sich beleidigt fühlt, und das ist leicht der Fall, so ist er der Mann, uns ohne Rücksicht auf Eure Ritterschaft und auf mein hohes Amt oder auf die Heiligkeit von beiden aus dem Haus zu werfen und bei den Lerchen zur Herberge zu schicken, und wäre es auch Mitternacht. Seht Euch vor, wenn Ihr nach Lady Rowena blickt, die er mit argwöhnischer Sorge bewacht; wenn er den mindesten Verdacht schöpft, so sind wir verloren. Man sagt, er verbannte seinen eigenen Sohn aus seiner Familie, weil er seine Augen mit Liebesglut zu ihrer Schönheit erhob, die, wie es scheint, aus der Ferne verehrt werden soll, der man nur wie dem Altar der Muttergottes nahen darf.«

»Gut, du hast genug gesagt«, antwortete der Templer, »ich will einen Abend lang mir Gewalt antun und sanft wie ein Mädchen sein; aber vor der Furcht, er möchte uns mit Gewalt hinauswerfen, will ich Euch mit meinen Knappen und mit Hamet und Abdalla schützen. Glaubt Ihr nicht, dass wir stark genug sind, uns gut Quartier zu erringen?«

»Wir dürfen es nicht so weit kommen lassen«, sagte der Prior, »hier ist des Narren versunkenes Kreuz, und die Nacht ist so dunkel, dass man nicht sehen kann, welchen Weg wir nehmen müssen; ich glaube, er sagte uns, wir sollen links reiten.«

»Nein, nach rechts«, sagte Brian, »soviel ich weiß.«

»Gewiss zur Linken; ich erinnere mich, er zeigte mit seinem hölzernen Schwert dahin.«

»Ja! Aber er hielt das Schwert in seiner linken Hand und zeigte über seinen Körper hinüber«, sagte der Templer.

Ein jeder verteidigte hartnäckig seine Meinung, wie es in solchen Fällen gewöhnlich ist. Das Gefolge wurde herbeigerufen, doch die Diener waren nicht nah genug gewesen, um Wambas Weisung zu vernehmen. Endlich bemerkte Brian etwas, was er früher in der Dämmerung übersehen hatte. »Hugo!«, rief er aus. »Am Fuß des Kreuzes liegt ein Schlafender oder ein Toter; stoß ihn mit deiner Lanze an.« Sobald dies geschah, stand die Gestalt auf und rief auf gut Französisch aus: »Wer du auch sein magst, es ist unhöflich, mich in meinen Gedanken zu stören.«

»Wir wünschen den Weg nach Rotherwood, der Wohnung Cedrics des Sachsen, von dir zu erfahren.«

»Ich will selbst dahin«, entgegnete der Fremde, »und wenn ich ein Pferd hätte, so könnte ich euer Führer sein; der Weg ist schwer zu finden, aber ich weiß ihn genau.«

»Du sollst Dank und Lohn haben, mein Freund, wenn du uns sicher zu Cedric bringst«, sagte der Prior.

Er rief seinen Diener und bestieg sein Ross, um das Maultier dem Fremden zu geben, der als Wegweiser dienen sollte.

Ihr Führer schlug einen anderen Weg ein als den, welchen Wamba bezeichnet hatte, um sie irrezuführen. Der Pfad führte sie tiefer in die Waldung hinein und über manchen Waldbach, dessen Übergang durch den ihn umgebenden Sumpf gefährlich wurde; aber der Fremde wusste immer die sichersten Stellen aufzufinden und brachte die Reiter durch Behutsamkeit und Aufmerksamkeit bald in einen Baumgang, und auf ein großes, niedriges, unregelmäßiges Gebäude zeigend, rief er aus: »Dort liegt Rotherwood, die Behausung Cedrics des Sachsen.«

Dies war eine frohe Nachricht für Prior Aymer, dessen Nerven nicht die stärksten waren und der so viel Angst und Unruhe während des Wegs durch die gefährlichen Sümpfe empfunden hatte, dass seine Neugier nicht eine einzige Frage an seinen Führer wagte. Nun fühlte er sich wieder wohl und dem Obdach nahe, darum fragte er jetzt den Wegweiser, wer und woher er sei.

