Jack Bänger - Michael Gerwien - E-Book

Jack Bänger E-Book

Michael Gerwien

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Beschreibung

Jack Bänger ist Pornofilmproduzent und Multimillionär, der dem Koks, dem Alkohol, dem weiblichen Geschlecht und Partys ohne Ende nicht gerade abgeneigt ist. Sein leichtes Leben bekommt eine dramatische Wendung, als er plötzlich in seiner Wohnung niedergeschlagen wird, Morddrohungen bekommt und seine Freunde und Bettgespielinnen reihenweise verstümmelt und ermordet auffindet. Ein irrer Killer hat es auf ihn abgesehen und treibt seine perversen Spielchen.

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Michael Gerwien

Jack Bänger

Satirischer Thriller

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-digital.de

Gmeiner Digital

Ein Imprint der Gmeiner-Verlag GmbH

© 2014 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlagbild: © photovideostock – iStockphoto

Umschlaggestaltung: Julia Franze

ISBN 978-3-7349-9260-5

Prolog

Er hängte seine Jacke an den kleinen Haken an der Tür, zog seine Schuhe aus, trat vor den vergilbten Kühlschrank neben dem wackeligen Ankleidetischchen, nahm ein eiskaltes Bier heraus, öffnete es, trank gierig, stieß auf und grinste zufrieden. Nichts als diabolische Vorfreude auf das große Ereignis, das bald stattfinden würde, erfüllte ihn. Dann, wenn der Tag gekommen wäre, an dem er endlich seine Rache an diesem Teufel vollenden würde, der ihm all das Böse angetan hatte, das ihm in seinem Leben bisher begegnet war.

1/Tag 1

»Verdammte Scheiße!«

Der Wecker klingelte. Ich musste dringend aufstehen, die Arbeit rief. Um zehn Uhr hatte ich diesen gnadenlos wichtigen Termin mit der neuen Produktionsfirma im Norden der Stadt, bei der ich mein neues Projekt vorstellen sollte. Ein hübscher kleiner Nebenjob, bei dem es um sehr viel Geld ging, für sehr wenig Aufwand. Aber von all dem wusste ich im Moment nichts mehr. Ich öffnete ja gerade erst die Augen und blickte mich in meinem Schlafzimmer um, ganz vorsichtig, damit das hämmernde Stechen in meinen Schläfen nicht noch stärker wurde.

Neben mir lag ein Körper, offensichtlich ein Häschen. Keine Ahnung, wie sie in mein Bett gekommen war, aber sie war da. Sie atmete, sie war blond und sie sah verdammt gut aus. Zumindest die Teile von ihr, die nicht von der Decke verborgen waren. Anscheinend hatte ich sie mit meinem Fluchen geweckt, denn sie schlug langsam ihre großen blauen Augen auf und lächelte.

»Guten Morgen, Jack.«

»Hallo, Schätzchen. Ich wüsste jetzt gar nicht … äh, wie du in mein Bett kommst?«

»So besoffen, wie du gestern warst, ist das auch kein Wunder. Wir haben uns am späten Abend im ›23‹ kennengelernt. Du wolltest unbedingt, dass ich noch mit zu dir komme. Ich heiße übrigens Manuela. Was du sicher auch vergessen hast.«

»Manuela. Aha!«

Natürlich hatte ich vergessen, wie sie hieß. Bevor ich sie gerade entdeckt hatte, hatte ich ja nicht einmal gewusst, dass es sie gab. »Haben wir  …?«

»Was heißt hier, haben wir? Du warst doch zu nichts mehr imstande. Und das meine ich wörtlich.«

»Blödsinn.«

»Kein Blödsinn. Deine Nudel war schlapp wie gargekocht.« Sie grinste frech zwischen ihren langen Locken hervor.

Ich mag es nicht, wenn mir Leute am frühen Morgen vorwitzig kommen. Erst recht nicht, wenn sie mir dabei auch noch angebliche Schwächen meinerseits unter die Nase reiben und mich damit beleidigen. Klare Sache, dass ich ihr das unmöglich durchgehen lassen konnte. Ich lasse mich schließlich nicht zum Affen machen. Schon gar nicht von irgendwelchen halbgaren Hühnern, die ungefragt in meinen Federn herumliegen. Sobald ich vollständig wach war, würde mir sicher eine angemessene Strafe für sie einfallen. Also stand ich erst mal auf und verfrachtete mich ins Bad. Rasieren, Dusche, Zähneputzen, Deo, das übliche Programm. Dabei fiel mir siedend heiß mein Termin bei dieser neuen Produktionsfirma wieder ein.

