Jelle und der Schatz in der Waldhütte - Rainer Hendeß - E-Book

Jelle und der Schatz in der Waldhütte E-Book

Rainer Hendeß

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Beschreibung

Jelle ist ein fröhlicher Junge, 7 Jahre alt, und träumt von einem großen Abenteuer. In den Sommerferien fährt er mit seiner Großfamilie für ein paar Tage auf die Nordseeinsel Föhr. Mit von der Partie sind auch seine Lieblingscousine Marlene und der Familienhund, der große Labradoodle Chewbacca. Jelle freut sich besonders darüber, dass es wieder auf den Reiterhof geht, auf dem Marlene vor ein paar Jahren die abenteuerliche Geschichte mit dem verschwundenen Lamm erlebt hat. Er ist fest davon überzeugt, dass ihn auf diesem Hof ein ähnliches Abenteuer erwartet und hat sich gut vorbereitet. Tatsächlich treffen sie mit dem Kater Kalle und dem Hofhund Harras alte Bekannte wieder. Und dann taucht Emil mit einem geheimnisvollen Auftrag auf, der ebenfalls in die alte Geschichte zurückreicht. Jelle und Marlene sind mit Begeisterung dabei, Emil zu unterstützen und finden sich unversehens in einem neuen Abenteuer wieder. Im Laufe der Mission sind eine Reihe von gefährlichen Situationen und Hindernissen auch im buchstäblichen Sinne zu überwinden, doch dank Jelles Findigkeit und Marlenes sportlichen Fähigkeiten bringen sie den Auftrag zu einem erfolgreichen Ende.

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Seitenzahl: 244

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Für die freundlichen Insulaner, die wenig reden, uns aber all die Jahre immer herzlich willkommen geheißen haben.

Und für meine Familie, mit der jeder Urlaub nicht nur auf der Insel ein Erlebnis und eine große Freude ist.

Dieses Buch erzählt eine erfundene Geschichte. Da wo erforderlich, habe ich mich an die Wirklichkeit gehalten und diese nur meinem dichterischen Willen angepasst, wenn die Handlung es verlangte. Einige der darin vorkommenden Personen und Orte existieren wirklich, die Handlungen und Gespräche sind jedoch rein fiktiv und entstammen der Phantasie des Autors. Jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen oder Orten ist rein zufällig.

Inhalt

Teil 1: Jelle fährt nach Föhr

Kapitel 1: Jelle

Kapitel 2: Vorbereitungen

Kapitel 3: Aufbruch

Kapitel 4: Der Hof

Kapitel 5: Urlaubssplitter

Beim Fahrradverleih

Im Schlickblick

Im Krog

Abendstimmung

Teil 2: Jelles Abenteuer

Kapitel 1: Überraschung am Morgen

Kapitel 2: Der fremde Junge

Kapitel 3: Emil erzählt

Kapitel 4: Unterwegs

Ein unerwartetes Geschenk

Auf der Kuhweide

Warten auf Chewie

Felder, Wiesen und Auen…

Kapitel 5: Die Wand

Vergebliche Versuche

Jelle hat eine Idee (1)

Kapitel 6: Die Waldhütte

Füchse und Mäuse

Unerwarteter Besuch

Kapitel 7: Der Schatz

Jelle hat eine Idee (2)

Papier und Klunker

Kapitel 8: Heimwärts

Eine Delle für Jelle

Ab durch die Mitte

Nachspiel

Teil 1: Jelle fährt nach Föhr

Kapitel 1: Jelle

Jelle ist ein fröhlicher, kleiner Junge mit ziemlich roten Haaren. Eigentlich heißt er Jelle Rasmus, aber das steht nur auf dem Papier. Und manchmal nennt ihn Mama so, wenn er etwas ausgefressen hat. Er wohnt mit seinen Eltern, Impy und Nico („Schulle“), in einem schönen Haus mit einem großen Garten am Stadtrand von Hamburg. Die roten Haare hat er von Mama und Papa. Seine Frisur liegt so zwischen lockig und struppig und sieht damit ganz ähnlich aus wie die seines besten Freundes Chewie. Chewie, sein richtiger Name ist Chewbacca – wie der Wookiee aus „Krieg der Sterne“ – ist ein großer, brauner Labradoodle, der Jelle kaum von der Seite weicht. Wenn die beiden wilden Kerle auf dem Rasen herumtollen, ist manchmal kaum zu erkennen, wo der Labradoodle anfängt und Jelle aufhört.

