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Diamantenfieber ist der vierte von Ian Flemings James-Bond-Romanen, in dem der Geheimagent tödliche Edelsteine durch Amerika verfolgt ... Lernen Sie Tiffany Case kennen, eine gefühlskalte, hinreißende Blondine; die Art von Frau, mit der es ganz schön drunter und drüber gehen kann - wenn man will. Sie steht zwischen James Bond und den Anführern eines Diamantenschmugglerrings, der sich von Afrika über London zu den Vereinigten Staaten erstreckt. Bond benutzt Tiffany, um diese Bande zu infiltrieren, doch in Amerika wird der Jäger plötzlich zum Gejagten. Bond schwebt in höchster Gefahr, bis er von unerwarteter Seite Hilfe erfährt - von der eiskalten Schönheit selbst ... Jeder kennt sie: die teils stark von den Vorlagen abweichenden Verfilmungen der James-Bond-Romane. Pünktlich zum 50-jährigen Jubliäum der Filmreihe gilt es die Ian-Fleming-Originale erstmals im "Director's Cut" zu entdecken! Eine der größten Filmikonen überhaupt wird 50 Jahre alt! Passend dazu kommt Ende 2012 der 23. Teil der Saga mit dem Titel "Skyfall" in die Kinos! Cross Cult schließt sich den Jubilaren des Mythos mit einer Wiederentdeckung der meisterhaft erzählten Agenten- und Spionageromane aus der Feder Ian Flemings an und beginnt die schrittweise Veröffentlichung aller James-Bond-Originalromane. Endlich wird es möglich sein, Titel wie "Goldfinger", "Thunderball" oder "You Only Live Twice" komplett in ungekürzten Übersetzungen und mit den ursprünglichen Kapitelabschnitten und -überschriften zu lesen. Es verspricht eine einzigartige James-Bond-Bibliothek zu werden, die dazu einlädt, dem Kult um den britischen Gentleman-Geheimdienstler mit der "Lizenz zum Töten" auf den Grund zu gehen.
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Seitenzahl: 366
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DIAMANTENFIEBER
von
IAN FLEMING
Ins Deutsche übertragenvon Stephanie Pannen und Anika Klüver
Die deutsche Ausgabe von JAMES BOND – DIAMANTENFIEBER
wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.
Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern,
Übersetzung: Stephanie Pannen und Anika Klüver;
verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde;
Lektorat: Katrin Aust und Gisela Schell;
Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Michael Gillette.
Printausgabe gedruckt von CPI Morvia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice.
Printed in the Czech Republic.
Titel der Originalausgabe: JAMES BOND – DIAMONDS ARE FOREVER
German translation copyright © 2012, by Amigo Grafik GbR.
Copyright © Ian Fleming Publications Limited 1956The moral rights of the author have been asserted.Die Persönlichkeitsrechte des Autors wurden gewahrt.
JAMES BOND and 007 are registered trademarks of Danjaq LLC,used under license by Ian Fleming Publications Limited. All Rights Reseved.
Print ISBN 978-3-86425-076-7 (Dezember 2012)E-Book ISBN 978-3-86425-077-4 (Dezember 2012)
WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.IANFLEMING.COM
1. Die Pipeline öffnet sich
2. Edelsteinqualität
3. Heißes Eis
4. »Was geht hier vor?«
5. »Feuilles Mortes«
6. Im Transit
7. »Shady« Tree
8. Das Auge, das niemals schläft
9. Bitterer Champagner
10. Mit dem Studillac nach Saratoga
11. Shy Smile
12. Das Rennen
13. Acme Schlamm und Schwefel
14. »Wir mögen keine Fehler.«
15. Rue de la Pay
16. Das Tiara
17. Danke für den Trip
18. Dämmerung im Knutschkino
19. Spectreville
20. Und aus der Spitze schießen Flammen
21. »Nichts bringt näher als Nähe.«
22. Liebe und Sauce béarnaise
23. Der Job kommt an zweiter Stelle
24. Der Tod ist so dauerhaft
25. Die Pipeline wird geschlossen
Der große Pandinus-Skorpion kam mit einem trockenen Rascheln aus dem fingergroßen Loch unter dem Stein hervor und hielt seine zwei Kampfklauen vor sich wie ein Ringkämpfer seine Arme.
