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Der Roman zum Film mit Pierce Brosnan Sie ist wunderschön. Sie ist Russin. Und sie ist sehr, sehr gefährlich. Einst arbeitete Xenia für den KGB, doch nun gehört sie zu Janus, einem mächtigen und ehrgeizigen russischen Verbrechersyndikat, das sich nicht weiter um Ideologien schert. Janus strebt nach Geld und Einfluss: zu den ganz normalen Geschäftsmethoden gehören Diebstahl und Mord. Und nun hat das Oberhaupt des Syndikats GoldenEye gestohlen, ein Satellitensystem der Spitzentechnologie, mit dem sich die Finanzmärkte des Westens erschüttern, ja vielleicht sogar zerstören lassen. Doch Janus hat seinen fest entschlossenen Widersacher unterschätzt: James Bond!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 280
1. Dotterblume – 1986
2. Mission erfüllt
3. Hoher Einsatz
4. Die Spinne und der Admiral
5. Der Tiger ist eine wunderbare Sache
6. Petja
7. EMP
8. Mission GoldenEye
9. Wades Touri-Tour
10. Der Rubel rollt
11. Der Gott mit zwei Gesichtern
12. Durchs Sonnenlicht schweben
13. Langstreckenlauf
14. Der Zug
15. Ein Sarg aus Stahl
16. Zwischenspiel
17. Der See
18. Der Katastrophe nah
19. Die Reise endet, wenn Liebende zusammenkommen
Über den Autor
Sein Schädel schien zu explodieren. Er spürte das Dröhnen in seinen Ohren, das Rauschen seines Bluts, dann das Gefühl, dass sein Schädel völlig durchlöchert war. Feuer strömte durch die Löcher, aus seinen Ohren und Nasenlöchern, dann aus seinem Mund. James Bond riss sich zusammen und erkannte mehrere Dinge auf einmal. Das Dröhnen stammte von zwei sowjetischen Jets, deren Nachbrenner literweise Treibstoff verheizten, als sie über ihm vorbeiflogen. Er erinnerte sich daran, dass bei der Einsatzbesprechung erwähnt worden war, die Militärjets flögen oft im Tiefflug über die Berge zu ihrem Stützpunkt in der Nähe von Russlands ältestem Seehafen Archangelsk.
Er verfluchte sich auch dafür, dass er aus einem Dösen in einen tiefen Schlaf geglitten war. Er streckte sich und versuchte, seine schmerzenden Muskeln zu lockern, dann bewegte er sich ganz langsam, um auf seine Uhr zu sehen. Es war beinahe Zeit zum Aufbruch, ihm war kalt und er hatte Krämpfe. Er lauschte und konnte immer noch die sich entfernenden Jets hören, aber keinen Laut von dem Aufklärungsflugzeug, das den Flugplatz weit unten benutzte. Das Aufklärungsflugzeug war über sechzig Jahre alt – eine Fiesler Storch, die in Stalingrad von Hitlers Luftwaffe erbeutet worden war. Der Anblick war, als würde man eine alte römische Balliste auf dem elektronischen Schlachtfeld der 1980er-Jahre sehen.
Inzwischen hellwach blickte Bond sich aufmerksam um, um sich zu orientieren. Er lag auf dem Gipfel eines hohen Bergrückens innerhalb des Talkessels, umgeben von dunklen, feindseligen Bergen. Zu seiner Rechten befand sich der lange, von Menschenhand geschaffene See und vor ihm das gedrungene Wachhaus aus Beton, das den Zugang zur Krone des riesigen Staudamms versperrte, der etwa zweihundertfünfzig Meter aufragte.
Unterhalb des Damms bestand der Boden aus Felsbrocken und Steinen, doch er wusste, dass dies nur zur Tarnung diente, denn sie waren in fast sechs Meter dickem bombensicheren Beton und Stahl einzementiert. Unter diesen Felsen und Steinen lag das Ziel: die Biochemische Verarbeitungsanlage Nummer eins.
Trotz des Abkommens von 1972 hatten die Sowjets an diesem trostlosen Ort tief unter der Erde weiterhin biologische und chemische Sprengköpfe hergestellt.
Bisher, so hatte M ihnen gesagt, beschränkte sich die Produktion auf bekannte Schrecken: Anthrax und eine Reihe von Nerven- und konventionellen Gasen, nun jedoch wurde die Anlage umgerüstet, um etwas weitaus Tödlicheres herzustellen – eines der vielen Viren, die immer wieder entdeckt wurden, während der Mensch langsam die Regenwälder der Welt zerstörte. Innerhalb weniger Wochen würde die unterirdische Fabrik in der Lage sein, einen biologischen Wirkstoff wie aus den schlimmsten Albträumen zu produzieren: ein sich schnell ausbreitendes Virus, das das Blut seiner Opfer verdünnte und den menschlichen Körper so schnell zersetzte, dass nach und nach die wichtigsten Organe versagten. Ein schneller, aber schrecklicher Tod.
Man musste verhindern, dass die Sowjets Sprengköpfe und Bomben mit diesem verheerenden Erreger produzierten. Sollte dies nicht gelingen, musste zumindest die Entwicklung verlangsamt werden. M war sich über die Dringlichkeit im Klaren. Der Westen brauchte Zeit, um an einer Form der Immunisierung zu arbeiten, und es lag an James Bond, 007, und seinem alten Freund Alec Trevelyan, 006, diese Aufgabe zu bewältigen.