»Ein Pilger, der eben aus dem Heiligen Land zurückgekehrt ist«, war die Antwort.

»Ihr hättet dort bleiben und um das Heilige Grab kämpfen sollen«, sagte der Templer.

»Gewiss, hochwürdiger Ritter«, antwortete der Pilger, dem der Anblick eines Tempelherrn gewohnt schien, »doch wenn solche, die durch ihren Eid gebunden sind, die heilige Stadt zu erobern, weit vom Schauplatz ihrer Pflichten herumreisen, wie könnt Ihr Euch wundern, dass ein friedlicher Landmann wie ich ein Unternehmen aufgab, das diese längst schon verlassen haben?«

Der Templer wollte eine zornige Antwort geben, allein der Prior unterbrach ihn, indem er dem Führer sein Erstaunen darüber bezeigte, dass dieser nach so langer Abwesenheit so gut im Wald Bescheid wisse.

»Ich bin in dieser Gegend geboren«, antwortete der Wegweiser. Sie standen vor Cedrics Haus. – Es war ein niedriges, unregelmäßiges Gebäude, das mehrere Umzäunungen und Abteilungen einschloss und einen großen Raum bedeckte. Obwohl seine Form den Reichtum des Besitzers zu erkennen gab, so war es doch sehr von jenen hohen, betürmten, schlossartigen Gebäuden verschieden, in welchen der normannische Adel wohnte und deren Stil durch ganz England der herrschende geworden ist.

Rotherwood war indessen nicht ohne Befestigung. In jener unruhigen Zeit konnte kein Gebäude ohne Gefahr, in der Nacht verbrannt oder geplündert zu werden, dieser entbehren. Ein tiefer Graben zog sich um das ganze Haus und war mit Wasser aus dem nächsten Strom gefüllt; doppelte Palisaden aus spitzigen Pfählen, dem angrenzenden Wald entnommen, verteidigten die Aus- und Innenseite dieses Grabens. Ein Eingang von Westen her führte durch die äußere Palisadenwand über eine Zugbrücke zu einem Tor auf der Innenseite. Die Eingänge waren noch besonders durch vorspringende Wälle beschützt, von wo aus sie durch Bogenschützen oder Schleuderer bestrichen werden konnten.

Vor diesem Tor stieß der Templer laut in sein Horn, denn der Regen, der lange gedroht hatte, fiel jetzt in Strömen nieder.

3. Kapitel

Einst (trüber Trost), von bleicher Küste her,Wo deutsche Meere rauschen – da kamGoldhaarig, blauäugig der Sachsenheld.

James Thomson, »Liberty«

In einer Halle, deren Höhe mit ihrer außerordentlichen Länge und Breite in gar keinem Verhältnis stand, erblickte man einen langen eichenen, aus rohbehauenen Planken gearbeiteten und etwas geglätteten Tisch. Dieser war zur Tafel des Abendessens Cedrics des Sachsen bestimmt. Das Dach bestand aus einer Lage von Bohlen und Stroh. An jedem Ende der Halle war eine große Feuerstätte, da aber die Kamine schlecht eingerichtet waren, so drang fast so viel Rauch in die Halle als aus ihr ins Freie. Der ewige Rauch hatte die Balken des Daches mit einem Firnis von Ruß überzogen. An den Wänden hingen Jagd- und Kriegsgeräte, und an jeder Ecke öffneten sich Flügeltüren, die nach anderen Teilen dieses riesigen Gebäudes führten.

