Ivanhoe - Walter Scott - E-Book

Ivanhoe E-Book

Walter Scott

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Beschreibung

Mit der 1820 erschienenen Geschichte um den Ritter Ivanhoe begründete Walter Scott einen neuen Typus des historischen Romans. England im Zeitalter der Kreuzzüge: König Richard Löwenherz gilt als verschollen. Sein Bruder Prinz John versucht mit Hilfe des normannischen Adels die Macht an sich zu reißen. Doch der tapfere Ritter Ivanhoe nimmt den Kampf für den König auf – unterstützt von dem geheimnisvollen Schwarzen Ritter und dem Geächteten Locksley, der als Robin Hood weltbekannt wurde. Walter Scott gilt als Vater des historischen Romans. Sein 1820 erschienenes Werk, das vielfach verfilmt wurde, bietet eine faszinierende Mischung aus Sage, Fakten und Fiktion, die bis heute begeistert - jetzt in der Sonderedition berühmter historischer Romane. Mit Anmerkungen und Zeittafel.   

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Seitenzahl: 888

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Walter Scott

Ivanhoe

Roman

Deutscher Taschenbuch Verlag

Vollständige Ausgabe

Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

© 2009 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Rechtlicher Hinweis §44 UrhG: Wir behalten uns eine Nutzung der von uns veröffentlichten Werke für Text und Data Mining im Sinne von §44 UrhG ausdrücklich vor.

eBook ISBN 978-3-423-40139-5 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-13765-2

www.dtv.de

Inhaltsübersicht

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Anmerkungen

Karte

Zeittafel

Kapitel 1

So sprachen sie, indes die satten Schweine

Heimzogen abends aus dem Buchenhaine –

Mit Quieken, Grunzen, widerwill’gem Schrei’n

Ging jedes lärmend in den Stall hinein.

Alexander Popes Übersetzung von Homers ›Odyssee‹, 14, 453–456

Über jene schöne Gegend des guten alten Englands, die von dem Fluss Don durchströmt wird, dehnte sich in alten Zeiten ein weiter Wald aus, der den größeren Teil der anmutigen Hügel und Täler zwischen Sheffield und dem freundlichen Städtchen Doncaster bedeckte. Reste dieses Waldes sind noch heute in der Umgebung der Landsitze Wentworth, Warncliffe Park und rund um Rotherham zu sehen. Hier hauste in grauer Vorzeit der sagenhafte Drache von Wantley, hier wurden während der Bürgerkriege der Rosen einige der blutigsten Schlachten gefochten und hier blühten in alten Zeiten auch jene Scharen tapferer Geächteter, deren Taten durch englische Volkslieder so berühmt geworden sind.

Dies ist der Hauptschauplatz unserer Erzählung, die in die Zeit gegen Ende der Herrschaft Richards I. fällt, als seine verzweifelnden Untertanen, die in der Zwischenzeit allen möglichen Unterdrückungen ausgesetzt waren, seine Rückkehr aus langer Gefangenschaft sehr herbeisehnten, jedoch kaum mehr erhofften. Die Adligen, die unter der Herrschaft Stephens zu unbegrenzter Macht aufgestiegen und durch Henrys II.Besonnenheit wieder einigermaßen der Krone unterworfen worden waren, hatten jetzt ihre alte Freiheit in vollem Umfang wiedergewonnen, behandelten den schwachen Einspruch des englischen Staatsrats mit Verachtung, befestigten ihre Schlösser, erhöhten die Zahl ihrer Hörigen, zwangen ihre ganze Umgebung in Lehnsabhängigkeit und wandten alle ihnen zu Gebote stehenden Mittel an, sich an die Spitze von Streitkräften zu stellen, die sie in die Lage versetzten, bei den drohenden Unruhen im Staat eine Rolle zu spielen.

Die Lage des niederen Adels, der sogenannten Franklins, denen nach Wortlaut und Geist der englischen Verfassung das Recht zustand, von der Feudaltyrannei unabhängig zu bleiben, wurde jetzt höchst bedenklich. Wenn sie sich, wie das gewöhnlich der Fall war, in den Schutz eines der kleinen Könige in der Nachbarschaft begaben, Lehnsdienste an seinem Hof übernahmen oder sich durch gegenseitige Schutz- und Trutzbündnisse verpflichteten, ihn bei seinen Unternehmungen zu unterstützen, dann mochten sie sich damit zwar für einige Zeit Ruhe erkaufen, doch mussten sie dafür ihre Unabhängigkeit opfern, die jedem englischen Herzen so teuer ist, und mussten künftig darauf gefasst sein, in jedes unbesonnene Abenteuer verwickelt zu werden, zu dem der Ehrgeiz ihres Beschützers ihn verleiten mochte. Andererseits verfügten die mächtigen Barone über vielfältige Mittel zu Quälerei und Unterdrückung, und selten fehlte ihnen weder ein Vorwand noch der Wille, jeden ihrer schwächeren Nachbarn, der es wagte, sich ihrem Einfluss zu entziehen und in diesen gefahrvollen Zeiten auf den Schutz der Landesgesetze zu hoffen, in Schrecken zu versetzen und bis an den Rand des Verderbens zu verfolgen.

Die Folgen der Eroberung durch William, Herzog der Normandie, trugen sehr dazu bei, die Tyrannei des Adels und die Leiden der unteren Klassen zu vergrößern. Vier Menschenalter hatten nicht gereicht, das feindselige Blut der Normannen und der Angelsachsen zu vermischen oder durch gemeinsame Sprache und gemeinsame Interessen zwei feindliche Stämme zu vereinen, von denen der eine noch immer stolz seinen Triumph auskostete, während der andere unter den Folgen der Niederlage stöhnte. Die Macht lag nach der Schlacht bei Hastings vollständig in den Händen des normannischen Adels, und wie die Geschichtsschreiber versichern, wurde sie keineswegs mit milder Hand ausgeübt. Die angelsächsischen Fürsten und Adligen war bis auf wenige ausgerottet oder ihres Erbes beraubt, zudem gab es nicht mehr viele, die im Land ihrer Väter noch Besitzungen der zweiten oder einer noch niedrigeren Lehnsklasse hatten. Schon lange war die Politik des Königs darauf ausgerichtet gewesen, durch gesetzliche oder ungesetzliche Mittel die Kraft jener Bevölkerungsschicht zu schwächen, von der man mit Recht annehmen konnte, dass sie einen unversöhnlichen Hass gegen ihre Besieger hegte. Alle Monarchen vom normannischen Stamm hatten eine unverkennbare Bevorzugung für ihre normannischen Untertanen gezeigt. Auf den Nacken der unterjochten Bevölkerung drückten die Jagdgesetze und viele andere, die dem milderen und freieren Geist der angelsächsischen Verfassung alle unbekannt waren, und machten die Last der Lehnsfesseln noch drückender. An den Höfen und in den Schlössern des Hochadels, wo man mit dem Pomp und der Pracht des Hofes wetteiferte, bediente man sich ausschließlich des normannischen Französisch, an den Gerichtshöfen wurden die Plädoyers und Urteile in derselben Sprache abgefasst. Kurz, Französisch war die Sprache der Ehre, des Rittertums und selbst der Gerichtsbarkeit, während das bei Weitem männlichere und ausdrucksvollere Angelsächsisch dem Gebrauch der Bauern und Knechte überlassen blieb, die keine andere Sprache kannten. Der unvermeidliche Verkehr zwischen den Grundherren und den unterdrückten niederen Wesen, die diesen Boden bebauten, schuf jedoch allmählich eine aus dem Französischen und dem Angelsächsischen gemischte Mundart, in der sie sich miteinander verständigen konnten, und aus dieser Notwendigkeit entstand nach und nach die Struktur des heutigen Englisch, worin die Sprachen der Sieger und der Besiegten aufs Glücklichste verschmolzen, und die später durch den Wortschatz der klassischen Sprachen und den der südeuropäischen Völker noch so sehr bereichert worden ist.

Ich habe es für nötig gehalten, so viel über den Stand der Dinge zur Information des Lesers vorauszuschicken, da er leicht vergessen könnte, dass, obgleich es nach der Herrschaft Williams II. keine großen historischen Ereignisse wie Krieg oder Volksaufstand für die Angelsachsen als selbstständiges Volk mehr gab, doch die großen Nationalunterschiede zwischen ihnen und ihren Besiegern, das Bewusstsein dessen, was sie früher gewesen und wozu sie jetzt heruntergekommen waren, bis zur Herrschaft Edwards III. fortdauerte, um die Wunden offen zu halten, welche die normannische Eroberung geschlagen hatte, und eine Grenzlinie zwischen den Nachkommen der siegreichen Normannen und der besiegten Angelsachsen zu erhalten.

Die Sonne ging über einer der grasbedeckten Lichtungen jenes Waldes unter, den wir zu Beginn des Kapitels beschrieben haben. Hunderte von Eichen mit breitem Wipfel, kurzem Stamm und weit ausgebreiteten Ästen, die vielleicht schon den Marsch stattlicher römischer Legionen gesehen hatten, streckten ihre knorrigen Arme über einen dichten Teppich frischen Rasens aus. An einigen Stellen waren sie mit Buchen, Stechpalmen und so dichtem Unterholz vermischt, dass die schrägen Strahlen der untergehenden Sonne nicht hindurchdrangen; an anderen Stellen standen sie weit auseinander und bildeten jene langen Fernsichten, in deren Irrgängen das Auge sich mit Entzücken verliert, während die Fantasie sie als die Pfade zu noch wilderen Szenen der Waldeinsamkeit betrachtet. Hier verbreiteten die roten Strahlen der Sonne ein gebrochenes Licht, das zum Teil auf den belaubten Ästen und moosbewachsenen Stämmen der Bäume lag, zum Teil einzelne Stellen des Rasens beleuchtete. Ein freier Platz in der Mitte der Lichtung schien den Ritualen druidischen Aberglaubens geweiht gewesen zu sein, denn auf dem Gipfel eines kleinen, regelmäßigen und darum fast künstlich zu nennenden Hügels zeigte sich noch der Rest eines Kreises aus rauen, unbehauenen Steinen, deren ungeheure Größe auffiel. Sieben standen aufrecht, die übrigen waren wahrscheinlich durch den Eifer eines zum Christentum Bekehrten umgestürzt und lagen teils in der Nähe ihrer früheren Stelle, teils am Abhang des Hügels. Nur ein einziger großer Stein war bis ganz unten herabgestürzt und hemmte den Lauf eines kleinen Baches, der sich sanft um die Erhöhung schlängelte, und verlieh durch seinen Widerstand dem ruhigen und sonst stillen Bächlein eine murmelnde Stimme.

