Republik der Falschspieler - Marko Ferst - E-Book

Republik der Falschspieler E-Book

Marko Ferst

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Beschreibung

Wohin driftet die Berliner Republik? Ein bißchen Gelddiktatur schadet doch niemandem? Die Gedichte in diesem Band bürsten unbequem gegen den Strich. Hartz IV und Ein-Euro-Job kommen auf den Prüfstand. Da wird nach sozialer Gerechtigkeit ebenso gefahndet wie nach ökologischer Balance. Sind wir als Zivilisation dem Untergang geweiht? Der Autor setzt sich auseinander mit den Folgen von Tschernobyl für die Menschen und thematisiert: Atomkraft ist unverantwortlich. Er führt uns nach Mittelasien und schreibt sich an die Tragödie um den verschwindenden Aralsee heran. Wieviel unschuldige Opfer fordert der angebliche Kampf gegen den Terror? Was konnte die orange Revolution in der Ukraine leisten oder wieviel blaue Adern durchziehen sie? Unternommen wird ein Ausflug an die Wolga und nach Kasan. Einen umfangreichen Abschnitt mit Liebesgedichten findet man vor, überdies zahlreiche Landschaftsgedichte. Außerdem: Was kann dem streßgeplagten Weihnachtsmann alles passieren? Eine Nachtwanderung führt in spukumwundenes Ferienland.

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„Hat man viel, so wird man bald

Noch viel mehr dazubekommen.

Wer nur wenig hat, dem wird

Auch das wenige genommen.“

Heinrich Heine

Inhalt

Leuchtspuren

Wolga

Belvedere

Orient & Occident

Versteckspiel

Kasan

Ohne Namen

Bewährte Behausungen

Schnell und Schneller

Flußdelta

Entwebt

Der Hausfreund

Herbst am Werbellinsee

Meinungsfreiheit

Vom politischen Gedicht

Deutschlandbesuch

Blaues Wüstenauge

New Orleans

Weltallferne

Optische Täuschung

Die Holzmafia und andere Zugriffe

Vorbote

Schneepfade

Selbstabfrage

Was wird

Erosion

Ein neues System

Deutungsfalle

Verzögerte Einsicht

Schwarze Ampel

Etwas ratlos

Von gescheiterten Wegen und weiteren nur bedingt sozialistischen Unbeweglichkeiten

Abgegrünt

Atomgedanken zur Wahl

Redaktionsdurchsuchung

Rettung auf einer Insel

Anzeichen und Wasserfragen

Frühkapitalismus

Der Weggeordnete

Hartz IX

Spottverse auf den verresteten Westen

Republik der Falschspieler

Der Ein-Euro-Job

Fortschreitende Stadien des Zerfalls

Lenin pfeift im Wald

Kurze Frostperiode

Wege hinüber

Russisch-deutsche Liebe

Warten und hoffen

Entschwunden

Ich darf nicht denken

Ich glaube dir kein Wort!

Es ist schneller als ich

Die drei Kirchen

Beisammen sein

Mädchen in Blau

Meine Prinzessin

Immer im Herbst

Weißbärtiger

Felix

Verbotenes Postzeitungsvertriebsstück

Oranges Kiew

Wo du nichts siehst

Stillhalten für feinmaschige Macht?

Den zivilen Opfern

Ungeschminkt

Prost!

