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Auf der Suche nach zwei gestohlenen Atombomben verschlägt es 007 in die Bahamas, um Schlimmeres zu verhindern... Als ein Fremder auf den Bahamas ankommt, schenken ihm die Einheimischen kaum Beachtung - noch ein Auswanderer, der sein Geld an den Casino-Tischen verheizt. Aber James Bond hat alles andere als Geld im Kopf: Er hat weniger als eine Woche, um zwei gestohlene Atombomben, versteckt zwischen den weiten Korallenriffen, ausfindig zu machen. Indessen mimt er den Playboy und lernt Domino kennen, die Gespielin des geheimnisvollen Schatzjägers Emilio Largo. Während er der hübschen Italienerin näher kommt, hofft Bond mehr über Largos geheime Machenschaften herauszufinden. Jeder kennt sie: die teils stark von den Vorlagen abweichenden Verfilmungen der James-Bond-Romane. Pünktlich zum 50-jährigen Jubliäum der Filmreihe gilt es die Ian-Fleming-Originale erstmals im "Director's Cut" zu entdecken! Eine der größten Filmikonen überhaupt wird 50 Jahre alt! Passend dazu kommt Ende 2012 der 23. Teil der Saga mit dem Titel "Skyfall" in die Kinos! Cross Cult schließt sich den Jubilaren des Mythos mit einer Wiederentdeckung der meisterhaft erzählten Agenten- und Spionageromane aus der Feder Ian Flemings an und beginnt die schrittweise Veröffentlichung aller James-Bond-Originalromane. Endlich wird es möglich sein, Titel wie "Goldfinger", "Thunderball" oder "You Only Live Twice" komplett in ungekürzten Übersetzungen und mit den ursprünglichen Kapitelabschnitten und -überschriften zu lesen. Es verspricht eine einzigartige James-Bond-Bibliothek zu werden, die dazu einlädt, dem Kult um den britischen Gentleman-Geheimdienstler mit der "Lizenz zum Töten" auf den Grund zu gehen.
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Seitenzahl: 430
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JAMES BOND
vonIAN FLEMING
Ins Deutsche übertragenvon Anika Klüver und Stephanie Pannen
Die deutsche Ausgabe von JAMES BOND – FEUERBALLwird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern,Übersetzung: Anika Klüver und Stephanie Pannen;verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde;Lektorat: Katrin Aust und Gisela Schell;Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Michael Gillette.Printausgabe gedruckt von CPI Morvia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice.Printed in the Czech Republic.
Titel der Originalausgabe: JAMES BOND – THUNDERBALL
German translation copyright © 2013, by Amigo Grafik GbR.
Copyright © Ian Fleming Publications Limited 1961
The moral rights of the author have been asserted.
Die Persönlichkeitsrechte des Autors wurden gewahrt.
JAMES BOND and 007 are registered trademarks of Danjaq LLC,used under license by Ian Fleming Publications Limited. All Rights Reseved.
Print ISBN 978-3-86425-086-6 (Septemer 2013)
E-Book ISBN 978-3-86425-087-3 (Septemer 2013)
WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.IANFLEMING.COM
FürErnest CuneoMuse
1. »Lassen Sie es ruhig angehen, Mr Bond.«
2. Shrublands
3. Die Streckbank
4. Tee und Feindseligkeit
5. SPECTRE
6. Veilchenatem
7. »Schnallen Sie sich besser an.«
8. »Große Flöhe haben kleine Flöhe ...«
9. Mehrfaches Requiem
10. Die Disco Volante
11. Domino
12. Der Mann von der CIA
13. »Mein Name ist Emilio Largo.«
14. Saure Martinis
15. Pappheld
16. Nächtliche Untersuchungen
17. Die rotäugige Katakombe
18. Wie man eine Frau vernascht
19. Als das Küssen aufhörte
20. Zeit der Entscheidung
21. Sehr vorsichtig, sehr langsam
22. Der Beschatter
23. Nackte Kriegsführung
24. »Lassen Sie es ruhig angehen, Mr Bond.«
Es war einer dieser Tage, an denen es James Bond so vorkam, als ob sich alles gegen ihn verschworen hätte.