Diese Landschaft vollendeten zwei menschliche Gestalten, die hinsichtlich ihrer Kleidung und ihres Aussehens den rohen, ländlichen Charakter teilten, der dem Waldgebiet von West Riding in Yorkshire zu jener Zeit eigen war. Der ältere von diesen Männern hatte ein wildes und finsteres Aussehen. Seine Kleidung war von der einfachsten Art, die man sich vorstellen kann. Sie bestand aus einer eng anliegenden Jacke mit Ärmeln, die aus einem gegerbten Tierfell verfertigt war, an dem man ursprünglich das Haar gelassen hatte. Doch da es an vielen Stellen abgescheuert war, konnte man an den wenigen noch übrigen Haarbüscheln nur mit Schwierigkeit erkennen, welchem Tier es gehört hatte. Dieses urzeitliche Kleidungsstück reichte dem Mann vom Hals bis zu den Knien und war das einzige, was er trug. Am Hals befand sich eine Öffnung, die gerade groß genug war, um den Kopf hindurchzustecken, woraus man schließen konnte, dass er es nach Art eines heutigen Hemdes oder einer altertümlichen Halsberge anzog, indem er es über Kopf und Schultern streifte. Sandalen, mit schweinsledernen Riemen festgebunden, schützten seine Füße, und Bänder aus dünnem Leder waren kunstfertig um seine Beine gewickelt und reichten bis über die Wade hinauf, ließen aber die Knie wie bei einem schottischen Hochländer bloß. Um die Jacke fester um den Leib zusammenzuziehen, wurde sie in der Mitte von einem breiten Ledergürtel gehalten, der mit einer metallenen Schnalle versehen war. Daran war auf der einen Seite eine Tasche befestigt, und an der anderen hing ein Bockshorn mit einem Mundstück, um darauf zu blasen. In dem Gürtel steckte auch eines von jenen langen, breiten, scharf zugespitzten, zweischneidigen Messern, mit einem Griff aus Bockshorn, wie sie in der Gegend hergestellt wurden und schon zu jener Zeit unter dem Namen Sheffieldmesser bekannt waren. Der Mann trug keine Kopfbedeckung. Sein Haupt wurde nur durch sein eigenes dichtes Haar beschützt, das ineinander verworren und verfilzt war. Es hatte durch die Sonne eine dunkle, rostrote Farbe angenommen und hob sich deutlich von dem mächtigen Backenbart ab, der von gelblicher Farbe war. Nur ein Teil seiner Kleidung blieb bis jetzt unerwähnt, der zu merkwürdig ist, um übergangen zu werden. Es handelte sich dabei um einen Metallring, einem Hundehalsband nicht unähnlich, doch ohne Öffnung und um seinen Hals so lose festgelötet, dass er ihn nicht am Atmen hinderte, aber doch so eng anliegend, dass er ohne Anwendung einer Feile nicht abgenommen werden konnte. Auf diesem seltsamen Halsschmuck war mit angelsächsischen Runen eine Inschrift folgenden Inhalts eingraviert: »Gurth, der Sohn Beowolfs, ist von Geburt an Leibeigener Cedrics von Rotherwood.«

Neben dem Schweinehirten, denn das war Gurth, saß auf einem der umgestürzten Druidensteine ein Mann, dem Aussehen nach etwa zehn Jahre jünger, dessen Kleidung, obgleich der seines Gefährten ähnlich, aus etwas besserem Stoff war, jedoch sehr viel skurriler wirkte. Seine Jacke war war einst glänzend purpurfarben gewesen, und man hatte versucht, groteske Ornamente in verschiedenen Farben daraufzumalen. Außer dieser Jacke trug er noch einen kurzen Mantel, der kaum bis zur Hälfte über seine Schenkel reichte. Er war aus karmesinrotem Tuch, ziemlich schmutzig, und mit einem grellgelben Besatz versehen; da er wesentlich breiter als lang war und er ihn von einer Schulter auf die andere legen oder auf Wunsch auch ganz um sich zuziehen konnte, war der Mantel ein fabelhaftes Kleidungsstück. Der Mann trug dünne silberne Armbänder und um den Hals ein Band aus demselben Metall mit der Inschrift: »Wamba, der Sohn des Witless, ist der Leibeigene Cedrics von Rotherwood.« Dieser Mann trug die gleichen Sandalen wie sein Gefährte, aber seine Beine steckten nicht in Lederbändern, sondern in einer Art Gamaschen, von denen die eine rot, die andere gelb war. Dazu trug er eine Kappe, an der mehrere Schellen von der Größe, wie man sie Falken anhängt, ringsherum angebracht waren; sie klingelten, wenn er den Kopf bewegte, und da er selten eine Minute in der gleichen Stellung verharrte, begleitete ihn ein unaufhörliches Geklingel. Den Rand seiner Kappe bildete ein steifes Lederband, das aber mehrfach eingeschnitten war und so einer Grafenkrone glich; aus derem Innern erhob sich ein langer Beutel und fiel auf die eine Schulter nieder, ähnlich einer altmodischen Zipfelmütze, einem Tuchbeutel oder der Kopfbedeckung eines modernen Husaren. An diesem Teil der Kappe waren die Schellen befestigt, was ihn, zusammen mit der Form seiner Kappe und dem halb verrückten, halb pfiffigen Ausdruck seines Gesichts, hinlänglich als einen jener Narren oder Spaßmacher kennzeichnete, die in den Häusern der Reichen gehalten wurden, um über die Langeweile der öden Stunden hinwegzuhelfen, die diese im Haus zubringen mussten. Auch er trug, wie sein Gefährte, eine Tasche am Gürtel, hatte aber weder Horn noch Messer. Man zählte ihn wahrscheinlich zu der Sorte von Menschen, denen man scharfe Werkzeuge nicht gern anvertraut. An deren Stelle führte er ein hölzernes Schwert, ähnlich demjenigen, mit dem Harlekin auf der modernen Volksbühne heute noch seine Wunderdinge vollbringt.

Das Äußere dieser beiden Männer bildete kaum einen stärkeren Kontrast als ihr Ausdruck und ihr Benehmen. Der Knecht oder Leibeigene war düster und traurig. Sein Blick war mit einem Ausdruck tiefer Niedergeschlagenheit auf den Boden geheftet, die man für Gefühllosigkeit hätte halten können, wenn nicht das Feuer, das hin und wieder in seinem geröteten Auge funkelte, bezeugt hätte, dass dort unter dem Anschein düsterer Verzweiflung ein Bewusstsein von Unterdrückung und die Neigung zum Widerstand dagegen schlummerte. Wambas Miene hingegen zeigte, wie das bei seinem Menschenschlag oft vorkommt, eine Art unbefriedigte Neugier, quecksilbrige Ungeduld gegenüber jeglichem Anflug von Ruhe und äußerste Selbstzufriedenheit hinsichtlich seiner Lage und seines Auftretens. Ihr Gespräch wurde in der angelsächsischen Sprache geführt, die, wie bereits erwähnt, von den niederen Klassen damals allgemein gebraucht wurde, außer von den normannischen Soldaten und den Bediensteten der Feudalherren. Wollten wir ihre Unterhaltung im Original wiedergeben, würde der heutige Leser wohl nur wenig davon verstehen, und darum liefern wir ihm die folgende Übersetzung.

»Sankt Witholds Fluch über dieses verdammte Schweinevieh !«, sagte der Hirt, nachdem er heftig in sein Horn geblasen hatte, um die zerstreute Schweineherde zusammenzutreiben. Die beantwortete seinen Ruf zwar mit ebenso melodischen Tönen, zeigte aber keine Eile, von dem üppigen Mahl aus Bucheckern und Eicheln abzulassen oder die sumpfigen Ufer des Bachs zu verlassen, wo einige Borstentiere, halb im Schlamm versunken, behaglich ausgestreckt lagen und den Ruf des Hüters nicht beachteten. »Sankt Witholds Fluch über sie und mich!«, sagte Gurth. »Wenn der zweibeinige Wolf vor Anbruch der Nacht nicht einige von ihnen reißt, will ich kein Mann sein! Hierher, Packan, Packan!«, rief er mit lauter Stimme einem zottigen, wolfsähnlichen Hund zu, halb Windhund, halb Kettenhund, der hinkend umherlief, als ob er seinem Herrn beim Zusammentreiben der widerspenstigen Grunzer helfen wolle, sie aber aus Unkenntnis seiner Pflicht oder aus boshafter Absicht nur hin und her trieb, und das Übel, dem er abhelfen zu wollen schien, nur vergrößerte. »Der Teufel soll ihm alle Zähne ausreißen«, sagte Gurth, »und des Teufels Großmutter komme über den Wildhüter, der unseren Hunden die Vorderzehen abschneidet und sie für ihr Geschäft untauglich macht! Wamba, wenn du ein redlicher Mann bist, steh auf und hilf mir lauf um den Hügel und schneid ihnen den Weg ab; hast du sie erst vor dir, dann kannst du sie treiben wie unschuldige Lämmer.«

»Wahrlich«, sagte Wamba, ohne sich von der Stelle zu rühren, »ich habe meine Beine in dieser Angelegenheit befragt, und sie sind entschieden der Meinung, dass meine bunten Kleider durch diese Pfützen zu schleppen ein unfreundlicher Akt gegen meine hohe Person und meine königliche Garderobe wäre; deshalb rat’ ich dir, Gurth, Packan zurückzurufen und die Herde ihrem Schicksal zu überlassen. Ob sie nun auf Banden umherziehender Soldaten treffen, auf Geächtete oder auf wallfahrende Pilger, sie werden doch vor morgen Früh zu deiner Freude und Erleichterung in Normannen verwandelt sein.«

»Die Schweine sollen zu meiner Freude in Normannen verwandelt werden?«, fragte Gurth. »Erklär mir das, Wamba, denn mein Hirn ist zu schwerfällig und mein Gemüt zu erregt, um Rätsel zu lösen.«

»Nun, wie nennst du die grunzenden Biester, die hier auf vier Beinen umherlaufen?«, fragte Wamba.