Der andere Teil des Hauses war gleichfalls der schlichten Einfachheit der Sachsenzeit angemessen, die Cedric aufrechterhalten wollte. Der Hausflur bestand aus Erde mit Lehm vermischt und zu einer so festen Masse gestampft wie die, woraus unsere heutigen Scheunentennen gefertigt werden. Ungefähr ein Viertel des Zimmers war um eine Stufe erhöht, und diesen Raum nannte man den »Baldachin«, er war für die Glieder der Familie und vornehme Gäste bestimmt. Hier stand quer ein mit Scharlachtuch gedeckter Tisch; von dessen Mitte ging die längere und niedrigere Tafel aus, an welcher die Dienerschaft und die niederen Personen in der Tiefe der Halle speisten. Das Ganze hatte die Gestalt eines T und glich einigen anderen alten Speisetafeln, die, zu denselben Zwecken gebildet, sich noch in den hohen Schulen von Oxford und Cambridge befinden. Massive Stühle von Eichenholz standen auf der Erhöhung, und über diese Sitze und den höher stehenden Tisch war ein Thronhimmel von Leinwand gebreitet, der die hier sitzenden Vornehmen etwas vor Wind und Regen schützte, die oft ihren Weg durch das schlecht verwahrte Dach fanden.

Die Wände dieses oberen Teils der Halle waren, so weit der Thronhimmel ging, mit Tapeten und Vorhängen bekleidet, und auf dem Boden lag ein Teppich; beide waren mit Versuchen der Web- und Stickkunst geziert, die in glänzenden oder vielmehr schreienden Farben ausgeführt waren. In der unteren Halle waren die mit Gips bedeckten Wände nackt und der raue Fußboden ohne Teppich. Der Tisch war ohne Decke, und schwere Bänke vertraten die Stelle der Stühle.

In der Mitte der oberen Tafel standen zwei Sessel, erhöhter als die übrigen, für den Herrn und die Frau des Hauses, die den Vorsitz bei diesen Gastmählern führten, daher kam ihr sächsischer Ehrentitel: Brotverteiler. Zu jedem dieser Sessel gehörte eine Fußbank, die geschnitzt und mit Elfenbein ausgelegt war, um eine besondere Auszeichnung anzudeuten. Auf dem einen dieser Sessel saß jetzt Cedric der Sachse, der, obwohl er nur ein Thane oder, wie ihn die Normannen nannten, ein Franklin war, doch wegen der Verzögerung seines Abendessens eine Ungeduld äußerte, die einem Alderman sowohl der alten als der neuen Zeit Ehre gemacht haben würde.

Aus den Gesichtszügen dieses Grundherrn konnte man abnehmen, dass er ein zwar biederes, doch heftiges und zorniges Gemüt hatte. Er war nicht über die Mittelgröße hinaus, doch breitschultrig, langarmig und stark gebaut und an die Strapazen des Kriegs oder der Jagd gewöhnt. Sein Gesicht war breit mit großen blauen Augen, offenen und geraden Zügen, schönen Zähnen und wohlgeformtem Kopf und hatte den Ausdruck guter Laune, die oft mit einem raschen, jähzornigen Gemüt vereint ist. Stolz und Eifersucht lagen in seinen Augen, denn er hatte sein Leben hingebracht, Rechte zu behaupten, die beständig angegriffen wurden, und sein rascher, feuriger und entschlossener Mut wurde durch seine Lage immer wach erhalten. Sein langes gelbes Haar war über Scheitel und Stirn gleich verteilt und von jeder Seite über seine Schultern herabgekämmt; es zeigte wenig Spuren des Ergrauens, obgleich Cedric bald 60 Jahre alt war.