Zum einen schämte er sich – was äußerst selten der Fall war. Er hatte einen Kater, einen ziemlich heftigen sogar, mit Kopfschmerzen und steifen Gelenken. Wenn er hustete – und zu viel Alkohol bedeutete auch immer zu viele Zigaretten –, erschien eine Wolke kleiner schwarzer Flecken vor seinen Augen, wie Amöben in einem trüben Teich. Der eine Drink zu viel machte sich unmissverständlich bemerkbar. Sein letzter Whisky Soda, den er in der luxuriösen Wohnung in der Park Lane zu sich genommen hatte, war nicht anders als die zehn davor gewesen. Aber er war nur widerwillig hinuntergegangen und hatte sowohl einen bitteren Nachgeschmack als auch das unangenehme Gefühl von Übersättigung hinterlassen. Und obwohl die Botschaft bei ihm angekommen war, hatte er zugestimmt, noch einen weiteren Rubber zu spielen. Fünf Pfund für hundert Punkte, weil es das letzte Spiel ist? Er hatte zugestimmt. Und haushoch verloren. Er konnte immer noch die Pikdame mit dem dämlichen Mona-Lisa-Lächeln in ihrem fetten Gesicht vor sich sehen, die triumphierend seinen Buben geschlagen hatte – sein Partner hatte ihn noch extra darauf hingewiesen, dass die Dame bei seinem Gegenüber lag, und das hatte den Unterschied gemacht zwischen einem verdoppelten Überstich für ihn und vierhundert Punkten über dem Strich für den Gegner. Am Ende war es ein Zwanzig-Punkte-Rubber gewesen, der ihn hundert Pfund gekostet hatte – Geld, das ihm nun fehlen würde.
Wieder tupfte Bond den Blutstiller auf den Schnitt an seinem Kinn und verabscheute das Gesicht, das ihm aus dem Spiegel über dem Waschbecken mürrisch entgegenstarrte. Du dämlicher Mistkerl! Das kam nur davon, dass er nichts zu tun hatte. Seit mehr als einem Monat musste er Papierkram erledigen – er hakte seine Nummer auf dämlichen Laufzetteln ab, schrieb Protokolle, die mit jeder Woche unleserlicher wurden, und knallte den Hörer auf das Telefon, wenn wieder irgendein harmloser Abteilungsleiter mit ihm diskutieren wollte. Und dann hatte seine Sekretärin die Grippe bekommen und man hatte ihm eine alberne und, schlimmer noch, hässliche Zicke aus dem Schreibbüro zugeteilt, die ihn »Sir« nannte und meistens den Mund voll mit Bonbons hatte, wenn sie mit ihm sprach. Es war ein weiterer Montagmorgen. Der Anfang einer neuen Woche. Bond schluckte zwei Schmerztabletten und griff nach dem Mittel gegen Sodbrennen. Das Telefon in seinem Schlafzimmer klingelte. Es war die Direktverbindung zum Hauptquartier. James Bond, dessen Herz trotz der schnellen Fahrt durch London und einer ärgerlich langen Wartezeit vor dem Aufzug in den achten Stock schneller schlug, als es sollte, zog den Sessel zurück, setzte sich und blickte in die ruhigen grauen und verdammt klaren Augen, die er so gut kannte. Was konnte er in ihnen lesen?
»Guten Morgen, James. Tut mir leid, dass ich Sie heute Morgen ein wenig früher herbestellen musste. Mein Tagesplan ist sehr voll. Wollte Sie noch dazwischenquetschen, bevor der Hochbetrieb losgeht.«
Bonds Aufregung ließ ein wenig nach. Es war niemals ein gutes Zeichen, wenn M ihn mit seinem Vornamen anstatt mit seiner Nummer ansprach. Es schien sich hier nicht um einen Auftrag zu handeln – sondern um etwas Persönliches. In Ms Stimme lag keine Spur der Anspannung, mit der er sonst große, aufregende Neuigkeiten verkündete. Ms Gesichtsausdruck war interessiert, freundlich, fast schon liebevoll. Bond erwiderte etwas Unverfängliches.
»Habe Sie in letzter Zeit wenig gesehen, James. Wie geht es Ihnen? Gesundheitlich, meine ich.« M nahm ein Blatt Papier, eine Art Formular, von seinem Schreibtisch und hielt es so, als würde er es gleich vorlesen.