»Schweine, du Narr, Schweine«, sagte der Hirt, »das weiß doch jeder Dummkopf.«

»Und ›Schwein‹ ist gut angelsächsisch«, sagte der Narr, »aber wie nennst du die Sau, wenn sie abgehäutet, ausgenommen, gevierteilt und wie ein Verräter an den Fersen aufgehängt ist?«

»›Porc‹«, antwortete der Schweinehirt.

»Es freut mich, dass auch das jeder Dummkopf weiß«, sagte Wamba. »Und ›Porc‹, meine ich, ist gut normannisch-französisch. Wenn das Tier also lebt und unter der Obhut angelsächsischer Knechte und Leibeigener steht, trägt es auch seinen angelsächsischen Namen, wird aber ein Normanne und ›Porc‹ genannt, sobald es ins Schloss gebracht wird, um von Adligen verspeist zu werden. Was hältst du davon, Freund Gurth, he?«

»Das ist leider nur zu wahr, Freund Wamba, wie immer diese Ansicht auch in deinen Narrenschädel geraten sein mag.«

»Ja, ich kann dir noch mehr sagen«, fuhr Wamba in demselben Ton fort. »Da ist der alte Ratsherr Ochs, der seine angelsächsische Bezeichnung behält, solange er unter der Obhut von Leibeigenen steht, wie du einer bist, aber Monsieur Bœuf und damit ein feuriger französischer Ritter wird, wenn er zwischen die verehrungswürdigen Kiefer gerät, die ihn verzehren sollen. Auch Mijnheer Kalb wird auf die gleiche Art zum Seigneur de Veau; der Hammel ist angelsächsisch, solange er der Pflege bedarf, und nimmt den normannischen Namen ›Mouton‹ an, sobald er Gegenstand des Genusses wird.«

»Beim heiligen Dunstan«, antwortete Gurt, »da sprichst du traurige Wahrheiten aus; uns ist wenig mehr übrig geblieben als die Luft, die wir atmen, und auch die scheint man uns erst nach langem Bedenken zugestanden zu haben und nur zu dem Zweck, uns in die Lage zu versetzen, die Arbeiten zu ertragen, die man unseren Schultern aufbürdet. Das Zarteste und Fetteste ist für ihre Tafel, das Lieblichste für ihr Bett, die Besten und Tapfersten dienen fremden Herren als Soldaten, in fernen Ländern bleichen ihre Gebeine, und nur wenige sind geblieben, die den Willen und die Macht haben, die unglückseligen Angelsachsen zu beschützen. Gott segne unseren Herrn Cedric, er hat sich wie ein Mann in die Bresche geworfen; aber Reginald Front-de-Bœuf will höchstpersönlich auf seine Besitzungen kommen, und wir werden bald sehen, wie schlecht Cedrics Mühe belohnt wird. – Hierher, hierher!«, rief er wieder mit erhobener Stimme. »So ho! So ho! Gut, Packan, gut! Du hast sie jetzt alle vor dir und treibst sie gut voran.«

»Gurth«, sagte der Possenreißer, »ich weiß, dass du mich für einen Narren hältst, sonst würdest du nicht so unbesonnen sein, deinen Kopf in meinen Rachen zu stecken. Ein Wort zu Reginald Front-de-Bœuf oder Philip de Malvoisin, dass du verräterisch über Normannen gesprochen hast, würde dazu führen, dass du an einem dieser Bäume baumeltest, zum Schrecken aller, die den Adligen Übles nachsagen – und du bist nur ein einfacher Schweinehirt.«

»Du Schuft, du wirst mich doch wohl nicht verraten«, sagte Gurth, »nachdem du mich selbst dazu verleitet hast, so viel Missgünstiges zu sagen?«

»Dich verraten?«, entgegnete der Possenreißer. »Nein, das wäre der Streich eines weisen Mannes; ein Narr kann sich nicht halb so gut helfen – aber still, wer kommt denn da?«, sagte er, indem er auf den Hufschlag mehrerer Pferde horchte, der eben hörbar wurde.

»Kümmre dich nicht darum«, antwortete Gurth, der jetzt seine Herde vor sich hatte und sie mit Packans Hilfe eine der langen schattigen Baumalleen hinuntertrieb, die wir eben zu beschreiben versucht haben.

»Nicht doch! Ich muss die Reiter sehen«, antwortete Wamba, »vielleicht bringen sie eine Botschaft von König Oberon aus dem Elfenland.«

»Die Pest soll dich holen!«, versetzte der Schweinehirt. »Willst du von solchen Dingen reden, während nur wenige Meilen entfernt ein furchtbares Unwetter mit Donner und Blitz wütet? Hör doch, wie der Donner rollt! Noch nie habe ich bei einem Sommerregen so große Tropfen schnurgerade aus den Wolken fallen sehen, und obwohl sich hier noch kein Lüftchen regt, ächzen und knarren die Eichen mit ihren weiten Ästen, als wollten sie ein Unwetter ankündigen. Ich weiß, du kannst vernünftig sein, wenn du willst, also hör dies eine Mal auf mich und lass uns nach Hause gehen, ehe das Gewitter losbricht, denn es wird eine furchtbare Nacht werden.«

Wamba schien die Dringlichkeit der Bitte einzuleuchten, und er begleitete seinen Gefährten, der den langen Knotenstock aufnahm, der neben ihm im Gras lag, und sich auf den Weg machte. Hastig eilte dieser zweite Eumaios die Lichtung des Waldes hinunter und trieb mit Packans Hilfe die ganze Herde seiner unharmonisch grunzenden Pflegebefohlenen vor sich her.

Kapitel 2

Ein Mönch war auch dabei, schmuck wie kein Zweiter,

Ein Waidmann von Passion und flotter Reiter

Stattlich von Aussehn, eines Abtes wert.

Er hatt’ in seinem Stall manch feines Pferd,

Und wenn er ritt, so hörte man die Schellen

An seinem Zügel hell im Winde gellen,

Als wären es die Glöcklein der Kapelle,

Wo dieser Herr Bewohner war der Zelle.

Geoffrey Chaucer, ›Canterbury-Geschichten‹, Einleitung, 165–172

Trotz gelegentlicher Ermahnungen und Tadel seines Gefährten konnte Wamba, als der Klang der Pferdehufe immer näher kam, nichts daran hindern, mehrmals unter verschiedenen Vorwänden auf dem Weg stehen zu bleiben; mal riss er ein Büschel halb reifer Nüsse von einem Haselstrauch ab, mal blickte er zurück, um einem Dorfmädchen nachzuglotzen, das ihren Weg kreuzte. Die Reiter hatten sie deshalb bald eingeholt.

Es waren zehn Mann, von denen die beiden Voranreitenden bedeutende Männer und die anderen ihre Gefolgsleute zu sein schienen. Es war nicht schwer, Stellung und Rang des einen zu erraten: Er war offenbar ein hoher geistlicher Würdenträger. Seine Kleidung war dem Schnitt nach die eines Zisterziensermönchs, bestand jedoch aus viel feinerem Stoff, als die Regel jenes Ordens gestattete. Mantel und Kapuze waren aus dem besten flandrischen Tuch und sie legten sich in weiten, aber nicht ungraziösen Falten um eine stattliche, obgleich etwas beleibte Gestalt. Sein Gesicht trug ebenso wenig Anzeichen von Selbstverleugnung, wie seine Kleidung von Verachtung weltlicher Pracht zeugte. Man hätte seinen Gesichtsausdruck als tugendhaft bezeichnen können, wenn nicht unter seinem Augenlid jenes schlaue epikureische Blinzeln gelauert hätte, das den vorsichtigen Wollüstling verrät. Andererseits hatten sein Beruf und seine Stellung ihn eine geschickte Beherrschung seiner Miene gelehrt, der er nach Belieben einen feierlichen Ausdruck geben konnte, obgleich sie gewöhnlich nur gut gelaunte, umgängliche Milde ausdrückte. Den klösterlichen Regeln und den Edikten des Papstes und der Konzilien zum Trotz waren die Ärmel der Kleidung dieses Würdenträgers gefüttert und mit kostbarem Pelzwerk besetzt. Sein Mantel wurde am Hals von einer goldenen Spange zusammengehalten, und insgesamt war die Ordenskleidung so sehr geschmückt und verziert wie das Kleid einer schönen Quäkerin unserer Tage, die zwar Schnitt und Stil ihrer Sekte beibehält, aber deren Einfachheit durch Wahl des Stoffes und Art der Verarbeitung einen gewissen koketten Reiz zu geben weiß, der nur allzu sehr nach den Eitelkeiten der Welt schmeckt.

