James Bond 07 - Goldfinger - Ian Fleming - E-Book

James Bond 07 - Goldfinger E-Book

Ian Fleming

4,9

Beschreibung

Goldfinger ist Ian Flemings siebter Bond-Roman und führt den britischen Geheimagenten um die ganze Welt, um einen von Gold besessenen Größenwahnsinnigen aufzuhalten ... Auric Goldfinger: grausam, schlau, frustrierend vorsichtig. Er betrügt beim Canasta und ist ein Gauner im großen Stil, der auch im alltäglichen Leben ständig krumme Dinger dreht. Er ist die Art von Mann, die James Bond hasst. Daher ist es ein Glück für Bond, dass er im Auftrag der Bank von England und des MI5 herausfinden soll, was der reichste Mann des Landes mit seinem unrechtmäßig erworbenen Vermögen vorhat - und in welcher Verbindung er zu SMERSCH steht, dem gefürchteten sowjetischen Korps, das Jagd auf Spione macht. Doch sobald er sich erst einmal in der Organisation dieses gefährlichen Verbrechers befindet, wird 007 klar, dass Goldfingers Pläne grandioser - und tödlicher - sind, als man sich je hätte vorstellen können. Er plant nicht nur den größten Goldraub in der Geschichte, sondern auch Massenmord ... Jeder kennt sie: die teils stark von den Vorlagen abweichenden Verfilmungen der James-Bond-Romane. Pünktlich zum 50-jährigen Jubliäum der Filmreihe gilt es die Ian-Fleming-Originale erstmals im "Director's Cut" zu entdecken! Endlich wird es möglich sein, Titel wie "Goldfinger", "Thunderball" oder "You Only Live Twice" komplett in ungekürzten Übersetzungen und mit den ursprünglichen Kapitelabschnitten und -überschriften zu lesen. Es verspricht eine einzigartige James-Bond-Bibliothek zu werden, die dazu einlädt, dem Kult um den britischen Gentleman-Geheimdienstler mit der "Lizenz zum Töten" auf den Grund zu gehen.

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Seitenzahl: 446

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JAMES BOND

GOLDFINGER

von

IAN FLEMING

Ins Deutsche übertragenvon Anika Klüver und Stephanie Pannen

Die deutsche Ausgabe von JAMES BOND – GOLDFINGER wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Anika Klüver und Stephanie Pannen; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Katrin Aust und Gisela Schell; Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Michael Gillette.Printausgabe gedruckt von CPI Morvia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice.Printed in the Czech Republic.

Titel der Originalausgabe: JAMES BOND – GOLDFINGER

German translation copyright © 2013, by Amigo Grafik GbR.

Copyright © lan Fleming Publications Limited 1959The moral rights of the author have been asserted.Die Persönlichkeitsrechte des Autors wurden gewahrt.

JAMES BOND and 007 are registered trademarks of Danjaq LLC,used under license by Ian Fleming Publications Limited. All Rights Reseved.

Print ISBN 978-3-86425-082-8 (Juni 2013)E-Book ISBN 978-3-86425-083-5 (Juni 2013)

WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.IANFLEMING.COM

Für meinen geneigten LeserWilliam Plomer

INHALT

»Mr Bond«, sagte Goldfinger, »es gibt ein Sprichwort in Chicago: ‚Ein Mal ist Zufall, zwei Mal ist Fügung, und beim dritten Mal ist es Feindeinwirkung.‘«

TEIL EINS

ZUFALL

1. Gedanken bei einem doppelten Bourbon

2. Das süße Leben

3. Der Mann mit Agoraphobie

4. Über den Tisch gezogen

5. Nachtdienst

6. Gespräche über Gold

7. Gedanken in einem DB Mark III

TEIL ZWEI

FÜGUNG

8. Spiel um alles oder nichts

9. Zu früh gefreut

10. Auf dem Hof

11. Oddjob

12. Dem Geist auf der Spur

13. »Wenn Sie mich noch mal so anbumsen …«

14. Geräusche in der Nacht

TEIL DREI

FEINDEINWIRKUNG

15. Der Druckraum

16. Das größte Verbrechen aller Zeiten

17. Der Gangsterkongress

18. Die Crème de la Crème des Verbrechens

19. Geheimer Anhang

20. Reise in den Holocaust

21. Der reichste Mann der Geschichte

22. Der letzte Trick

23. Liebevolle Pflege

TEIL EINS

ZUFALL

GEDANKEN BEI EINEMDOPPELTEN BOURBON

James Bond hatte zwei doppelte Bourbons intus, saß in der Abflughalle des Flughafens von Miami und grübelte über das Leben und den Tod nach.

