Jahre im September - Marko Ferst - E-Book

Jahre im September E-Book

Marko Ferst

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Beschreibung

Über Ostseeinseln wie Öland und Usedom streifen die Gedichte. Sie führen in die schwedische Schärenstadt sowie nach Buchara, Samarkand oder in den Ural. Magische Ausflüge in die Natur und Tierwelt tauchen auf. Gedichte zu Musik, Literatur und Malerei reichern diesen Lyrikband an. Unter die Lupe genommen wird der Drang der Regierenden, uns mehr und mehr auszuspionieren. Kritik zieht das gescheiterte Afghanistan-Abenteuer auf sich, das syrische Totenfeld wird umrissen. In Bangladesch zeichnen sich weitere Landnahmen des Meeres ab, Wasserstände, die mit unserem verschwenderischen Lebensstil im Norden verbunden sind. Sondiert wird, warum unsere Zivilisation ökologisch zu scheitern droht, sich längst im Spätstadium befindet. In der Arktis zeigt sich, wie weit das Vorspiel zum Klimaumsturz schon gediehen ist. Spitzbergen archiviert unsere letzten genetischen Hoffnungen. Den Spuren und Abgründen einer mysteriösen Krankheit wird nachgegangen. Der Band enthält zwei Erzählungen - eine arktische Begegnung zwischen weißen Raubtieren und einen Blick in das sowjetische Speziallager Sachsenhausen.

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„Was auch als Wahrheit oder Fabel

In tausend Büchern dir erscheint,

Das alles ist ein Turm zu Babel,

Wenn es die Liebe nicht vereint.“

Johann Wolfgang Goethe

Inhalt

Kirschen

Septemberwärme

Atemlos

Spur nach Tilsit

Öland

Eine Palast-Phantasie

Monsanto

Bangladesh

Schloßpark Charlottenburg

Wellen branden

Max-Liebermann-Villa

Schneefrühling

Rechtschreibreform

Schwarze Plage

Kurswechsel

Jahrtausend-Linien

Beute

Generationen

Visitenkarte

Wolkenbruch

Von Buchara nach Samarkand

Erste Zeit

Auszug

Schokolade

Trockenzeit

Ostseegespräche

Finanz-Roulette

Teuro, Teuro!