»Sie beide sind meine besten Männer«, hatte der alte Mann gesagt, »und wir sind uns alle bewusst, dass Sie bei dieser Operation nur eine fünfzigprozentige Chance auf eine Rückkehr haben. Aber ich habe keine andere Möglichkeit. Diese Anlage muss sofort zerstört werden. In ein paar Wochen wird es zu spät sein.«
Im Hier und Jetzt drehte Bond seinen Kopf und blickte ins Tal hinunter, wobei er über die abscheulichen Arbeiten nachdachte, die unter der brutalen Erde dieser gottverlassenen, trostlosen Gegend im hohen Norden des sowjetischen Reichs stattfanden.
Das einzige sichtbare Anzeichen von Leben unter ihm war die holprige Startbahn, die wie eine offene Wunde im Boden klaffte und gerade einmal zehn Meter vom Rand einer langen Schlucht entfernt endete, die parallel zum Damm verlief, der sich am äußersten Ende des Plateaus erhob. Die Schlucht war etwa anderthalb Kilometer breit und sehr tief.
Die Startbahn, so hatte man ihnen gesagt, war einer von zwei Zugängen zur Verarbeitungsanlage. Arbeiter, Sicherheitskräfte und Wissenschaftler wurden mit einer alten Antonow An-14 Bee ein- und ausgeflogen, die so modifiziert worden war, dass sie auch sehr kurze Start- und Landebahnen bedienen konnte.
Den anderen Zugang bildete eine primitive unterirdische Eisenbahn, die in den späten 1960er-Jahren durch die Erde und den Felsen gegraben worden war, um Personal und Waren mit dem Hafen von Archangelsk zu verbinden. Der Fuhrpark dieses einfachen Transportsystems bestand hauptsächlich aus einfachen Loren für den Transport von Produkten und offenen Waggons mit Hartholzsitzen für Personal und Truppen. Die Fahrt von Archangelsk zur Verarbeitungsanlage dauerte fast vierundzwanzig Stunden – ein ausgesprochen unbequemer Tag.
Alec Trevelyan war drei Tage zuvor in Archangelsk eingeschleust worden, und wenn alle Dokumente in Ordnung waren und niemand seine Tarnung infrage gestellt hatte, dürfte er inzwischen die lange unterirdische Reise in die Verarbeitungsanlage hinter sich gebracht haben.
M hatte die Mission für zwei Agenten ausgelegt. Trevelyan sollte durch eins der Gitter im massiven Dach in der Nähe einer Klimaanlage einen Zugang schaffen. Im Inneren sollte er außerdem einen sicheren Bereich einrichten, von dem aus er und Bond operieren konnten.
Bonds Aufgabe war, die beiden Wachen auf ihrem Posten oben auf dem Damm auszuschalten und dann die Waffen und den Sprengstoff zu Trevelyan zu bringen. Anschließend sollten sie die geheime Anlage in die Luft sprengen und sich auf den Weg zurück zu einem Abholpunkt etwa dreißig Kilometer östlich von Archangelsk machen. Alle Beteiligten wussten, dass es sich um eine nahezu selbstmörderische Mission handelte. Operation Dotterblume. Bond musste über den Codenamen schmunzeln, weil er ihn für das, was sie vorhatten, für völlig unpassend hielt. Denn, so dachte er, während sein Grinsen breiter wurde, dieser Plan war nicht gerade das Gelbe vom Ei.
Wieder streckte er seine Beine und Arme. Er lag seit über sieben Stunden in dieser Position, weniger als fünfzig Meter vom Wachposten entfernt, nachdem er acht Stunden zuvor mit dem Fallschirm aus einem Tarnkappenflugzeug in einem HALO-Sprung (High Altitude Low Opening) abgesprungen war. Er war kurz vor seiner Landezone heruntergekommen und hatte eine Stunde gebraucht, um den einen halben Kilometer langen, felsigen Abhang hinaufzusteigen, der zu dem kleinen Felsvorsprung führte, über den er den Wachposten erreichen würde.
Der Posten war eine einfache, quadratische Konstruktion aus Beton und Stahl, die am Rand der Dammkrone thronte. Auf Bonds Seite des Gebäudes befanden sich ein Fenster und eine Tür, und er wusste von den Fotos der Einsatzbesprechung, dass die beiden ständigen Wachen im Inneren Platz zum Essen, Entspannen und Schlafen hatten. Er wusste auch, dass sich auf der anderen Seite eine Art Hundezwinger aus hohen Stahlstäben befand, dessen elektronisches Schiebetor zum Gehweg auf der Dammkrone hinausführte.
Die Soldaten, die diesen Posten besetzten, gehörten zum ständigen Sicherheitspersonal der Biochemischen Verarbeitungsanlage Nummer eins. Es handelte sich um Soldaten der Grenzschutzabteilung des KGB, die alle eine spezielle Zusatzausbildung bei den Elitetruppen der Spetsnaz absolviert hatten. Das andere Ende des Damms benötigte keine solchen Wachen, da es direkt an eine steile Felswand grenzte.
Die beiden Wachleute wurden wöchentlich ausgewechselt, wobei sie eine harte und unangenehme Kletterpartie über eine Reihe breiter, D-förmiger Sprossen, die fest in die senkrechte Wand des Damms eingelassen waren, zu bewältigen hatten. Kurz fragte er sich, wie diese Kletterpartie wohl im tiefsten Winter sein würde. Selbst Bond schauderte es bei dem Gedanken, und da er wusste, dass er bald selbst dort hinuntermusste, überprüfte er im Geiste die Ausrüstung, die er bei sich hatte.