Menschen zu töten, gehörte zu seinem Beruf. Er hatte es nie gerne getan, und wenn er töten musste, tat er es so effizient er konnte und vergaß es sofort wieder. Als Geheimagent mit einer der seltenen Doppelnullnummern – der vom Secret Service erteilten Lizenz zum Töten – war es seine Pflicht, den Tod mit der kühlen Distanziertheit eines Chirurgen zu betrachten. Wenn es passierte, passierte es eben. Bedauern war unprofessionell – schlimmer noch, es belastete die Seele.

Und doch hatte der Tod des Mexikaners etwas seltsam Beeindruckendes an sich gehabt. Es lag nicht daran, dass er den Tod nicht verdient hatte. Er war ein böser Mann gewesen, ein Mann, der in Mexiko als capungo bezeichnet wurde. Ein capungo war ein Bandit, der bereits für vierzig Pesos tötete, was in etwa fünfundzwanzig Schilling entsprach – obwohl er für den Mordversuch an Bond vermutlich mehr erhalten hatte –, und seinem Aussehen nach zu urteilen war er bereits sein ganzes Leben lang ein Werkzeug des Schmerzes und des Leids gewesen. Ja, es war eindeutig Zeit für seinen Tod gewesen, doch als Bond ihn vor weniger als vierundzwanzig Stunden getötet hatte, war das Leben so schnell und so endgültig aus seinem Körper gewichen, dass Bond es fast in der Form eines Vogels aus seinem Mund hatte fliegen sehen, wie es der Volksglaube auf Haiti beschrieb.

Der Unterschied zwischen einem Körper mit einer Seele darin und einem leeren war bemerkenswert. In einem Moment war jemand da, im nächsten war er fort. Dieser Mann war ein Mexikaner mit einem Namen und einer Adresse gewesen, einer Arbeitsgenehmigung und vielleicht auch einem Führerschein. Dann war etwas aus seinem Körper gewichen, aus dieser Hülle aus Fleisch und billiger Kleidung, und zurückgeblieben war nur eine leere Papiertüte, die darauf wartete, vom Müllwagen eingesammelt zu werden. Und der Unterschied, das Ding, das den Körper des stinkenden mexikanischen Banditen verlassen hatte, war größer als ganz Mexiko gewesen.

Bond schaute auf die Waffe hinab, die es getan hatte. Die Kante seiner rechten Hand war rot und geschwollen. Schon bald würde sich ein Bluterguss bilden. Bond dehnte die Hand und massierte sie mit seiner linken. Während der kurzen Flugreise hatte er das in regelmäßigen Abständen getan. Es war ein schmerzhafter Vorgang, aber wenn er dafür sorgte, dass das Blut weiterhin ungehindert durch seine Hand floss, würde sie schneller heilen. Man konnte nie wissen, wie bald man die Waffe wieder brauchen würde. Bonds Mundwinkel verzogen sich zu einer zynischen Grimasse.

»National Airlines, die ‚Fluglinie der Stars‘, bittet alle Passagiere für den Flug NA 106 nach La Guardia Field, New York, zu Gate Nummer sieben. Bitte gehen Sie an Bord.«

Der Lautsprecher verstummte mit einem hallenden Klicken. Bond schaute auf seine Uhr. Es würde noch mindestens zehn Minuten dauern, bis der Transamerica-Flug aufgerufen wurde. Er winkte eine Kellnerin zu sich und bestellte einen weiteren doppelten Bourbon on the rocks. Als das breite, klobige Glas gebracht wurde, schwenkte er die Flüssigkeit darin herum, damit das Eis sie ein wenig verwässerte, und kippte dann die Hälfte hinunter. Er drückte seine Zigarette aus, stützte sein Kinn auf seine linke Hand und starrte mürrisch über die funkelnde Rollbahn zum Horizont, wo der letzte Rest der Sonne auf beeindruckende Weise im Golf verschwand.

Der Tod des Mexikaners war die Vollendung eines üblen Auftrags gewesen, eines der schlimmsten, die er je hatte erledigen müssen – schmutzig, gefährlich und ohne irgendwelche angenehmen Nebeneffekte, abgesehen davon, dass er dadurch aus dem Hauptquartier herausgekommen war.