Die neue Einheitspartei

Abgetrieben. An den Rand

Umgarnte Abgeordnete

Der Versprecher

14 Tage Stalin

Gereimte Haikus

Richtfest

Eisbärenfamilie

Anzeichen und Wasserfragen. Version II

Erbarmungslos

De profundis

Endpunkt

Tauwetter

Katzenalltag

Blick auf den Seddinsee

Nachtwanderung

Halloween

No. 23a

Kra-Kra-Kra

Depeche Mode Konzert

Einschnitt

Die Entscheidung

Elefantenfüße

Schaukelpferd

Es wird angerichtet

Konsequenzen

Bestandsaufnahme

Montagsdemonstrationen

Die Terrormacher

Eingeschliffen

Versunkene Schätze

Gartenjahr

Elbe

Zivilisation und ökologische Rettung

Durchreise

Über das politische Gedicht. Einige Notizen

Inhalt

Biographie

Veröffentlichungen

Zeittafel

Leuchtspuren

Von der Gravitation

etwas losgelöst

das Licht trägt sich selbst

fort von den

metallenen Bodenkämpfen

Aufstieg wagen

Widerstände verblassen

immer mehr dort

als hier sein

die Seite wechseln

so oft es geht

und trotzdem eintreten

für das was ansteht

zwischen Licht und Erde

Wolga

Mitunter ohne Horizont

Meer wie Fluß

ausladende Breite

Inselflecken

von Zeit zu Zeit

frischer Fisch im Kutter

rostiges Metall

Lastschubkähne in Übergröße

waldbestückte Uferhänge

Passagiere

die am nächsten Halteponton

aussteigen

weiß und schnell

Tragflächenboote

irgendwo wird

eine Gans gerupft

für den nächsten Sonntag

Dörfer hier und da

Wiesenweiten

Heuschober

In der Nähe von Kasan

Belvedere

Kein Schloß, halb Phantasiegebilde

Bronzepferde, geflügelt

neu entstiegen aus Ruinenschlaf

Bürger wollten nicht mehr zusehen

nahmen in die Hand

was der Gang der Zeit

ganz anders lösen sollte

Harke, Sense und Volksfest

setzten frei

was führenden SED-Genossen

so gar nicht passen wollte

ein Stück Italien

auf dem Pfingstberg

von grau zu leuchtend gelb verwandelt

zwei Aussichtstürme geben Übersicht

auf Potsdam und ins weite Land

Säulengänge

wie in der Antike

inmitten ein Bassin

Orient & Occident

zur gleichnamigen Musik-CD von Arvo Pärt

Tonkrüge, Oasenluft

geschnitten in Wüstendünen

eine Musikarena gestimmt

zwischen Mohammed und Christus

die Karawane zieht

auf Wegen

zwischen den Orten

von Stimmen

zu einer Stimme

Frauengesang

entlang von Bibel und Koran

Versöhnung der Lichter

göttliche Aussicht

orientalische Klänge

und christlicher Bund

Worte und Töne

sie schweben und ruhen

schöpft frisches Brunnenwasser

brecht an das Brot

Versteckspiel

Verklungene Melodie

suchst die Schlupfwinkel

in Stadtvierteln

Geflüsterstimmen

sie streicht

über die Haut

Liebesworte ungesprochen

Kein Pardon

es kommt und verschwindet

der Kellner serviert

Champagner

in allen Gassen springt

sie umher

achtlos gehen die Suchenden

vorüber

Kasan

Ganz in weiß

stattlich fast uneinnehmbar

Kremlmauern

auf den Türmen

goldner Halbmond und Sowjetstern

der Regierungssitz

inmitten von Baustellen

bald neu eröffnet

mit türkisen Dächern und Spitzen

eine Moschee

noch weißer bei Mittagssonne

vollendet bei Schnee

Den Weg weisen

darf Lenin noch

granitrot gegenüber dem Theater

alte Banner nirgends mehr

Puschkin residiert

näher beim Publikum

aus Jewtuschenkos Gedichtband

die Universität ist aufzufinden

auch hier die Säulen weiß

im Ausstellungssaal

modelliertes Messing

die Weltzeituhr vom Berliner Alex

Parteigeschenk

„Roter Osten“

heißt jetzt eine Biersorte

Kirchen, viele

bunte Einkaufsmeile

mit islamisch bezifferter Standuhr

Wohnblöcke einer Millionenstadt

dazwischen starren noch Straßenzüge

wie nach Kriegswirren

schräg hinüber

Reichtumsbauten ohne Makel

Wolgawasser teilt die Stadt

getrübter Badespaß

Züge von überall her

auch Passagierschiffe