Sein Anzug bestand aus einem Leibrock von grasgrüner Farbe, an Hals und Aufschlägen mit gesprenkeltem Pelzwerk besetzt, eine Art, die dem Hermelin ähnlich und, wie man glaubt, von der Haut des grauen Eichhörnchens stammt. Dieser Rock hing lose über einem engeren Scharlachrock, der fest den Leib umschloss. Er trug Beinkleider von derselben Farbe, welche aber nur bis an das untere Ende des Schenkels reichten und das Knie unbedeckt ließen. Seine Füße waren mit Sandalen wie die der Landleute bekleidet, nur von feineren Stoffen und vorn mit goldenen Heften befestigt; er hatte goldene Armbänder und ein Halsband von demselben köstlichen Metall an. Um den Leib trug er einen mit Knöpfen reichlich besetzten Gürtel, in welchem ein kurzes, gerades, zweischneidiges Schwert fast senkrecht steckte. Ein scharlachroter Tuchmantel, mit Pelz besetzt, hing hinter seinem Sessel, und eine reich gestickte Mütze von denselben Stoffen vollendete den Anzug des reichen Grundherrn, wenn er ausging. Ein kurzer Wurfspieß mit breiter, scharf geschliffener Stahlspitze lehnte an der Rücklehne des Stuhls und diente ihm zum Stab und zur Waffe, je nachdem er davon Gebrauch machen wollte. Verschiedene Diener, deren Kleidung manche Abstufungen von der reichen Kleidung ihres Herrn bis zu der groben und einfachen Tracht Gurths, des Schweinehirten, darbot, beobachteten die Blicke und Befehle des sächsischen Herrn. Zwei oder drei Diener höheren Ranges standen auf der Erhöhung hinter ihm, die anderen in dem niederen Teil der Halle. – Noch waren da zwei oder drei große Windspiele, wie man sie braucht, um den Wolf und den Hirsch zu jagen, ebenso viele Hunde von breiter, knochiger Art, dicken Hälsen, breiten Köpfen und langen Ohren, dann noch zwei kleinere Dachshunde. Alle erwarteten mit Ungeduld die Ankunft des Abendessens; doch mit dem ihnen eigenen klugen Instinkt hüteten sie sich, das mürrische Schweigen ihres Herrn zu unterbrechen, wahrscheinlich weil sie einen kleinen weißen Stock fürchteten, der neben Cedrics Vorschneidemesser lag, um diese vierfüßigen Leibeignen in Ordnung zu halten. Ein alter grauer Wolfshund allein hatte sich als Günstling bei Cedrics Stuhl hingestreckt und suchte gelegentlich seines Herrn Aufmerksamkeit zu erregen, indem er bald seinen grauen, haarigen Kopf auf dessen Knie, bald seine Zunge in dessen Hand legte. Allein selbst er wurde mit dem strengen Befehl: »Nieder, Bolder, nieder, ich habe keine Lust zu Possen« zur Ruhe verwiesen.

Cedric war, wie wir schon bemerkten, in keiner guten Gemütsstimmung. Lady Rowena, die bei einer Abendmesse in einer entfernten Kirche gewesen war, kam eben von da zurück und wechselte ihre vom Sturm durchnässten Kleider. Von Gurth und seiner Herde war noch keine Kunde da, und doch hätten sie längst aus dem Wald zurück sein müssen. Damals war alles Eigentum so gefährdet, dass man glauben konnte, ihr Ausbleiben rühre von einer Plünderung durch Räuberbanden, mit denen der Wald erfüllt war, her oder von der Gewalttätigkeit eines benachbarten Barons, der im Gefühl seiner Stärke kein Eigentum achtete. Der Verlust wäre bedeutend gewesen, denn ein großer Teil des häuslichen Reichtums der Sachsen bestand in zahlreichen Schweineherden, besonders in den Waldgegenden, wo diese Tiere leicht ihre Nahrung fanden.

Außer diesen Ursachen zur Sorge sehnte sich der sächsische Thane auch nach seinem Liebling Wamba, dessen Späße seiner Abendmahlzeit und den sie begleitenden herzhaften Becherzügen zur Würze dienten. Dazu kam, dass Cedric seit Mittag nichts gegessen hatte, seine gewöhnliche Speisestunde war längst vorüber, was wohl alle Landedelleute alter und neuer Zeit ärgerlich machen könnte. Er drückte seine Unzufriedenheit in einzelnen hervorgestoßenen Worten aus, bald zu den Dienern, die um ihn waren, bald zu sich selbst redend, besonders zu seinem Mundschenk, der ihm als Besänftigungsmittel von Zeit zu Zeit einen silbernen Becher mit Wein reichte. »Was zögert Lady Rowena?«, fragte er.