Ein großer Mann in Mexiko besaß einige Mohnfelder. Die Blumen dienten nicht der Dekoration. Sie wurden zu Opium verarbeitet, das dann schnell und vergleichsweise günstig von den Kellnern eines kleinen Cafés in Mexiko-Stadt namens »Madre de Cacao« verkauft wurde. Das Madre de Cacao bot jede Menge Schutz. Wenn man Opium brauchte, ging man einfach hinein und bestellte die Menge, die man benötigte, mit seinem Getränk. Man bezahlte an der Kasse für das Getränk, und der Kassierer teilte einem mit, wie viele Nullen man an den Rechnungsbetrag anhängen musste. Es war ein ordentlicher Handelsbetrieb, der außerhalb Mexikos niemanden kümmerte. Doch dann verkündete die Regierung im weit entfernten England, motiviert durch den Druck der Vereinten Nationen, etwas gegen den Drogenschmuggel unternehmen zu wollen. Man beabsichtigte, Heroin in Großbritannien zu verbieten. Diese Neuigkeit löste in Soho Alarm aus und beunruhigte auch respektable Ärzte, die ihren Patienten Qualen ersparen wollten. Prohibition ist der Auslöser des Verbrechens. Schon bald waren die üblichen Schmuggelkanäle aus China, der Türkei und Italien nahezu erschöpft, weil die Leute in England illegale Vorräte anlegten. In Mexiko-Stadt lebte ein freundlicher Import-Export-Händler namens Blackwell, der eine heroinsüchtige Schwester in England hatte. Er liebte sie und hatte Mitleid mit ihr, und als sie ihm schrieb, dass sie sterben würde, wenn er ihr nicht half, glaubte er, dass das der Wahrheit entsprach. Er machte sich daran, den illegalen Rauschgifthandel in Mexiko zu erforschen. Schon bald gelangte er über Freunde und Freunde von Freunden ins Madre de Cacao und von dort zu dem großen mexikanischen Mohnbauern. Während seiner Bemühungen erfuhr er einiges über die wirtschaftliche Seite des Gewerbes und kam zu dem Schluss, dass er das Geheimnis des Lebens entdeckt hatte, wenn er auf diese Weise ein Vermögen machen und gleichzeitig der leidenden Menschheit helfen konnte. Blackwell handelte mit Düngemitteln. Er besaß eine Lagerhalle und eine kleine Fabrik sowie drei Mitarbeiter, die für die Untersuchung der Erde und die Erforschung der Pflanzen zuständig waren. Blackwell hatte keinerlei Probleme damit, den großen Mexikaner davon zu überzeugen, dass sich sein Team hinter der respektablen Fassade damit beschäftigen konnte, Heroin aus Opium zu gewinnen. Der Transport nach England wurde von dem Mexikaner schnell in die Wege geleitet. Für den Gegenwert von tausend Pfund pro Reise nahm jeden Monat einer der diplomatischen Kuriere des Außenministeriums einen zusätzlichen Koffer mit nach London. Der Preis war angemessen. Der Inhalt des Koffers, den der Mexikaner bei der Gepäckaufbewahrung an der Victoria Station abgab und den Abholschein an einen Mann namens Schwab, c/o Boox-an-Pix, Ltd, W. C. 1., schickte, war zwanzigtausend Pfund wert.

Unglücklicherweise war Schwab ein übler Kerl, der sich nicht um die leidende Menschheit scherte. Wenn amerikanische jugendliche Straftäter jedes Jahr Heroin im Wert von mehreren Millionen Dollar konsumierten, dachte er, konnten das ihre britischen Cousins und Cousinen ebenfalls. In zwei Räumen in Pimlico mischten seine Leute Heroin mit einem Pulver gegen Magenbeschwerden und brachten es in den Tanzclubs und Spielhallen in Umlauf.

Schwab hatte bereits ein Vermögen gemacht, als ihm die Geistereinheit der Kriminalpolizei auf die Schliche kam. Scotland Yard beschloss, ihn noch ein wenig mehr Geld scheffeln zu lassen, während sie die Quelle seiner Lieferungen unter die Lupe nahmen. Sie beschatteten Schwab und wurden schon bald zur Victoria Station und von dort zu dem mexikanischen Kurier geführt. Da ein fremdes Land seine Finger mit im Spiel hatte, musste zu diesem Zeitpunkt der Secret Service eingeschaltet werden, und Bond erhielt den Auftrag, herauszufinden, woher der Kurier seine Ware bezog, um den Zufluss an der Quelle zu zerstören.