So klein aber ist Jelle nun auch wieder nicht, auch wenn Uschi darüber manchmal einen Scherz macht. Jelle nimmt ihr das nicht übel. Er mag Uschi, besonders wenn sie so laut lacht wie sonst kaum jemand, den Jelle kennt. Uschi ist eine Freundin von Oma und eine Art Ersatzmama für Impy, also auch eine Art Ersatzoma für Jelle. Damit hat Jelle drei Omas, denn es gibt noch Oma Marlies, die Mama von Nico. Mit drei Omas kommt Jelle gut klar. Opas hat er nur einen. Damit kommt er auch klar, denn es gibt ja noch Heinzi. Der ist eigentlich mehr ein Onkel als ein Opa, weil er Omas Bruder ist. Aber Heinzi ist ja so alt wie Opa, also doch eher ein Opa.

Dann gibt es noch den richtigen Onkel Lexi, Mamas Bruder, der eigentlich Christian heißt („Crissi“) und Anja, seine Frau, die also Jelles Tante ist, und Marlene seine Cousine. Jelle hat leider nur diese eine Cousine, liebt sie aber heiß und innig und hat sie deshalb zu seiner Lieblingscousine erklärt.

Jelle ist mit seiner Familie zufrieden.

Jelle ist gerade sieben Jahre alt geworden und geht ein Jahr zur Schule. Er hat noch viel Zeit zu wachsen. Papa sagt, er sei auch zuerst klein gewesen und später dann ordentlich gewachsen. Heute ist er groß und stark wie ein Bär und hat viel Sport getrieben: Basketball, Football, Eishockey, Handball. Jetzt ist sein Knie kaputt, aber mit Jelle spielt er Fußball. Jelle ist flink und wendig und gut am Ball, sagt Papa. Onkel Lexi sagt das auch. Der spielt immer noch Handball, kann aber auch gut kicken. Jelle möchte später mal Fußballprofi werden. Papa hat nichts dagegen. Er ist Fan von Werder Bremen und möchte ihn am liebsten dort anmelden. Onkel Lexi liebt den FC St. Pauli und findet, dass Jelle erst einmal in Hamburg spielen müsste. Das findet Opa auch, der eingeschworener HSV Fan ist, auch wenn die jetzt vorübergehend nur in der zweiten Liga spielen. So einen Trickser-Knipser könnten die gut gebrauchen, meint er. Werder hat ja den Kruse, das reicht. Mama sagt, erst einmal abwarten, außerdem möchte sie nicht dreimal in der Woche mit Jelle zum Training nach Bremen fahren. Jelle auch nicht. Dann wird er lieber Seeräuber. Wenn er das sagt, ärgert ihn Lexi immer und singt das Lied von der Kaperfahrt: Jan und Hein und Klaas und Pitt, die haben Bärte, die fahren mit. „Du kommst da gar nicht drin vor“, sagt Lexi dann, „und einen Bart hast du auch nicht.“ Jelle hat erst gedacht, die fahren Kapern einkaufen, er liebt Königsberger Klopse mit ganz viel Kapern darin, aber Lexi hat ihm dann erklärt, dass es sich um Seeräuber handelt, die Schiffe kapern, das bedeutet so viel wie überfallen. Jelle findet das gut, auch wenn er keinen Bart hat. Den hat Lexi, der sieht wirklich wie ein Seeräuber aus und kommt in dem Lied auch nicht vor..