Vor dem Loch befand sich ein kleiner Bereich aus harter flacher Erde, und der Skorpion stellte sich auf den Spitzen seiner vier Beinpaare in die Mitte dieser Stelle. Seine Nerven und Muskeln waren angespannt und jederzeit für einen schnellen Rückzug bereit, und seine Sinne suchten nach den winzigen Schwingungen, die seinen nächsten Schritt bestimmen würden.
Das Mondlicht, das durch den großen Dornbusch fiel, ließ den harten schwarzen Panzer seines fünfzehn Zentimeter langen Körpers saphirblau schimmern und glänzte auf dem feuchten weißen Stachel, der aus dem letzten Segment des Schwanzes hervorragte, der nun parallel zum flachen Rücken des Skorpions gebogen war.
Langsam glitt der Stachel in den Schwanz zurück, und die Nerven im Giftsack darunter entspannten sich. Der Skorpion hatte sich entschieden. Gier hatte über Angst gesiegt.
Dreißig Zentimeter entfernt, am Fuß eines steilen Sandabhangs, war der kleine Käfer allein damit beschäftigt, zu besseren Nahrungsgründen weiterzutrotten und die, die er unter dem Dornbusch vorgefunden hatte, hinter sich zu lassen. Die Geschwindigkeit, mit der der Skorpion den Abhang hinunterrauschte, ließ ihm keine Zeit, seine Flügel zu entfalten. Die Beine des Käfers zappelten protestierend, als die scharfe Klaue seinen Körper packte. Dann stach der Stachel über den Kopf des Skorpions hinweg in ihn hinein, und er war sofort tot.
Nachdem er den Käfer getötet hatte, stand der Skorpion fast fünf Minuten lang reglos da. Während dieser Zeitspanne identifizierte er seine Beute und suchte den Boden und die Luft erneut nach feindlichen Schwingungen ab. Beruhigt zogen sich seine Kampfklauen von dem halb zerteilten Käfer zurück. Die zwei kleinen Kieferklauen streckten sich vor und griffen ins Fleisch des Käfers. Dann fraß der Skorpion eine Stunde lang und mit extremer Genauigkeit sein Opfer.
Der große Dornbusch, unter dem der Skorpion den Käfer getötet hatte, stellte in der weiten Ausdehnung der flachen Steppe knapp fünfundsechzig Kilometer südlich von Kissidougou in der südwestlichen Ecke von Französisch-Guinea die einzige Orientierungshilfe dar. In allen Himmelsrichtungen erstreckten sich am Horizont Hügel und Dschungel, doch hier befand sich eine fünfzig Quadratkilometer große Fläche aus flachem, felsigem Boden, der fast schon eine Wüste war. Und umgeben von tropischen Pflanzen wuchs hier – vielleicht weil sich tief unter seinen Wurzeln Wasser befand – nur dieser eine Dornbusch, der die Höhe eines Hauses erreicht hatte und den man schon aus vielen Kilometern Entfernung ausmachen konnte.
Der Busch stand mehr oder weniger auf dem Grenzgebiet dreier afrikanischer Staaten. Er befand sich in Französisch-Guinea, aber nur sechzehn Kilometer nördlich von der nördlichsten Spitze Liberias und acht Kilometer östlich der Grenze von Sierra Leone. Hinter dieser Grenze befanden sich die großen Diamantenminen um Sefadu. Sie gehörten Sierra International, die ein Teil des mächtigen Bergbauimperiums Afric International waren, das wiederum eine bedeutende Vermögensgrundlage des Britischen Commonwealth darstellte.
Ein Stunde zuvor war der Skorpion in seinem Loch zwischen den Wurzeln des großen Dornbusches von zwei verschiedenen Schwingungen alarmiert worden. Die einen hatten von den leisen Kratzgeräuschen des laufenden Käfers hergerührt, und diese Schwingungen hatte der Skorpion sofort erkannt und eingeordnet. Dann war da noch eine Reihe unergründlicher Klopflaute rund um den Busch herum gewesen, denen ein abschließendes heftiges Beben gefolgt war, das einen Teil des Lochs des Skorpions zum Einsturz gebracht hatte. Danach hatte der Boden leicht und rhythmisch gezittert, doch die Bewegungen waren so regelmäßig gewesen, dass sie bald zu einer unbedeutenden Hintergrundschwingung geworden waren. Nach einer Pause war das leise Kratzen des Käfers weitergegangen, und nachdem sich der Skorpion den ganzen Tag vor seinem tödlichsten Feind versteckt hatte, war es die Gier nach dem Käfer gewesen, die schließlich die Oberhand über die Erinnerung des Skorpions an die anderen Geräusche gewonnen und ihn aus seiner Höhle ins matte Mondlicht hinausgetrieben hatte.