Als ich eilig ins Schlafzimmer zurückkehrte, um mich anzuziehen und meiner nächtlichen Besucherin ordentlich die Meinung zu geigen, war sie bereits fort. Auf meinem Kopfkissen lag ein Zettel: ›Vielleicht klappt es ja beim nächsten Versuch. Warten wir’s ab‹, stand darauf. Miststück, sie beleidigte mich schon wieder. Ich zerknüllte den Zettel und warf ihn in den Mülleimer. Das wirst du noch bereuen, Schätzchen, dachte ich, schlüpfte in weißes Hemd und Anzug, trank schnell einen Kaffee, schlang dazu drei Rühreier runter und legte mir anschließend auf dem Esstisch eine Linie blütenweißen Andenschnee zurecht. Dann saugte ich mir das leckere Pülverchen mit einem aufgerollten neuen Fünfhunderter in den Rüssel. Ich nehme dazu nur neue Fünfhunderter, weil die den besten Durchzug haben. Fragen Sie mich jetzt bloß nicht, warum. Das ist einfach so. Mag am Papier oder an der Farbe liegen. Oder es ist irgend so eine bescheuerte Art von Scheißmagie. Voodoo oder so, keine Ahnung. Vielleicht hat es aber auch etwas mit der Größe der Scheine zu tun, wegen meiner großen Nase. Ja, Sie haben richtig gehört. Ich bin der Typ, nach dem dieser Spruch erfunden wurde, von wegen ›wie die Nase eines Mannes, so auch sein Johannes‹. Sie glauben das nicht? Dann schauen Sie sich doch einfach mal einen Film von mir an. In den ersten Jack-Bänger-Produktionen spielte ich immer selbst die männliche Hauptrolle. Die Streifen laufen im Internet, auf dem Pornokanal im Hotel oder in jedem x-beliebigen Pornokino oder Klub. Auf Video gibt es sie natürlich auch.

Sobald ich mit meinem kleinen Nachtisch fertig war, trabte ich in den Flur und zog meinen dunklen Trenchcoat über. Ich musste los. Einen coolen professionellen Eindruck bei meinen neuen Geschäftspartnern zu hinterlassen, war logischerweise Pflicht. Also checkte ich noch mal den Spiegel. Der kräftige schwarzhaarige Bursche, der vor mir stand, gefiel mir wieder mal verdammt gut. Die Haare wie immer zum Pferdeschwanz zusammengebunden und zwei dunkelgrüne durchdringende Augen, die mich entschlossen und selbstbewusst anblickten. Na also, Alter, perfekt wie immer, dachte ich und klopfte mir kurz selbst auf die linke Schulter. War ja sonst niemand da.

Nun, vielleicht meinen Sie ja jetzt, dass ich bei meiner blonden Bettgenossin deswegen nichts zustande gebracht hätte, weil ich schwul wäre. Da darf ich Sie gleich wieder beruhigen. Ich mag alles Mögliche sein, aber schwul bin ich bestimmt nicht. Ich werde es auch nie sein. Obwohl Männerärsche natürlich auch hammerscharf aussehen können. Aber ich stehe nun mal schon immer auf runde Frauenärsche und ein paar hübsche Möpse auf der anderen Seite. Ende der Durchsage. Und einen schlappen Willy hatte ich letzte Nacht garantiert auch nicht gehabt. Das wäre gar nicht möglich gewesen bei meiner hammerartigen Libido. Da hat die Kleine glatt gelogen. Eher kippt der Eiffelturm in die Seine, als mein Mister Zuverlässig in die Laken. Wahrscheinlich hatte sie Minderwertigkeitskomplexe mir gegenüber. Schließlich war sie mit keinem Geringeren als Jack Bänger in der Kiste gewesen.