Er trug einen speziell angefertigten Neoprenanzug, Bergschuhe und einen langen Parka. Sowohl der Neoprenanzug als auch der Parka waren steingrau und enthielten mehr Taschen mit Reißverschlüssen und Knöpfen, als man im Mantel eines Wilderers finden würde. Bond trug seine Ausrüstung um die Brust gewickelt unter dem Parka und am rechten Oberschenkel des Neoprenanzugs befand sich eine lange Tasche, deren Inhalt im Notfall hoffentlich seine letzte Rettung sein würde. Außerdem hatte er einen breiten Gurt um seine Taille geschnallt. An diesem waren mindestens vier Taschen befestigt, außerdem ein Holster für seine Lieblingswaffe, die ASP 9 mm, geladen mit verheerender Glaser-Munition und ausgestattet mit einem langen Schalldämpfer. Sein Gesicht und sein Kopf waren mit einer isolierten Skimaske bedeckt, während seine Hände von hautengen Lederhandschuhen geschützt wurden, die die Kälte abhielten, ohne seine Fingerfähigkeiten bei filigransten Aufgaben einzuschränken.
Im Kopf ging er noch einmal den Inhalt der Taschen und Beutel durch, wie er es bereits ein Dutzend Mal getan hatte, bevor die Kälte und die Müdigkeit ihn in einen gefährlichen Schlaf hatten abdriften lassen.
Während er die Gegenstände durchging, wurde Bond auf ein Geräusch aufmerksam, das Poltern und Brummen des Motors der Storch weit unten am Rand der Startbahn. Das war das erste Signal, denn das alte Aufklärungsflugzeug patrouillierte regelmäßig über dem Gebiet und sein Pilot vergewisserte sich, dass sich keine zivilen Kletterer oder, schlimmer noch, Staatsfeinde zu nah an das Sperrgebiet herangewagt hatten.
Die Storch flog ein festgelegtes Muster, das sich nur selten änderte und etwa zwanzig Minuten in Anspruch nahm. Das letzte Manöver bestand darin, im Tiefflug über den See zu fliegen und den Damm mittig zu überfliegen. Aus dem großen Glascockpit überprüfte der Pilot den Wachposten und einer der KGB-Grenzsoldaten musste in den Stahlkäfig hinaustreten und dem Flugzeug ein Signal geben. Trotz der Tatsache, dass es im Wachposten sowohl ein Funkgerät als auch ein Telefon gab, liebte Oberst Ourumow, der für die Sicherheit zuständige Offizier, solche Anweisungen.
Arkady Grigorowitsch Ourumow, ein ranghoher Offizier des KGB-Grenzschutzes, war westlichen Agenten wie Bond gut bekannt. Man sagte ihm nach, seine Vorstellung von Sicherheit sei so paranoid, dass er, sollte er jemals seinen Willen durchsetzen, Wachen auf Wachen aufpassen lassen würde, die auf Wachen aufpassten, und immer so weiter.
Unten änderte sich die Tonlage der Fiesler Storch, als sie zum Start ansetzte. Bond erhob sich langsam, spannte seine Muskeln an und rannte dann geräuschlos auf das Gebäude zu, wo er sich rechts neben dem schmutzigen Fenster an die Wand duckte. Dabei sah er, wie das Flugzeug aus dem Tal aufstieg.
Mit einer schnellen Drehung spähte er durch das Fenster. Die beiden Soldaten saßen sich gegenüber und waren in eine Schachpartie vertieft. Was passiert wohl, fragte er sich, wenn sie ihren Einsatz verpassen und dem Flugzeug kein Signal geben?
Der Lärm des Flugzeugs entfernte sich. Dann hörte er, wie sich das Motorengeräusch erneut veränderte und der Lärm zunahm, als es weit über dem See wendete und auf den Staudamm zuhielt.
Gegen die Wand gepresst, hörte er deutlich die Stimmen der Wachen und das Scharren, als ein Stuhl zurückgeschoben wurde.
Noch einmal lehnte er sich zum Fenster. Einer der Männer öffnete die Tür auf der Staumauerseite und ging hinaus in die stählerne Umzäunung. Der andere Soldat saß noch immer am Tisch, seine ganze Konzentration galt dem Schachbrett.
Bond lauschte darauf, dass sich das Flugzeug näherte, nahm die Automatikpistole aus dem Holster und schlich zur Tür. Als er am Fenster vorbeikam, konnte er sehen, dass der Wachmann draußen seine Augen abschirmte und nach oben blickte.
In einer einzigen, fließenden Bewegung öffnete er die Tür, trat ins Innere des Gebäudes und hob die rechte Hand. Der Mann, der über dem Schachbrett brütete, war so darin vertieft, dass seine Reaktion deutlich verzögert war. Er drehte sich um, starrte Bond verständnislos an, als wäre er von einem anderen Planeten, und schob dann seinen Stuhl zurück, seine Miene eine Mischung aus Überraschung, Angst und Unglauben.
