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Der wichtigste Teil der japanischen Streitmacht im Zweiten Weltkrieg war ihre Schlachtflotte. Neben der britischen und US-amerikanischen mauserte sie sich zu einer der wichtigsten Marineeinheiten der Welt. Auch wenn die Bedeutung der großen Schlachtschiffe aller kriegsbeteiligten Nationen hinter der ihrer Flugzeugträger zurückzutreten begann, gehörten die Schlachtschiffe der Kaiserlich Japanischen Marine zu den stärksten, die jemals gebaut wurden. Ingo Bauernfeind beschreibt detailliert und kenntnisreich sämtliche im Zweiten Weltkrieg zum Einsatz gekommenen japanischen Schlachtschiffsklassen, von der Fuso- bis zur Yamato-Klasse, und schildert dabei auch den schwierigen Prozess ihrer Entstehung sowie ihren letztlichen Untergang.
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Seitenzahl: 72
Ingo Bauernfeind
Japanische Schlachtschiffe
Großkampfschiffe 1905–1945
Paul Pietsch Verlage
Nach seinen siegreichen Kriegen gegen China (1894/95) und Russland (1904/05) hatte sich Japan als Großmacht etabliert und eine Hegemonialstellung gegenüber diesen Mächten in Ostasien erlangt. Während dieser beiden Konflikte sowie beim Spanisch-Amerikanischen Krieg (1898) hatten die Kämpfe auf See eine wichtige Rolle gespielt. Die hieraus gewonnenen Erfahrungen flossen daher in den Kriegsschiffbau des frühen 20. Jahrhunderts ein.
Die Schlachtschiffe jener Zeit – damals auch »Linienschiffe« genannt – verfügten über eine sogenannte »gemischte« Schwere Artillerie, die aus Geschützen zweier unterschiedlicher Kaliber bestand. Für die Feuerleitung (Entfernungsmessung zum Ziel, Einstellung der Höhenwinkel der Geschützrohre, etc.) bedeutete dies stets einen erhöhten Aufwand, da für jeden Geschütztyp voneinander unabhängige Werte ermittelt werden mussten. Bei einer einheitlichen Artillerie waren diese Messungen jedoch einfacher, was zu einem präziseren Beschuss und zu einer schnelleren Salvenfolge durch den gleichzeitigen Einsatz aller Geschütze führte.
Bereits vor dem Krieg gegen Russland arbeitete die Kaiserliche Marine Japans ab 1903 an Plänen für eine neue Schlachtschiff-Generation, die als erste über ein einheitliches Kaliber in Form von zwölf 30,5-cm-Geschützen verfügen sollte. Diese Schiffe der »Satsuma«-Klasse wären die ersten sogenannten »all big gun calibre battleships« der Welt gewesen, wenn sie nach den ursprünglichen Plänen fertiggestellt worden wären. Da der Krieg gegen Russland die Staatsfinanzen jedoch stark belastet hatte und Japan zu jenem Zeitpunkt seine Geschütze noch im Ausland kaufen musste, konnten nur vier der geplanten zwölf 30,5-cm-Geschütze erworben werden. Die nun unvollständige Bewaffnung wurde schließlich durch zwölf kleinere und damit kostengünstigere 25,4-cm-Geschütze komplettiert. Im Oktober 1905, fünf Monate nach Kiellegung der »Satsuma«, begann England mit dem Bau seiner »HMS Dreadnought«. Als diese im Folgejahr als erstes Schlachtschiff mit einem einheitlichen 30,5-cm-Kaliber fertiggestellt wurde, war sie anstelle der »Satsuma« das erste »all big gun calibre battleship« der Welt. Ab diesem Zeitpunkt wurden Schlachtschiffe dieses Musters »Dreadnoughts« genannt. Wegen ihrer gemischten Artillerie wurde die »Satsuma« daher zu einem »Semi-Dreadnought« bzw. »Vor-Dreadnought« herabgestuft.
Die »HMS Dreadnought« der Royal Navy war das erste weltweit in Dienst gestellte »all big gun calibre battleship«.