»Sie wechselt ihren Kopfputz«, sagte eine weibliche Stimme. »Sie kann doch nicht etwa in Mütze und Mieder zur Tafel kommen; keine Lady in der ganzen Grafschaft kleidet sich so schnell an als meine Gebieterin.«

Diese Bemerkung verursachte ein bejahendes Hm! vonseiten des Sachsen, mit dem Zusatz: »Ich wünsche, sie möge ein andermal besseres Wetter zu ihrer Andacht in St. Johns Kirche wählen. Aber in tausend Teufels Namen«, fuhr er fort, sich zum Mundschenk mit erhöhter Stimme wendend, als freue er sich, nun einen Ableiter für seinen Unwillen gefunden zu haben, den er weder zu scheuen noch dessen Erwiderung zu achten brauchte, »in tausend Teufels Namen, warum bleibt Gurth so lange im Feld? Ich befürchte, wir bekommen üble Kundschaft von der Herde; er ist ein treuer und vorsichtiger Knecht, ich hatte ihn zu etwas Besserem bestimmt. Ich hätte ihn zu einem meiner Aufseher * ernannt.«

Oswald, der Mundschenk, erwiderte bescheiden, dass seit dem Zeichen zum Lichtauslöschen kaum eine Stunde verflossen sei. Dies war eine üble Entschuldigung, denn sie berührte ein für sächsische Ohren höchst unangenehmes Thema.

»Der Teufel hole das Löschglöckchen!«, rief Cedric aus. »Mit dem tyrannischen Bastard, der es einführte, und samt dem Sklaven, der es mit sächsischer Zunge einem sächsischen Ohr nennt. Ah, das Löschglöckchen!«, fuhr er nach einer Pause fort, »das ehrlichen Leuten ihr Licht auslöschen heißt, damit Räuber und Diebe im Finstern ihr Wesen treiben können … Das Löschglöckchen! Ja, Reginald Front-de-Boeuf und Philip de Malvoisin verstehen das Löschglöckchen eben so zu brauchen wie Wilhelm der Bastard oder irgendein normannischer Abenteurer, der zu Hastings focht. Ich werde zu hören bekommen, es ahnt mir, mein Eigentum sei fortgetrieben, um die hungernden Banditen zu ernähren, die ohne Raub und Diebstahl nicht leben können. Mein treuer Sklave ist ermordet und meine Herde als Beute erklärt – und Wamba – wo ist Wamba? Sagte nicht jemand, er sei mit Gurth fortgegangen?«

Oswald bejahte diese Frage.

»Immer besser; so haben sie ihn auch entführt, den sächsischen Narren, um den normännischen Herren zu dienen. Wir sind ja alle Narren, dass wir ihnen dienen und Gegenstände ihrer Verachtung und ihres Spottes sind, als wären wir mit der Hälfte unseres Verstandes geboren. Aber ich will mich rächen«, fügte er hinzu, indem er von seinem Stuhl zornig aufsprang und seinen Speer ergriff, »ich will mich rächen. Ich will meine Klage vor den hohen Rat bringen; ich habe Freunde und Anhänger. Mann gegen Mann will ich den Normann in die Schranken rufen; er mag kommen in Stahl und Schuppenpanzer und allem, was der Feigheit Mut gibt; einen Spieß wie diesen habe ich nicht schneller durch feste Rinde geworfen als durch drei ihrer Kriegsschilde. – Vielleicht halten sie mich für alt, aber sie sollen finden, dass das Blut von Hereward in Cedrics Adern fließt. Ach, Wilfred! Wilfred!«, rief er mit sanfterem Ton. »Hättest du deine unweise Leidenschaft bezähmen können, so würde dein Vater nicht in seinem Alter gleich der einsamen Eiche dastehen, die ihre unbeschützten Äste dem vollen Sturm entgegenbreitet.«

Diese Betrachtung schien seine aufgeregten Gefühle in Traurigkeit zu versenken. Er setzte seinen Wurfspieß nieder, nahm seinen Sitz wieder ein, senkte seine Blicke zur Erde und schien ganz in melancholische Betrachtungen verloren.