Die Automatik machte kaum ein Geräusch, nur ein leises Plopp-Plopp. Sogar das metallische Klicken des Mechanismus wirkte lauter als die abgefeuerten Schüsse. Bond verzog leicht das Gesicht, als die beiden Glaser-Kugeln in die Brust des Mannes einschlugen, direkt über dem Herzen, nur einen halben Zentimeter voneinander entfernt. Etwas übertrieben, dachte Bond, als ihm der Geruch von Rauch und Blut in die Nase stieg. Seine lebenslange Erfahrung hatte ihn gelehrt, wie es sich gehörte, immer zwei Schüsse abzufeuern. Bei Glaser-Patronen brauchte man allerdings nur eine, neunzig Prozent der Opfer, die von dieser Patrone getroffen wurden, waren innerhalb von Sekunden tot, da es sich praktisch um eine Schrotpatrone handelte, bei der Kaliber-12-Kugeln in einem dünnen Kupfernickelmantel in flüssigem Teflon schwammen, wobei die Patrone mit einer Plastikkappe versiegelt war. Die plötzliche Explosion des Schrots, sobald das Geschoss in den Körper eintrat, verursachte dann den eigentlichen Schaden.
Der Stuhl des toten Soldaten war durch den Einschlag fast bis an die Wand zurückgeworfen worden. Nun kippte der Körper zur Seite und glitt zu Boden, wobei ein Arm auf das Schachbrett schlug und die Figuren im Raum verteilte.
Das Aufklärungsflugzeug flog über das Wachhaus hinweg, und als Bond einen Schritt über die Leiche machte, begann das Telefon zu klingeln.
Bond zögerte einen Bruchteil zu lange, seine Augen suchten nach dem Anschluss. Das Telefon klingelte fünfmal, bevor er nach unten griff und den Stecker aus der Buchse riss. In diesem Moment hörte er den anderen Wachmann zurück zum Gebäude rennen. Er hörte die Stiefel des Mannes auf dem Pflaster und konnte sich bildhaft vorstellen, wie er seine Pistole entsicherte.
»Der hat definitiv nicht das Zeug zum Offizier«, murmelte Bond. Der Mann eilte einfach zurück, ohne auch nur eine taktische Einschätzung vorzunehmen, was im Inneren des Wachpostens vor sich gehen könnte. Er stürmte durch die Tür und wedelte praktisch unkontrolliert mit der kleinen Stetschkin-Automatik in seiner Hand herum.
Diesmal feuerte Bond nur einmal. Der zweite Soldat wirbelte nach links, schlug gegen die Wand und brach zusammen, wobei er eine Blutspur hinterließ. In der darauffolgenden Stille rollten zwei der Schachfiguren vor seine Füße.
»Schachmatt«, murmelte Bond, nahm die Situation in Augenschein und suchte gezielt nach der Steuerung für das Tor auf der Dammkrone. Der große Metallknopf, der wie ein unpolierter silberner Pilz aussah, war links oben neben der Tür in die Wand eingelassen, genau dort, wo er laut Einsatzbesprechung sein sollte. Er warf einen Blick auf seine Uhr und sah, dass nicht mehr viel Zeit blieb. Wenn alles glattgegangen war, würde Alec Trevelyan an Ort und Stelle sein und auf ihn warten. Der Plan sah vor, die Ladung anzubringen und zu verschwinden, während der Großteil der Belegschaft des Werks seine einstündige Frühstückspause machte.
Er öffnete den Reißverschluss des Parkas und wickelte das sperrige, dicke, elastische Seil von seinem Körper ab, indem er es um seinen linken Arm schlang und sicherstellte, dass die gesamte Länge frei war und keine Gefahr bestand, dass es sich verhedderte. In den nächsten Minuten würde sein Leben von der Festigkeit und Flexibilität dieses Teils seiner Ausrüstung abhängen. Er rollte es so auf, dass die verstärkte Schlinge in seiner linken und die große Federklemme in seiner rechten Hand lag. Dann streckte sich Bond und schlug auf den großen Knopf, der das äußere Tor steuerte, wobei er ihn mit der Federklemme genau in der Mitte traf.
Er hörte das Ächzen des Metalls am anderen Ende des Käfigs, blickte hinaus und sah, dass der Weg auf die breite Dammkrone frei war. Er atmete tief durch und sprintete los.
Er hatte nicht mit der steifen Brise gerechnet, die vom See her wehte, aber die Dammkrone war breit genug, sodass kein Balanceakt nötig war, während der Wind um ihn herumpeitschte. Auf beiden Seiten sorgten stabile Metallgeländer dafür, dass Bond sich keine Sorgen machen musste, hinunterzufallen und auf die Felsen zweihundertfünfzig Meter unter ihm zu stürzen – auch wenn er im Grunde genau das vorhatte.
Er erreichte die Mitte der hohen, gewölbten Konstruktion, blickte nach unten und spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte. In der kurzen Zeit, in der sie sich auf die Operation Dotterblume hatten vorbereiten können, hatte er diese Sache nur zweimal geübt, und das auch bei halber Höhe. Bei dieser Methode hatte man nur einen Versuch und es gab weder einen Reservefallschirm noch einen Höhenmesser.
Ursprünglich hatte er vorgeschlagen, sich an der Staumauer abzuseilen, doch er hatte schnell erkannt, dass er mit dieser bewährten Methode dem Risiko einer Entdeckung länger ausgesetzt sein würde, als wünschenswert war.