Dieser würdige Geistliche ritt ein wohlgenährtes, in gemächlichem Passgang laufendes Maultier, dessen Geschirr schön geschmückt und dessen Zaum nach der Mode jener Zeit mit silbernen Schellen verziert war. Seine Haltung zeigte nichts von dem linkischen Wesen der Klosterleute, sondern die lockere und gewohnheitsmäßige Anmut eines geübten Reiters. In der Tat schien dieser stattliche Mönch sich nur auf Reisen eines so niedrigen Fortbewegungsmittels wie dem Maultier zu bedienen, so gut das Tier auch zugeritten sein mochte. Für andere Gelegenheiten führte ein Laienbruder seines Gefolges einen der schönsten spanischen Zelter am Zügel, die je in Andalusien gezüchtet worden sind und die damals für reiche und vornehme Personen unter großen Mühen und Gefahren von Kaufleuten beschafft wurden. Sattel und Decke dieses prächtigen Zelters waren mit einer langen Schabracke bedeckt, die fast bis zum Boden ging und reich mit Bischofsmützen, Kreuzen und anderen kirchlichen Symbolen bestickt war. Ein anderer Laienbruder führte ein Saumtier, das wahrscheinlich mit dem Gepäck seines Vorgesetzten beladen war, und zwei Mönche desselben Ordens, aber Brüder von niederem Rang, ritten miteinander schwatzend und lachend hinterher, ohne sich viel um die anderen Mitglieder des Reiterzugs zu kümmern.

Der Begleiter des geistlichen Würdenträgers war ein Mann von mehr als vierzig Jahren, schlank, stark, groß, muskulös und von athletischer Gestalt, dem lange Strapazen und ständige körperliche Übungen keinen Zug der zarteren menschlichen Form mehr gelassen hatten und alles in Muskeln, Knochen und Sehnen verwandelt zu haben schienen, die bereits tausend Mühseligkeiten ausgestanden hatten und bereit waren, noch tausend weiteren zu trotzen. Auf dem Kopf trug er eine scharlachrote, pelzbesetzte Mütze von der Art, die die Franzosen wegen ihrer Ähnlichkeit mit einem umgedrehten Mörser »mortier« nennen. Sein Gesicht war daher vollständig zu sehen, und dessen Ausdruck schien darauf angelegt, Fremden Scheu, wenn nicht gar Furcht einzuflößen. Von den kräftigen Gesichtszügen dieses Mannes, die durch die tropische Sonne fast so dunkel wie die Haut eines Negers waren, konnte man in ihrem gewöhnlichen Zustand sagen, dass sie schlummerten, nachdem der Sturm der Leidenschaften vorübergezogen war doch zeigten die hervortretenden Adern auf der Stirn, die bei der geringsten Bewegung zuckende Oberlippe und das Zittern des dichten schwarzen Schnurrbarts deutlich, dass dieser Sturm leicht wieder erregt werden konnte. Seine scharfen, durchdringenden, dunklen Augen erzählten mit jedem Blick eine Geschichte von überwundenen Strapazen und bestandenen Gefahren, und schienen den Widerstand allein um des Vergnügens willen herauszufordern, ihn durch entschlossenen Mut und Willen aus dem Weg zu räumen. Eine tiefe Narbe auf seiner Stirn erhöhte noch die Strenge seiner Miene und verlieh dem einen seiner Augen, das bei dieser Verletzung in Mitleidenschaft gezogen worden war und nun ein wenig schief saß (obgleich er nicht weniger gut damit sah), einen unheimlichen Ausdruck.

Die Oberbekleidung dieses Mannes glich der seines Gefährten, denn sie bestand aus einem langen Mönchsmantel, dessen scharlachrote Farbe jedoch zeigte, dass er zu keinem der vier gewöhnlichen Mönchsorden gehörte. Auf seinem Mantel befand sich auf der rechten Schulter ein eigentümlich geformtes Kreuz aus weißem Stoff. Dieses Obergewand verbarg etwas, was dem Äußeren seiner Kleidung sehr wenig entsprach, nämlich ein äußerst kunstvoll gewobenes und geflochtenes eisernes Panzerhemd mit Ärmeln und Handschuhen, das sich dem Körper so eng anschloss, wie der auf den Strumpfwirkmaschinen unserer Tage angefertigte leichtere Trikotstoff. Der vordere Teil seiner Schenkel war, so weit die Falten seines Mantels sie sehen ließen, ebenfalls mit einem Maschenpanzer bedeckt. Knie und Füße wurden durch Schienen oder dünne Stahlplatten geschützt, die kunstvoll leicht überlappend miteinander verbunden waren. Schienbeinschoner, die vom Knöchel bis zum Knie reichten und aus Stahlringen gefertigt waren, vervollständigten den Schutzpanzer des Reiters. Im Gürtel trug er als einzige Angriffswaffe einen langen zweischneidigen Dolch.

Er ritt kein Maultier wie sein Begleiter, sondern einen kräftigen Gaul, um sein edles Schlachtross zu schonen, das, vollkommen zum Streit gerüstet, von einem Knappen hinter ihm hergeführt wurde und ein stählernes Stirnband trug, aus dem vorn eine lange Spitze hervorragte. An der einen Seite des Sattels hing eine kurze, reich mit Damaszener Intarsien verzierte Streitaxt, an der anderen des Reiters federgeschmückter Helm mit eisernem Visier und ein langes, mit beiden Händen zu führenden Schwert, wie es die Ritter jener Zeit verwendeten. Ein zweiter Knappe hielt die Lanze seines Herrn hoch empor, an deren Spitze ein Fähnchen flatterte, auf dem ein Kreuz von derselben Form wie auf dem Mantel gestickt war. Er trug auch den kleinen dreieckigen Schild, der oben breit genug war, um die Brust zu decken, nach unten aber spitz zulief. Er war mit einem scharlachroten Tuch bedeckt, weshalb man die Devise nicht sehen konnte.

Diesen beiden Knappen folgten zwei Diener, deren dunkle Gesichter, weiße Turbane und orientalische Kleidung sie als Eingeborene eines fernen Landes im Orient auswiesen. Die ganze Erscheinung dieses Kriegers und seines Gefolges machte einen fantastischen und exotischen Eindruck. Seine Knappen waren prächtig gekleidet, und seine orientalischen Diener trugen silberne Halsbänder und ebensolche Ringe um ihre braunen Arme und Beine. Die Arme waren vom Ellbogen an bloß, ebenso die Beine von der Mitte des Schenkels bis zum Knöchel. Seide und Stickerei war ein Kennzeichen ihrer Gewänder und ließ auf den Reichtum und hohen Rang ihres Herrn schließen, bildete aber zugleich einen auffallenden Gegensatz zu der kriegerischen Einfachheit seiner eigenen Kleidung. Sie waren bewaffnet mit Krummsäbeln, deren Griffe und Gehenke mit Gold ausgelegt waren, und mit türkischen Dolchen von noch kostbarerer Verarbeitung. Jeder von ihnen trug an seinem Sattelknopf ein Bündel Wurfspieße von etwa vier Fuß Länge, mit scharfen stählernen Spitzen, eine bei den Sarazenen sehr gebräuchliche Waffe, deren Andenken in dem auch heute noch im Orient gebräuchlichen kriegerischen Spiel »El Jerrid« bewahrt wird.

Die Pferde dieser Diener sahen ebenso exotisch aus wie ihre Reiter. Es waren Sarazenen, also echte Araber. Ihre schönen schlanken Glieder, schmalen Fesseln, feinen Mähnen sowie ihre leichte federnde Bewegung bildeten einen scharfen Gegensatz zu den kräftig gebauten schweren Pferden, die in Flandern und der Normandie gezüchtet wurden, weil nur sie einen Ritter in voller Rüstung zu tragen vermochten, und die neben jenen orientalischen Rennern als Verkörperung von Schwerfälligkeit und Bedeutungslosigkeit hätten gelten können.

Das seltsame Aussehen dieser Reiterschar zog nicht nur die Neugier Wambas auf sich, sondern erregte auch die seines weniger flatterhaften Gefährten. Den Mönch erkannte er sogleich als den Prior der Abtei Jorvaulx, der in der ganzen Gegend bekannt war als Liebhaber der Jagd, fröhlicher Gelage und, wenn das Gerücht ihm nicht Unrecht tat, auch anderer weltlicher Freuden, die sich noch weniger mit den Mönchsgelübden vertrugen.