[U.S. Naval Historical Center]
Die großen Seemächte jener Zeit waren England, Deutschland, die USA, Japan, Frankreich, Italien und Österreich-Ungarn. Jede dieser Nationen sah sich nun zum Bau von sogenannten »Dreadnoughts« gezwungen, um bei dem damaligen Wettrüsten auf See (welches sich zu einem der Faktoren für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges entwickeln sollte) nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Durch die »all big gun calibre battleships« galten die vorhandenen Schlachtschiffe mit Mischbewaffnung (»Vor-Dreadnoughts« bzw. »Übergangsschiffe«) der internationalen Flotten von nun an als veraltet. Damit Japan seine gerade erst erlangte internationale Groß- bzw. ostasiatische Vormachtstellung aufrechterhalten konnte, musste seine Marine dieser Entwicklung zügig folgen. Daher wurde ab 1909 der Bau der zwei Einheiten der »Kawachi«-Klasse in Auftrag gegeben. Diese 1912 in Dienst gestellten Schiffe erhielten nun eine einheitliche Schwere Artillerie in Form von zwölf 30,5-cm-Geschützen.
Zu dieser Zeit ging die englische Royal Navy bereits zum »Super-Dreadnought« und damit zur zweiten Generation dieses Schiffstyps mit dem größerem 34,3-cm-Kaliber über. Zeitgleich bauten verschiedene Länder Schlachtkreuzer als Ergänzung zu ihren Schlachtschiffen. Ein Schlachtkreuzer war hinsichtlich Größe und Bewaffnung mit einem Schlachtschiff vergleichbar, erreichte aber mit etwa 26 Knoten (ca. 48 km/h) eine höhere, für Kreuzer typische Geschwindigkeit. Dieser Vorteil wurde aber mit einer deutlich schwächeren Panzerung erkauft. Das Einsatzprofil des Schlachtkreuzers bestand primär darin, mit seiner Artillerie alle kleineren gegnerischen Schiffe zu beschießen, ohne dass er selbst in deren Schussweite kam. Da die damaligen Schlachtschiffe für die Verfolgung von Kreuzern zu langsam waren, bildete der Schlachtkreuzer nun eine große Gefahr für diese. Dem Gefecht mit artilleristisch ebenbürtigen oder gar überlegenen Schlachtschiffen, die meist nur 21 Knoten (knapp 39 km/h) erreichten, sollte sich der Schlachtkreuzer – wie ein Kreuzer – durch seinen Geschwindigkeitsvorsprung von bis zu fünf Knoten entziehen können.
Die beiden Schlachtschiffe der »Kawachi«-Klasse – hier die »Settsu« – waren die ersten vollwertigen japanischen »Dreadnoughts«.
Nahaufnahme eines 30,5-cm-Geschützturms der englischen »HMS Dreadnought«.
[U.S. Library of Congress Photo Collection]
Die vier Einheiten der »Kongo«-Klasse – hier die »Hiei« bei der Erprobung 1914 – waren die ersten japanischen Schlachtkreuzer.
1911 gab Japan die vier Schlachtkreuzer der »Kongo«-Klasse in Bau. Somit reagierte es auf die im Ausland gebauten Schiffe dieses Typs und übertraf mit dessen acht 35,6-cm-Geschützen sogar die zu jener Zeit entstehenden »Super-Dreadnoughts« mit 34,3-cm-Geschützen. Der Bau des Typschiffes »Kongo« musste noch in England in Auftrag gegeben werden, da Japan noch keine Erfahrung bei der Konstruktion von Schlachtkreuzern hatte. Das Inselreich schaffte es aber, die drei Schwesterschiffe sowie alle folgenden Großkampfschiffe auf einheimischen Werften zu bauen. Während des Ersten Weltkrieges erfolgte der Bau von zwei weiteren Schlachtschiff-Klassen. Diese beiden Baureihen (»Fuso«- und »Ise«-Klasse) umfassten jeweils zwei Einheiten. Diese mit zwölf Geschützen ausgestatteten Schiffe hatten das gleiche 35,6-cm-Kaliber wie zeitgenössische amerikanische Schlachtschiffe. Zu jener Zeit entstand in Japan der sogenannte »8/8-Plan«, welcher einen Gesamtbestand von insgesamt sechzehn modernen Großkampfschiffen – acht Schlachtschiffen und acht Schlachtkreuzern – vorsah. Aus finanziellen Gründen konnte dieses ambitionierte Vorhaben jedoch nicht umgesetzt werden. Immerhin gestattete es die Haushaltslage, ab 1917 zwei Schlachtschiffe der »Nagato«-Klasse auf Kiel zu legen. Zu diesem Zeitpunkt war England bereits zur 38,1-cm-Artillerie übergegangen.