Er befestigte den Karabinerhaken an einem der Metallpfosten des Geländers und zog kurz daran, wobei er im Stillen hoffte, dass das Eisen, an dem er sich festmachte, so fest in der Dammkrone verankert war, wie es die Experten behaupteten. Ohne sich die Zeit zu gestatten, über irgendetwas anderes nachzudenken, schob Bond seinen rechten Fuß in die Schlinge am anderen Ende des Bungeeseils und zog die lange Kletterhakenpistole – die von Qs Leuten liebevoll zusammengebaut worden war – aus ihrem Spezialholster am Oberschenkel seines Neoprenanzugs. Er schob sich unter der Reling durch und warf einen Blick zurück, um sich zu vergewissern, dass das Seil frei war und sich nicht verheddern konnte. Dann stieß James Bond seinen Atem mit einem lauten »Waaah« aus und stürzte sich von der Dammkrone.
Es war nicht wie beim Fallschirmspringen im freien Fall, man hatte nicht die Gewissheit, dass man im entscheidenden Moment einen Fallschirm auf dem Rücken hatte. Bonds Magen war noch oben auf dem Damm, während er in die Tiefe stürzte. Der Fall kam ihm endlos vor. Er spürte, wie sein Körper beschleunigt wurde, und sogar den Luftwiderstand. Seine Ohren sangen und seine Gesichtsmuskeln waren völlig nutzlos, seine Wangen wurden nach hinten gezerrt und sein Mund verzog sich zu einer Art hässlichem Grinsen.
Während er in die Tiefe stürzte, die Staumauer nur etwa einen halben Meter von seinem Körper entfernt, schob er die Kletterhakenpistole nach vorne, die Hände fest um die beiden Griffe gelegt, die letztendlich seine Sicherheit bedeuten würden. Der Einsatz dieses Geräts musste auf die Sekunde genau abgestimmt sein. Andernfalls würde das Bungeeseil seine maximale Länge erreichen und zurückschnellen, dann würde er wieder fallen und höchstwahrscheinlich gegen die massive Staumauer prallen.
Dem Druck zum Trotz zwang sich Bond, auf den felsigen Boden hinabzublicken, der ihm entgegenraste. Er verließ sich einzig und allein auf seinen Instinkt, um den richtigen Zeitpunkt für den Abschuss des Kletterhakens abzuschätzen.
Die optimale Sekunde ließ sich nicht exakt berechnen und er wusste, dass sein Selbsterhaltungstrieb jederzeit die Kontrolle übernehmen könnte.
Dann, ob richtig oder falsch, war der Moment gekommen. Er klammerte sich an die Griffe der Kletterhakenpistole, während er den Abzug betätigte, und spürte, wie die Geschossladung losging und das Kribbeln der kleinen Explosion seine Arme hinauflief. Der mit Widerhaken versehene Pfeil schoss nach unten und zog dabei eine Schlange von etwa dreißig Metern hochfestem Kletterseil hinter sich her, die sich mit einer Geschwindigkeit bewegte, die nur einen Bruchteil schneller war als Bonds Fall.
Der Haken schlug genau in dem Moment in den Tarnbeton am Fuß des Damms ein, als das Bungeeseil seine volle Länge erreicht hatte, sich aber noch etwa zweihundert Meter ausdehnen konnte. Bond spürte den Ruck und dachte eine Sekunde lang, seine Arme würden aus den Gelenken gerissen. Die Muskeln beider Arme und des rechten Beins schrien vor Schmerz und er fragte sich, ob dies die Art von Schmerz war, die Männer in den Tagen der körperlichen Folter auf der Streckbank gespürt hatten. Mit schmerzverzerrtem Gesicht kämpfte er gegen den Zug des Bungeeseils an, das nun straff gespannt war und ihn die Staumauer wieder hinaufziehen wollte.
Endlich erreichte Bond den Boden, eingespannt zwischen dem Seil des Kletterhakens und dem dicken Bungeeseil. Als er nach unten sah, konnte er die Spannung auf den Haken erkennen, der sich im Beton leicht bewegte.
Er war sich darüber im Klaren, was passieren würde, wenn der Haken durch die Spannung des Bungeeseils herausgerissen würde: Er würde nach oben gegen die Wand katapultiert werden. Seine Haut würde abgeschabt werden, als hätte ihn jemand gegen eine riesige Black-&-Decker-Schleifmaschine gehalten. Am Ende würde das Bungeeseil in die Luft schnellen, zweihundert Meter hoch, und das, was von ihm übrig war, würde auf die Staumauerkrone stürzen.
Schon jetzt spürte er, wie er durch die Spannung des Bungeeseils und der Verankerungsleine um seinen linken Arm in beide Richtungen gezogen wurde. Er griff nach oben, um seinen Fuß aus der Schlaufe zu befreien, und das Bungeeseil schoss die Staumauer hinauf wie eine lange, sich schnell windende Schlange.
Er richtete sich auf und blieb einen Moment lang stehen, dann bewegte er sich in der Hocke über die Felsen und schlängelte sich im Zickzack zwischen ihnen hindurch, um die Pumpe der Klimaanlage zu erreichen, die wie eine grau gestrichene Trommel aussah und etwa zwanzig Meter entfernt lag. Das Gitter neben der Pumpe stand offen und er konnte die Spuren sehen, die Alec Trevelyan mit einem Metallschneider an dem großen Vorhängeschloss hinterlassen hatte. Als er das Gitter zurückzog, blickte Bond in ein dunkles, viereckiges Loch, in dessen Wand längliche Sprossen in D-Form eingelassen waren.