Argwöhnisch versuchte Bond, einen Blick auf das zu erhaschen, was auf dem Blatt stand. »Es geht mir gut, Sir.«
»Der Stabsarzt ist zu einem anderen Schluss gekommen, James«, erwiderte M sanft. »Er hat mir gerade Ihre letzten Untersuchungsergebnisse zugeschickt. Ich denke, Sie sollten erfahren, was er zu sagen hat.«
Wütend starrte Bond auf die Rückseite des Untersuchungsberichts. Was zum Teufel sollte das? »Wie Sie meinen, Sir«, sagte er kontrolliert.
M studierte Bonds Gesicht. Dann hielt er das Blatt näher an seine Augen. »Dieser Agent«, las er laut vor, »ist im Grunde genommen körperlich gesund. Bei seinem momentanen Lebenswandel wird das allerdings nicht lange so bleiben. Trotz vieler früherer Warnungen gibt er an, täglich etwa sechzig Zigaretten zu rauchen. Es handelt sich um eine Balkanmischung mit einem höheren Nikotingehalt als bei den billigeren Sorten. Wenn er sich nicht im Einsatz befindet, beträgt seine tägliche Dosis Alkohol etwa eine halbe Flasche einer sechzig- bis siebzigprozentigen Spirituose. Die Untersuchung ergab nur wenige Anzeichen von körperlichem Verfall. Die Zunge war belegt. Der Blutdruck war ein wenig erhöht und lag bei 160/90. Die Leber ließ sich nicht ertasten. Andererseits gab der Agent auf Nachfrage zu, regelmäßig Schmerzen im Hinterkopf zu haben, in seinen Trapezmuskeln waren Zuckungen festzustellen und sogenannte ›fibrositische‹ Knötchen zu erfühlen. Ich gehe davon aus, dass diese Symptome mit der Lebensweise des Agenten zusammenhängen. Er ging nicht auf den Hinweis ein, dass übermäßiger Alkohol- und Nikotingenuss kein Mittel gegen seinen beruflichen Stress ist und nur zu einem Vergiftungszustand führen kann, der letztendlich seine körperliche Verfassung beeinträchtigen wird. Ich empfehle, dass 007 zwei bis drei Wochen ein etwas abstinenteres Leben führt. Ich bin der Meinung, dass er dadurch zu seiner früheren ausgezeichneten Form zurückfinden wird.«
M lehnte sich vor und legte den Bericht in sein Ablagefach. Dann legte er seine Hände flach auf den Schreibtisch vor sich und sah Bond ernst an. »Nicht besonders zufriedenstellend, oder, James?«
Bond bemühte sich, nicht ungeduldig zu klingen. »Ich bin vollkommen in Ordnung, Sir. Jeder hat gelegentlich mal Kopfschmerzen. Die meisten Wochenendgolfer haben Fibrositis. Man bekommt sie schnell, wenn man schwitzt und dann Zug abbekommt. Mit Aspirin und einem Einreibemittel wird man sie schnell wieder los. Ist wirklich keine große Sache, Sir.«
Doch M blieb hartnäckig. »Und genau da irren Sie sich, James. Medikamente zu nehmen, wird Ihre Symptome nur unterdrücken. Medikamente werden das Grundproblem nicht beseitigen, sondern nur verdecken. Das Resultat ist ein vergifteter Zustand, der schon bald chronisch werden kann. Medikamente jedweder Art sind schlecht für das System. Sie gehen wider die Natur. Das Gleiche gilt für einen Großteil der Nahrung, die wir zu uns nehmen – Weißbrot ohne Ballaststoffe, Raffinadezucker, dem man alles Gute entzogen hat, pasteurisierte Milch, aus der die Vitamine gekocht worden sind, alles denaturiert.« M zog sein Notizbuch heraus und schlug es auf. »Wissen Sie eigentlich, was unser Brot abgesehen von ein wenig totgemahlenem Mehl enthält?« M sah Bond anklagend an. »Eine beträchtliche Menge Kreide, Benzolperoxid, Chlorgas, Ammoniumsalz und Alaun.« M steckte das Notizbuch wieder in seine Tasche. »Was halten Sie davon?«
»So viel Brot esse ich gar nicht«, verteidigte sich Bond verwirrt.