Jelle liebt es, Seeräuber zu sein, aber nicht immer. Manchmal ist er auch ein Jedi Ritter. Das ist wegen Chewie und auch wegen Papa. Papa liebt Star Wars und hat deshalb auch den Namen für den Hund ausgesucht. In seinem Keller, Papa sagt „Man Cave“ dazu, hat er eine Chewie-Maske und ein Spiel mit vielen Raumschiffen. Papa freut sich schon darauf, dass er mit Jelle spielen kann, wenn er ein bisschen größer ist. Jelle findet, dass er schon lange groß genug ist, um mit den Raumschiffen zu spielen, aber das erlaubt Papa nicht. Deshalb ist Jelle jetzt ein Seeräuberkapitän, auch weil er neulich mit Marlene bei Oma und Opa eine Seeräuber-DVD gesehen hat. Die war ziemlich lustig, und Jelle hat überhaupt keine Angst gehabt, obwohl die erst ab 12 war. Und im Sommer am Strand ist Seeräuber sowieso besser als Jedi Ritter.

Im Garten spielt Jelle auch Robinson Crusoe. Aus dem Buch von dem Schiffbrüchigen, der sich auf eine einsame Insel rettet, haben ihm Mama und Papa vorgelesen. Zwischen den Büschen und Bäumen im Garten fühlt sich Fiete wie Robinson im Dschungel seiner Insel. Am besten geht das im Garten von Oma und Opa. Da gibt es mehr Büsche und Sträucher.

Im Moment aber ist Jelle zuhause. Im Garten hat Jelle ein eigenes Seeräuberschiff, das er sich mit Papas Hilfe aus alten Brettern um den Ständer von Papas Hängematte herum gebaut hat. Der Ausguck ist oben im Apfelbaum. Da kommt Jelle nur hoch, wenn unten eine Leiter steht, weil die unteren Äste abgesägt sind. Klettern kann Jelle wie eine Eins, aber Mama hat immer Angst, deshalb darf er nur hoch, wenn ein Erwachsener aufpasst. Jelle findet das doof und hat es auch schon heimlich alleine probiert, als die Leiter noch nicht weggeräumt war. Leider hat Mama das gemerkt, und ordentlich geschimpft. Zur Strafe gab es einen Tag Stubenarrest. So schlimm war das aber gar nicht. Jelle hat sich da in Papas Man Cave verkrümelt und sich näher mit den Star-Wars-Sachen beschäftigt. Da ist ein bisschen was durcheinander geraten und vielleicht auch kaputt, aber bisher hat Papa noch nichts gemerkt.

Heute springt Jelle im Garten herum und freut sich wie ein Schneekönig. Das ist natürlich Quatsch, denn es ist Hochsommer, von Schnee weit und breit nichts zu sehen. Gerade haben die Sommerferien angefangen, und Jelle findet das nach seinem ersten Schuljahr auch höchste Zeit. Ferien findet er super. Dann sind Mama und Papa, die beide Lehrer sind, den ganzen Tag zuhause. Sie planen dann tolle Ausflüge und auch eine Urlaubsreise. Gerade hat seine Mama ihm erzählt, dass sie schon in der nächsten Woche auf einen Bauernhof auf der Insel Föhr fahren würden. Und nicht auf irgendeinen Hof, sondern auf genau den, auf dem seine Lieblingscousine Marlene vor einigen Jahren so ein tolles Abenteuer erlebt hatte. Oma hatte im Abendblatt eine Anzeige gelesen, dass dieser Hof jetzt ganz neu auch Reiterferien anbietet und es zu Ferienbeginn sogar Sonderpreise gibt. Da Föhr immer ganz oben auf der Familien-Hitliste steht und Oma als erprobte Schnäppchenjägerin so einem Sonderangebot nicht widerstehen kann, hatte sie kurz entschlossen zum Hörer gegriffen. Mit viel Überredungskunst und einem zarten Hinweis auf den schon einmal dort verbrachten Urlaub war es ihr tatsächlich gelungen, kurzfristig noch vier Zimmer zu bekommen. Daraufhin hatten die Handys geglüht, und der Familienrat hatte beschlossen, einen einwöchigen Abstecher auf die Insel zu machen.

„Wer kommt alles mit?“, hatte Jelle gefragt. Er fühlt sich am wohlsten, wenn alle seine Lieben um ihn herum sind. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass er dann von allen Seiten etwas zugesteckt bekommt. Chewie geht es genauso.