Japan sah daher die Notwendigkeit, sich durch eine eigene Kalibersteigerung einen Vorsprung zu sichern: Als die beiden Einheiten der »Nagato«-Klasse 1920/21 in Dienst gestellt wurden, waren sie mit jeweils acht 40,6-cm-Geschützen die artilleristisch stärksten und mit einer Höchstgeschwindigkeit von etwa 26,7 Knoten (ca. 49, 4 km/h) die schnellsten Schlachtschiffe ihrer Zeit. Obwohl kurze Zeit später die kalibergleichen Einheiten der amerikanischen »Maryland«-Klasse (1921) und der englischen »Nelson«-Klasse (1927) folgten, war die »Nagato«-Klasse diesen hinsichtlich ihrer Höchstgeschwindigkeit überlegen. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erhielt das zu den Siegermächten zählende Japan die beiden deutschen Schlachtschiffe »SMS Nassau« und »SMS Oldenburg« als Reparationsleistung zugesprochen. Da es jedoch keine Verwendung für diese Einheiten hatte, wurden sie nach 1920 in den Niederlanden abgebrochen.
Von vorn nach hinten: »Yamashiro«, »Fuso« und »Haruna« in der Bucht von Tokio, etwa 1930 aufgenommen.
[U.S. Naval Aviation Museum]
Noch während des Krieges hatten die USA ein umfangreiches Flottenbauprogramm mit bis zu zehn Schlachtschiffen und sechs Schlachtkreuzern in Angriff angenommen. Da sich die amerikanische Industrie in jenen Jahren jedoch unter anderem auf den Bau von Zerstörern zur Bekämpfung von deutschen U-Booten konzentrierte, konnte zunächst nur die »USS Maryland« fertiggestellt werden. Als die U.S. Navy ab 1920 das ursprünglich verabschiedete Bauprogramm schließlich wieder aufnehmen wollte, fühlte sich die Royal Navy provoziert und erwog selbst einen Ausbau ihrer Flotte, um nicht überflügelt zu werden. Mehr als England fühlte sich jedoch Japan von den amerikanischen Plänen bedroht, sodass es einen neuen »8/8-Plan« festlegte, der erneut aus acht modernen Schlachtschiffen und acht Schlachtkreuzern bestehen sollte.
Als sich nun ein erneutes kostspieliges Wettrüsten auf See zwischen diesen drei Seemächten abzeichnete, kam es schließlich auf amerikanische Initiative hin im Jahre 1921 zur Flottenkonferenz von Washington. Neben dem Gastgeber USA nahmen hieran England, Japan, Frankreich und Italien teil. Deutschland als Verlierer war nicht anwesend, da es durch den Versailler Vertrag gebunden war. Österreich (ehemals Österreich-Ungarn) war ebenfalls nicht vertreten, da ihm durch den Verlust seiner Flotte und seiner Marinestützpunkte die Grundlage für eine zukünftige Seemacht entzogen war.
Links die aus einem Schlachtkreuzer zu einem Flugzeugträger umgebaute »Akagi« und rechts die »Kongo« im Jahre 1937.
[U.S. Naval Aviation Museum]
Das in den Verhandlungen verabschiedete Flottenabkommen verhängte einen zehnjährigen Baustopp für Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer (mit Ausnahmen) bis 1931. Die Größe von Neubauten wurde auf 35.000 tons und das Kaliber der Hauptartillerie auf 40,6 Zentimeter beschränkt. In Tonnage ausgedrückt durften die USA und England je 525.000 tons, Japan 315.000 tons und Frankreich sowie Italien je 175.000 tons an Großkampfschiffen besitzen. Auf die vorhandenen Schiffe übertragen bedeutete dies folgende Höchstzahl an aktiven Einheiten:
England:
20
USA:
18
Japan:
10
Frankreich:
7
Italien:
6
Anmerkung:
Die Einheit »tons« [ts], auch »long tons« genannt, hat 1.016 kg, im Gegensatz zur metrischen Tonne mit 1.000 kg. Im vorliegenden Buch werden »tons« angegeben, da diese meist in der internationalen Literatur Verwendung finden und so die Schiffe besser vergleichbar sind.
Für andere Schiffsklassen gab es separate Vereinbarungen. Bei einem Verhältnis von 3:5:5 gegenüber England und den USA empfand Japan seine zahlenmäßige Zurücksetzung als Demütigung und Benachteiligung, da das aufstrebende Inselreich weitere Expansionen im asiatisch-pazifischen Raum anstrebte. Die beiden angelsächsischen Seemächte, die ebenfalls ihre eigenen Interessen im Pazifik und in Asien verfolgten, galten hierbei mit ihren größeren Flotten als potentielle Bedrohung.