»Vielleicht nicht«, sagte M ungeduldig. »Aber wie viel in einer Steinmühle gemahlenes Vollkornmehl nehmen Sie zu sich? Wie viel Joghurt? Rohes Gemüse, Nüsse, frisches Obst?«
Bond grinste. »Praktisch nichts davon, Sir.«
»Das ist nicht zum Lachen.« M tippte nachdrücklich mit seinem Zeigefinger auf den Schreibtisch. »Merken Sie sich meine Worte. Es gibt keinen anderen Weg zu körperlicher Gesundheit als den natürlichen. All Ihre Probleme« – Bond wollte protestieren, doch M brachte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen – »wie die durch die Routineuntersuchung aufgedeckte schwere Toxämie, sind das Ergebnis einer im Grunde genommen unnatürlichen Lebensweise. Haben Sie zum Beispiel schon mal von Bircher-Brenner gehört? Oder von Kneipp, Prießnitz, Rikli, Schroth, Gossman, Bilz?«
»Nein, Sir.«
»Dachte ich mir. Nun, Sie täten gut daran, diese Herren zu studieren. Es handelt sich um große Naturheilkundler, deren Lehren wir törichterweise ignoriert haben.« Ms Augen begannen begeistert zu funkeln. »Doch zum Glück praktizieren eine Reihe ihrer Schüler in England. Die Naturheilkunde ist nicht unerreichbar für uns.«
James Bond sah M neugierig an. Was zum Teufel war nur in den alten Mann gefahren? Handelte es sich um erste Anzeichen von Senilität? Doch M wirkte fitter, als Bond ihn jemals gesehen hatte. Die kalten grauen Augen waren kristallklar, und die Haut in dem strengen, faltigen Gesicht leuchtete vor Gesundheit. Selbst das eisengraue Haar schien von neuem Leben erfüllt zu sein. Doch was hatte dieser ganze Irrsinn dann zu bedeuten?
M griff nach seinem Eingangskorb und stellte ihn vor sich als Zeichen für Bond, dass das Gespräch beendet war. »Das wäre dann alles, James«, sagte er fröhlich. »Miss Moneypenny hat reserviert. Zwei Wochen werden ausreichen, um Sie wieder fit zu machen. Sie werden sich nicht wiedererkennen, wenn Sie zurückkommen. Ein neuer Mensch.«
Bond starrte M entsetzt an. »Von wo zurückkommen?«, fragte er mit erstickter Stimme.
»Von einem Ort namens ›Shrublands‹. Wird von einem in dieser Branche ziemlich berühmten Mann geleitet – Wain, Joshua Wain. Ein bemerkenswerter Bursche. Fünfundsechzig. Sieht keinen Tag älter aus als vierzig. Er wird sich gut um Sie kümmern. Äußerst moderne Ausstattung, und er hat sogar einen eigenen Kräutergarten. Sehr hübsche Gegend. In der Nähe von Washington in Sussex. Und machen Sie sich keine Gedanken wegen Ihrer Arbeit hier. Lassen Sie das alles in den nächsten Wochen mal hinter sich. Ich werde 009 anweisen, sich um die Abteilung zu kümmern.«
Bond traute seinen Ohren nicht. »Aber, Sir. Ich meine, ich bin doch vollkommen in Ordnung. Sind Sie sicher? Ich meine, ist das wirklich notwendig?«
»Nein.« M lächelte eisig. »Nicht notwendig. Unerlässlich. Das heißt, wenn Sie in der Doppelnullabteilung bleiben wollen. Ich kann es mir nicht leisten, einen Mitarbeiter in dieser Abteilung zu haben, der nicht hundertprozentig fit ist.« M senkte seinen Blick auf den Eingangskorb vor sich und nahm eine Aktenmappe heraus. »Das ist dann alles, 007.« Er sah nicht auf. Sein Tonfall war endgültig.
Bond erhob sich. Schweigend durchquerte er den Raum, ging hinaus und schloss die Tür übertrieben leise hinter sich.
Im Vorraum lächelte ihn Miss Moneypenny freundlich an.