Doch waren die Ansichten jener Zeit hinsichtlich des Benehmens der Geistlichen außer- und innerhalb des Klosters so locker, dass Prior Aymer in der Umgebung seiner Abtei im besten Ruf stand. Seine heitere und lebenslustige Art sowie die Bereitwilligkeit, mit der er für kleinere Sünden die Absolution erteilte, machten ihn zum Günstling des hohen und niederen Adels, mit dem er darüber hinaus noch verwandt war, da er aus einer vornehmen normannischen Familie stammte. Vor allem die Damen verzichteten gern auf die allzu kritische Prüfung der Sittlichkeit eines Mannes, der ein erklärter Bewunderer ihres Geschlechts war, und dem manche Mittel zu Gebote standen, die Langeweile zu vertreiben, die sich nur zu leicht in die Hallen und Frauengemächer alter Adelsschlösser einschlich. Der Prior nahm mit mehr als schicklichem Eifer an den Jagdbelustigungen teil, und man gestand ihm zu, die besten Falken und die schnellsten Jagdhunde von North Riding zu besitzen, was ihn besonders den jungen Adligen empfahl. Bei den alten hatte er eine andere Rolle zu spielen, die er, wenn es nötig war, mit großem Anstand darzubieten verstand. Seine Belesenheit, so oberflächlich sie auch sein mochte, genügte, Unwissenden Respekt vor seiner vermeintlichen Gelehrsamkeit einzuflößen, und die Gesetztheit seines Benehmens und seiner Sprache sowie der hochtrabende Ton, mit dem er sprach, um die Autorität der Kirche und der Priesterschaft nachdrücklich darzulegen, ließen sie die Überzeugung von seiner Heiligkeit gewinnen. Sogar die einfachen Leute, die sonst Höherstehende sehr streng beurteilen, hatten Verständnis für die Torheiten von Prior Aymer. Er war großmütig, und Freigebigkeit bemäntelt, wie man weiß, eine ganze Menge Sünden, allerdings in einem anderen Sinn, als die Heilige Schrift es meint. Die Einkünfte des Klosters, von denen ihm ein großer Teil zur Verfügung stand, lieferten ihm die Mittel, seine eigenen, sehr beträchtlichen Ausgaben zu bestreiten, reichten aber auch noch für die milden Gaben, die er unter dem Landvolk verteilte und durch die er nicht selten die Not der Unterdrückten linderte. Wenn Prior Aymer häufig auf die Jagd ritt oder lange bei einem fröhlichen Gelage blieb, wenn man ihn in der ersten Morgendämmerung durch das Hinterpförtchen der Abtei schlüpfen sah, wenn er von einem nächtlichen Rendezvous zurückkehrte, das ihn die Stunden der Dunkelheit über beschäftigt hatte, dann zuckten die Leute nur mit den Schultern und entschuldigten seine Verstöße damit, dass viele seiner Brüder ebenso lebten, ohne Eigenschaften zu besitzen, die ihren schlechten Lebenswandel entschuldigten. Prior Aymer und seine Eigenarten waren daher unseren angelsächsischen Leibeigenen wohlbekannt, weshalb sie ihm ungeschlacht ihre Reverenz erwiesen und dafür sein »Benedicite, mes filz« empfingen.

Aber die seltsame Erscheinung seines Begleiters und dessen Gefolge fesselte ihre Aufmerksamkeit und erregte ihre Verwunderung dermaßen, dass sie kaum auf die Frage des Priors von Jorvaulx achteten, ob sie nicht in der Nähe eine Unterkunft wüssten? So sehr staunten sie über das halb klösterliche, halb militärische Aussehen des braun gebrannten Fremdlings und über die ungewohnte Kleidung und die Waffen seiner orientalischen Diener. Möglicherweise klang aber auch die Sprache, in welcher der Segen erteilt und die Frage gestellt wurde, für die Ohren der angelsächsischen Leibeigenen unangenehm, wenn auch sicher nicht unverständlich.

»Ich fragte euch, meine Kinder«, sagte der Prior lauter in der Lingua franca oder Mischsprache, in der sich die Normannen mit den Angelsachsen verständigten, »ob hier in der Gegend irgendein achtbarer Mann wohnt, der um Gottes willen oder aus Verehrung für unsere Mutter Kirche zweien ihrer demütigsten Dienern und ihrem Gefolge ein Nachtlager und eine kleine Stärkung gewähren würde?«

Dies sprach er im Ton selbstbewusster Überlegenheit, der einen starken Gegensatz zu den bescheidenen Ausdrücken bildete, die zu gebrauchen er für angemessen hielt.

»Zweien der demütigsten Diener der Mutter Kirche!«, wiederholte Wamba für sich. Doch wenn er auch Narr war, trug er doch Sorge, seine Bemerkung nicht vernehmbar zu machen: »Da möchte ich ihre Seneschalle, ihre Mundschenken und ihre anderen wichtigen Diener sehen!«

Nach diesem innerlichen Kommentar zu den Worten des Priors hob er den Blick und antwortete auf die Frage.

»Wenn die ehrwürdigen Väter eine gute Bewirtung und ein weiches Lager lieben«, sagte er, »wird ein Ritt von wenigen Meilen Euch zu der Priorei Brinxworth bringen, wo Euer Rang Euch die ehrenvollste Aufnahme sichern wird; wenn Ihr allerdings eine mit Bußübungen verbrachte Nacht vorzieht, braucht Ihr nur jene verwilderte Schneise hinunterzureiten, die zur Einsiedelei von Copmanhurst führt, wo ein frommer Eremit das Obdach seiner Hütte und den Segen seines Gebets mit Euch teilen wird.«

Der Prior schüttelte zu beiden Vorschlägen den Kopf.

»Mein lieber Freund«, sagte er, »wenn das Klingeln deiner Schellen nicht dein Hirn verwirrt hätte, müsstest du das Sprichwort kennen: ›Clericus clericum non decimat‹, was bedeutet, dass wir Geistlichen unsere Gastfreundschaft nicht gegenseitig strapazieren, sondern sie lieber von Laien fordern und ihnen so die Gelegenheit geben, Gott zu dienen, indem sie seine berufenen Diener ehren und unterstützen.«

»Es ist wahr«, versetzte Wamba, »ich bin nur ein Esel, aber ich habe dennoch die Ehre, wie Euer Hochwürden Maultier Schellen zu tragen; aber bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass die Liebe der heiligen Kirche und ihrer Diener wie jede andere bei sich selbst beginne.«

»Zum Henker mit deiner Unverschämtheit, Bursche«, unterbrach der bewaffnete Reiter mit lauter und strenger Stimme sein Geschwätz. »Sag uns lieber, wenn du kannst, den Weg zu... wie heißt noch Euer Franklin, Prior Aymer?«

»Cedric«, antwortete der Prior, »Cedric der Angelsachse.– Sag uns, guter Bursche, sind wir in der Nähe seiner Wohnung, und kannst du uns den Weg dorthin zeigen?«

»Der Weg wird nicht leicht zu finden sein«, antwortete Gurth, der zum ersten Mal sein Schweigen brach, »und Cedrics Familie geht früh zu Bett.«

»Still, erzähl mir nichts, Bursche!«, rief der bewaffnete Reiter. »Es ist ein Leichtes für sie, aufzustehen und die Bedürfnisse von Reisenden, wie wir es sind, zu befriedigen; wir werden uns nicht herablassen, um Gastfreundschaft zu bitten, wo wir das Recht haben, sie einzufordern.«

»Ich weiß nicht«, sagte Gurth gereizt, »ob ich denen den Weg zum Haus meines Herrn zeigen soll, die als ihr Recht das Obdach einfordern, das andere gern als eine Gunst erbitten.«

»Willst du mit mir streiten, Sklave?«, rief der Krieger, gab seinem Pferd die Sporen, ließ es eine halbe Volte über den Weg machen und erhob zugleich die Reitgerte, die er in der Hand hielt, um das zu bestrafen, was er aus dem Mund eines Bauern für eine Beleidigung hielt.

Gurth warf ihm einen wilden, rachsüchtigen, finsteren Blick zu und legte mit zorniger, aber zögernder Bewegung die Hand an den Griff seines Messers. Doch Prior Aymer griff ein, lenkte sein Maultier zwischen seinen Gefährten und den Schweinehirten und verhinderte so die geplante Gewalttat.

»Nein, bei der heiligen Maria, Bruder Brian, Ihr dürft nicht so tun, als ob Ihr noch in Palästina wärt und über heidnische Türken und ungläubige Sarazenen herrschtet; wir auf der Insel lieben Schläge nicht, außer sie kommen von der heiligen Kirche, denn wen sie lieb hat, den züchtigt sie. – Zeig mir, guter Bursche«, wandte er sich dann an Wamba und versuchte seinen Worten durch eine kleine Silbermünze Nachdruck zu verleihen, »zeig mir den Weg zu Cedric dem Angelsachsen; er kann dir nicht unbekannt sein, und es ist deine Pflicht, Reisenden den Weg zu weisen, selbst wenn sie einem weniger heiligen Stand angehörten als wir!«

»Wahrhaftig, ehrwürdiger Vater«, entgegnete der Possenreißer, »der Sarazenenkopf Eures hochehrwürdigen Begleiters hat meinen so durcheinandergebracht, dass ihm der Heimweg entfallen ist und ich mir nicht einmal sicher bin, dass ich selbst heute zurückfinde.«

»Pah«, sagte der Abt, »du wirst es wohl können, wenn du nur willst. Dieser ehrwürdige Bruder hat sein ganzes Leben lang gegen die Sarazenen gekämpft, um das Heilige Grab zurückzuerobern; er gehört zum Orden der Templer, von denen du sicher schon gehört hast; er ist halb Mönch, halb Krieger.«

»Wenn er nur ein halber Mönch ist«, sagte der Possenreißer, »dann sollte er sich auch nicht ganz unvernünftig gegenüber denen benehmen, die ihm auf der Straße begegnen, selbst wenn sie es nicht eilig damit haben, Fragen zu beantworten, die sie nichts angehen.«

»Ich verzeihe dir deinen Witz«, versetzte der Abt, »aber nur unter der Bedingung, dass du uns den Weg zu Cedrics Haus zeigst.«

»Nun gut«, antwortete Wamba. »Euer Hochwürden müssen auf diesem Weg bleiben, bis Ihr zu einem versunkenen Kreuz kommt, das kaum noch eine Elle aus dem Boden hervorschaut. Von den vier Wegen, die dort zusammenlaufen, schlagt den zur Linken ein, und ich bin mir sicher, Euer Hochwürden werden ein Obdach erhalten, ehe das Gewitter losbricht.«

Der Abt dankte seinem weisen Ratgeber, und die Reiter gaben ihren Pferden die Sporen und ritten davon wie Leute, die ihr Gasthaus erreichen wollen, bevor ein nächtliches Ungewitter ausbricht. Als der Hufschlag ihrer Pferde kaum noch zu hören war, sagte Gurth zu seinem Gefährten: »Wenn sie deinem weisen Rat folgen, werden die ehrwürdigen Väter Rotherwood heute Nacht wohl kaum noch erreichen.«

»Nein«, sagte der Possenreißer grinsend, »aber mit ein wenig Glück können sie Sheffield erreichen, und das ist ein ebenso passender Ort für sie. Ich bin kein so schlechter Weidmann, dass ich dem Hund zeige, wo das Reh liegt, wenn ich nicht will, dass er es jagt.«

»Du hast recht«, sagte Gurth, »es wäre schlimm, wenn Aymer unsere Herrin Rowena sähe, und vielleicht noch schlimmer, wenn Cedric sich mit diesem kriegerischen Mönch stritte, was höchstwahrscheinlich geschehen würde. Aber wie es guten Dienern ziemt, lass uns hören und sehen, aber den Mund halten.«

Wir kehren zu den Reitern zurück, die bald die Leibeigenen weit hinter sich gelassen hatten und folgende Unterhaltung in normannisch-französischer Sprache führten, die allgemein von den oberen Klassen gebraucht wurde, mit Ausnahme einiger weniger, die sich immer noch ihrer angelsächsischen Abkunft rühmen wollten.