Von mangelndem Willen zu europäischer Demokratie

Meine polnische Erfahrung

Im Ural

In der Tundra

Kontinentales Klima

Jagdtrieb

Wenige Minuten

Im Eismeer

Lamentate

Arabischer Wandel

Verfaßtes Versagen

Frauenschicksale

Besondere Treffer

Kriegsmission

Die Gestalt wandelt sich

Zeit der Wölfe

Meine Poetik

Barack Obama in Berlin

Die Farbe Ocker

Die verzwickten Folgen von Kriegslust

Räume

11. Sinfonie

Blaue Zypresse

Halbinsel

Jüterboger Impressionen

Krumme Lake

Molveno

Geister mit Schleimspur

Partnachklamm

Winterlos

Väterchen Frost

Spitzbergen

Eiswelten

Von dort kippt alles

Zug der Wikinger

Kleine Liebesgeschichte

Nachspeise

Israelische Piraterie

Vom nahöstlichen Wahn

Gazakrieg

Zwischenstand

Quälerei

Fibromyalgieschub

Ohne Flügel

Existentiell

Schachmatt

Danach

Beobachtet

Verloren

Der Schwerbeschädigten-Ausweis

Hochstimmung

Akupunktur

Die Operation

Schwarze Lady

Für die Liebe

Prekär

Danziger Notizen

Russische Gastfreundschaft

Das Treibhaus öffnen

Blickwinkel

Zivilisation im Spätstadium

Todesboten

Countdown

Die zweite Wirklichkeit

Gereimte Haiku

Festspruch

Gruß

Freiheit in Verantwortung

Was nicht bedacht wird

Organisierte Verantwortungslosigkeit

Hochgebirge

Die Andenfrucht

Szenario der Macht

MH-17: Spuk im Kreml

Nicht nur in Paris

Syrisches Totenfeld

Dämmerlicht

Anfrage an Sergej Lawrow

Wie man Naturschutz aushebelt

Schlüsse

Bayrische Amokläufe

Hartzerei

So ist es

Korruptes Staatspersonal

Schäubleschäum

Amerikanische Horchposten

Machtergreifung

Erich Fried

Wortwechsel

Hexenstand in Prag

Silvester

Wegweiser

Nicht mehr da

Dvorák am Berg hören

Herbstbögen

Usedom

Stadt hinter den Schären

Hinterlassen

Borschtsch

Ufa

Ungebucht

Schlafland

Jahre im September

Neue Sichten

Erzählungen

Arktische Begegnung

Das Speziallager

Veröffentlichungen

Zeittafel

Kirschen

Hoch oben hängen sie

man rechnet in Prozenten

nicht in Sicht ist die Ernte

Saftige Kirschenkost

und Steine spucken

Revolutionen sind unkalkulierbar

Manche Preise lassen

sich nie bezahlen

die Stare schnappen zu

Im Winter blühen

weiß nur die Träume

Septemberwärme

Himmel und Eichelhäher

im Blätterfall

entschwindet Eisvogelblau

unter Wasser

entrindete Erle

unentwegtes Biberwerk

mit Schwung

geöffnetes Schleusentor

der Kahn fährt weiter

Fischtreppen

für die Aufsteiger

erste alte Spreearme

wieder intakt

seggegrün umfaßt

Habichtsaugen fliegen zu

frischer Beute

lila Eisenkraut ragt hervor

Unterer Spreewald

Atemlos

Rote Zeilen

ferne Briefe

Sommerstrahlen

öffnen aus

Vergangenem

Du bist mir

eingepflanzt

das Schicksal

trägt unsere Worte

zum Ausgang

Dein trauriges

Gesicht

blickt mir

noch immer nach

ewig brennt

so ein Abschied

Noch immer

zurückkehren wollen

doch die Füße

sind mir gebunden

etwas schleicht oft

zu dir zurück

Es erkennt die

Fakten nicht an

und beruft sich

auf die Liebe

Spur nach Tilsit

Goldner Ahorn

leuchtet über die Wiesen

bunte Leiber weit entfernt

grasend und liegend

die Kirchruine

in nachgebauter Miniatur

zwischen Baumdickicht

nah am Ufer

In Blankensee

das Sudermannsche Schloß

hinterm Torbogen

Galerie mit Kaiserköpfen

weiße Holzbrücken queren

im waldüberspannten Park

irgendwo eine Säule

am Wasser

seine Lesebühne blieb

dem Erbauer verwehrt

Segeln nach Tilsit

leben nur noch auf Abruf

ausgeheckt von der Rivalin

Indre wittert den Mordplan

jedoch überraschend zündet

neue Liebe beim Ausflug

blau und führerlos

kentern sie

an der gefährlichen Stelle

Ostseewasser

er bindet ihr noch

rettende Binsen an

nur sie kehrt zurück

in Sudermanns Litauen

Öland

Hellgraue

Sommernächte

Sandstein, Schiefer, Kalkgestein

hunderte Windmühlen

im Miniformat

Heidewelt

Buckelbrücke mit langem Rüssel

über sechs Kilometer

nachts beleuchtet

Steinwallzäune durchziehen

baumkarges Grasland

getrockneter Kuhdung

in Weidewäldern

hier ist das Schaf zu Hause

der Elch nur selten

Rotbraun mit weiß,

gelbweiß, grauweiß

wie Holzhäuser

überall in Schweden

auch Steingebautes

Rehe zu sehen

vom Frühstückstisch aus

Land der Rundburgen

Kinder zielen mit Pfeil und Bogen

Strohmatte mit Kreisen

Schweine und Schwalben

im Dorf hinter Mauern

graue Steinwände mit Schilfdach

so wie einst vor langer Zeit

Wie Wale strecken sich

Rundfelsen aus Wellen

über hundert Kilometer

von Spitze zu Spitze

vom langen Erik zum langen Jan

Leuchtzeichen für Schiffe

Mächtige Mauern

die Brandgeloder widerstanden

wehrhaft angelegt

das Borgholmer Schloß

doch nach Süden

rückte die Grenze

zu Dänemark

und neue Zeiten kamen

es blieb eine Ruine

nebenan Solliden-Villa

königliche Sommerresidenz

Ostseeblick

mit Park

Nicht überall

ist Festland zu sehen

wie von Geisterhand

tauchen nachts manchmal

verstreute Lichter auf

vom anderen Ufer

und schwinden wieder

Eine Palast-Fantasie

Der Mond verspricht Silber

in Weiß singt sie dir

vom Lichterhimmel herunter

von Bühne zu Bühne

das Leuchten und Blinken

zaubert tausendfach

Federleichtes Schwingen

große Goldflügel zu grünen Federn

dann im Fluß von Kufen

hellblau wehen sie übers Eis

Nebel unter Stoffgebilden

Harte, schnelle Rhythmen:

Ice Block

Zu schnappt die Messerfalle

ist das Seil verbrannt

der Akrobat entwindet sich

schnell genug ins Nichts

taucht auf im Publikum

Schwanensee mit Rücklichtern

Fahrräder umkreisen den Tanz

weiß und rot im Dunkel

Tschaikowskis Ton-Balustrade

gleitet über in moderne Rhythmen

Musiktöne als Regenspur

Takt um Takt ins Naß getanzt

an Seilen schwingen

mit rotem und blauen Licht

Blödelzauber verrät seine Tricks

Fehlen nur Claire Waldoff

und Helga Hahnemann

Ikonen verflossener Bühnenjahre

oder ein neuer Star

die längste Girlreihe Europas

spannt ihre Choreographien auf

Revue „Qi“ im Berliner Friedrichstadtpalast 2008

Monsanto

Mit verdrehten Genen

vielleicht erfand der Konzern

diese bestimmte Maissorte

nur um das Wachstum

der Weltbevölkerung

zu stoppen?

Wenn davon künftig

Menschen unfruchtbar werden

und nicht nur die gefütterten Schweine

würde sich die Menschheit

schnell reduzieren lassen!

Für solche ökologische Wohltat

lohnt es sich schon

störende Leute herauszukanten

aus Zulassungsbehörden

im Netzwerk treuer Vasallen

auch mißliebige Journalisten

und ihre Sendungen kaltzustellen

Bis Monsanto

Land für Land

die Agrarminister selbst nominiert

und die eigenen Gesetze beschließt

ist es dann nur noch

ein kleiner Schritt

Ihre Rechtsanwälte

bekommen das schon hin

Bangladesh

Da kommen sie immer wieder

reißen ihren Schlund auf

schlingen den Boden

fruchtbare Krume

jene Meeresfluten

zehren an Blech und Hütten

dringen immer tiefer

mit ihrem verderbenden Salz

Da kommen sie immer wieder

die Angststände steigender Pegel

es zerbricht und schlingt Menschen

die Tage des Reis sind gezählt

und es fehlt der eigene Grund

jenseits von Flachzonen

die ein Versprechen sein könnten

stattdessen diktieren Abbrüche

aus allen Poren dringt Armut

mehr als je zuvor

Noch lassen sich

die Schuldtitel nicht einklagen

in Deutschland, Amerika, Frankreich

China oder anderswo

in den Sündenpfuhlen

den Brutstätten steigender Wasser

jenen Ländern

die jedes Gericht

und jede Gerechtigkeit

zu purem Gespött machen

Es kommt Rat, Flut

und großes Schweigen

Emporstreben

Sich bilden, sich aufbauen

seine eigene Meinung werden

nicht zum Kitt der Systeme

sich fügen, sich einpassen

es reichte noch nie

nur auf stillen Fluren zu flüstern

ein paar Sätze zum Abendbrot

Niemand spricht davon

sich als Freiwild preiszugeben

aber das Wort will geachtet sein

und Satz für Satz gebunden

brüchigen Verhältnissen

das Vertrauen zu entziehen

sich die Macht zu nehmen

für eine andere Sicht

Position zu bekennen genügt nicht

selbst muß man sich befreien

aus all den beschränkten Winkeln

emporstreben und sich zurücknehmen

nicht Resonanzboden sein

für ideologische Sirenen

das eigene Medium etablieren

wachsen in der Spur

die vergehen wird

Schloßpark Charlottenburg

Weißgeebnet

Wiesen und Teiche

hellblaues Belvedere

Spuren um Spuren

in Eis frostverkrustet

nur kleine Brücken und Tiefen

verraten die Wasserläufe

Schienenschläge im S-Bahntakt

die kupfergrüne Kuppel

überragt jegliches Geäst

vor Mitternacht

aus dem Eichendunkel

ruft der Waldkauz

erneut Schneetreiben

Wellen branden

Nachts blinkt grell

Spiegellicht

von der Greifswalder Oie

entfernter Inselturm