Richtung Moskau und Kaspisches Meer

gelandet ein Ufohaus

darin Zirkusattraktionen

500 Kilometer ostwärts

beginnt Sibirien

Ohne Namen

Der Herbst zieht durch die Lichter

wir selber sind uns nicht gewogen

die Spuren werden grell und schlichter

das Erdenrund bleibt uns entzogen

Spiegel zeigen längst vergangene Zeiten

die Wasser sind nicht unsere mehr

Triumphe verlieren sich in Weiten

Orte verlanden, bleiben nichts als leer

So sind die Tage noch ein Warten

heiter ringen wir um Nebensiege

die neuen Zeiten reißen ihre Scharten

Eden liegt noch immer an der Wiege

Bewährte Behausungen

Rennt nicht ins Blaue

brecht ab das Beliebige

beklagt nicht

den immerwährenden Bann

bewegt euch weg

von falschen Bekenntnissen

beharrt nicht

auf eingeschliffenen Bewertungen

beachtet den Weg

jenseits planbarer Bauwerke

begleite dich selbst hinaus

aus dem Behalten

Schnell und Schneller

Zu dem Musikstück „Tanzende Flocken“ von Claude Debussy

Tanz und Spiel

auf Klaviertasten

mit den Fingern

im Flockenwirbel

Flur und Städte

in Pünktchen

frostkristallen

unterschiedslos weiß

zwischen Wolken und Erde

hoch und tief

Spiel und Tanz

Flußdelta

Über unförmige Wasserrinnen

pfeilen Schwanenzüge

wie Herden ziehen

Wildgänse und Enten

zwischen Graureiherstelzen

grellroter Brandgansschnabel

im Okular

auf freigegebenem Flußgrund

Überbleibsel einer Raubtiermahlzeit

im Winter füllt sich das Delta

das Wasser erklimmt

die wenigen Pappeln und Weiden

Grasweiten mutieren

zum Fischdomizil

Entwebt

Sonnenblumenfeuer

verlandetes Gelb

entfernt nur Reste

von Steingebautem

umzingelt

von grünen Strömen

ungeordnet

wächst das Land

in sich über

kein Weg schneidet

das Irdische

Der Hausfreund

Nicht nur einen Kater haben wir

kürzlich gesellte sich ein neues Tier

dazu, ganz einfach so

schlappte Milch aus Katzens Napfe

klapperte mit ihm ganz froh

des letzten Tropfens wegen

schnief, schnief

Nachts stolpert es sich über Katzenkörper

zwar überraschend, aber doch eher weich

allerdings bei Igelstacheleien – ganz ehrlich:

Wer würde da nicht bleich!

Herbst am Werbellinsee

Staub auf Steinen

glasklar bis auf den Grund

langhingestreckt

Buchen, Eichen, Erlen

Sonnenreste an Ufern

nur noch an Stegen Segelboote

Knotenbinden wollte gelernt sein

Halstücher rot und blau

einst Ferienrepublik

Pionierzeiten längst

geschichtsbuchgebunden

weiße Hemden mit Emblem

schmales Asphaltband

stracks über Hügelketten

Schorfheide

Verfugter Feldstein

Askanierturm

robust doch unscheinbar

das Wasser im Kanal

jadegrün, dunkel, düster

blätterbundbepunktet

Brücke für Fußgänger

entfernt ein Wildpark

steppenfarben, die Mähne stattlich

asiatische Pferde

Elche, Wölfe, Wollschweine,

Kinderaugen staunen

mitten unter heimischen Ziegen

Weiten, Zäune, Greifvögel

Schloß Hubertusstock

bewirtet keinen Staatsgast mehr

gebratene Enten mit Rotkohl

gepflegte Bauhausquartiere

Honecker schon lange tot

wer jagt jetzt nach Hirschen

hier oder anderswo?

Meinungsfreiheit

Zu keiner Zeit

paßte den Herrschaften

wie lange wird man

noch sagen dürfen?

wer wird offen oder verdeckt?

es wird geschehen sein

sie dachten Geldgier

wäre wirklich demokratisch

Frei ist nur die Sucht

sich das Terrain zurückzuholen

die Speicher zu füllen

andere Meinungen stören nur

sie hatten das einfach

prinzipiell falsch verstanden

schon immer wollten wir nur

eine bestimmte Meinung

frei geben

Sind wir nicht vorgewarnt?

man stellt sich das besser

nicht so genau vor

sind wir nicht doch sicher?

immer diese vielen Grautöne

wozu überhaupt etwas zensieren

sagen wir überhaupt etwas

was sich noch lohnte

verboten zu werden?