Aus dieser Ruhe wurde Cedric durch den Klang eines Horns erweckt, welches durch das Anschlagen sämtlicher Hunde in der Halle und noch zwanzig oder dreißig anderer im übrigen Gebäude erwidert wurde. Es kostete dem weißen Stab einige Mühe und ebenso den Dienern, ehe das Hundegebell gestillt werden konnte.

»Zum Tor, Burschen!«, sagte der Sachse rasch, sobald der Lärm so weit gestillt war, dass man seine Stimme vernehmen konnte. »Seht, welche Kunde uns dies Horn bringt? Ich denke, Gewalttat und Raub auf meinem Gebiet.«

Ein Aufseher kam in wenigen Minuten zurück und meldete, dass der Prior Aymer von Jorvaulx und der edle Ritter Brian de Bois-Guilbert, Komtur des tapferen und ehrwürdigen Ordens der Tempelherren, mit einem kleinen Gefolge für diese Nacht um Herberge und Gastfreundschaft bitten; sie wären auf dem Weg zu einem Turnier begriffen, das übermorgen nicht weit von Ashby-de-la-Zouche gehalten werden solle.

»Aymer, der Prior Aymer? Brian von Bois-Guilbert«, murmelte Cedric, »beide Normannen. Doch Normann oder Sachse, die Gastfreundschaft von Rotherwood darf nicht verletzt werden. Sie sind willkommen, weil sie es vorzogen, hier anzuhalten, willkommener wäre es, sie zögen vorüber. Doch es wäre unwürdig, über eine Nachtherberge und ein Abendessen zu murren. Selbst ein Normann muss als Gast seine Unverschämtheit beherrschen. Geh, Hundebert!«, sagte er zu einer Art Haushofmeister, der hinter ihm mit einem weißen Stab stand. »Geh, nimm sechs von den Dienern und führe die Fremden in die Gastwohnung. Sieh nach ihren Pferden und Maultieren und sorge, dass ihrem Gefolge nichts fehlen mag. Gib ihnen frische Kleider, wenn sie es begehren, und Feuer und Waschwasser, Wein und Bier. Sage den Köchen, dass sie unserem Abendessen hinzufügen, was sie eilig bereiten können, und lass die Speisen auftragen, wenn die Fremden zur Mahlzeit bereit sind. Sage ihnen, Hundebert, dass Cedric selbst sie bewillkommnen würde, er hat aber ein Gelübde getan, nie mehr als drei Schritte von seinem Thronhimmel wegzugehen, wenn nicht jemand kommt, der aus sächsischem Königsblut stammt. Geh! Sorge gut für sie, damit sie nicht in ihrem Stolz sagen: Der sächsische Bauer zeigte uns zugleich seine Armut und seinen Geiz.«

Der Haushofmeister ging mit einigen Dienern, um das Gebot seines Herrn auszuführen.

»Der Prior Aymer?«, wiederholte Cedric, auf Oswald blickend. »Der Bruder, wenn ich nicht irre, von Giles de Mauleverer, jetzt Lord von Middleham.«

Oswald machte ein respektvolles Bejahungszeichen. »Sein Bruder sitzt in dem Gut und usurpiert die Rechte eines besseren Geschlechts, das der Ulfgar von Middleham; doch welcher Normann tut nicht dasselbe? Man sagt, dieser Prior sei ein fröhlicher, freisinniger Priester, der den Becher und das Jagdhorn mehr als Betglocke und Messbuch liebt. Gut, er mag kommen, ich werde ihn gern sehen. Doch wie nanntet Ihr den Templer?«

»Brian de Bois-Guilbert.«

»Bois-Guilbert?«, sagte Cedric immer vor sich hin wie jemand, der viel mit Untergebenen lebt und darum mehr mit sich selbst als mit anderen spricht. »Bois-Guilbert? Der Name ist im Guten und Bösen weit und breit bekannt. Man sagt, an Tapferkeit stehe er keinem seines Ordens nach, aber er habe auch die gewöhnlichen Fehler desselben, Stolz, Hochmut, Grausamkeit und Wollust; er kenne weder Furcht vor der Welt noch Achtung vor dem Himmel, so sagen die wenigen Krieger, die von Palästina zurückkamen. Doch es ist für eine Nacht, er mag auch willkommen sein. – Oswald, zapfe vom ältesten Wein, setze den besten Met, den schäumendsten Cider, den reichsten Morat, den wohlriechendsten Pigment ** auf, fülle die größten Trinkhörner. Templer und Äbte lieben gute Weine und gutes Maß. Elgitha! Sage deiner Lady, dass wir sie diesen Abend nicht in der Halle erwarten, wenn sie nicht etwa selbst erscheint.«