Bond ging zu ihrem Schreibtisch und schlug mit der Faust so fest darauf, dass ihre Schreibmaschine einen Satz machte. »Was zum Teufel soll das, Penny?«, fragte er wütend. »Hat der alte Mann nicht mehr alle Tassen im Schrank? Was soll dieser ganze Blödsinn? Nur über meine Leiche werde ich dorthin fahren. Der ist doch vollkommen übergeschnappt.«
Miss Moneypenny lächelte zufrieden. »Der Geschäftsführer war furchtbar hilfreich und freundlich. Er sagt, dass er Ihnen den Myrtenraum im Anbau geben kann. Es soll ein wunderschönes Zimmer sein. Mit Blick auf den Kräutergarten. Die haben dort ihren eigenen Kräutergarten, wissen Sie?«
»Ich weiß bereits alles über diesen dämlichen Kräutergarten. Hören Sie, Penny.« Bond versuchte es freundlich. »Seien Sie ein gutes Mädchen und erzählen Sie mir, worum es hier geht. Was ist sein Problem?«
Miss Moneypenny, die so oft hoffnungslos von Bond träumte, hatte Mitleid mit ihm. Sie senkte verschwörerisch die Stimme. »Ich glaube, dass es sich nur um eine vorübergehende Phase handelt. Sie haben eben das Pech, dass Sie ihm unter die Augen gekommen sind, bevor sie wieder vorbei ist. Sie kennen doch seine fixe Idee über die Effizienz des Geheimdienstes. Einmal mussten wir alle diesen Trimm-Dich-Pfad durchlaufen. Dann hatte er mal diesen Seelenklempner angeschleppt, diesen Psychotherapeuten – den haben Sie verpasst. Da waren Sie irgendwo im Ausland. Alle Abteilungsleiter mussten ihm ihre Träume erzählen. Er war nicht lange hier. Vielleicht haben ihn ja einige der Träume verjagt. Nun, im letzten Monat hatte M einen Hexenschuss, und einer seiner Freunde aus dem Blades – ich nehme an dieser fette Säufer«, Miss Moneypenny verzog ihren sinnlichen Mund, »hat ihm von diesem Kurheim auf dem Land erzählt. Dieser Mann schwor darauf. Hat M gesagt, dass wir alle wie Automotoren funktionieren und gelegentlich in die Werkstatt müssen, um entkohlt zu werden. Er selbst ist wohl drei Mal im Jahr dort. Er sagte, dass es nur zwanzig Guineen pro Woche kosten würde, was weniger sei, als er an einem Tag im Blades ausgebe, und dass er sich hinterher immer wunderbar fühle. Sie wissen ja, wie gerne M neue Dinge ausprobiert, also fuhr er für zehn Tage hin. Und als er zurückkam, war er felsenfest von diesem Ort überzeugt. Gestern hat er mir stundenlang davon erzählt, und heute Morgen waren jede Menge Dosen mit Rübensirup, Weizenkeimen und weiß der Himmel was sonst noch alles in der Post. Ich habe keine Ahnung, was ich mit dem Zeug anfangen soll. Ich befürchte, dass mein armer Pudel es bekommen wird. Das ist jedenfalls passiert, und ich muss sagen, dass ich ihn noch nie zuvor in solch wunderbarer Form gesehen habe. Er wirkt um Jahre jünger.«
»Er sieht aus wie dieser verdammte Kerl in der alten Reklame für Kruschen-Salz. Aber warum zwingt er mich jetzt, in dieses Irrenhaus zu fahren?«
Miss Moneypenny lächelte vertraulich. »Wissen Sie nicht, dass er große Stücke auf Sie hält? Als er den Bericht Ihrer medizinischen Untersuchung sah, hat er mich sofort angewiesen, den Aufenthalt für Sie zu buchen.« Miss Moneypenny rümpfte die Nase. »Aber, James, rauchen und trinken Sie wirklich so viel? Das kann nicht gut für Sie sein, wissen Sie?« Sie sah mit mütterlichem Blick zu ihm auf.