Vom politischen Gedicht

Da dringt etwas ein

wandelt längst Gesichtetes

ganz unten beginnt es

in Menschenbahnen

es härtet keinen Stahl

öffnet auch keine Märkte

für Ohnmacht

schafft nicht mal Vorräte

für immer schon

Bescheidgewußtes

Es denkt sich weiter

bewegt von innen heraus

alles nur gestützte Worte

Strickwerk zwischen Verstandenem

verbunden mit teils

unsichtbaren Küstenlinien

ein Aufbäumen, ein Widerstehen,

ein Zweifeln

Vier Achtel fundiertes Wissen

und ungebrochene Sicht

drei Achtel Intuition

und ein Achtel politische Leidenschaft

so ungefähr

ließe es sich mischen

damit es nicht

unter Wert gehandelt

in artfremden Konjunkturen

falsch ausgespielt

dem Widersinn zum Opfer fällt

Unter anderem auch als Kommentar zu dem Gedicht

„Irgendwas machen“ von Günter Grass

Deutschlandbesuch

Krieg treibt dieser Präsident

schlägt immer neue Wunden

in die Achsen dieser Welt

als ob aus Feindschaft

Gold sich spinnen ließe

grausame Blutopfer und Folter

leichtfertig in Kauf genommen

so läßt sich

Länderfreundschaft nicht vermitteln

wo im Hinterland

Abscheu gedeiht

Zugeschweißte Gullydeckel

und abmontierte Papierkörbe

George Bush besucht eine Sperrzone

abgeschirmt vom deutschen Volk

zieht Witz und Spott auf sich

und will uns imponieren

käme es darauf an

würde er vermutlich gar

an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern

ausgespielt

Alle warten auf seinen Abtritt

und niemand glaubt ihm

das er nicht bei passender Gelegenheit

mit neuen Lügen aufgetürmt

die nächsten Kriege

vom Zaun bricht

so wird man kein „Berliner“

auch „Mainzer“ nicht

so leidet man nur

an Terrorphobie

auf das ihm niemand in Blei gießt

die eigene Meinung

Blaues Wüstenauge

Salzschleier ziehen hinweg

über die Ebenen, die Menschen

dein Blick erloschen

Kamele rupfen karges Grün

auf einstigem Seegrund

wo schwammen deine Fische hin?

großer blauer Aral

die Aile beherrscht der Sand

ihre Zeichen ritzt frische Armut

in unförmigen Auswüchsen

Meter um Meter

sank die Hoffnung

rostige Fischtrawler

ankern auf vergessenem Posten

ein Abschied für immer

und es flohen

immer mehr packten ihre Habe

und niemand atmet mehr

frühere Kurluft

verwaiste Kinderferienlager

Einst hatte ich noch

deinen letzten Blick erhascht

auf meiner weiten Reise

gen Buchara und Samarkand

selbst die Wölfe

darben unter der kurzen Ernte

tumben Fortschritts

Baumwollkleider trockneten

Augen, Tränen, Flüsse

spalteten auf die Kettenglieder

von Generationen

Bauernhände ruhen

auf unfruchtbarer Erde

Fischer bleiben ohne Ufer

niemand kann gesunden

nur die Klage überdauert

New Orleans

Das Auge

riesiger Wirbel

Hurrikane vervielfacht an Kraft

aus dem Irrlauf

unserer Megamaschine

immer öfter treffen sie ein

mächtiger, zerstörerischer

geboren aus Meereswärme

und vielen Unbekannten

Häuser zerdrückt, zersplittert

Krokodilleichen angeschwemmt

mit den gebrochenen Dämmen

offenbart sich Amerikas Armut

und krimineller Bodensatz

Notlager für Gestrandete

die Hautfarbe ist braun

viele Tage verschleppt

wird die nötige Hilfe

Es steigt

Zentimeter um Zentimeter

bedenkt die Jahre

sie kommen und gehen

kein höher errichteter Schutz

wird aufhalten

überlaßt sie den Sümpfen

abgelaufen ist ihre Zeit

früher oder später

schlingen erneut die Fluten

von allen Seiten

gebt auf die Stadt

unter den Wassern!

