Je schwerer die Schuld - Mary Ann Fox - E-Book

Je schwerer die Schuld E-Book

Mary Ann Fox

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Lavendel, Lorbeer, Leichenfund. Mags Blake ist überglücklich: Die ersten anstrengenden Wochen nach der Geburt ihrer Tochter sind überstanden, und auch beruflich steht Aufregendes bevor. Gulliver und sie sind zur renommierten Chelsea Flower Show eingeladen. Schon vor Monaten haben sie einen Schaugarten in der Nähe von Rosehaven angelegt, doch genau in jenem stolpert Mags plötzlich über eine Leiche. Diesmal will sie sich nicht in die Ermittlungen hineinziehen lassen – bis sie erfährt, dass der Mord mehr mit ihr zu tun hat, als sie hätte ahnen können ...  So very british: ein neuer Fall für Mags Blake, die liebenswerteste und scharfsinnigste Gärtnerin Großbritanniens.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 205

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cover for EPUB

Über das Buch

Mags und Gulliver haben hart am Renommee ihres Evergreen Gardenservice gearbeitet. Das zahlt sich aus: Sie werden zur bedeutendsten Gartenschau in ganz Großbritannien eingeladen, der Chelsea Flower Show. Eigens dafür legen sie in einem verlassenen Steinbruch bei Rosehaven einen Schaugarten an, mit dem sie ihr Können unter Beweis stellen wollen. Nur das Beste für die britische Königsfamilie! Hierbei wollen sie zeigen, dass der Spagat zwischen Opulenz und Nachhaltigkeit durchaus zu schaffen ist: mit lokalen Pflanzenarten, nachhaltiger Bewässerungstechnik und einer Gartenstruktur, die die umliegende Tierwelt zum Verweilen einlädt. Dass plötzlich eine Leiche im Beet liegt, kommt denkbar ungelegen. Vor allem da Mags sich eigentlich nicht mehr in Mordermittlungen einmischen wollte. Doch als klar wird, dass ihre eigene Schwiegermutter etwas mit dem Toten zu tun hatte, bleibt Mags keine Wahl. Ihr Spürsinn ist geweckt!

Über Mary Ann Fox

Mary Ann Fox, Jahrgang 1978, verdiente sich ihr erstes Geld in einer Gärtnerei. Der Liebe wegen ging sie nach dem Studium nach England und arbeitete dort als Fremdenführerin, als Deutschlehrerin und dann im Botanischen Garten in Oxford. Mittlerweile arbeitet und lebt sie in Hamburg-Altona.

Im Aufbau Taschenbuch sind ihre Kriminalromane rund um das charmante Örtchen Rosehaven und die ermittelnde Gärtnerin Mags Blake lieferbar, die hier bereits ihren zehnten Fall löst.

ABONNIEREN SIE DEN NEWSLETTERDER AUFBAU VERLAGE

Einmal im Monat informieren wir Sie über

die besten Neuerscheinungen aus unserem vielfältigen ProgrammLesungen und Veranstaltungen rund um unsere BücherNeuigkeiten über unsere AutorenVideos, Lese- und Hörprobenattraktive Gewinnspiele, Aktionen und vieles mehr

Folgen Sie uns auf Facebook, um stets aktuelle Informationen über uns und unsere Autoren zu erhalten:

https://www.facebook.com/aufbau.verlag

Registrieren Sie sich jetzt unter:

http://www.aufbau-verlage.de/newsletter

Unter allen Neu-Anmeldungen verlosen wir

jeden Monat ein Novitäten-Buchpaket!

Mary Ann Fox

Je schwerer die Schuld

Ein Cornwall-Krimi

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Motto

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Anmerkung der Autorin

Impressum

Wer von diesem Kriminalroman begeistert ist, liest auch ...