Bond folgte dem Befehl. Er flog nach Mexiko-Stadt und gelangte schnell ins Madre de Cacao. Dort gab er sich als Käufer aus dem Londoner Drogenhandel aus und erhielt Kontakt zu dem großen Mexikaner. Der Mexikaner empfing ihn herzlich und verwies ihn an Blackwell. Er wusste nichts über Blackwells Schwester, doch der Mann war offensichtlich ein Amateur, und seine Verbitterung über das Heroinverbot in England war echt. Bond brach eines Nachts in seine Lagerhalle ein und platzierte dort eine Thermitbombe. Dann setzte er sich in ein Café, das gut anderthalb Kilometer entfernt war, beobachtete, wie die Flammen über die Dächer am Horizont schlugen und lauschte dem lauten Plärren der Feuerwehrsirenen. Am nächsten Morgen rief er Blackwell an. Er legte ein Taschentuch über das Mundstück des Telefonhörers und sprach hindurch.

»Tut mir leid, dass Sie letzte Nacht Ihr Geschäft verloren haben. Ich fürchte, Ihre Versicherung wird nicht für den Verlust dieser Bodenproben aufkommen, die Sie untersucht haben.«

»Wer spricht da? Wer sind Sie?«

»Ich komme aus England. Dieses Zeug, das Sie da herstellen, hat dort drüben eine Menge junger Leute umgebracht. Und vielen dauerhaften Schaden zugefügt. Santos wird mit seinem Diplomatenkoffer nicht mehr nach England reisen. Schwab wird heute Abend bereits im Gefängnis sein. Dieser Bond, mit dem Sie sich getroffen haben, wird uns ebenfalls nicht durch die Lappen gehen. Die Polizei ist ihm in diesem Moment auf den Fersen.«

Am anderen Ende der Leitung erklangen ängstliche Worte.

»Also gut, aber machen Sie so etwas ja nicht noch mal. Bleiben Sie bei Düngemitteln.«

Bond legte auf.

Blackwell war nicht clever genug. Ganz offensichtlich war es der große Mexikaner, der die falsche Spur durchschaut hatte. Bond hatte vorsichtshalber das Hotel gewechselt, doch als er in dieser Nacht nach einem letzten Drink an der Copacabana in seine neue Unterkunft zurückkehren wollte, stellte sich ihm plötzlich ein Mann in den Weg. Der Mann trug einen schmutzigen weißen Leinenanzug und eine weiße Chauffeursmütze, die ihm viel zu groß war. Unter seinen aztekischen Wangenknochen lagen dunkle Schatten. In einem Winkel des schmalen Munds hing ein Zahnstocher, im anderen eine Zigarette. Seine stecknadelkopfgroßen Pupillen und die glänzenden Augen deuteten auf Marihuana hin.

»Du magst Frau? Hoppereiter machen?«

»Nein.«

»Farbige Frau? Schöner großer Hintern?«

»Nein.«

»Vielleicht Bilder?«

Die Geste der Hand, die unter das Jackett glitt, war Bond so vertraut, so voller alter Gefahren, dass er bereits darauf vorbereitet war und vollkommen ruhig blieb, als die Hand hervorschnellte und die lange silberne Klinge in Richtung seines Halses schnellte.

Fast automatisch führte Bond eine Verteidigung aus dem Lehrbuch aus. Sein rechter Arm schoss vor und sein Körper drehte sich mit ihm. Ihre beiden Unterarme trafen sich auf halbem Weg zwischen den Körpern, sodass der Messerarm des Mexikaners abgelenkt und seine Deckung durchbrochen wurde. Bond verpasste ihm mit der Linken einen Schlag gegen das Kinn. Bonds steifes, angespanntes Handgelenk hatte keinen weiten Weg zurückgelegt, vielleicht sechzig Zentimeter, doch die Unterkante seiner Handfläche, die durch die gespreizten Finger zusätzliche Stabilität erhalten hatte, war mit enormer Heftigkeit von unten gegen das Kinn des Mannes geprallt. Der Schlag hob den Mann beinahe vom Bürgersteig. Vielleicht hatte dieser Schlag den Mexikaner bereits getötet, ihm das Genick gebrochen. Doch als er rückwärts taumelte und nach hinten fiel, zog Bond seine rechte Hand zurück und führte mit der Handkante einen seitlichen Schlag gegen die dargebotene Kehle aus. Es handelte sich um einen tödlichen Handkantenschlag auf den Adamsapfel, bei dem man die Finger wie eine Klinge einsetzte und der von den Kommandotruppen angewandt wurde. Selbst wenn der Mexikaner noch am Leben gewesen sein sollte, war er zweifellos tot, bevor er auf den Boden aufschlug.