Bond hielt sich zurück. Stattdessen versuchte er es mit Nonchalance. »Ich sterbe lieber, weil ich zu viel trinke, als dass ich verdurste. Und was die Zigaretten angeht, ich rauche eigentlich nur so viel, weil ich sonst nicht weiß, was ich mit meinen Händen anfangen soll.« Ihm war bewusst, wie fadenscheinig die Begründung war. Schluss mit dem Gesülze! Was er jetzt brauchte, war ein doppelter Brandy mit Soda.
Miss Moneypennys sinnliche Lippen verzogen sich zu einer missbilligenden Linie. »Was die Hände angeht – da habe ich etwas anderes gehört.«
»Jetzt fangen Sie nicht auch noch an, Penny.« Bond ging wütend zur Tür. Dann drehte er sich noch einmal um. »Noch mal so einen Rüffel, und sobald ich wieder da bin, werde ich Sie übers Knie legen, dass Sie die nächsten paar Tage nur noch auf dem Bauch tippen werden.«
Miss Moneypenny schenkte ihm ein liebliches Lächeln. »Ich glaube nicht, dass Sie dazu noch in der Lage sein werden, nachdem Sie zwei Wochen lang von Nüssen und Zitronensaft gelebt haben, James.«
Bond stieß einen Laut irgendwo zwischen einem Schnauben und einem Knurren aus und stürmte aus dem Zimmer.
James Bond warf sein Gepäck in den Kofferraum des alten schokoladenbraunen Taxis und stieg vorne neben dem rothaarigen, pickeligen jungen Mann in Lederjacke ein, der am Steuer saß. Der junge Mann zog einen Kamm aus seiner Brusttasche, fuhr damit sorgfältig durch beide Seiten seiner Schmalztolle und steckte den Kamm wieder in die Tasche. Dann lehnte er sich vor und betätigte den Anlasser. Bond vermutete, dass der Fahrer ihm mit diesem Kammspielchen wohl klarmachen wollte, dass er ihn und sein Geld wirklich nur als Gefallen ansah. Das war typisch für die ordinäre Forschheit der jungen Arbeiterklasse seit dem Krieg. Diese Jugend, dachte Bond, verdient etwa zwanzig Pfund die Woche, verachtet ihre Eltern und wäre gerne Tommy Steele. Es ist nicht seine Schuld. Er wurde in den Käufermarkt des Wohlfahrtsstaates und das Atom- und Raumfahrtzeitalter hineingeboren. Für ihn war das Leben leicht und bedeutungslos. »Wie weit ist es bis nach ›Shrublands‹?«, fragte Bond.
Der junge Mann fuhr geschickt, aber unnötig schnell in einen Kreisel und bog wieder ab. »Ungefähr eine halbe Stunde.« Er stieg aufs Gaspedal und überholte waghalsig einen Lastwagen auf einer Kreuzung.
»Sie holen ja wirklich alles aus Ihrem Bluebird raus.«
Der junge Mann warf ihm einen Seitenblick zu, um zu sehen, ob Bond sich über ihn lustig machte. Er kam zu dem Schluss, dass dem nicht so war, und entspannte sich ein wenig. »Den hab ich von meinem Vater. Er sagt, diese alte Kiste war zwanzig Jahre lang gut genug für ihn, also wird sie auch noch weitere zwanzig gut genug für mich sein. Daher lege ich jetzt selbst etwas Geld zurück. Die Hälfte der Summe hab ich schon zusammen.«
Bond kam der Gedanke, dass ihn die ganze Kämmerei überkritisch gemacht hatte. »Was wollen Sie sich denn für einen holen?«
»Einen Kleinbus von Volkswagen. Für die Rennen in Brighton.«
»Gute Idee. In Brighton ist eine Menge Geld zu holen.«
»Und ob.« Der junge Mann zeigte eine Spur von Begeisterung. »Das eine Mal, als ich da war, habe ich ein paar Buchmacher und ihre Bienen nach London gefahren. Glatte zehn Pfund und einen Fünfer als Trinkgeld. Leicht verdiente Kohle.«
»Auf jeden Fall. Aber man kann in Brighton auch an den Falschen geraten. Sie sollten aufpassen, dass Sie nicht ausgeraubt oder verprügelt werden. In Brighton gibt es ein paar ziemlich üble Gangs. Was ist eigentlich aus dem Bucket of Blood geworden?«
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