Und nun, während er langsam die Überreste des Käfers von seinen Kieferklauen saugte, erklang in weiter Ferne am östlichen Horizont das Signal, das den Tod des Skorpions ankündigte. Für einen Menschen war es hörbar, doch die Schwingungen befanden sich weit außerhalb der Reichweite des Sinneswahrnehmungssystems des Skorpions.
Und ein paar Meter entfernt hob eine schwere, grobe Hand mit abgekauten Fingernägeln leise einen scharfkantigen Felsklumpen hoch.
Es gab keinerlei Geräusch, doch der Skorpion spürte eine winzige Bewegung in der Luft über sich. Sofort hob er seine Kampfklauen und richtete seinen stachelbewehrten Schwanz auf, während seine kurzsichtigen Augen nach oben starrten und nach dem Feind suchten.
Der schwere Stein sauste herab.
»Schwarzer Teufel.«
Der Mann sah zu, wie sich das zertrümmerte Spinnentier in Todesqualen wand.
Der Mann gähnte. Er ging in der sandigen Einöde auf die Knie, lehnte sich an den Stamm des Busches, an dem er fast zwei Stunden lang gesessen hatte, hob die Arme schützend über den Kopf und kroch ins Freie hinaus.
Der Lärm der Maschine, auf den der Mann gewartet hatte und der das Todesurteil des Skorpions gewesen war, erklang nun lauter. Als der Mann aufstand und zum Mond hinaufstarrte, konnte er gerade so eine klobige schwarze Form ausmachen, die schnell von Osten her auf ihn zukam, und für einen Augenblick schimmerte das Mondlicht auf den sich drehenden Rotorblättern.
Der Mann wischte sich die Hände an den Seiten seiner schmutzigen Khakishorts ab und bewegte sich schnell um den Busch herum zu der Stelle, an der das Hinterrad eines ramponierten Motorrads aus seinem Versteck herausragte. Unter dem Sattelkissen befanden sich auf jeder Seite lederne Werkzeugtaschen. Aus einer von ihnen zog er ein kleines, schweres Päckchen, das er in seinem offenen Hemd direkt an seiner Haut verstaute. Aus der anderen Tasche nahm er vier billige Taschenlampen und ging damit zu einer freien ebenen Stelle, die fünfzig Meter von dem großen Dornbusch entfernt lag und in etwa die Ausmaße eines Tennisplatzes hatte. An drei Ecken des Landeplatzes bohrte er die Enden der Taschenlampen in den Boden und schaltete sie an. Die letzte Taschenlampe behielt er in der Hand, stellte sich damit an die vierte Ecke und wartete.
Der Hubschrauber bewegte sich langsam auf ihn zu. Er war keine dreißig Meter vom Boden entfernt, und die großen Rotorblätter befanden sich im Leerlauf. Er sah wie ein riesiges, schlecht zusammengebautes Insekt aus. Dem Mann am Boden kam es wie immer so vor, als würde er zu viel Lärm machen.
Der Hubschrauber blieb stehen und neigte sich direkt über dem Kopf des Mannes leicht vor. Ein Arm kam aus dem Cockpit, und der Mann wurde mit einer Taschenlampe angeleuchtet. Sie blitzte einmal kurz und einmal lang auf – das Morsezeichen für A.
Der Mann am Boden leuchtete ein B und ein C zurück. Er steckte die vierte Taschenlampe in die Erde, trat zur Seite und schirmte seine Augen gegen den aufwirbelnden Staub ab. Über ihm ließ das Jaulen der Rotorblätter kaum merklich nach, und der Hubschrauber landete problemlos auf der Stelle zwischen den vier Taschenlampen. Das Klappern des Motors verstummte mit einem letzten Keuchen, der Heckpropeller drehte sich kurz im Leerlauf, und die Hauptrotorblätter vollführten noch ein paar unbeholfene Drehungen, bis sie schließlich zum Stehen kamen.
In der nachhallenden Stille fing in dem Dornbusch eine Grille an zu zirpen, und irgendwo ganz in der Nähe erklang das aufgeregte Zwitschern eines nachtaktiven Vogels.