»Was wollten diese Kerle nur mit ihrer eigensinnigen Unverschämtheit sagen?«, fragte der Templer den Zisterzienser. »Und warum hindert Ihr mich, sie dafür zu züchtigen?«

»Fürwahr, Bruder Brian«, versetzte der Prior, »was den einen betrifft, wäre es schwer für mich, einen Grund anzugeben, warum ein Narr nach seiner Narrheit redet; und der andere Kerl ist von jenem wilden, zornigen und halsstarrigen Schlag, von dem, wie ich Euch schon oft erzählt habe, noch einige unter den Nachkommen der besiegten Angelsachsen zu finden sind, und deren größtes Vergnügen darin besteht, durch alle ihnen zu Gebote stehenden Mittel ihre Abneigung gegen ihre Sieger zu erkennen zu geben.«

»Ich würde ihm schon Höflichkeit eingebläut haben«, erklärte Brian, »denn ich bin gewohnt, mit solchen Querköpfen umzugehen. Unsere türkischen Gefangenen sind so trotzig und störrisch wie Odin selbst, doch zwei Monate in meinem Haus und unter der Fürsorge meines Sklavenaufsehers haben sie demütig, unterwürfig, dienstwillig und gehorsam gemacht. Nur müsst Ihr Euch, Herr, vor Gift und Dolch in Acht nehmen, denn sie benutzen beides sehr gern, wenn Ihr ihnen nur die geringste Gelegenheit dazu bietet.«

»Schon, aber jedes Land hat seine eigenen Bräuche und Gewohnheiten«, antwortete Prior Aymer, »und abgesehen davon, dass Schläge diesem Kerl keine Auskunft über den Weg zu Cedrics Haus entlockt hätten, wäre es sicher zu einem Streit zwischen ihm und Euch gekommen, wenn wir selbst dorthin gefunden hätten. Vergesst nicht, was ich Euch gesagt habe: Dieser reiche Franklin ist stolz, heftig, misstrauisch und reizbar, ein Gegner des Adels und sogar seiner Nachbarn Reginald Front-de-Bœuf und Philip Malvoisin, die doch wahrlich keine Grünschnäbel sind, mit denen man sich ungestraft anlegen kann. Er besteht so unnachgiebig auf den Vorrechten seines Stammes und ist so stolz auf seine direkte Abstammung von Hereward, einem berühmten Krieger der Heptarchie, dass er allgemein Cedric der Angelsachse genannt wird, ja, er brüstet sich sogar damit, jenem Volk anzugehören, während andere versuchen, ihre Abkunft davon zu verheimlichen, um nicht das ›vae victis‹ der Besiegten zu erfahren und einen Teil der Lasten zu tragen.«

»Prior Aymer«, sagte der Templer, »Ihr seid ein galanter Mann, erfahren im Studium der Schönheit und in allen Liebesdingen so bewandert wie ein Troubadour doch diese berühmte Rowena muss schon sehr schön sein, damit ich die Selbstverleugnung und Zurückhaltung aufbringen kann, die ich brauche, wenn ich mich um die Gunst eines so widerborstigen Kerls bewerben soll, wie Ihr mir ihren Vater Cedric geschildert habt.«

»Cedric ist nicht ihr Vater«, versetzte der Prior. »Er ist nur ein entfernter Verwandter. Sie ist von noch edlerem Geblüt, als er selbst in Anspruch nimmt. Allerdings ist er ihr Vormund, auch wenn er sich selbst dazu eingesetzt hat, wie ich glaube. Doch sein Mündel ist ihm ebenso teuer wie ein eigenes Kind. Ihre Schönheit sollt Ihr bald selbst beurteilen, und wenn die Reinheit ihres Teints und der majestätische, aber sanfte Ausdruck ihres milden blauen Auges die schwarz gelockten Mädchen aus Palästina oder sogar die Huris aus des alten Mohammeds Paradies nicht aus Eurem Gedächtnis verdrängt, dann will ich ein Ungläubiger sein und kein wahrer Sohn der Kirche.«

»Sollte Eure gerühmte Schönheit«, sagte der Templer, »auf der Waage als zu leicht befunden werden, dann vergesst unsere Wette nicht!«

»Meine goldene Ordenskette gegen zehn Fässer Chioswein«, erwiderte der Prior. »Sie sind so sicher mein, als lägen sie schon im Klosterkeller unter Verschluss meines alten Cellerars Dennis.«

»Und ich werde selbst der Richter sein«, sagte der Templer. »Und ich werde nur verlieren, wenn ich zugeben muss, dass ich seit Pfingsten vor einem Jahr kein so schönes Mädchen gesehen habe, war es nicht so vereinbart? – Prior, Eure Ordenskette ist in Gefahr ich werde sie in den Schranken von Ashby-de-la-Zouche über der Halsberge tragen.«

»Gewinnt sie ehrlich«, sagte der Prior, »und tragt sie, wie Ihr wollt; ich bin überzeugt, dass Ihr auf Euer Wort als Ritter und Geistlicher keine unwahre Antwort geben werdet. Aber, Bruder, nehmt meinen Rat an und feilt Eure Zunge zu etwas mehr Höflichkeit, als Ihr gegenüber ungläubigen Gefangenen und orientalischen Sklaven anzuwenden pflegt. Wenn Cedric der Angelsachse beleidigt ist – und er ist sehr empfindlich–, dann ist er der Mann, der ohne Rücksicht auf Eure Ritterwürde und meinen geistlichen Rang oder auf unserer beider Heiligkeit, sein Haus von uns befreien und uns hinausschicken würde, um bei den Lerchen zu übernachten, und wäre es auch um Mitternacht. Und seid vorsichtig, wenn Ihr Rowena anseht, denn er liebt und bewacht sie mit der eifersüchtigsten Sorgfalt; falls er in dieser Hinsicht auch nur im Geringsten beunruhigt wird, sind wir verloren. Er soll seinen einzigen Sohn verstoßen haben, weil er seine Augen liebevoll zu dieser Schönen erhob, die offenbar nur aus der Ferne verehrt werden darf und der man sich mit keinen anderen Gedanken nahen darf, als solchen, mit denen man vor den Altar der gebenedeiten Jungfrau tritt.«

»Schon gut, ich weiß Bescheid«, antwortete der Templer, »ich will mir für einen Abend den notwendigen Zwang auferlegen und mich so sanft betragen wie ein Mädchen; doch was Eure Furcht betrifft, er könnte uns gewaltsam hinauswerfen, so wollen ich, meine Knappen sowie Hamet und Abdalla Euch vor dieser Schmach schon schützen. Zweifelt nicht, dass wir stark genug sind, unser Quartier behaupten zu können.«

»So weit dürfen wir es nicht kommen lassen«, antwortete der Prior. »Aber hier ist des Narren versunkenes Kreuz, und es ist so finster, dass wir wohl kaum sehen können, welchen Weg wir einschlagen müssen. Ich meine, er sagte, wir sollten uns links halten.«

»Rechts, soweit ich mich erinnere«, sagte Brian.

»Links, ganz sicher links, ich sah deutlich, dass er mit seinem hölzernen Schwert dorthin zeigte.«

»Ja, aber er hielt sein Schwert in der linken Hand und zeigte nach der anderen Seite«, sagte der Templer.

Jeder behauptete seine Meinung mit großer Hartnäckigkeit, wie das in solchen Fällen häufig vorkommt. Man wandte sich jetzt an die Diener, doch die waren nicht nah genug gewesen, um Wambas Richtungsangabe zu hören. Endlich bemerkte Brian, was ihm anfangs im Zwielicht entgangen war: »Hier liegt jemand schlafend oder tot am Fuß dieses Kreuzes. – Hugo, stoß ihn mit dem Schaft deiner Lanze.«

Kaum war das geschehen, da erhob sich die Gestalt und rief in gutem Französisch: »Wer du auch sein magst, es ist unhöflich von dir, mich in meinen Gedanken zu stören!«

»Wir möchten Euch nur bitten, uns den Weg nach Rotherwood zum Haus Cedrics des Angelsachsen zu zeigen«, sagte der Prior.