Ich trabte lässig in die Tiefgarage hinunter und sperrte mein Baby auf, einen schneeweißen Aston Martin DB 9 mit Sonderausstattung. Einer der letzten, die in Newport gebaut wurden, bevor das Werk dort schließen musste. Aber was, wenn sie doch die Wahrheit gesagt hatte? Was, wenn das schon die Vorboten des Alters waren?, dachte ich weiter, während ich mich in meinen scheißbequemen schwarzen Ledersitz fallen ließ. Immerhin war ich bereits 36. Ach was, Blödsinn. Konnte gar nicht sein, oder?

Was regt sich dieser Jack Bänger eigentlich auf? 36 ist doch kein Alter, werden Sie jetzt vielleicht sagen. Nun, da mögen Sie einerseits natürlich recht haben, andererseits täuschen Sie sich aber auch ein bisschen, zumindest was mich betrifft. 36 Jahre meines Lebensalters entsprechen locker 150 ausschweifend gelebten Jahren jedes anderen Menschen auf unserem schönen Blauen Planeten. Nehmen Sie nur mal meine letzten 15 Jahre. Die waren nichts anderes als ein mörderischer Ritt auf der Überholspur. Arbeit, Sex, Saufen und wieder Arbeit, Sex, Saufen. Und dazu jede Menge Schnee natürlich.

Meine Lebenskerze hatte dabei die ganze Zeit über lichterloh gebrannt, an beiden Enden, Tag und Nacht. Und das tut sie auch heute noch. Vielleicht erfindet demnächst jemand mal einen Namen dafür. ASS-Syndrom zum Beispiel. Von wegen Arbeit, Sex, Saufen. Klar, dass ein Gewinnertyp wie ich auch Feinde hat. Aber dazu komme ich noch, jetzt erst mal weiter im Text.

Ich fuhr also aus meiner Tiefgarage heraus, um meinen Termin mit dieser neuen, noch nicht auf dem Markt etablierten Produktionsgesellschaft wahrzunehmen, einem kunterbunt gemischten Haufen aus Europäern, angeführt von ein paar finanzkräftigen Russen aus dem Dunstkreis eines mächtigen Oligarchen. Einem riesigen Projekt mit internationaler Besetzung und internationalen Schauplätzen sollte da von mir in die Schuhe geholfen werden. Ganz großes Kino. Ein megageiler Pornostreifen, wie ihn die Welt noch nie gesehen hatte. Dabei ging es, wie gesagt, um sehr viel Geld, und so, wie ich das Treatment, das ich verfasst hatte, einschätzte, würde natürlich auch in meinen Taschen einiges davon hängen bleiben.

Wie sich mein unglaublicher Erfolg erklären lässt, wollen Sie wissen? Nun, darauf werde ich im Lauf meiner Geschichte auf jeden Fall immer wieder zurückkommen. Mir ist völlig klar, dass Sie ein Recht darauf haben, die ganze Wahrheit zu erfahren. Für den Moment nur schon mal soviel.

Gleich nach meinem Schulabschluss hatte alles angefangen. Kaum war die Tinte auf den letzten Prüfungsblättern trocken gewesen, hatte ich von der kleinen Erbschaft, die mir mein Großvater hinterlassen hatte, meinen ersten Kiosk gemietet und unglaubliches Glück damit gehabt. Ein halbes Jahr später hatten sie nämlich begonnen, direkt daneben ein riesiges Bankhochhaus zu bauen. Ein Heer von hungrigen und durstigen Arbeitern spülte fortan haufenweise Geld in meine Kasse. Bereits ein paar Jahre später, mit knapp 23, schlummerte der erste satte Hunderttausender auf meinem Konto. Nicht schlecht für einen aus der Vorstadt, was? Natürlich hatte ich auch damals schon jede Menge Neider gehabt und massenhaft sogenannte Freunde. In jedem Sexclub der Gegend hatte man den roten Teppich für mich ausgerollt, in jedem angesagten Sternerestaurant unserer schönen Region war ich mit Handschlag begrüßt und mit Jack angesprochen worden. Ich kannte Gott und die Welt, und Gott und die Welt kannten mich. Na ja , vielleicht nicht die ganze Welt. Aber auf jeden Fall schon mal von den Alpen bis rauf zur Nordseeküste.