»If you look the right way, you can see the whole world is a garden.«

Frances Hodgson Burnett

Prolog

Aufgeregt schlugen die beiden Flussregenpfeifer mit ihren Flügeln. Sie versuchten, die Eindringlinge von ihrem Nest wegzulocken: die erste Brut des Jahres, zwei Eier, die mit ihren grün-grau gefleckten Schalen zwischen den Steinen am Teich kaum zu sehen waren, vor wenigen Tagen erst gelegt.

Doch die Menschen ließen sich nicht verscheuchen. Schritt für Schritt kamen sie ihrem Nest näher. Einer der beiden schwankte und stützte sich schwer auf seinen Begleiter. Sie zerrissen das dünne Band, mit dem die anderen das Steinufer abgesperrt hatten – die Menschen, die das Vogelpaar vor Tagen vorsichtig beobachtet hatte, bis deutlich wurde, dass von ihnen keine Gefahr drohte. Sogar mehrere Stangen hatten sie in den Boden geschlagen und diese mit roten Bändern verbunden. Eine Sperre, ein Schutz. Und die Bänder flatterten auch noch so im leichten Wind, dass ihre Bewegungen die anderen Räuber abhielten. Für einen Fuchs oder ein Wiesel, aber auch für eine Möwe oder einen anderen Raubvogel waren ihre Eier willkommene Nahrung. Doch hier schien es sicher gewesen zu sein, ein guter Platz, es hatte sich gelohnt, anders als in den Jahren zuvor, noch ein kleines Stückchen weiter in den Westen zu fliegen und nach Wasser und Steinen Ausschau zu halten. Der alte Steinbruch mit seinem klaren Wasserbecken, das nach jedem Regenschauer von neuem Nass geflutet wurde, war perfekt. Die Steinwände, von Menschen in das Land geschlagen, hielten den Wind ab.

Aber nun schien es, als wäre alle Mühe umsonst gewesen. Die Vögel flatterten aufgeregter und flogen auf und ab, um die Menschen abzulenken. Ihre Pfiffe wurden schriller. Doch niemand reagierte. Sie waren sich der Auswirkung ihres nächsten Schrittes nicht bewusst. Oder so versunken in ihre eigene Größe und Macht, dass ihnen die Vögel und das Nest am Boden einfach egal waren.

Kurz bevor einer der Stiefel das Gelege zerstörte, flog einer der Regenpfeifer ein letztes, verzweifeltes Manöver. Aber außer einem kurzen Kopfschütteln zeigten die Menschen keine Reaktion. Die Vögel konnten nur noch hilflos zusehen, wie ihre Eier unter schweren Sohlen zerbrachen. Der Mensch, dessen Gang so unsicher wirkte, schwankte kurz, lachte. Und lachte dann plötzlich nicht mehr. Ein lauter Knall, der von den Wänden widerhallte, so laut, dass er durch das Gefieder der Vögel bis in ihre Knochen drang und dort alles schmerzhaft in Schwingungen versetzte. Wie ein Donner im Kleinen. Mit schnellen Flügelschlägen flogen die Vögel in den Schutz des nächsten Baumes. Der Mensch am Boden bewegte sich nicht mehr. Der andere Mensch sah sich einmal um, lachte dann leise auf und ging alleine den Weg zurück, den er zuvor mit seinem Gefährten gekommen war.

1

»Gib sie endlich ab! Wir müssen los, wenn wir heute noch etwas schaffen wollen.«

Mags Blake, ihr Mann Sam, ihre zehn Wochen alte Tochter Becca und Mags’ Freund und Geschäftspartner Gulliver standen im Licht der morgendlichen Frühlingssonne vor Mags’ und Sams Cottage. Auf dem Platz vor dem Haus stand Mags’ blauer Transporter, daneben, in sorgfältigem Abstand zu den Schwalbennestern im Dachfirst und den damit verbundenen Hinterlassenschaften, Gullivers eigener Wagen, ein Aston Martin DB5 von 1963, den er hütete wie seinen Augapfel.

Mags’ eigener Transporter war hingegen mit einer dicken Schicht aus Staub und Dreck bedeckt – zu oft war sie in letzter Zeit auf dem unbefestigten Feldweg zu dem gefahren, was sie und Gulliver nur »The Project« nannten.