Nach einer Pause, in der sich der Staub legte, schwang der Pilot die Tür des Cockpits auf, ließ eine kleine Aluminiumleiter herunter und kletterte steif hinab. Er wartete neben seiner Maschine, während der andere Mann an den vier Ecken des Landeplatzes entlanglief, die Taschenlampen einsammelte und sie ausschaltete. Der Pilot war eine halbe Stunde zu spät am Treffpunkt erschienen, und die Aussicht darauf, sich die unablässigen Beschwerden des anderen Mannes anhören zu müssen, langweilte ihn. Er verabscheute sämtliche Afrikaner. Diesen hier ganz besonders. Für einen Reichsdeutschen und einen Piloten der Luftwaffe, der unter Galland für die Verteidigung des Reiches gekämpft hatte, waren sie eine Bastardrasse – verschlagen, dumm und ungehobelt. Natürlich hatte dieser Rohling eine schwierige Aufgabe, aber es war nichts im Vergleich dazu, einen Hubschrauber mitten in der Nacht achthundert Kilometer weit über den Dschungel und dann wieder zurück zu fliegen.
Als der andere Mann auf ihn zukam, hob der Pilot seine Hand halb zum Gruß. »Alles in Ordnung?«
»Das hoffe ich. Aber Sie sind schon wieder zu spät. Ich werde es gerade so vor Tagesanbruch über die Grenze schaffen.«
»Probleme mit dem Magnetzünder. Wir haben alle unsere eigenen Sorgen. Zum Glück ist nur dreizehn Mal im Jahr Vollmond. Also, wenn Sie die Ware haben, her damit. Dann tanken wir die Maschine wieder voll, und ich verschwinde.«
Der Mann aus den Diamantenminen griff wortlos in sein Hemd und reichte ihm das ordentlich verschnürte, schwere Päckchen.
Der Pilot nahm es entgegen. Es war vom Schweiß des Schmugglers ganz feucht. Der Pilot verstaute es in einer Seitentasche seines sauberen Buschhemds. Dann wischte er sich die Finger am Hinterteil seiner Hose ab.
»Gut«, sagte er. Er wandte sich dem Hubschrauber zu.
»Einen Moment«, erwiderte der Diamantenschmuggler. Seine Stimme klang mürrisch.
Der Pilot drehte sich wieder zu ihm herum. Er dachte: Das ist die Stimme eines Dieners, der all seinen Mut zusammengenommen hat, um sich über sein Essen zu beschweren. »Ja? Was gibt es?«
»Die Lage wird zu heiß. In den Minen. Das gefällt mir ganz und gar nicht. Ein wichtiger Mann vom Geheimdienst in London war dort. Sie haben von ihm gelesen. Dieser Mann namens Sillitoe. Es heißt, die Diamond Corporation hat ihn angeheuert. Es gibt eine Menge neuer Regeln, und alle Strafen wurden verdoppelt. Ein paar meiner kleineren Männer haben sich aus Angst zurückgezogen. Ich musste skrupellos sein und, nun ja, einer von ihnen ist irgendwie in die Brechmaschine gefallen. Dadurch wurde alles ein wenig schwieriger. Ich musste mehr bezahlen. Zusätzliche zehn Prozent. Und sie sind immer noch nicht zufrieden. Eines Tages werden diese Sicherheitsleute einen meiner Zwischenhändler erwischen. Und Sie kennen diese schwarzen Schweine. Die halten einer richtigen Tracht Prügel nicht stand.« Er schaute dem Piloten kurz in die Augen und wandte den Blick dann wieder ab. »Tatsächlich bezweifle ich, dass irgendjemand der Nilpferdpeitsche standhalten kann. Das würde selbst ich nicht schaffen.«
»Ach ja?«, erwiderte der Pilot. Er hielt inne. »Wollen Sie, dass ich diese Drohung an ABC weiterleite?«
»Ich drohe niemandem«, sagte der andere Mann schnell. »Ich will nur, dass sie wissen, dass es Schwierigkeiten gibt. Das dürften sie selbst schon gemerkt haben. Sie müssen von diesem Sillitoe wissen. Und bedenken Sie doch nur, was der Vorsitzende in unserem Jahresbericht geschrieben hat. Dort hieß es, dass unsere Minen jährlich über zwei Millionen Pfund durch Schmuggel und illegale Diamantenkäufe verlieren und dass die Regierung etwas dagegen unternehmen müsse. Und was bedeutet das? Es bedeutet, dass die Regierung etwas gegen mich unternehmen wird!«
»Und gegen mich«, fügte der Pilot ruhig hinzu. »Also was wollen Sie? Mehr Geld?«
»Ja«, sagte der andere Mann stur. »Ich will einen größeren Anteil. Zwanzig Prozent mehr, oder ich muss aussteigen.« Er suchte im Gesicht des Piloten nach Verständnis.