Doch auf einmal war alles anders. Ich hatte bei einem Pokerspiel alles, was ich besaß, gesetzt und verloren. Von einem Tag auf den anderen war nichts mehr von meinem schönen Mammon übrig. Vielleicht hätte ich mir weniger Koks in mein hübsches Näschen schaufeln sollen, kurz bevor das Spiel losging. Egal, auf jeden Fall stand ich plötzlich ohne Hose da, komplett pleite. Nackt im Wind, wenn man so will.

Aber ich wäre nicht ich gewesen, hätte ich nicht selbst aus dieser für jeden anderen 100-prozentig ausweglosen Situation Kapital schlagen können. Merke, einen Jack Bänger kriegt niemand klein, nicht mal das Schicksal. Ich ging also hin und schrieb mein bisheriges Leben in Form einer genialen Drehbuchvorlage nieder, bot es über einen Bekannten in Hollywood an und landete damit einen megaerfolgreichen Straßenfeger, wie ihn die Welt noch nicht erlebt hatte. Und da ich bei Vertragsabschluß darauf bestanden hatte, lieber an den Einspielergebnissen des Films beteiligt zu werden, anstatt ein Honorar für mein Buch zu bekommen, weil ich natürlich an mich glaubte, war ich bis zum Schluss richtig gut dabei. International versteht sich. In den Kinos und Fernsehanstalten dieser Welt und auf Video. Im Internet natürlich auch.

10.000.000 Euro waren es insgesamt, die sich irgendwann auf meinem Konto tummelten, und andauernd kam neuer Schotter nach. Mit einem Schlag stand ich besser da als je zuvor. Sie wissen schon, Partys, Frauen, Annerkennung, Preise, Zugang zu den höchsten Kreisen.

Wenn man so will, war ich in dem Moment, als ich mein Baby zu meinem Termin mit diesen russengesteuerten Anfängern lenkte, also längst ein erfolgreicher Filmautor und Produzent, der seine Fühler bereits bis nach Hollywood ausgestreckt hatte. Und da meinte nun irgend so ein kleines lächerliches Manuelahäschen, von deren Existenz, außer ihren Eltern, wahrscheinlich niemand auf dieser großen weiten Welt wusste, doch glatt, dass sie mir blöd kommen durfte. Ein Niemand! Mir! Auch auf die Gefahr hin, dass ich Sie gerade mit einer Wiederholung langweile, aber das konnte und wollte ich ihr wirklich nicht durchgehen lassen. Auf gar keinen Fall. Wie gesagt, ein Jack Bänger lässt sich nicht zum Affen machen. Sollten Sie selbst Manuela heißen, dann dürfen Sie mir das jetzt nicht krummnehmen. Wir wissen ja beide, dass Sie mit der Sache nichts zu tun haben. Sie haben halt einfach nur das Pech mit Ihrem Namen.

2/Tag 1

»Hallo, Herr Bänger. Schön, dass Sie kommen konnten. Unser Produktionsteam und unser Herr Iwanowitsch erwarten Sie schon in der Meetinglounge.«

Ich befand mich im zwölften Stock eines nagelneuen Bürohochhauses in der Nordstadt. Der Aufzug hatte keine fünf Sekunden gebraucht, um mich hier rauf zu schaffen. Jetzt führte mich das wasserstoffblonde Vorzimmerhäschen einen ewig langen, hell erleuchteten Flur entlang und öffnete die große Glastür an dessen Ende. Ich trat ein.

»Herr Bänger! Hoffentlich haben wir keinen Hänger. Ha, ha, ha. Nikolai Pjotr Iwanowitsch ist mein Name. Guten Tag.«

Der blauäugige, kurzgeschorene russische Leiter der Fickfun Company schüttelte mir die Hand und lächelte mich dabei undurchsichtig an. Er stand mit drei anderen Typen im Geschäftsanzug vor einem großen Besprechungstisch, die er mir als den Holländer, den Franzosen und den Engländer vorstellte.

»Sehr witzig«, erwiderte ich. »Soll das Ganze hier jetzt mit lustigen Späßchen über lustige Namen weitergehen? Oder haben Sie ernsthaft Interesse daran, Geld zu verdienen, meine Herren.«

Leicht genervt ließ ich meinen Blick über die schrägen Gestalten hinweggleiten. Wie schon gesagt, Jack Bänger lässt sich nicht zum Affen machen. Von niemandem.