„Oma und Opa kommen mit und Anja, Lexi und Marlene“, hatte Mama aufgezählt. „Marlene ist diese Woche noch mit ihrer Freundin Eve in einem Sportcamp, sie kommt aber Donnerstagabend zurück und fährt dann am Sonnabend mit nach Föhr. Oma Marlies kommt später für ein paar Tage nach.“

„Und Heinzi?“, hatte Jelle nachgefragt. Jelle mag Heinzi, weil er lustige Geschichten erzählt und früher mal ein Fußballspieler war, der die besten Fallrückzieher machen konnte. Opa lacht dann immer, wenn die Rede darauf kommt und erzählt die Geschichte, wie Heinzi Fallrückzieher im Garten geübt hat und dabei mit einer Hand in dem Hundehaufen gelandet ist, den der Dackel seiner Eltern auf dem Rasen hinterlassen hat. Jelle und die anderen lachen sich darüber kaputt. Heinzi findet das immer noch nicht wirklich lustig. Leider kann er heute nicht mehr mit Jelle kicken und ihm Fallrückzieher beibringen, weil er am Fuß verletzt ist und ein neues Gelenk aus Edelstahl hat. Das kann man aber leider von außen nicht sehen.

„Frag ihn doch“, hatte Mama geantwortet, „vielleicht hört er auf dich.“

Jelle hatte Heinzi gefragt und ihm gesagt, dass er gerne mit ihm nach Föhr fahren würde.

„Wir könnten prima am Strand spielen und im Wasser“, hatte er Heinzi erklärt. Vielleicht geht da sogar wieder ein Fallrückzieher.“

Heinzi hatte sich gefreut und ihm ein bisschen das Haar verwuschelt. Aber dann hatte er doch gesagt, dass er lieber zuhause bliebe, mit seinem Fuß sei das noch nicht wieder ganz in Ordnung. „Und einer muss ja hier bleiben und auf euer Haus und das von Oma und Opa aufpassen“, hatte er ergänzt.

Jelle versteht das. Er findet es schade, sieht aber ein, dass jemand aufpassen muss, wenn sie alle weg sind. Er stellt sich vor, wie Heinzi abends mit der Taschenlampe leise um die Häuser schleicht, alle Türen und Fenster kontrolliert und auf fremde Fußspuren achtet. Vielleicht hat er dann ja auch seine Flinte dabei, von der er Jelle erzählt hat. Schließlich ist ja auch Chewie weg, der sonst für die Sicherheit sorgt. Jelle ist fest davon überzeugt, dass der Labradoodle ein prima Wachhund ist, auch wenn Mama und Oma das nicht ganz so sehen. Jelle nimmt sich fest vor, Heinzi für seinen Einsatz eine besondere Belohnung aus dem Urlaub mitzubringen. Er denkt dabei an einen schönen Stein für die Sammlung, die Heinzi im Keller hat oder einen Seestern oder eine von den Muscheln, die rauschen, wenn man sie ans Ohr hält.

Die Reitsportenthusiastin Marlene hatte sich, genau wie Jelle, riesig über die geplante Reise nach Föhr gefreut und die Handy-Rundmails mit einem „Juchuuuuhh!!!“ und vier Zeilen Smileys abgeschlossen. Marlene war vor ein paar Jahren mit Oma und Opa bereits auf diesem Bauernhof gewesen und hatte zusammen mit einem Kater, einem Ferkel und einigen weiteren Tieren ein unglaubliches Abenteuer um ein verschwundenes Lämmchen durchgestanden. Opa hat darüber eine Geschichte geschrieben, die Jelle vom häufigen Vorlesen fast auswendig kennt. Er träumt davon, so ein Abenteuer auch einmal zu erleben. Zwar ist ihm nicht ganz klar, wieso die Tiere dort sprechen konnten, aber in anderen Geschichten ist es ja auch so. Jelle hat schon oft versucht, seinen vierbeinigen Freund Chewie zum Sprechen zu bewegen, aber mehr als ein gelegentliches Bellen und merkwürdige Geräusche, die irgendwo zwischen Grunzen, Gähnen und Jaulen liegen, sind dabei nicht herausgekommen.