Bond stand einen Augenblick lang schwer atmend da und starrte auf den zusammengesackten Haufen billiger Kleidung, der dort im Staub lag. Er blickt sich auf der Straße um. Es war niemand zu sehen. Ein paar Autos fuhren vorbei. Andere waren womöglich während des Kampfes vorbeigefahren, aber er hatte in den Schatten stattgefunden. Bond kniete sich neben den Körper. Er fand keinen Puls. Die Augen, die aufgrund des Marihuanas so geglänzt hatten, waren bereits stumpf. Das Haus, in dem der Mexikaner gelebt hatte, war leer. Der Bewohner war ausgezogen.

Bond zog die Leiche hoch und lehnte sie gegen eine im Schatten liegende Wand. Dann strich er seine Kleidung glatt, überprüfte, ob seine Krawatte gerade saß und kehrte in sein Hotel zurück.

Am nächsten Morgen war Bond dann ganz früh aufgestanden, hatte sich rasiert und war zum Flughafen gefahren, wo er den ersten Flug raus aus Mexiko nahm. Dieser hatte zufällig Caracas zum Ziel. Also flog Bond nach Caracas und lungerte dort in der Transitlounge herum, bis ein Flieger nach Miami ging, eine Transamerica Constellation, die ihn noch am selben Abend weiter nach New York bringen würde.

Wieder knisterte und hallte der Lautsprecher. »Transamerica bedauert, Ihnen mitteilen zu müssen, dass sich aufgrund eines technischen Defekts der Flug TR 618 nach New York verzögern wird. Die neue Abflugzeit ist acht Uhr morgen früh. Wir möchten alle Passagiere bitten, sich am Ticketschalter von Transamerica zu melden, damit man sich dort um Ihre Unterbringung für heute Nacht kümmern kann. Vielen Dank.«

Na toll! Auch das noch! Sollte er auf einen anderen Flug umbuchen oder die Nacht in Miami verbringen? Bond hatte seinen Drink völlig vergessen. Er nahm das Glas, legte den Kopf zurück und kippte den Bourbon bis auf den letzten Tropfen hinunter. Die Eiswürfel klackerten fröhlich gegen seine Zähne. Das brachte ihn auf eine Idee. Er würde die Nacht in Miami verbringen und sich betrinken, und zwar so richtig, sodass er sich von irgendeinem Flittchen, das er unterwegs aufgegabelt hatte, ins Bett würde schleppen lassen müssen. Er war seit Jahren nicht mehr richtig betrunken gewesen. Es war höchste Zeit. Diese zusätzliche Nacht, die er völlig unerwartet gewonnen hatte, war eine freie Nacht, eine Nacht, die nicht zählen würde und in der er machen konnte, was er wollte. Er würde sie zu nutzen wissen. Es war an der Zeit, dass er sich mal wieder richtig gehen ließ. Er war zu angespannt, zu grüblerisch. Warum zum Teufel saß er hier herum und hing seinen finsteren Gedanken über diesen Mexikaner nach, diesen capungo, der geschickt worden war, um ihn umzubringen? Es war eine Frage von töten oder getötet werden gewesen. Außerdem brachten Menschen ständig andere Menschen um, überall auf der Welt. Menschen benutzten ihre Autos, um andere damit umzubringen. Sie verbreiteten ansteckende Krankheiten und husteten anderen ihre Mikroben ins Gesicht, ließen die Gashähne in ihren Küchen aufgedreht und verströmten Kohlenmonoxid in geschlossenen Garagen. Wie viele Menschen waren zum Beispiel am Bau von Wasserstoffbomben beteiligt, angefangen bei den Bergarbeitern, die das Uran abbauten, bis hin zu den Aktionären, die Bergbauaktien besaßen? Gab es auch nur einen Menschen auf der Welt, der nicht in irgendeiner Weise, wenn auch nur statistisch gesehen, daran beteiligt war, seinen Nachbarn zu töten?