Unter dem Dreck waren einige Buchstaben ihres Firmenlogos zu erkennen: Evergreen Gartenservice – ihr Unternehmen, das sie sich in den letzten Jahren mühsam, aber erfolgreich aufgebaut hatte. Doch anstatt wie sonst zu dieser Jahreszeit in den Gärten ihrer Kunden alles für den Sommer vorzubereiten oder zusammen mit ihren mittlerweile fünf Mitarbeitern einen neuen Garten anzulegen, fuhr sie Tag für Tag mit Gulliver hinaus zu einem alten Steinbruch, um dort im Verborgenen an ihrem Prototyp eines Schaugartens zu arbeiten.

Denn Blake & Gulliver, die Kooperation zwischen ihr und dem eigentlich in den Ruhestand getretenen exzentrischen Gartenarchitekten C. C. Gull, hatte eine der raren und heiß begehrten Einladungen zur Chelsea Flower Show bekommen.

Ein Traum, der für sie in Erfüllung ging. Gulliver hatte in den neunziger Jahren schon einmal an der Chelsea Flower Show teilgenommen und eine der Medaillen gewonnen. Aber Blake & Gulliver entwarfen eine ganz andere Art von Garten, als Gulliver es früher allein getan hatte.

Und daher hatten sie in dem alten Steinbruch auf einer zehn Mal zweiundzwanzig Meter großen Fläche das aufgebaut, was sie in wenigen Wochen Stein für Stein und Pflanze für Pflanze in London auf dem Gelände des Royal Hospitals nachbauen würden. Wenn denn alles klappte. Und wenn Gulliver sich endlich dazu durchringen würde, Mags’ Tochter Becca, die er mit einem seligen Lächeln im Gesicht in seinen Armen wiegte, an Sam abzugeben.

»Gib sie ab!«

Mags stemmte die Hände in die Hüften und bedachte Gulliver mit einem genervten Blick.

»Gulliver! Wie müssen los. Die anderen werden in einer Stunde am Steinbruch sein, und wir wollten vorher einmal schauen, was noch gemacht werden muss.«

Seufzend übergab Gulliver sein Patenkind erkennbar zögerlich an Sam. Mags hatte eigentlich nicht geplant, Gulliver zum Paten ihrer Tochter zu machen. Vielmehr hatte sie sich gefragt, was er überhaupt davon halten würde, dass seine Geschäftspartnerin nun auch Mutter war. Sie hatte an seine maßgeschneiderten Anzüge gedacht, sein fleckenfreies, geordnetes Leben. Und mit Miss Clara und Onkel Jim hatte Becca ja auch schon zwei starke Menschen als Paten an ihrer Seite. Aber seit Gulliver wenige Tage nach der Geburt Mags’ kleine, noch ziemlich verschrumpelte Tochter mit ihren erstaunlich dunklen Haaren, die wild in alle Richtungen abstanden, das erste Mal vorsichtig im Arm gehalten hatte, war er kaum mehr von ihrer Seite gewichen. Mags und Sam hatten daher nicht gezögert, Gulliver umgehend zum Paten Nummer drei zu ernennen. Drei Paten, eine märchenhafte Zahl, wie Sam fand. Wobei es in einem Märchen doch eher immer um drei Hexen gegangen wäre, und mindestens einen Fluch.

Mags blickte zu Sam, der Becca nun vorsichtig in die Babytrage steckte, in der sie die nächsten zwei Stunden hoffentlich schlafen würde, während er an einem extra dafür von Onkel Jim gebauten Stehpult versuchen würde zu schreiben. Sam arbeitete an seinem neuen Buch, und war, aufgrund des babybedingten Schlafmangels, in Verzug. Bei dem Gedanken an Schlaf merkte Mags, wie sie selbst von einer Welle Müdigkeit überschwemmt wurde. Sie schüttelte sie ab und verdrängte gleichzeitig die Sehnsucht nach einem mehrfachen Espresso. Den Schlafmangel teilte sie sich mit Sam, das Stillen allerdings umständehalber nicht, und daher hatte er heute in der Früh neben ihr seinen Kaffee getrunken, während sie an ihrem Kräutertee nippte und versuchte, ihre Augen offen zu halten.