Dreh um Dreh

tags manchmal

schwebt der Landfleck

wie vom Meer abgehoben

Wellen brechen über Buhnen

Fischdüfte ziehen entlang der Sanddüne

geräuchertes Angebot in Schilfhütten

Möven schnappen

in der Luft Brotkrumen

von Mädchenhand geworfen

Algengrün schwemmt

ins Strandweiß

Hoch oben vom Streckelsberg

Schiffe erkunden

Badespaß von weitem

die Fensteraugen der Blechpyramide

Rettungsblicke sichern

schräg rüber wird

frisches Eis gezapft

am Ende der Seebrücke

eine zerfetzte Fahne

Pizzafeuer wirbt für die Sicht

übers Abendmeer

auf den Anhöhen Wald

entlang der Küste ein Lampenweg

beleuchtetes Gitterweiß

Am schmalsten Landsteg

zwischen Achterwasser und Meeresbriese

ein ausrangierter S-Bahnwagen

damit begann alles

Otto Niemeyer-Holsteins Refugium

er malte ins Ocker

grauschwarze Bahnkreuze

Eisbrüche am Strand blauweiß

einst beim täglichen Gang

sein Holzmast grüßt nicht mehr

Farbpaletten und Pinsel

auf verlassener Spur

Koserow, Insel Usedom, 2009

Max-Liebermann-Villa

Die jungen Birken

hingestreut auf geraden Wegen

der Garten in Linien

die führen mitten durchs Hauslicht

vom Ufer zum anderen Ende

Kohl und Blumen geordnet

Schattengeflecht und Rosenzimmer

am Rand der weiße Tee-Pavillon

Strohdach und Seewellen

Die Villa mit zwei Gesichtern

hier bürgerlich aufgeragt

die Säulen repräsentieren nach außen

dort zur Seeseite öffnen zweistöckig

hellgrüne Fensterläden und Gemütlichkeit

Rotgeblümtes vor der Terrasse

Alles wieder auferstanden

dank Zeitgenossen die jene Idee

aus Gestrüpp und Gemäuer

die Botschaft auf sich nahmen

mit den Blicken einer vergangenen Zeit

Pinselstrich für Pinselstrich

dort sitzen bei Liebermann

mit dampfendem Kaffee

Segel bei Wasser und Wind

streifen vorbei

Liebermann lästerte über die Nazis

starb in Würde dem Braunstaat hinweg

an den Nagel hängte er

nach der Bücherverbrennung alles Offizielle

enteignet wurde das Seehaus

seine Frau räumte später das Feld

bevor Zug und Lager sich treffen konnten

Weit und weiter aufstoßen die Tür

Bilder über Bilder sichten

dunkle und helle Welten

viele Gesichter einer Epoche

impressionistische Reisegestalten

und immer wieder

Beet um Baum sein Garten

Schneefrühling

Eisglas an Stämmen

Weiden in Wassergrund

gefrorene Schneebrocken

kämmt der Wind

aus Kiefernkronen

erste Südvögel

stimmen ihren Himmel

Märznächte mit mehr als

zehn Grad Minus

Der beige Oldtimerbus

tuckert Waldstationen ab

rotes Gemäuer

bis in die Spitze

der Grunewaldturm

viele Stufen zum Ufer

Seeränder noch beeist

Sonnenhelle

Schwarzwildfährten

erklimmen die Hänge

Weiße Bänke

Traglastfähre von 1956

dunkelgrün, stählern

zum Lindwerder

noch verwaist

ist die Insel

Betonringe drapiert

am spurengeprägten Uferweg

häßliche Marken

fürs Trinkwasser

Keine langen Ohren

horchen mehr nach Ost

zuoberst auf dem Teufelsberg

erodierte Bauten mit Kugeln

Spiegel im Wannsee

und Licht

sind alle Hänge und Horizonte

Rechtschreibreform

Vergoldet in schönen Lettern

moderner Murks als Regelwerk

die Kommission reformte sich

und ignorant oder gelehrig

bleibt das Volk zurück

Wie blöd muß man sein

aus dem „ß“

ein „ss“ zu schmieden

in einem Fall ja

ansonsten wieder nicht

und das als höchste Logik zu preisen?