»Also gut. Keine weiteren Späßchen, Herr Bänger. Und ja, natürlich wollen wir Geld verdienen. Am liebsten viel Geld. Stimmt’s, meine Herren?« Der blond gefärbte Iwanowitsch, der mir irgendwie schwul vorkam, zog gleich mal den Schwanz ein. Zumindest sah es so aus. Seine Kumpels nickten eifrig.

Na also, dachte ich, geht doch. Schon merkwürdig, dass man immer erst auf den Busch klopfen muss, bis die anderen funktionieren. Ich stellte meine Aktentasche ab, griff großzügig in den weißen Haufen Koks auf dem Tisch, baute in der Handbeuge neben meinem linken Daumen einen kleinen weißen Berg und saugte ihn weit in mein linkes Nasenloch hinauf. Das rechte folgte auf dem Fuße. Anschließend reinigte ich meinen Gesichtserker ausgiebig mit dem karierten Stofftaschentuch, das ich immer in der Hosentasche trage. Erst dann sprach ich weiter.

»Na sehen Sie. Dann würde ich vorschlagen, wir kommen gleich zum Geschäft. Ich habe hier einen Filmstoff, der, wenn wir alles richtig machen, einen wunderbar warmen Geldregen auf uns alle niederprasseln lassen wird.«

Ich holte meine Unterlagen mit dem Treatment hervor und legte sie vor mich hin. Dann setzte ich mich und sah meinen eventuellen zukünftigen Partnern, die ebenfalls Platz nahmen, mit festem Blick in die glattrasierten Gesichter.

»Also, meine Herren. Der Titel meines Drehbuches ist ›Das Stachelschwein im Lesbennest‹, und er ist wörtlich zu verstehen. Die grobe Story wäre demnach so, dass ein kleiner dunkelhaariger Aserbaidschaner aus gutem Hause auf einer Urlaubsreise zufällig in einen arabischen Puff gerät, in dem es sich die Nutten seit Jahren ununterbrochen lesbenmäßig gegenseitig besorgen, wenn nicht gerade irgendwelche Freier ihre Dienste in Anspruch nehmen.«

»Fängt schon mal gut an«, unterbrach mich Iwanowitsch aufmunternd.

»Na klar. Was dachten Sie denn? Vor Ihnen sitzt Jack Bänger und nicht Jack Penner«, schleuderte ich ihm selbstbewusst entgegen. Schließlich kannte ich diese ersten positiven Reaktionen auf meine genialen kreativen Ideen zur Genüge. »Also weiter. Der Witz an der Sache ist dann, dass der kleine Aserbeidschaner einen solchen Monsterschwengel hat, dass sich die Nuttenlesben von ihm, auch in ihrer Freizeit, wieder zum normalen Verkehr bekehren lassen. Sprich, mit ihm. Das Ende vom Lied ist dann, dass die Mädels wochenlang nur noch wie die Kletten an ihm dranhängen. Ganz zum Schluss packt er dann als Krönung ein kniendes Kamel, weil er einfach nicht genug kriegen kann. Das Sinnbild männlicher Potenz und Übermacht schlechthin. Ein regelrechter Sexgott auf Erden.«

»Warum nicht.« Iwanowitsch grinste beifällig. Seine Kollegen schlossen sich einmütig an.

»Wenn das mit dem Kamel den Kostenrahmen sprengen sollte, können wir aber auch einen Esel, ein Pferd, eine Kuh oder ein Schaf nehmen. Hauptsache irgendein größeres Tier. Und weiblich sollte es sein. Der Typ ist schließlich nicht schwul. Das wäre dann wieder ein anderer Film und eine völlig andere Zielgruppe. Müsste man dementsprechend auch völlig anders aufziehen. Vielleicht machen wir einen zweiten Teil daraus. ›Das Stachelschwein im Schwulenpuff‹ oder so. Na ja, mal sehen. Hauptsache, wir haben erst mal unser Tier.«

»Ein Kamel ist kein Problem. Stelle ich mir irgendwie witzig vor«, beruhigte mich der kurzgeschorene Chef der Fickfun Company. »Und die Sache mit Teil zwei klingt vielversprechend. Nicht schlecht, Herr Bänger.«

»Na bestens. Alles, was wir sonst noch brauchen, sind circa 20 junge Russinnen oder Ukrainerinnen für die Besetzung der Lesbennutten oder Nuttenlesben, ganz wie Sie wollen, und einen kleinen Raum, den wir als arabischen Puff einrichten können. Bei der Suche bin ich Ihnen gerne behilflich.«

»Haben wir. Gar kein Problem«, winkte Iwanowitsch mit einer weichen Handbewegung ab.