Er schwang sich in die Dunkelheit und stieg hinab, wobei er sich nur langsam bewegte und mit den Füßen die Sprossen abtastete, während er sich darauf konzentrierte, den Grund dieses schwarzen Brunnens auszumachen, denn er hatte keine Ahnung, wie weit dieser Wartungsschacht in die Tiefe reichte.
Wie sich herausstellte, war es ein langer Weg, der breite Schacht schien endlos abwärtszuführen. Obwohl sich seine Augen allmählich an die Finsternis gewöhnten, verspürte Bond – zum ersten Mal in seinem Leben – eine Art Schwindelgefühl, seine Sinne wurden bis an ihre Grenze beansprucht. Seine Muskeln schmerzten und er fühlte sich geistig abgekoppelt von dem, was er gerade tat. Alles war so schnell gegangen, dass ein Teil von ihm noch immer hoch über dem Boden stand, kurz davor, sich den Steinen und dem Zement entgegenzuwerfen. Seine Hände an den Sprossen fühlten sich wund gescheuert an und ein modriger, feuchter Geruch stieg ihm in die Nase. Es war ein Geruch, der immer stärker wurde, je weiter er sich nach unten bewegte.
Nach gefühlten zehn oder fünfzehn Minuten und Hunderten von Metallsprossen berührten seine Füße festen Boden. War das der Grund? Oder war es ein Vorsprung, von dem er leicht in eine bodenlose Tiefe stürzen könnte? Inzwischen traute er seinen Sinnen nicht mehr und seine Gedanken waren erfüllt von Höhenangst.
Ganz langsam gewöhnte er sich an die Schwärze seiner Umgebung. Er schien sich in einer kleinen Kammer zu befinden, von der er annahm, dass sie der Zugang zum Wartungsschacht war.
Zu seiner Rechten konnte Bond gerade noch die Umrisse einer Tür ausmachen. Seine Füße scharrten laut auf dem Steinboden, als er darauf zuging, sie vorsichtig aufzog und in eine Kammer trat, die ihm größer vorkam.
Nach zwei Schritten blieb er stehen, erstarrt wie eine Statue. Er konnte den Geruch von Blut und Tod riechen. Darüber hinaus er war sich des kalten Metalls einer Pistole bewusst, die sanft gegen seinen Nacken drückte, direkt unter seinem Ohr.
»Kein Atemzug«, sagte eine Stimme auf Russisch. Dann: »Wo sind die anderen?«
»Ich bin allein.« Seine Stimme war ein wenig entspannter.
»Sind wir das nicht alle?« Ein leises Lachen ertönte, das Licht ging an und blendete ihn fast. Er drehte sich um und erkannte seinen alten Freund Alec Trevelyan, der ihn angrinste. Er sah aus wie der ewige Schuljunge. Viele sagten über Trevelyan, er müsse ein Bild auf dem Dachboden haben wie Dorian Gray.
»Schön, dass du reinschneien konntest, James.«
»Der Weg war etwas länger, als ich erwartet hatte, aber es ging hauptsächlich bergab.«
Trevelyan wies auf eine zweite Tür, die offen stand und den Blick auf eine geschwungene Metalltreppe freigab.
»Bist du bereit, James?«
»Legen wir los.« Bond ging als Erster durch die Tür und die Wendeltreppe hinunter. »Bist du hier langgekommen?«, fragte er 006.
»Ja. Unten gibt es eine Tür zu deiner Rechten und eine weitere gegenüber. Das ist die mit den elektronischen Schlössern. Dahinter liegt Aladins Höhle. Oder so was in der Art.«
Bond war bereits dabei, eine der Taschen an seinem Gürtel zu öffnen. Als sie die elektronische Tür erreichten, hielt er ein kleines, längliches Kästchen in der Hand. Es war magnetisch und er klemmte es an die Seite der Tür, dann betätigte er einen kleinen Schalter. Sofort begann eine Reihe von Lichtern zu blinken und über eine kleine digitale Anzeige lief eine schnelle Abfolge von Daten. »Es ist wirklich ganz einfach«, hatte Q gesagt. »Es funktioniert ähnlich wie ein automatischer Wählcomputer, nur dass es alle bekannten Zahlen- und Buchstabenkombinationen mit einer Geschwindigkeit von etwa fünfhundert pro Sekunde durchgeht. Wenn es einen Teil eines übereinstimmenden Musters entdeckt, beginnt es, den gesamten elektronischen Code zu konfigurieren. Selbst bei einem ausgeklügelten System sollte es nicht länger als eine Viertelstunde brauchen, die richtigen Zahlen oder Buchstaben zu finden. Sobald es das geschafft hat, wird das Schloss freigeschaltet.«
»Ein sehr praktisches kleines Gerät für ein Picknick«, hatte Bond geantwortet.
Q hatte ihm den Anflug eines Lächelns geschenkt. »Ich habe es an den Tresoren der Bank of England getestet«, sagte er. »Den Leuten dort hat das überhaupt nicht gefallen.«
Gerade als Bond sich wieder an das Gespräch erinnerte, gab das Kästchen einen letzten Piepton von sich und die Tür öffnete sich mit einem Klicken.