Gegen solchen Unsinn

hilft zuverlässig

die neuen Regeln zu boykottieren

wenn sich die Schüler

damit quälen müssen:

bitteschön

Dabei würde ich so gern

Das „ß“ im „daß“

durch ein einfaches „s“ ersetzen

Auf die Idee kommt

vielleicht eine neue Kommission

erst in hundert Jahren

Bis dahin schreibe ich weiter

wie mir die Nase gewachsen ist

und lasse dem Rechtschreibteufel

seinen Tribut

Schwarze Plage

Ein letztes Mal

erholten sich die Wälder

er hatte seine Schrift diktiert

quer durch Europa

Flöhe und Ratten

wirkten als Strafe Gottes

sie forderten

Tribut um Tribut

Die schwarze Luft

eine apokalyptische Botschaft

die Dorf um Dorf auslöschte

jeden konnte es umklammern

die falschen Schuldigen

erschlug man darüber hinaus

ein reichlicher Vorrat

an Aberglauben sammelte sich

Landschaften und Natur

erlangten eigene Kontur zurück

hinweggerafft

ein Drittel der Menschen

jene die überlebten

als der Hunger gebannt war

gossen mehr denn je

aus den verbliebenen Kelchen

Wieder an Wert

gewann der einzelne Mensch

besser bezahlt sein Tagwerk

an vielen Quellen

wurde ganz neu begonnen

beiseite gelegt

was bisher anführte

Kurswechsel

Mit weichgespülter Nachhaltigkeit

kann man Politik machen

aber man handelt nicht mehr politisch

vieles wird zum Verstoß

gegen elementare Vernunft

was ist das für eine Schliche

wenn nur noch als vernünftig gilt

der schnelle Vorteil

kurzsichtige Sozialpolitik

zu Lasten der Kommenden

erodiert was morgen sozial

halten könnte als neues Netz

eine Wirtschaft herrscht

die lernte wie zerstampft wird

was sie doch richten müßte

Glückspiel treibt man an der Börse

Menschenleben sind der Einsatz

einsperren müßte man

die Verantwortung nicht kennen

wenn es gerecht zuginge

doch es geht hier gar nichts mehr

sondern es geht etwas ab

macht die Leinen los

hier sind Verrückte am Werk

laßt uns eigenen Kurs nehmen!

Jahrtausend-Linien

Drei Millimeter im Jahr

wie harmlos

vom Ende her

rechnet kaum jemand

die Bande zwischen

den Generationen

zerfetzt

die Ozeane holen sich

sämtliche Tiefländer

studiert die Atlanten

grün wird ihnen blau

Im Eozän

Schlote pfeifen

Säugetiere wie Zwerge

Antarktika als Südsee

Kontinente auf Reiserouten

tief versunken

in Wasserwelten

Zeugnisse

von früherem Landgang

alles ohne Eispanzer

geöffnet die Gitter

Methanhydrate

im Heißzeitschock

Ein Grad global wärmer

unter dem Strich

satte 15 Meter Höhe

die Scheidewand

zwischen zwei und drei Grad

Meeresstrand durch Berlin

oder vor Dresden

kein Halten

Kiel, Hamburg und Rostock

auf dem Weg

nach Atlantis

ganz sicher schon

im Zug auf

Jahrtausende hin

Falls nach unseren

pyromanischen Beben

noch Klopfzeichen hörbar

was berichtet man

über das große Tauen

die blindem Wahn

verfallenen Vorfahren

die fluteten

all die Ackerhorizonte

Zehrung für Milliarden

Neu geschrieben

wird die Geschichte der Sintflut

eher nicht als Bibeltext

Beute

Sie kannten die stille Botschaft

der Handel florierte blendend

was gab es schon groß auszurichten?

die Mammutherden sind Geschichte

auf den Marktplätzen wird Größenwahn

als Meterware verramscht

worauf kommt es nun noch an?

der nächste Reichskanzler

wird eine andere Uniform tragen

die Beute war vorher schon verteilt

der Sensenmann gelangt

zu neuen Konjunkturen

dagegen ist kein Glücksklee gewachsen

so blieb alles bei seinem Gang

Generationen

Gelebte Zeiten landen an

fortgenommen wird die alte Spur

so wechselt still das Firmament

in immer neue Lebensstunde

abgeschnitten bleibt

was mehr und mehr hinabgesunken

wo niemand es mehr kennt

Es zählt schon bald nicht mehr

was früher längst gewußt

von Generation zu Generation

schieben andere Zeichen vor

so sehr gebunden

alles miteinander wächst

das letzte Gericht

beruft sich dann darauf

Visitenkarte

Mir schien die alte Gardine zu reichen

geschenkt, sollte sie einer neuen weichen

ich zögerte lange und länger

will das Pelztier hinaus in die Nacht