»Also gut«, sagte der Pilot gleichgültig. »Ich gebe die Nachricht an Dakar weiter, und wenn sie interessiert sind, werden sie sie wohl nach London weiterleiten. Aber ich habe nichts damit zu tun, und wenn ich Sie wäre«, erklärte der Pilot und entspannte sich zum ersten Mal, »würde ich diese Leute nicht zu sehr unter Druck setzen. Sie können sehr viel heftiger sein als dieser Sillitoe oder die Firma oder jede Regierung, die ich kenne. An diesem Ende der Pipeline sind in den vergangenen zwölf Monaten drei Männer gestorben. Einer, weil er Schiss hatte. Die beiden anderen, weil sie etwas aus der Lieferung gestohlen hatten. Und das wissen Sie. Das war ein ziemlich übler Unfall, den Ihr Vorgänger da hatte, nicht wahr? Seltsamer Ort, um Sprenggelatine aufzubewahren. Unter seinem Bett. Sah ihm gar nicht ähnlich. Er war sonst immer so vorsichtig mit allem.«
Einen Moment lang standen sie einfach nur da und starrten einander im Mondlicht an. Der Diamantenschmuggler zuckte mit den Schultern. »Also gut«, meinte er. »Sagen Sie denen einfach, dass ich knapp bei Kasse bin und mehr Geld brauche, um die Sache am Laufen zu halten. Das werden sie verstehen, und wenn sie nicht völlig verblödet sind, werden sie noch weitere zehn Prozent für mich hinzufügen. Falls nicht …« Er ließ den Satz unvollendet und bewegte sich auf den Hubschrauber zu. »Kommen Sie. Ich helfe Ihnen mit dem Treibstoff.«
Zehn Minuten später kletterte der Pilot ins Cockpit und zog die Leiter hinter sich hoch. Bevor er die Tür schloss, hob er eine Hand. »Bis dann«, sagte er. »Wir sehen uns in einem Monat.«
Der andere Mann auf dem Boden fühlte sich plötzlich einsam. »Tot ziens«, sagte er mit einer Handbewegung, die fast an das Winken eines Liebhabers erinnerte. »Alles van die beste.« Er wich ein Stück zurück und hielt sich eine Hand vor die Augen, um sie vor dem Staub zu schützen.
Der Pilot ließ sich auf seinem Sitz nieder, schnallte sich an und platzierte die Füße auf den Pedalen. Er stellte sicher, dass die Radbremsen angezogen waren, drückte die Blattverstellung nach unten, aktivierte die Treibstoffzufuhr und betätigte den Anlasser. Zufrieden lauschte er dem Pochen des Motors, löste die Rotorbremse und drehte vorsichtig das Drosselventil an der Blattverstellung. Außerhalb der Kabinenfenster schwangen langsam die langen Rotorblätter vorbei, und der Pilot warf einen Blick nach achtern auf den surrenden Heckmotor. Er drehte sich wieder herum und beobachtete, wie die Rotorgeschwindigkeitsanzeige auf zweihundert Umdrehungen pro Minute kletterte. Als die Nadel die Zweihundertermarke gerade so überschritten hatte, löste er die Radbremsen und zog langsam und fest an der Blattverstellung. Über ihm neigten sich die Rotorblätter und schnitten noch ein wenig tiefer in die Luft. Noch etwas mehr drosseln, und die Maschine erhob sich klappernd in die Luft, bis der Pilot in einer Höhe von etwa dreißig Metern gleichzeitig das linke Ruder aktivierte und den Steuerknüppel zwischen seinen Knien nach vorn drückte.
Der Hubschrauber schwenkte nach Osten, gewann an Höhe und Geschwindigkeit und flog im Mondlicht dröhnend davon.
Der Mann auf dem Boden beobachtete, wie er verschwand, und mit ihm die Diamanten im Wert von einhunderttausend Pfund, die seine Männer im Laufe der vergangenen Monate von den Grabungen abgezwackt hatten, bevor sie lässig ihre pinkfarbenen Zungen herausgestreckt hatten, während er neben dem Zahnarztstuhl gestanden und schroff gefragt hatte, wo es wehtue.