Ohne Milena, Sams Mutter, wären die letzten Wochen kaum zu bewältigen gewesen. Sie hatte ihnen so viel geholfen, hatte ihnen immer wieder Zeit zum Arbeiten verschafft. Aber nun war sie gerade dabei, sich ihr eigenes Zuhause einzurichten. Zu Mags’ und Sams Erstaunen und nicht unerheblichen Bedauern lag dieses nicht in Rosehaven, sondern in St Ives, das mit dem Auto fünfundvierzig Minuten entfernt war.

Milena, die ihre Kindheit in Prag und die letzten vierzig Jahre in London gelebt hatte, hatte dazu nur trocken erklärt, dass es in St Ives im Gegensatz zu Rosehaven nicht nur einen Laden, sondern viele Geschäfte, mehrere Galerien und Museen und zumindest in den Sommermonaten auch das ein oder andere Konzert geben würde. Und dass ihre Enkelin in ein paar Jahren mehr als froh sein würde, eine Großmutter zu haben, die in einem Ort wohnte, an dem die Zeit nicht, wie in Rosehaven, stehen geblieben war.

Mags mochte es, dass ihr Heimatort Rosehaven manchmal nicht nur den Anschein erweckte, aus der Zeit gefallen zu sein. Aber sie verstand auch Milena, die selbst keine Lust hatte, die nächsten dreißig Jahre ihres Lebens in einem kleinen verschlafenen Dorf zu verbringen.

Außerdem würde Milena in St Ives sicherlich deutlich einfacher einen Job finden, der zu ihr passte. Sam Mutter hatte als Violinistin bei den Londoner Symphonikern gearbeitet, bis sie durch die beginnende Arthrose in ihren Händen ihre Arbeit und ihre Leidenschaft aufgeben musste. Sie spielte weiterhin Geige, und Mags liebte es, wenn die Klänge durch ihr Cottage klangen. Auch Becca war durch das Geigenspiel gefesselt, und oft bat Mags ihre Schwiegermutter zu spielen, wenn sich ihr kleines süßes Baby mal wieder in ein rotgesichtiges, schreiendes und unter keinen Umständen zu beruhigendes Wesen aus einer anderen Welt verwandelt hatte. Doch nun war die gemeinsame Zeit mit Milena im Cottage vorbei. Sams Mutter hatte ihre Londoner Wohnung verkauft. Zu Sam und Mags nach Rosehaven war sie gekommen, um sich erst einmal neu zu finden. Der Erlös aus dem Wohnungsverkauf würde ihr eine ausreichende Absicherung geben, aber ähnlich wie Sam war seine Mutter nicht dazu gemacht, untätig zu sein. Sie brauchte Leute um sich herum, und sie brauchte eine Arbeit. Eine Aufgabe. Mags konnte sich gut vorstellen, wie Milena, die eine angeborene Eleganz und Anmut besaß, in St Ives Wurzeln schlagen würde. Und dreißig Meilen waren keine Weltreise.

Sam hatte Becca in die Trage vor seinem Bauch geschnallt und begann, langsam auf seinen Füßen hin- und herzuwippen. Mags erwischte sich dabei, dass sie automatisch ebenfalls wippte. Sie brauchte dringend mehr Schlaf. Aber die Chelsea Flower Show öffnete ihre Tore in wenigen Wochen. Es gab viel zu tun. Sam schob Gulliver mehr oder weniger zum blauen Transporter.