War der etwa echt vom anderen Ufer? Was ging’s mich an. Hauptsache, er bezahlte. »Na prima. Den kleinen Aserbeidschaner kann ich beisteuern. Er kommt zwar aus Österreich und heißt Franz Postler, aber das macht überhaupt nichts, weil er wie ein Aserbeidschaner aussieht. Außerdem biete ich Ihnen an, regelmäßig auf dem Set vorbeizuschauen, um nach dem Rechten zu sehen, Kamera, Licht und so weiter. Ich sehe das so, Sie bekommen meine gesamte Erfahrung zum Drehbuch dazu. Und, meine Herren, was sagen Sie?«

»Na ja, Herr Bänger …«, Iwanowitsch schaute erst kurz seine Kollegen an, dann mich. »Es klingt alles wirklich interessant. Die Story erscheint mir einigermaßen spannend. Haben Sie dabei eigentlich auch an Dialoge gedacht? Nur Sex wäre vielleicht doch ein bisschen wenig für einen echten Jack-Bänger-Film, nicht wahr?«

»Natürlich habe ich auch an Dialoge gedacht, meine Herren. Was denken Sie denn von mir?« Meinten die Wichser etwa, sie hätten es mit einem blutigen Anfänger zu tun? »Ein Jack-Bänger-Film ohne Dialoge wäre kein Jack-Bänger-Film«, machte ich ihnen klar. »Sätze wie mach’s mir, du Hengst, sind sowieso vorgesehen. Aber ich habe natürlich auch härteren Stoff parat, wie lutsch weiter, Miststück und bück dich oder Jesus, ist der riesig und Ähnliches. Mehr wird aber noch nicht verraten. Na, was sagen Sie jetzt, meine Herren?«

»Klingt gar nicht übel«, meinte Iwanowitsch.

»Sag ich doch. Aber all diese wunderbaren Dialoge sollten wir auch ganz sensibel vom jeweiligen Geschehen abhängig machen. Schließlich gibt es nichts Schlimmeres als einen Dialog, der aufgesetzt oder gekünstelt wirkt. Er muss daherkommen, als würde er aus dem Spiel selbst erwachsen. Der Schöpfungsakt beim Akt quasi.«

Erneutes Kopfnicken, diesmal sogar gepaart mit beifälligem Gemurmel. Na also, ging doch. Mein tiefgehender Kunstverstand hatte bisher noch jeden überzeugt.

»Ja, so läuft das, meine Herren. Ein Jack Bänger macht keine billigen Sexfilmchen. Ein Jack Bänger konzipiert und produziert große erotische Werke, die massenhaft Geld einspielen, nichts anderes.«

»Und nichts anderes haben wir von Ihnen erwartet, Jack. Reden Sie weiter.« Iwanowitsch nickte mir erfreut zu. Hatte ich auch nicht anders erwartet.

»Na gut. Die Zwischenpassagen, in denen nicht gerammelt wird, füllen wir mit Musik. Da stell ich mir die meiste Zeit über so ein arabisches Gedudel vor. Das darf auch ruhig nach Tausendundeiner Nacht oder so klingen. Dazwischen dann vielleicht ab und zu noch irgendein Rap-Zeugs oder irgendein Popmusikgequake. Hauptsache, die Musik treibt die Produktionskosten nicht unnötig in die Höhe.«

»Aha. Ja dann, Herr Bänger. Das gefällt uns alles in allem gar nicht schlecht. Nicht wahr, meine Herren?«

Iwanowitsch sah seine Kollegen fragend an. Sie nickten erneut mit den kahlrasierten Köpfen und brummelten dabei irgendein leises zustimmendes Gemurmel in ihre nicht vorhandenen Bärte hinein. Nun, ich denke wenigstens, dass es zustimmendes Gemurmel war. Ich verstehe bis heute kein Wort Holländisch und nur wenig Französisch. Aber ihren nun fast schon freundlich anmutenden Gesichtern nach schien ich sie von meinem Konzept überzeugt zu haben. Kein Wunder. Wenn ich etwas kann, dann ist es präsentieren. Ergebnis: lohnende Deals, die glatt und vor allem flott über die Bühne gehen, mit möglichst viel Zaster in meinen Taschen, ein schönes Stück davon natürlich im Voraus. Denn eins habe ich nach all den Jahren geschnallt. In meinem Business darfst du niemandem trauen. Hier zieht dich jeder so gut und so oft er kann über den Tisch. Aber natürlich nur dann, wenn du es zulässt.