Während er immer noch über ihre Zähne redete, sammelte er dann die Steine aus ihren Mündern und hielt sie ins Licht seiner Zahnarztlampe, und dann sagte er leise fünfzig, fünfundsiebzig, hundert. Und sie nickten immer und nahmen die Geldscheine und versteckten sie in ihrer Kleidung und verließen den Behandlungsraum mit ein paar Aspirin in einem Stück Papier, die ihnen als Alibi dienten. Sie mussten seinen Preis akzeptieren. Ein Eingeborener hatte keine Chance, Diamanten außer Landes zu schmuggeln. Wenn die Bergarbeiter die Minen verlassen konnten, was vielleicht einmal im Jahr der Fall war, um ihren Stamm zu besuchen oder einen Verwandten zu beerdigen, mussten sie eine Reihe an Röntgenuntersuchungen und Behandlungen mit Rizinusöl über sich ergehen lassen und mit einer bitteren Zukunft rechnen, falls sie bei einem Schmuggelversuch erwischt wurden. Es war so leicht, in die Zahnarztpraxis zu gehen, wenn »Er« Dienst hatte. Und Papiergeld tauchte nicht auf Röntgengeräten auf.
Der Mann raste auf seinem Motorrad über den schmalen Schotterpfad und fuhr in Richtung der Grenzhügel von Sierra Leone. Sie traten jetzt deutlicher hervor. Er würde gerade noch genug Zeit haben, um Susies Hütte vor der Morgendämmerung zu erreichen. Bei dem Gedanken daran, dass er nach einer so anstrengenden Nacht mit ihr schlafen musste, verzog er das Gesicht. Aber es ließ sich nicht ändern. Geld reichte für das Alibi, das sie ihm verschaffte, nicht aus. Sie wollte seinen weißen Körper. Und dann musste er noch weitere sechzehn Kilometer bis zum Club zurücklegen, um dort zu frühstücken und die derben Witze seiner Freunde zu ertragen.
»Hast du ihr eine ordentliche Füllung verpasst, Doc?« »Ich habe gehört, sie hat die besten ‚Dinger‘ in der ganzen Provinz.« »Sag mal, Doc, was stellt der Vollmond nur mit dir an?«
Doch jede Lieferung im Wert von einhunderttausend Pfund bedeutete tausend Pfund für ihn, die in ein Schließfach in London wanderten. In hübschen neuen Fünfern. Das war die Sache wert. Aber nicht mehr sehr viel länger. Oh nein! Sobald er zwanzigtausend Pfund zusammenhatte, würde er definitiv aufhören. Und dann …
Mit dem Kopf voller großartiger Träume fuhr der Mann auf dem Motorrad so schnell er konnte über die holprige Ebene – weg von dem großen Dornbusch, wo die Pipeline für die größte Schmuggelorganisation der Welt ihren Anfang nahm und sich die Ware auf den teuflischen Weg machte, um in achttausend Kilometern Entfernung schließlich weiche Dekolletés zu schmücken.
»Nicht reindrücken. Reinschrauben«, sagte M ungeduldig.
James Bond, der sich vornahm, dem Stabschef von Ms Worten zu erzählen, nahm die Juwelierlupe erneut vom Schreibtisch, auf den sie gefallen war, und schaffte es dieses Mal, sie sicher und fest in seiner rechten Augenhöhle einzuklemmen.
Obwohl es Ende Juni war und strahlender Sonnenschein den Raum erhellte, hatte M seine Schreibtischlampe angeschaltet und sie so gedreht, dass sie Bond direkt anleuchtete. Bond nahm den Stein im Brillantschliff in die Hand und hielt ihn ins Licht. Als er ihn zwischen den Fingern drehte, funkelten ihm von den zahlreichen Facetten alle Farben des Regenbogens entgegen, bis seine Augen völlig davon geblendet waren.
Er nahm die Juwelierlupe von seinem Auge und versuchte, angemessene Worte zu finden.
M sah ihn fragend an. »Ein schöner Stein?«
»Wundervoll«, erwiderte Bond. »Er muss sehr viel Geld wert sein.«
»Ein paar Pfund für den Schliff«, sagte M trocken. »Das ist ein Stück Quarz. Also, versuchen wir es noch mal.« Er schaute auf die Liste, die vor ihm auf dem Schreibtisch lag, wählte ein gefaltetes Taschentuch aus, überprüfte die darauf stehende Nummer, faltete es auseinander und schob es über den Tisch zu Bond.
Bond legte das Stück Quarz zurück auf das dazugehörige Taschentuch und griff nach der zweiten Probe.
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