Das letzte Tageslicht war verloschen. Unter dem indigoblauen Himmel blinkte die Landebahnbefeuerung grün und gelb und warf winzige Reflexionen auf die ölige Oberfläche der Rollbahn. Mit einem ohrenbetäubenden Dröhnen donnerte eine Douglas DC-7 die Hauptlandebahn hinunter. Die Fenster in der Transitlounge vibrierten leicht. Einige Leute standen auf, um die Landung zu beobachten. Bond versuchte, ihre Gesichtsausdrücke zu deuten. Hofften sie, dass das Flugzeug abstürzen würde – damit sich ihnen ein Schauspiel bot und sie etwas hatten, worüber sie reden konnten, etwas, um die Leere in ihren Leben zu füllen? Oder hofften sie auf eine sichere Landung? Was wünschten sie den sechzig Passagieren? Sollten sie leben oder sterben?

Bond verzog die Mundwinkel. Hör auf damit. Sei nicht so verdammt morbide. Das ist nur eine Reaktion auf einen schmutzigen Auftrag. Du trittst auf der Stelle und bist es leid, immer so knallhart sein zu müssen. Du sehnst dich nach einer Veränderung. Du hast zu viel Tod gesehen. Du willst ein Stück vom Leben – leicht, weich, angenehm.

Bond bemerkte, wie sich Schritte näherten. Sie blieben neben ihm stehen. Er sah auf und erblickte einen gepflegten, wohlhabend wirkenden Mann mittleren Alters. Sein Gesichtsausdruck war verlegen und distanziert.

»Verzeihung, aber Sie müssen Mr Bond sein … Mr, äh, James Bond?«

DAS SÜSSE LEBEN

Bond legte Wert auf Anonymität. Sein »Ja, so ist es« klang abweisend.

»Na, das ist ja ein unglaublicher Zufall.« Der Mann streckte ihm seine Hand entgegen. Bond erhob sich langsam, ergriff die Hand und ließ sie wieder los. Sie war weich und schwammig – wie eine handförmige Schlammpackung oder ein aufgeblasener Gummihandschuh. »Mein Name ist Du Pont. Junius Du Pont. Sie werden sich wohl kaum an mich erinnern, aber wir sind uns schon einmal begegnet. Darf ich mich zu Ihnen setzen?«

Das Gesicht, der Name? Ja, sie kamen ihm tatsächlich irgendwie bekannt vor. Vor langer Zeit. Nicht in Amerika. Bond kramte in seinem Gedächtnis, während er den Mann betrachtete. Mr Du Pont war etwa fünfzig – rosig, glatt rasiert, und seine Garderobe stammte von Brooks Brothers, was typisch für amerikanische Millionäre war. Er trug einen dunkelbraunen Einreiher und ein weißes Seidenhemd mit einem kurzen Kragen. Die gerollten Enden des Kragens wurden unter dem Knoten einer schmalen dunkelrot und blau gestreiften Krawatte von einer goldenen Kette zusammengehalten. Die Manschetten des Hemds ragten einen guten Zentimeter aus den Ärmeln des Jacketts hervor und waren mit runden Manschettenknöpfen aus Cabochon geschliffenem Kristall versehen, in die winzige Angelköder eingearbeitet waren. Die Socken waren aus dunkelgrauer Seide und die Schuhe aus altem poliertem, mahagonifarbenem Leder gefertigt. Außerdem hielt der Mann einen dunklen schmalkrempigen Stroh-Homburger mit einem breiten bordeauxroten Band in der Hand.

Mr Du Pont nahm Bond gegenüber Platz und zog Zigaretten sowie ein einfaches goldenes Zippo-Feuerzeug hervor. Bond bemerkte, dass er leicht schwitzte. Er kam zu dem Schluss, dass Mr Du Pont genau das war, was er zu sein schien: ein sehr reicher, etwas verlegener Amerikaner. Er wusste, dass er ihn schon mal gesehen hatte, konnte sich aber nicht erinnern, wann oder wo.

»Möchten Sie auch eine?«

»Danke.« Es war eine Parliament. Bond tat so, als würde er das ihm angebotene Feuerzeug nicht bemerken. Er hasste es, wenn ihm jemand ein Feuerzeug hinhielt. Stattdessen nahm er sein eigenes und zündete sich die Zigarette an.

»Frankreich, ’51, Royale-les-Eaux.« Mr Du Pont schaute Bond erwartungsvoll an. »Dieses Casino. Ethel, also Mrs Du Pont, und ich saßen an dem Abend neben Ihnen am Tisch, als Sie dieses große Spiel mit dem Franzosen hatten.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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