»Also, meine Herren. Ich kann Ihnen von meiner Seite aus folgendes Angebot für diesen echt heißen Stoff machen. Ich überlasse Ihnen das Drehbuch unentgeltlich, und meine gesamte Erfahrung sowie meinen guten Namen bekommen Sie obendrein. Dafür bin ich zu 30 Prozent an allen Einspielergebnissen beteiligt, inklusive Internet.«

»15 Prozent«, entgegnete mir Iwanowitsch, jetzt wieder undurchsichtig lächelnd wie bei der Begrüßung.

»Na gut, 15. Und damit ich sehe, dass Sie es ernst meinen, bekomme ich einen Vorschuss von 100.000 in kleinen Scheinen. Zahlbar bei Vertragsabschluss.«

»50.000«, sagte der Russe.

»Auch gut, 50. Weil es unser erstes Geschäft ist. Aber die dann noch diese Woche und schwarz. Bei den Russinnen oder Ukrainerinnen könnte ich im Übrigen auch behilflich sein, falls Sie da nicht selbst Ihre Bezugsquellen haben sollten.«

»Um die Darstellerinnen machen Sie sich mal keine Sorgen, Herr Bänger. Da sind wir in der glücklichen Lage, über einen riesigen Fundus zu verfügen. Alles andere machen wir so, wie gerade besprochen. Also kein Hänger.«

»Wunderbar, Herr Iwanowitsch.« Von mir aus sollte er ruhig weiter versuchen, witzig zu sein, von wegen Hänger und so. Hauptsache, die Sache mit dem Geld und dem Produktionsvertrag ging klar. Aber die ging sicher klar, denn eins durfte man auf keinen Fall vergessen. Diese Jungs waren neu auf dem Markt, und sie brauchten meine Unterstützung, und die würden sie von mir auch bekommen. Zumindest, solange sie sich ausnehmen ließen wie die Weihnachtsgänse und keine wirklich ernstzunehmende Konkurrenz für die Jack-Bänger-Filmproductions-International waren. Spätestens in dem Moment würde die ganze Sache natürlich ganz anders aussehen. Ich schob meine Unterlagen in meine Aktentasche zurück und stand auf.

»Wir melden uns spätestens Ende der Woche bei Ihnen«, meinte Iwanowitsch noch, als er mir zum Abschied die Hand reichte.

3/Tag1

Als ich wieder bei meinem Aston zurück war, fiel ich vor Schreck fast über meine eigenen Füße. Irgendein Idiot hatte einen langen Kratzer in die Fronthaube geritzt. Sicher einer von diesen armseligen Neidern, die es in ihrem unwichtigen Leben nie zu etwas bringen würden. Was war das nur für eine beschissene Welt? Unter dem Scheibenwischer steckte ein Zettel. Ich nahm ihn heraus und las: ›Nimm dich in acht, Pornokönig.‹ Also doch kein Neider? Eher einer meiner zahlreichen Feinde? Ich zerknüllte das Papier und warf es weg. Sollten sie doch kommen und sich mit mir anlegen. Sie würden schon sehen, was sie davon hätten.

»Keine Angst, alles wird gut. Ich werde dich nachher gleich in die Werkstatt bringen«, beruhigte ich mein Baby, öffnete die Fahrertür und setzte mich hinein. Dann rief ich Sven Roger an, meinen besten Freund und Geschäftspartner. »Hey, Long Ding Dong, was geht ab? Hast du Bock auf einen Drink? Ich hab gerade einen kleinen Fastabschluss mit ein paar Russen gemacht, die neu auf dem Markt sind. Du weißt schon, cooles Getue, aber null Ahnung. Das würde ich gerne ein bisschen feiern.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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