Sie befanden sich auf einem hohen, frei schwebenden Laufsteg und blickten offensichtlich auf eine riesige Produktionsstätte hinunter. Auf der anderen Seite stand eine Reihe von etwa sechs riesigen Edelstahltanks, die durch dünne Metallrohre miteinander verbunden waren. Eine Ansammlung von Rohren und Pumpen gingen davon ab, die in einen noch viel größeren Tank mündeten, der wie eine Art Schnellkochtopf aussah. Weitere Rohre und Pumpen verschwanden durch den Wandbereich zu ihrer Rechten. Zu diesem Zeitpunkt war Bond völlig desorientiert. Er hatte keine Ahnung mehr, wo er sich im Verhältnis zur Landschaft über ihnen befand.
Links, am Ende dieser riesigen Tanks, befand sich eine weitere elektronische Tür und direkt darunter konnte Bond ein breites Förderband erkennen, das über die gesamte Länge des Bodens verlief und durch eine Klappe mit Gummilamellen verschwand.
»Was ist hinter dieser Tür?« Bond deutete auf die elektronische Tür.
»Der Rest der Labore, schätze ich.« Trevelyan schmunzelte erneut. »Ich bin direkt in den Verbindungsgängen verschwunden, als ich hier ankam. Die Karte, die M uns gegeben hat, war ziemlich genau, also habe ich mich da versteckt, wo du mich gefunden hast. Ich habe sozusagen das Phantom der Labore gespielt. Die Musik der Nacht hier unten ist allerdings nicht so mein Ding.«
Bond deutete auf die großen roten Schilder, die überall hingen und auf denen Totenköpfe und gekreuzte Knochen prangten. Auf Russisch stand darauf: GEFAHR. HOCH ENTZÜNDLICH. »Und was ist damit?«, fragte er.
»Sie reinigen die gesamte Ausrüstung aufs Gründlichste. Dem zufolge, was ich auf der ziemlich ekelhaften unterirdischen Zugfahrt hierher gehört habe, ist das alles neues Material. Alles muss absolut sauber sein, bevor sie mit der Produktion dieses neuen Schreckens beginnen.«
»Rauchen könnte hier drinnen also wirklich schädlich für die Gesundheit sein?«
»Auf jeden Fall, und der Passivrauch würde sehr schnell zum Tod führen.«
»Dann wollen wir den Laden mal fürs Feuerwerk vorbereiten.« Bond ging auf die Treppe zu, die hinunter zur Fertigungsstraße der tödlichen Fabrik führte, und klemmte das elektronische Gerät an die Tür am Ende des Raums. Dann zog er die fein säuberlich verpackten Zeitzünder und Sprengladungen aus seinen Taschen.
Gemeinsam machten sie sich daran, den Sprengstoff hinter den Tanks und an den Verbindungsrohren zu platzieren.
»Ich übernehme die letzte Sprengladung«, rief er Trevelyan zu. »Wenn ich sie auf drei Minuten einstelle, sollten wir genug Zeit haben, um rauszukommen. Der Rest wird dann von selbst hochgehen …«
Das Gerät an der Tür gab einen letzten Piepton von sich, der anzeigte, dass es das elektronische Passwort entriegelt hatte, dann ertönte ein schriller Warnton.
Bond fluchte. »Mach dich an die Arbeit, Alec. Wir haben keine Zeit zu …« Er wurde von einer Stimme unterbrochen, die von einem elektrischen Lautsprecher verstärkt wurde.
»Hier spricht Oberst Ourumow«, krächzte die körperlose Stimme. »Sie sind umzingelt und es gibt keine Möglichkeit zu entkommen. Lassen Sie alle Waffen fallen und kommen Sie mit erhobenen Händen heraus. Sofort!«
»Auf keinen Fall«, murmelte Bond und ging weiter die Reihe der Stahlbehälter entlang, die über ihm aufragten. Laut rief er: »Alec, leg mal den Rückwärtsgang bei diesem Hightech-Gerät ein. Drück einfach den Schalter auf der linken Seite.«
Er hatte fast den letzten Hochdruckkessel erreicht. »Alec?« Er bückte sich und spähte um die Ecke des Behälters.
Sein alter Freund 006, Alec Trevelyan, kniete auf dem Boden. Hinter ihm, mit der Mündung einer Pistole an Trevelyans Wange, stand ein hochgewachsener, finster dreinschauender sowjetischer Offizier mit den Schulterklappen eines Obersts. Hinter ihm stand ein halbes Dutzend schwer bewaffneter Soldaten, von denen einer einen Schuss in Bonds Richtung abfeuerte.
»Idiot! Feuer einstellen!«, schrie Ourumow. »Wenn einer der Tanks getroffen wird, geht alles hier in einem Höllenfeuer auf.«
Bond wich zurück und linste auf den Zeitzünder, den er gerade in die letzte Ladung hatte einsetzen wollen – die Ladung, die eine Kettenreaktion auslösen und den Großteil des Gebäudes in die Luft jagen würde. Er warf einen Blick zum Förderband auf der anderen Seite der Fabrikhalle. Der Startknopf war in einen Metallpfosten neben der Gummiklappe eingelassen.
»Ich zähle bis zehn!«, rief Ourumow. »Wenn Sie bis dahin nicht rausgekommen sind, werde ich Ihren Kameraden erschießen.«
»Und damit ein Inferno auslösen?« Bond stellte den Timer auf eine Minute ein und schloss ihn an die Sprengladung an. Dann nahm er eine Granate aus der Gürteltasche, die vier dieser tödlichen kleinen Bomben enthielt.
»Eins … zwei …«, begann Ourumow zu zählen.