»Fahrt los. Die kleine Königin hier braucht ihren Schlaf, und ich brauche meinen Schreibtisch. Wachablösung um fünfzehn Uhr?«

In den letzten Wochen waren sie dazu übergegangen, dass Sam vormittags Becca betreute und Mags die Nachmittage übernahm. So konnte sie an den morgendlichen Besprechungen ihrer Mitarbeiter teilnehmen und wichtige Entscheidungen treffen. Wobei sie nie zuvor so froh gewesen war, bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter darauf geachtet zu haben, dass diese selbstständig arbeiten und Entscheidungen treffen konnten – auch wenn das ab und an eine oder zwei Diskussionen mehr erforderte. Mit unselbstständigen Angestellten, die nur Anweisungen befolgten, wären die letzten Monate nicht zu schaffen gewesen. Und da die Geschäftsräume und das Gewächshaus ihrer Firma nur zweihundert Meter von ihrem Wohnhaus entfernt lagen, hatte Sam ihr Becca ohne Probleme zum Stillen vorbeibringen können.

Danach war sie immer mit Gulliver zum Steinbruch gefahren, um dort die Arbeiten zu überwachen. Ihre schwerste Übung war es gewesen, nicht zu viel selbst zu machen und sich körperlich noch zu schonen. Eine Geburt … Mags schüttelte den Kopf. Entgegen aller Behauptungen, wie friedlich diese ablaufen könnte, war sie für Mags ein Kampf gewesen. Ein langer Kampf, aus dem sie und Becca zum Glück gesund als Siegerinnen hervorgegangen waren.

Sie lächelte, als sie sah, dass auch Gulliver hin- und herwippte. Für einen Beobachter musste es so aussehen, als würden vor dem Cottage drei Menschen stehen, die wie Bäume im Wind leicht schwankten. Oder zu viel getrunken hatten und weinselig schunkelten.

Sie und Gulliver hatten auch für »The Project« ein sehr gutes Team zusammengestellt. Ein Team, mit einem etwas zu starken Drang, die jeweils eigene Idee durchzuboxen. Sie seufzte. Hoffentlich würde es heute friedlich sein.

Sie trat zu Sam, drückte erst ihm einen Kuss auf die Wange und dann Becca, die sich gemütlich an Sams Bauch schmiegte und ihre Augen schon halb geschlossen hatte, einen Kuss auf den mit weichen Babyhaaren bedeckten Kopf. Dann griff sie nach Gullivers Arm und zog ihn endgültig und nicht sonderlich sanft zum Transporter. Die Arbeit rief!

2

»Lalalala la. Lalala la lala lala.«

Mags ließ ihre Stimme durch die Fahrerkabine und aus dem offenen Fenster schallen.

Da Gulliver seinen schönen und für Cornwall absolut unpraktischen Wagen, auf den Mags trotzdem ziemlich neidisch war, nicht über die Feldwege fahren wollte, hatte sie zähneknirschend eingewilligt zu fahren. Außerdem konnten sie so Werkzeug, Erde und anderes Material zum Steinbruch bringen. Was zum Glück auch bedeutete, dass Gulliver kein Mitspracherecht bei der Musikauswahl im Auto hatte. Heute Morgen bedeutete dies, dass sie Stevie Wonders Album Songs in the Key of Live ausgewählt hatte. Gulliver neben ihr verzog das Gesicht, aber das störte Mags nicht.

Und »Isn’t she lovely«, das Lied, das Stevie Wonder 1976 zur Geburt seiner Tochter geschrieben hatte, war ihr und Sams Lied der letzten Wochen geworden – sie konnte sich nicht daran satthören. Alle anderen mussten da einfach durch.

Die Fahrt dauerte nicht lang: Der alte Steinbruch gehörte zum Land der Browns, und da Mags mit Alice, deren ältester Tochter, zur Schule gegangen war, hatten sie ihr erlaubt, dort zu arbeiten. Ein Glücksfall, denn sie und Gulliver brauchten einen Ort, an dem sie ungestört an ihrer Idee für die Flower Show arbeiten konnten.