»Ich bin selbst auf dem Weg dorthin«, versetzte der Fremde, »und wenn ich ein Pferd hätte, würde ich Euch hinführen; der Weg ist etwas schwierig, doch er ist mir sehr gut bekannt.«

»Dank und Belohnung sollst du bekommen, mein Freund«, sagte der Prior, »wenn du uns sicher zu Cedric bringst.«

Dann befahl er einem seiner Begleiter, sein eigenes Handpferd besteigen und das, auf dem er gesessen hatte, dem Fremden zu geben, der ihr Führer sein wollte.

Dieser schlug den entgegengesetzten Weg von dem ein, den Wamba ihnen in der Absicht angegeben hatte, sie irrezuleiten. Der Pfad führte sie tiefer in das Gehölz und über mehr als einen Bach, wo der Übergang wegen der sumpfigen Niederungen, durch die diese Bäche flossen, gefährlich wurde, doch der Fremde schien instinktiv zu wissen, wo der Boden fest und der Übergang sicher war, und führte die Gesellschaft mit Vorsicht und Aufmerksamkeit auf einen breiteren Weg, als sie bisher gesehen hatten, zeigte auf ein großes, niedriges, unregelmäßiges Gebäude am äußersten Ende und sagte zum Prior: »Dort ist Rotherwood, die Wohnung Cedrics des Angelsachsen.«

Dies war eine erfreuliche Nachricht für Aymer, dessen Nerven nicht die stärksten waren und der beim Ritt durch die gefahrvollen Sümpfe so viel Furcht und Besorgnis empfunden hatte, dass er noch nicht so neugierig gewesen war, seinem Führer eine einzige Frage zu stellen. Da er jetzt beruhigt und in der Nähe eines Obdachs war, erwachte seine Neugier, und er fragte den Führer, wer und was er sei.

»Ein Pilger, der eben aus dem Heiligen Land zurückgekehrt ist«, war die Antwort.

»Ihr wärt besser dort geblieben, um für die Eroberung des Heiligen Grabes zu kämpfen«, sagte der Templer.

»Das ist wahr, ehrwürdiger Herr Ritter«, sagte der Mann, der mit dem Äußern des Templers bestens vertraut zu sein schien, »doch wenn diejenigen, die einen Eid geschworen haben, die Heilige Stadt zurückzuerobern, in solcher Entfernung vom Schauplatz ihrer Pflicht reisen, könnt Ihr Euch da wundern, wenn ein friedlicher Landmann wie ich die Aufgabe ablehnt, die jene verlassen haben?«

Der Templer wollte ihm eine zornige Antwort geben, wurde jedoch von Aymer unterbrochen, der erneut sein Erstaunen darüber aussprach, dass ihr Führer nach so langer Abwesenheit die Pfade des Waldes noch so gut kannte.

»Ich bin in dieser Gegend geboren«, sagte der Führer, und als er diese Antwort gab, standen sie vor Cedrics Haus. Es war ein niedriges, unregelmäßiges Gebäude, das mehrere Höfe oder Einfriedungen enthielt und einen beträchtlichen Raum einnahm. Der Größe nach zu urteilen, musste der Bewohner ein wohlhabender Mann sein, es unterschied sich jedoch gänzlich von den hohen, mit Türmchen und Zinnen versehenen Gebäuden, in denen der normannische Adel residierte und deren Baustil sich über ganz England verbreitet hatte.

Gleichwohl war Rotherwood nicht ohne Verteidigungswerke, da jedes Anwesen in jener unruhigen Zeit welche haben musste, wenn es nicht Gefahr laufen wollte, vor dem nächsten Morgen geplündert und niedergebrannt zu werden. Ein tiefer Graben war um das ganze Gebäude gezogen, der von einem nahen Bach mit Wasser versorgt wurde. Zwei Palisaden aus gespitzten Baumstämmen, die der angrenzende Wald lieferte, verteidigten das äußere und das innere Ufer des Grabens. An der Westseite befand sich in der äußeren Palisade eine Öffnung, die über eine Zugbrücke mit einer ähnlichen Öffnung im inneren Schutzzaun verbunden war. Man hatte darauf geachtet, dass diese Eingänge durch Vorsprünge, die im Notfall mit Bogenschützen oder Schleuderern besetzt werden konnten, gesichert wurden.

Vor diesem Eingang stieß der Templer laut in sein Horn, denn der Regen, der schon so lange gedroht hatte, begann nun mit großer Heftigkeit niederzugehen.

Kapitel 3

Dann kamen (welch schlimmer Trost) vom rauen Gestade,

Das Deutschlands Ozean umbrüllt, in blüh’nder Kraft,

Blondlockig und blauäugig die kräftigen Angelsachsen.

James Thomson, ›Die Freiheit‹, 4, 668–70

In einer Halle, deren geringe Höhe in einem krassen Missverhältnis zu ihrer außerordentlicher Länge und Breite stand, war auf einem langen Eichentisch, der aus roh behauenen und kaum geglätteten Brettern aus dem nahen Wald zusammengezimmert war, die Abendmahlzeit Cedrics des Angelsachsen aufgetragen. Die Decke des Zimmers bestand aus Balken und Sparren, und sie waren das Einzige, was den Raum vom freien Himmel trennte. An beiden Enden dieser Halle befand sich ein ungeheurer Kamin, dessen Schornstein freilich so schlecht konstruiert war, dass wenigstens ebenso viel Rauch im Raum verbreitet wurde, wie zur Schornsteinöffnung abzog. Der ständige Qualm, der dadurch verursacht wurde, hatte den Balken und Sparren der niedrigen Halle eine Art Firnis verliehen, das heißt, er hatte sie mit einer Kruste aus Ruß überzogen. An beiden Seiten der Halle hingen Kriegs- und Jagdwaffen und in jeder Ecke befanden sich Flügeltüren, die zu anderen Teilen des weitläufigen Gebäudes führten.

Die übrige Einrichtung des Hauses trug dieselbe rohe Einfachheit der angelsächsischen Periode an sich, die Cedric mit Stolz beibehielt. Der Fußboden bestand aus Erde und Lehm, die zu einer harten Masse gestampft worden waren, wie sie heutzutage noch oft für den Boden von Scheunen verwendet wird. Über etwa ein Viertel des Raums war der Boden um eine Stufe über den übrigen Teil erhöht, und diesen Teil, der »dais« genannt wurde, durften nur Familienmitglieder und die vornehmsten Gäste einnehmen. Zu diesem Zweck war ein reich mit scharlachfarbenem Tuch bedeckter Tisch quer auf der Erhöhung aufgestellt, von dessen Mitte ein längerer und niedrigerer Tisch auslief, an dem die Diener und einfachen Leute speisten, und der sich bis zum unteren Ende der Halle erstreckte. Das Ganze glich in seiner Anordnung einem T oder jenen altertümlichen Speisetischen, die, in derselben Weise aufgestellt, noch in den alten Colleges von Oxford und Cambridge zu sehen sind. Wuchtige Stühle und Sessel aus geschnitzter Eiche standen auf der Erhöhung, und über diesen Sitzen und dem noch höheren Tisch war ein Stoffbaldachin angebracht, der dazu diente, die Honoratioren, die diesen Ehrenplatz einnahmen, einigermaßen vor dem Wetter und natürlich besonders vor dem Regenwasser zu schützen, das an verschiedenen Stellen durch das schlecht konstruierte Dach eindrang.

Die Wände dieses oberen Endes der Halle waren, so weit sich die Erhöhung erstreckte, mit Stoffdecken oder ‑vorhängen behangen, auf dem Boden lag ein Teppich, sie alle verziert mit einfachen Stickereien. Über dem niedrigen Tisch hatte die Decke, wie schon erwähnt, keine Behänge, die grob verputzen Wände waren kahl, auf dem Boden lag kein Teppich, der Tisch war ohne Tischtuch, und anstelle der Stühle standen dort rohe, klotzige Bänke.

In der Mitte des oberen Tisches standen zwei Stühle, höher als die übrigen, für den Hausherrn und die Hausfrau, die bei gastlichen Gelegenheiten den Vorsitz führten, wovon ihre angelsächsischen Ehrentitel ›Brotverteiler‹ sich ableiten.

Bei jedem dieser Stühle stand ein merkwürdig geschnitzter Fußschemel, an dem vor allem die Ebenholzintarsien auffielen. Auf einem dieser Sitze saß gegenwärtig Cedric der Angelsachse, der, obgleich seinem Rang nach nur ein Than oder, wie die Normannen ihn nannten, ein Franklin, wegen der Verzögerung seiner Abendmahlzeit eine ärgerliche Ungeduld zeigte, wie sie früher und auch heute eigentlich nur einem Ratsherrn ansteht.

In der Tat schien Cedric, seinen Gesichtszügen nach zu urteilen, einen freimütigen, aber hitzigen und cholerischen Charakter zu besitzen. Er war von mittlerer Größe, aber breitschultrig, hatte lange Arme und war kräftig gebaut, wie jemand, der an die Anstrengungen des Krieges und der Jagd gewöhnt ist. Sein Gesicht war breit, mit großen blauen Augen, sein Mund mit gut erhaltenen Zähnen versehen, und das Ganze drückte jene Art gutmütiger Fröhlichkeit aus, die oft mit einem hitzigen und ungestümen Temperament einhergeht. Sein Blick drückte Stolz und Misstrauen aus, denn er hatte sein ganzes Leben damit zugebracht, Rechte zu behaupten, die ständigen Übergriffen ausgesetzt waren; und der entschlossene, feurige und entschiedene Charakter dieses Mannes war durch die Eigentümlichkeit seiner Lage in fortwährender Spannung erhalten worden. Sein langes, blondes Haar war in der Mitte gescheitelt und auf jeder Seite bis zur Schulter herabgekämmt, es zeigte nur wenige graue Strähnen, obwohl Cedric schon auf die sechzig zuging.