Bond zog den Stift aus der Granate und drückte den Sicherungshebel.
»Drei … vier …«
Bond trat hinter dem riesigen stählernen Druckkochtopf hervor. Seine Arme hielt er weit auseinander, die Granate in der linken Hand, die Pistole in der rechten.
»Fünf …«
»Wenn Sie ihn töten, sterben wir alle.« Bond wusste, dass das der Wahrheit entsprach. Ungeachtet der Granate würde die Hauptladung in etwa dreißig Sekunden hochgehen.
»Denken Sie, ich habe Angst, für mein Land zu sterben?«, schnauzte Ourumow. Dann drückte er den Abzug und Bond sah, wie sein alter Freund umfiel.
Ohne zu überlegen, ließ er die Granate fallen, sprang nach rechts auf das Förderband und drückte mit der freien Hand auf den Startknopf an dem Metallpfosten.
Er hörte, wie Ourumow seinen Männern zurief, sie sollten nicht schießen, und meinte zu sehen, wie er sich zurückzog und Trevelyans Leiche mit sich schleppte.
Das Förderband setzte sich mit einem Ruck in Bewegung und nun, da er sich in sicherem Abstand zu den Fässern und Zylindern mit brennbaren Reinigungsflüssigkeiten befand, gab der russische Oberst zwei Schüsse ab.
Die Kugeln schlugen in die Holzverkleidung über der Gummiklappe ein, gerade als das Band Bond schnell nach oben aus dem Verarbeitungsraum trug.
Die Granate explodierte mit einem ohrenbetäubenden Knall. Er meinte Schreie zu hören, dann fand er sich plötzlich auf einer Verladerampe außerhalb der Anlage wieder, nur etwa fünfzig Meter von der Startbahn entfernt, wo die kleine Fiesler Storch langsam losrollte, das Heck in seine Richtung, bereit, die Neunziggradkurve zu machen, um abheben zu können.
Die erste Explosion kam tief aus der Erde hinter ihm und warf ihn beinahe nach vorne auf den harten Boden. Niemand würde lebend aus dieser Anlage herauskommen, so viel war sicher, also rannte er los, in Richtung des Flugzeugs.
Mit brennenden Lungen erreichte Bond es gerade noch, als es abdrehte und zum Start ansetzte. Hinter ihm erklang eine weitere Explosion. Diesmal schien eine Blüte aus Flammen, Rauch und Trümmern aus dem Boden aufzusteigen. Er sprang nach vorne und erwischte die Flügelstrebe auf der rechten Seite der Storch. Der Pilot, der sich darauf konzentrierte, das Flugzeug gerade zu halten, während es an Geschwindigkeit gewann, blickte zu ihm und drosselte den Schub, um den Start abzubrechen, während Bond nach dem Griff an der Cockpittür griff.
Der Pilot trat auf die Bremse, um das Flugzeug zu verlangsamen, und riss das Seitenruder nach links, um Bond von der Flügelstrebe zu werfen, wodurch die Storch heftig ins Schlingern geriet. Als das nicht funktionierte, öffnete er die Tür auf seiner Seite und warf sich aus dem Cockpit, wobei er vorher noch den Gashebel auf vollen Schub legte.
Mit einem kräftigen Schwung warf sich Bond von der Strebe auf den rechten Sitz und beugte sich dann vor, um das Gas zu drosseln, während er sich ans Steuer setzte. Das Flugzeug zog einen weiten, unkontrollierten Kreis, polterte über den unebenen Boden, schlingerte und neigte sich erst mit der einen, dann mit der anderen Tragfläche, sodass Bond keinen Zweifel daran hatte, dass die Maschine sich jeden Moment überschlagen würde. Er nahm das Gas zurück und drückte auf die Ruderpedale, um die Kontrolle zu erlangen. Als hinter ihm eine weitere Explosion ertönte, schwenkte er die Nase auf die Startbahn. Die Storch taumelte heftig, bis er sie endlich auf die Mittellinie gebracht hatte.
Er hatte fast zwei Drittel der Startbahn zurückgelegt, als er das Flugzeug zum Stillstand brachte und sich verzweifelt im Cockpit umsah, um sich mit der Steuerung vertraut zu machen. Da spürte er, wie das Flugzeug durch eine weitere Explosion heftig erschüttert wurde.
Bond drückte den Klappenhebel nach unten und sah, dass die breiten Verlängerungen an der Hinterkante der Tragflächen vollständig ausgefahren wurden. Während dies geschah, gab er vollen Schub, nahm seine Füße zurück und lockerte die Bremsen an den Ruderpedalen.
Die Storch machte einen Satz nach vorne, gewann an Geschwindigkeit und überwand schnell den Rest der Startbahn.
Er spürte, wie sich das Heck hob, als die Maschine das Ende des geteerten Abschnitts erreichte und über die etwa zehn Meter lange Grasnarbe hoppelte, direkt auf die lange, breite Felsspalte zu.
Selbst mit voll ausgefahrenen Klappen wusste Bond, dass er nicht genug Geschwindigkeit erreicht hatte, um die Storch hochzuziehen. Er ließ den Steuerknüppel los und spürte, wie das Flugzeug nach seinem natürlichen Element tastete. Es rollte vom Ende des festen Bodens und hing eine Sekunde lang in der Luft, bevor die Nase nach unten kippte und die Maschine an Höhe verlor, dann stürzte sie in die tiefe Felsspalte.