Die Chelsea Flower Show, die jährliche Gartenschau in London: Die Show, die jeder Engländer kannte, ausgerichtet von der Royal Horticultural Society, veranstaltet an fünf Tagen im Mai auf dem Gelände des Royal Hospital im Londoner Stadtteil Chelsea. Die Preisverleihung galt als die Oscars der britischen Gartenwelt.

Mags hatte in den letzten Monaten alles gelesen und an Bildmaterial inhaliert, was sie über die Show finden konnte. Deren Geschichte reichte bis 1827 zurück, fast zweihundert Jahre Gartengeschichte. Allein für die vielen Ideen, die Mags aus den alten Bildern hatte ziehen können, hatte sich die Recherche schon gelohnt. Nachdem sie früher an unterschiedlichen, nicht idealen Standorten in London stattgefunden hatte, war die Show ab 1913 nach Chelsea verlegt worden. Zum einen konnten damals britische Adlige zeigen, was sie (oder vielmehr ihre Gärtner und später auch Gärtnerinnen) konnten, zum anderen waren gewerbliche Gärtnereien vertreten. Das hatte viel mit der Geschichte der Pflanzenzucht in ihrem Land zu tun. Mags liebte die Geschichten der kommerziellen Expeditionen in aller Herren Länder, auf denen Gärtner Pflanzen und Samen sammelten; Pflanzen, die oft die lange Rückreise auf den Schiffen nicht überstanden, und Samen, die in den klimatischen Bedingungen Großbritanniens nicht wachsen wollten. Aber immer wieder waren diese Abenteurer, die eine Mischung aus Händlern, Schatzsuchern, Botanikern und oftmals auch schlicht Dieben waren, erfolgreich. Wenn sie Sam einmal überreden könnte, ein Buch mit diesen Geschichten zu schreiben …

Auf jeden Fall waren die Shows in Chelsea schnell ein Erfolg geworden, wozu auch die Tatsache beitrug, dass niemand Geringerer als die Königsfamilie die Preise überreichte.

Ob und wie Gulliver damit wohl umgehen würde? Er hatte eine ganz eigene Verbindung zum Königshaus, die er ihr an Weihnachten vor zwei Jahren in einer Ausnahmesituation erzählt hatte und über die sie zu schweigen gelobt hatte. Aber wie es wohl wäre, wenn der neue König ihm dann … Mags sah lachend zu Gulliver hinüber, der mit seiner üblichen unbewegten Miene aus dem Fenster des Autos starrte.

Was ihr besonders gefiel, waren die vielen schrägen Regeln, die es für die Chelsea Flower Show gab. Es waren in ihren Augen typisch englische Regeln, die sich meist durch eine krude Mischung sinnvoller und völlig absurder Verbote und Bestimmungen auszeichneten.

Nachdem 1914 ein Steingarten mitsamt Ziegen präsentiert worden war und besagte Ziegen ausgebüxt und in mehreren anderen Gärten die Ausstellungsstücke gefressen hatten, wurden lebende Tiere in Schaugärten verboten. Diese Regel wurde dann 2002 zugunsten von Koikarpfen gebrochen, was die in London vorkommenden Fischreiher sehr gefreut hatte. 2012 durfte ein Corgi dabei sein – was aus offensichtlichen Gründen insbesondere die Queen gefreut haben dürfte. Als sich in den fünfziger Jahren in einem Garten Fotomodelle in knappen Badeanzügen räkelten, wurde auch das unterbunden. Damals wäre es eh für keine der anwesenden Frauen denkbar gewesen, ein nicht von einer Strumpfhose bedecktes Bein zu zeigen, selbst wenn das Thermometer über 27 Grad kletterte. Wobei die Frauen der Königsfamilie auch heute immer noch Strumpf trugen. Eisern. Genauso verboten waren Gartenzwerge, die den Deutschen überlassen bleiben sollten, Fahnen, Wimpel und andere bunte Gegenstände, die von den Blumen ablenkten.