Seine Kleidung bestand aus einer waldgrünen Tunika, am Hals und an den Aufschlägen mit dem sogenannten »minever« besetzt, einer Art Pelzwerk von geringerer Qualität als der Hermelin, das, wie man glaubt, aus dem Fell des grauen Eichhörnchens bestand. Dieses Wams hing nicht zugeknöpft über einem eng anliegenden, scharlachroten Kleid. Beinkleider von derselben Farbe bedeckten den oberen Teil der Schenkel, die Knie waren bloß. An den Füßen trug Cedric Sandalen von derselben Art wie die Leibeigenen, nur waren sie aus feinerem Material und vorn mit goldenen Schnallen geschlossen. Er trug goldene Armbänder und ein breites Halsband aus demselben Edelmetall. Um den Leib schlang sich ein reich verzierter Gürtel, in dem ein kurzes, gerades, zweischneidiges Schwert mit scharfer Spitze steckte, das fast senkrecht an der Seite herabhing. Hinter seinem Sitz hingen ein pelzbesetzter, scharlachroter Wollmantel und eine reich bestickte Mütze aus demselben Stoff, wodurch der Anzug des wohlhabenden Landbesitzers vervollständigt wurde, wenn er ausging. Ein kurzer Eberspieß mit breiter, glänzender Spitze lehnte am Rücken seines Stuhls; er diente ihm, wenn er ausging, als Stock oder auch als Waffe, wenn das notwendig sein sollte.

Mehrere Diener, deren Kleidung sich zwischen dem prächtigen Anzug ihres Herrn und der groben, einfachen Hülle Gurths des Schweinhirten bewegte, achteten auf die Blicke und warteten auf die Befehle ihres angelsächsischen Gebieters. Zwei oder drei Diener höheren Ranges standen hinter ihrem Herrn auf der Erhöhung, die Übrigen saßen im niedrigeren Teil der Halle. Außer den verschiedenen Dienern befanden sich dort zwei oder drei große zottige Hetzhunde, wie man sie damals auf der Hirsch- oder Wolfsjagd einsetzte; ebenso viele Hetzhunde von starker und schöner Rasse, mit dicken Hälsen, großen Köpfen und langen Ohren, und ein paar von jenen kleineren Hunden, die heute Terrier genannt werden, die alle ungeduldig auf das Abendessen warteten. Doch hüteten sie sich, mit der klugen Interpretation des Gesichtsausdrucks, die diesen Tieren eigen ist, das mürrische Schweigen ihres Herrn zu unterbrechen. Wahrscheinlich fürchteten sie auch den kleinen weißen Stock, der neben Cedrics Schneidebrett lag, mit der er die Annäherungen seiner vierbeinigen Untergebenen abzuweisen pflegte. Nur ein alter grauer Wolfshund hatte sich mit der Freiheit eines verwöhnten Günstlings neben den Ehrensitz gepflanzt und wagte es, von Zeit zu Zeit die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, indem er seinen großen struppigen Kopf auf das Knie seines Herrn legte oder seine Schnauze in dessen Hand steckte. Aber auch er wurde durch den strengen Befehl zurückgewiesen: »Kusch, Balder! Ich habe keine Lust auf solche Albernheiten.«

In der Tat war Cedric, wie schon erwähnt, keineswegs in der besten Stimmung. Lady Rowena, die außer Haus gewesen war, um der Abendmesse in einer weit entfernten Kirche beizuwohnen, war eben erst zurückgekehrt und wechselte gerade ihre Kleider, die vom Regen völlig durchnässt worden waren. Auch war noch keine Nachricht von Gurth und seinen Pflegebefohlenen eingetroffen, die schon längst aus dem Wald heimgetrieben worden sein sollten. So groß war die Unsicherheit jener Zeit, dass man bei solchen Verzögerungen leicht einen Raub durch Geächtete, von denen der nahe Wald voll war, vermuten konnte, oder die Gewalttätigkeit eines benachbarten Barons, dessen Machtbewusstsein ihn die Gesetze des Eigentums ignorieren ließ. Die Angelegenheit war durchaus nicht unwichtig, denn die zahlreichen Schweineherden bildeten den Grundstock des häuslichen Wohlstands der angelsächsischen Grundbesitzer, besonders in Waldgegenden, wo diese Tiere leicht Nahrung fanden.

Außer diesen Anlässen zur Besorgnis war der angelsächsische Than ungehalten über die Abwesenheit seines Lieblingsnarren Wamba, dessen Scherze, ganz gleich von welcher Art sie waren, dazu dienten, seine Abendmahlzeit und die tiefen Züge Bier und Wein, womit er sie zu begleiten pflegte, gewissermaßen zu würzen. Hinzu kam noch, dass Cedric seit Mittag nichts gegessen hatte, und die gewohnte Stunde des Abendessens längst vorüber war – etwas, was in alten wie in neuen Zeiten bei Landedelleuten ein häufiger Anlass zur Gereiztheit war und ist. Seine Unzufriedenheit drückte sich in abgebrochenen Sätzen aus, die er vor sich hin murmelte oder an die Diener richtete, die um ihn her standen, und besonders an seinen Mundschenk, der ihm von Zeit zu Zeit als Besänftigungsmittel einen silbernen Becher mit Wein reichte.

»Wo bleibt Lady Rowena?«

»Sie richtet nur noch ihren Kopfputz«, versetzte eine Dienerin mit großem Selbstvertrauen, etwa so, wie die Lieblingszofe einer Dame heutzutage dem Herrn antwortet. »Ihr würdet doch nicht wollen, dass sie sich in Kapuze und Mantel an die Tafel setzt? Und keine Dame in der Grafschaft ist schneller mit dem An- und Umkleiden fertig als meine Gebieterin.«

Dieses unwiderlegliche Argument rief eine Art von zustimmendem »Hm!«, vonseiten des Angelsachsen hervor: »Ich wünschte«, fügte er hinzu, »ihre Frömmigkeit würde sich für ihren nächsten Besuch in der St.-John’s-Kirche besseres Wetter aussuchen. Aber was, in zehn Teufels Namen!«, fuhr er fort, indem er sich an den Mundschenk wandte und seine Stimme erhob, als sei er froh, einen Kanal gefunden zu haben, durch den er seinen Unwillen bedenkenlos und ungezügelt ableiten konnte – »was, in zehn Teufels Namen, hält Gurth so lange draußen zurück? Ich fürchte, wir werden schlechte Nachrichten von der Herde bekommen. Er war immer ein treuer und umsichtiger Knecht, und ich hatte ihn zu etwas Besserem bestimmt; vielleicht hätte ich ihn sogar zum Aufseher* gemacht.«

Oswald, der Mundschenk, wandte bescheiden ein, dass kaum eine Stunde seit dem Läuten der Abendglocke vergangen sei; eine recht unglücklich gewählte Entschuldigung, da sie einen Gegenstand berührte, der angelsächsischen Ohren sehr missfiel.

»Der böse Feind soll die Abendglocke holen«, rief Cedric, »und auch den tyrannischen Bastard, der sie erfunden hat, und den herzlosen Sklaven dazu, der sie mit angelsächsischer Zunge vor angelsächsischen Ohren erwähnt! – Die Abendglocke !«, fügte er nach einer Pause hinzu, »ja die Abendglocke, die rechtschaffene Leute zwingt, die Lichter auszulöschen, damit Diebe und Räuber im Dunkeln ihren Schurkereien nachgehen können! – Ja, die Abendglocke– Reginald Front-de-Bœuf und Philip de Malvoisin kennen den Gebrauch der Abendglocke so gut wie William der Bastard selbst, oder die normannischen Abenteurer, die bei Hastings kämpften. Vermutlich werde ich mir anhören müssen, dass mein Eigentum gestohlen worden ist, um die gierigen Banditen vor dem Hungertod zu retten, die sich nur durch Raub und Diebstahl ernähren können. Mein treuer Sklave ist ermordet und mein Eigentum als Beute davongeschafft worden. Und Wamba – wo ist Wamba? Sagte nicht jemand, er sei mit Gurth weggegangen?«

Oswald bestätigte dies.

»Wirklich? Das wird ja immer besser! – Auch er ist entführt worden, der angelsächsische Narr, um dem normannischen Herrn zu dienen. Narren sind wir in der Tat alle, die wir ihnen dienen, und bessere Gegenstände für ihren Spott und Hohn, als wenn wir nur mit halbem Verstand geboren wären. Aber ich will Rache nehmen«, fügte er hinzu, indem er vor Ungeduld und Zorn über die vermeintliche Beleidigung vom Stuhl aufsprang und seinen Eberspieß ergriff. »Ich werde mit meiner Klage bis vor den Staatsrat gehen. Ich habe Freunde, ich habe Anhänger– Mann gegen Mann will ich die Normannen vor die Schranken fordern; sie mögen nur kommen in ihren Panzerhemden und Rüstungen und mit allem anderen, was Feige kühn macht; ich habe einen Wurfspieß wie diesen durch eine Schutzwehr geschleudert, die stärker war als drei ihrer Schlachtschilde zusammen! – Vielleicht halten sie mich für alt; doch sie sollen zu spüren bekommen, allein und kinderlos, wie ich bin, dass das Blut Herewards in Cedrics Adern fließt. – Ach, Wilfred, Wilfred!«, rief er etwas leiser, »hättest du doch bloß deine unbedachte Leidenschaft zügeln können, dann wäre dein Vater im Alter nicht allein geblieben wie die einsame Eiche, die ihre vertrockneten und ungeschützten Äste der vollen Gewalt des Sturms entgegenstreckt !« Dieser Gedanke schien seine Erregung in Trauer zu verwandeln. Er stellte den Wurfspieß zurück, setzte sich wieder, schlug die Augen nieder und versank in schwermütiges Grübeln.