Weltallferne

Roter Sandplanet

sie landen immer wieder

Gespenster tanzen entbunden

grün sprießt bis jetzt

nur die Phantasie

noch explodieren Raumfähren

schon wird erdacht

dem fernen Mars

neue Gase zu verordnen

Riesenschritte ungelenk

wie geschaffen

über alles hinwegzustürzen

wo wir gerade

unsere eigene Atmosphäre

zugrunde experimentieren

und doch Gedankenzüge

die in viel späteren Zeitaltern

noch fruchtbringend

angelegt sein könnten

blieben mehr

als ausgeglühte Reste

trotzdem gezeichnet

von waghalsigen Gestirnen

auf das uns über Äonen

aus dem All

keine Geisterflieger

treffen

Optische Täuschung

Vorn steht das Meer auf

graublau wie eine Wand

dort am Ende der Straße

Sandgrund kommt einem in den Sinn

der sich ausbreitet

Fische entlang versunkener Häuserzeilen

Algenzier als Strafmaß

für ungehemmtes Blaumachen

wenn es ums Ganze geht

Stein um Stein

wird ausgebrochen

noch ist die Wasserwand ganz flach

täuscht nur die Augen

Die Holzmafia und andere Zugriffe

Uns gehören die Bäume

jeder andere ist auf dem Holzweg

wer sich in den Weg stellt

wird aus dem Weg geräumt

Autos mit präparierter Bremse

und tödliche Eingriffe mehr

alles im Handumdrehen

Pech gehabt!

Zerlegt wird jedes Inventar

vom Regenwald

was Dollarnoten bringt

Viehweiden, Sojafelder endlos

für die Mägen

der reicheren Erdenbürger

Brandstiftung

die Satelliten zeigen es täglich

vielleicht ein geräucherter

Elefantenschinken gefällig

eine blutige Gorillahand

oder ein anmutiger Papagei?

Die Armut zieht nach

für eine kurze Zeit der Ernte

Rauch und rötlicher Sand

Wüsteneien

wie wenn Plagen weiterziehen

auf Straßen

die immer tiefer

ins Lungengrün greifen

Vielgestaltiges Reich

von Tieren und Pflanzen

hier gründet seine reichste Heimstatt

und Art für Art entschwindet

so schnell

wie niemand zählen kann

gelöscht von Menschenhand

seinen maroden Systemen

auf nimmer Wiedersehen

hunderte täglich

Evolutionskatastrophe

Nummer sechs

Vorbote

Eben war alles noch ganz still

dann kam er ganz plötzlich

von einer Minute

auf die andere

wie eine Druckwelle

Nie peitschte Nachbars Tannen

etwas Derartiges

ein Ungetüm ergriff die Luft

die Nachrichtensprecherin

warnte die ersten schon zu spät

vor seinem Eintreffen

einige Kinder hatte es

tödlich getroffen

Am nächsten Tag in Berlin:

ein Schlachtfeld aus Holz

Dauereinsatz für Motorsägen

Mistelkugeln als Wegelagerer

ausgerissen aus luftiger Höhe

die U-Bahnlinie übertage

baumblockiert

Wird das eine

der vielen Vorwarnungen gewesen sein

schnell vergessen von vielen

oder ein Extrem

wie es immer mal wieder vorkommt

ziemlich unwahrscheinlich

als regelmäßiger Dauergast?

Werden sie erklären

alles sei im normalen Bereich

wenn längst die Anhaltspunkte

zu häufig geworden sind

wenn Spezialisten für‘s Gesundbeten

Unbedenklichkeit bescheinigen

damit alles weiter läuft

wenn das die Anfänge waren

wie werden dann die Enden aussehen?

Wie sicher muß man heute

ein Dach bauen

und wird Gebälk und stabiler Stein

alsbald schon aufgerüstet

damit alles standhält

dem gezinkten Wetter

den selbstgebrauten Schlägen?

Kehrt der Mensch zurück

in die Höhlen und Schutzecken

die ihn einst bargen

rücken ihn

seine mißglückten Errungenschaften

in zivilisatorische Steinbrüche?

eine Meisterleistung

von kaum 200 Jahren