Seit Neuestem gab es Regeln, die vor allem dem Umweltschutz dienten. Mags hoffte, dass dem unter dem neuen König als Schirmherr noch mehr Bedeutung zukommen würde. Sie selbst führte schon seit Jahren einen Kampf gegen die Plastiktöpfe, in denen viele Pflanzen geliefert wurden, und benutzte diese selbst nicht. Aber als Gärtnerin konnte man sich im Normalfall unter Plastiktöpfen begraben.

Die Gewinne der Gartenshow mussten wohltätigen Zwecke zugutekommen, was angesichts der immensen Werbung, die die Teilnehmerinnen und auch die Sponsoren durch die Veranstaltung bekamen, nur gerechtfertigt waren. Mags und Gulliver investierten gerade einiges in ihr Projekt, würden aber die Ausgaben durch neue Aufträge sicherlich wieder einspielen können. Auf Anfragen großer internationaler Sponsoren hatten sie verzichtet und bekamen stattdessen Unterstützung von kleineren kornischen Unternehmen. Mags hielt alles gern in einem überschaubaren und von direkten Kontakten gehaltenen Rahmen, und Gulliver hatte in seiner Zeit in London genug Jetset-Glitzer für den Rest seines Lebens abbekommen.

Alle Teilnehmer bekamen eine Gartenparzelle von zehn Mal zweiundzwanzig Metern, die sie nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten konnten. In der Vergangenheit hatte das oft dazu geführt, dass blumenüberladene Schaugärten gepflanzt worden waren, die im echten Leben keine zwei Wochen so halten würden: viel zu eng gepflanzte Blumen, deren Blütezeiten in Gewächs- und teilweise Kühlhäusern so lange hinausgezögert worden waren, dass sie genau zur Show in voller Pracht standen. Gärten voller Pflanzen, die nach der Show keine weitere Verwendung fanden und in den großen Müllcontainern landeten. Erst in den letzten Jahren hatte sich nicht nur die Einstellung der Gärtnerinnen, sondern auch die des Publikums geändert. Nachhaltige Gärten, naturnahe Gärten, Gärten, die wassersparend angelegt waren und die sich langsam veränderte Sicht der Menschen abbildeten. Langsam verändert, denn immer noch gab es große Blumenskulpturen, die Mags an überladen dekorierte Torten erinnerten, die beeindruckend aussahen, aber nie wirklich gut schmeckten, da jeder Geschmack unter Tonnen von Fondant und Buttercreme begraben wurde.

Sie und Gulliver würden etwas anderes zeigen, und dafür bot ihnen der alte Steinbruch den perfekten Rahmen.

Mags bog von der schmalen Landstraße auf einen noch schmaleren Feldweg ab, der zum Glück nur auf einer Seite von einer niedrigen Steinmauer begleitet wurde, so dass sie ausreichend Platz für ihren Transporter hatte. Die alten Spurrinnen im Weg waren tief und so schmal, dass sie von keinem modernen Traktor oder Fahrzeug stammen konnten. Vielmehr waren hier bis vor fünfzig Jahren die alten Transporter und Trecker der Bauern und Handwerker der Umgebung entlanggerattert, wenn sie Steine brauchten. Wie alt der Steinbruch selbst war, hatte Mags nicht herausfinden können. Auf Nachfrage im Dorf und bei ihrer Freundin Miss Clara, die viel über die Geschichte Rosehavens wusste, hatte sie nur ein lapidares »Schon immer« als Antwort bekommen. Schon immer also hatten an dieser Stelle die Bewohner der Umgebung Steine aus den Felswänden gebrochen, um damit zu bauen. In den fünfziger Jahren hatte dann Andrew Browns Urgroßvater versucht, aus dem Steinbruch mehr Geld zu machen und in einige Arbeitsgeräte und Transportwaggons investiert. Davon zeugten heute noch ein halb zerfallener Schuppen aus Wellblech und in den Boden eingelassene Schienen, auf denen eine vor sich hin rostende Lore mit gebrochener Achse stand, die sich nie wieder bewegen würde. Schienen und Lore hatten dazu gedient, die Steine bis zu den wartenden Transportern zu bringen. Zu Mags Erstaunen war die Lore nicht von einem Motor, sondern von den zwei schweren Kaltblütern gezogen worden, die Andrews Urgroßvater heiß und innig geliebt hatte. Das Projekt scheiterte. Neue Baustoffe wurden populär, und kaum jemand wollte noch Zeit, Mühe und Geld aufwenden, um Material aus dem Steinbruch abzutragen. So standen die beiden Pferde bald glücklich auf der Weide, und der Steinbruch wurde wieder sich selbst überlassen – sich selbst und der Natur. Und genau das war es, was Mags und Gulliver gesucht und gefunden hatten.