»Sie wird gewiss erscheinen«, erwiderte Elgitha schnell, »denn sie hört gar zu gerne etwas Neues aus Palästina.«

Cedric warf dem vorlauten Mädchen einen grimmigen Blick zu, aber Rowena und alles, was ihr zugehörte, war vor seinem Zorn sicher. Er erwiderte nur: »Schweig, Mädchen! Deine Zunge überbietet meine Geduld. Sage meinen Auftrag deiner Lady und lass sie tun, was sie will. Hier herrscht Alfreds Sprössling als Fürstin.«

Elgitha verließ das Gemach.

»Palästina!«, wiederholte der Sachse. »Palästina! Wie lauscht das Ohr den Erzählungen, welche die Kreuzfahrer oder Pilgrime aus diesem unglückseligen Land mitbringen. – Auch ich möchte fragen, möchte forschen, möchte mit klopfendem Herzen Märchen anhören, womit verschmitzte Wanderer uns unsere Gastfreundschaft abschwatzen. – Doch nein – der Sohn, der mir ungehorsam war, ist mein Sohn nicht mehr, ich will mich nicht mehr um sein Schicksal bekümmern als um das des Schlechtesten unter den Millionen, die das Kreuz auf ihrer Schulter trugen, sich in Ausschweifungen und Blutschuld stürzten und das ›Gottes Willen tun‹ nannten.«

Er zog die Augenbrauen zusammen und heftete einen Augenblick lang seine Augen auf den Boden; als er sie wieder aufschlug, waren die Flügeltüren in der Tiefe der Halle geöffnet und der Haushofmeister schritt mit seinem weißen Stab, von vier fackeltragenden Dienern begleitet, herein; ihm folgten die Gäste dieses Abends.

*Im Englischen steht Cnicht, wodurch die Sachsen eine Klasse militärischer Diener bezeichnen, die zuweilen Freie, zuweilen Leibeigene sind, aber immer höher als die Diener des Hauses stehen. Cnicht darf indessen nicht mit dem englischen Knight, welches Ritter bedeutet, verwechselt werden.

**Diese Getränke wurden bei den Sachsen getrunken. Morat war aus Honig und Maulbeersaft bereitet, Pigment war ein süßer, starker Likör, aus gewürztem und auch mit Honig versüßtem Wein gebraut. Die anderen Getränke bedürfen keiner Erklärung.

4. Kapitel

Es fließt der Schafe, Ziegen, Schweine Blut,Der stolze Stier tot auf dem Marmor ruht,Die Bissen, feuergar, verteilt man rund umher,Der Becher schäumt, vom ros’gen Weine schwer,– – – – – – – – – – –Alleine sitzend, teilt auch Ulyss das Mahl;Den Tisch dreifüßig, niederen Sitz im SaalZeigt ihm der Fürst – – – –

Homer, »Odyssee«

Prior Aymer hatte die ihm sich darbietende Gelegenheit benutzt und sein Reitkleid gegen ein anderes von feinerem Stoff vertauscht, über welches er einen Chorrock mit köstlicher Stickerei trug. Außer dem großen Siegelring, der seine geistliche Würde bezeichnete, trugen seine Finger, den Ordensgesetzen zuwider, viele kostbare Ringe; seine Sandalen waren von dem feinsten Leder, das aus Spanien eingeführt worden; sein Bart war so kurz zugeschnitten, wie es die Regel nur immer erlaubte, und seine Tonsur bedeckte eine reich gestickte scharlachrote Mütze.