Da Blake & Gulliver vor allem für die Umgestaltung des alten Zinnminengeländes in Drabstock bekannt waren, hatten sie daran anknüpfen wollen. Die erste Idee, eine Art moderne Mischung aus Industriebrache, Stein und Garten zu schaffen, hatte sich dann immer weiter entwickelt. Auf der Chelsea Flower Show wollten sie etwas zeigen, das Cornwall in all seinen Facetten widerspiegelte und zugleich einen Ausblick in die Zukunft erlaubte.

Mags konnte sich noch gut an den Moment erinnern, als sie bei einem Spaziergang mit Sam den alten Steinbruch gefunden, oder besser wiedergefunden, hatte, da sie ihn aus Kindheitstagen kannte, als verbotenen Spielplatz und Ziel waghalsiger Abenteuer.

Sämtliche Steine, Hölzer und Pflanzen, die sie hier zusammenstellten, würden sie vor der Show nach London bringen und dort neu zusammenführen. Das erlaubte Mags und Gulliver, so lange wie möglich in Cornwall zu bleiben, während das ihnen zugewiesene Gelände in London von einer Gärtnerin aus Mags’ Team vorbereitet wurde.

Was die Juroren von Mags’ und Gullivers Werk halten würden, stand in den Sternen. Sie liebte es jedenfalls von der ersten Sekunde an.

Gulliver hatte den Steinbruch nach Mags’ erstem begeisterten Anruf gleich besichtigt. Schweigend war er das Gelände voller Geröll, alter Werkzeuge und Bohlen, verwitterter Schienen und zugewachsener Wege abgegangen. Im hinteren Ende des Steinbruchs glitzerte eine mit Wasser gefüllte Senke im Sonnenlicht. Bei Regen strömte das Wasser von der oberen Kante in kleinen Wasserfällen hinab, durchfloss die Senke und floss dann in einem über die Jahre entstandenen Bachbett wieder aus dem Steinbruch hinaus.

Gulliver hatte alles ausgiebig und mit unbewegter Miene betrachtet, sich zu Mags umgedreht und genau das Glitzern in den Augen gehabt, auf das sie gehofft hatte.

Mitten im Steinbruch, zwischen Geröll, Steinen, Schienen und Schutt, hatten die beiden ein Areal abgesteckt, dass genau die Maße ihrer Ausstellungsfläche aufwies, und es von allen Seiten fotografiert. Dann hatten sie sich im Pfarrhaus an Gullivers großen Tisch gesetzt und begonnen zu zeichnen und zu planen.

Und das Ergebnis lag nun vor ihnen: Der Steinboden war an unterschiedlichen Stellen aufgebrochen und mit einer dünnen Schicht aus Humus und Sand aufgeschichtet. Andere Stellen waren tiefer ausgehöhlt und mit Wasser gefüllt. In die Fugen und Ritzen hatten Mags und Gulliver ebenfalls Erde gekippt. Da Mags selbst wegen ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft nicht mehr alle Arbeiten hatte erledigen können, hatte Gulliver mit John Caroll, einem alten Freund von ihm, einen talentierten und sehr erfahrenen Gärtner ins Team geholt. Und da sie mehr als nur einige kleine Steinarbeiten eingeplant hatten, war mit Alice Tenniel eine ebenso erfahrene Steinmetzin dazugekommen.