Jetzt flitzt Jelle Schneekönig im Zick-Zack über den Rasen und legt dabei zwischendurch den einen oder anderen Handstand oder Purzelbaum ein, den ihm Marlene bei ihren regelmäßigen Besuchen beigebracht hat. Zwar kann Jelle das noch lange nicht so gut wie seine Cousine, aber er übt fleißig, und es wird immer besser. Wie immer jagt Chewie in großen Sätzen im Garten hinter dem Jungen her, und als Jelle sich von einem verunglückten Purzelbaum hochrappelt, stupst er ihn mit seiner großen, dicken Nase vor die Brust, so dass der Junge gleich wieder rücklings ins Gras fällt. Dort schleckt er ihm mit triefender Zunge liebevoll das Gesicht ab und springt um ihn herum, um ihn zu weiterem Toben zu animieren. Jelle stürzt sich auf ihn, wirft ihm beide Arme um den Hals und brüllt ihm ins Ohr: „Hurra, hurra, wir fahren bald nach Föhr.“ Und statt „Bauernhof“ entschlüpft ihm mit „Abenteuerhof“ eine eigene Wortschöpfung, die genau das ausdrückt, was er von diesem Urlaub erwartet. Zwar gibt ihm der Hund auch diesmal außer einer weiteren Pflegedusche seines Gesichts keine richtige Antwort, aber Jelle ist sicher, dass der Doodle ihn verstanden hat. Er weiß genau, dass er mit dem großen Hund den richtigen Gefährten dabei haben wird und hofft, dass sich die sprachliche Verständigung in dem bevorstehenden Abenteuer noch etwas verbessern wird. Vielleicht liegt es ja an genau diesem Ort. Schließlich ist es dort ja schon einmal vorgekommen.

Vor lauter Vorfreude schlägt Jelle noch einen letzten Purzelbaum und bleibt dann lang ausgestreckt im warmen Gras liegen. Er schließt die Augen und sieht in Gedanken schon einmal den Abenteuerhof vor sich. Chewie lässt sich neben ihm nieder, leckt ihm noch einmal quer übers Gesicht, legt seinen dicken Kopf dann mit einem tiefen Seufzer auf den Bauch des Jungen, und beide träumen sich einem wunderbaren Urlaub entgegen.

Kapitel 2: Vorbereitungen

Obwohl Jelle es gar nicht abwarten kann, vergehen die Tage bis zur Abfahrt doch ziemlich schnell. Einen großen Teil dieser Zeit verbringt er damit, alle die Dinge zusammenzusuchen, von denen er sicher ist, dass sie für das Bestehen der zu erwartenden Abenteuer unentbehrlich sind. Das ist gar nicht so einfach, wie er sich das vorstellt, denn trotz ständiger Ermahnungen seiner Mama sind das Aufräumen und Ordnung halten nicht seine große Stärke. Das hat er von seinem Papa. So findet er den Seeräubersäbel, den Opa ihm gebastelt hat, erst nach langem Suchen zwischen alten Gartengeräten hinten im Holzschuppen. Er weiß genau, dass er den Säbel ganz bestimmt nicht dort hingelegt hat. Sicher hat Mama ihn auf dem Rasen gefunden und mit ihren Geräten in den Laubkorb gesteckt. Auf dem Rasen hätte er ihn doch viel schneller gefunden. Jelle schüttelt ob so unsinniger Ordnungsliebe den Kopf. Er muss das mal gelegentlich mit Mama besprechen. Seinen Flitzebogen, ein Souvenir von den letzten Karl-May-Festspielen in Segeberg, entdeckt er rein zufällig im Werkzeugkeller hinter dem Stapel leerer Kartons, die Papa dort für seine Onlinegeschäfte sammelt, als er eine Schachtel für seine Star-Wars-Figuren sucht, die er zum Spielen am Strand mitnehmen will. Er kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie der da hingekommen ist. Auch fehlen zum Bogen leider die Pfeile. Jelle erinnert sich, dass er einige Pfeile bei Zielübungen wohl in die Gärten der beiden Manfreds geschossen hat. Kurz überlegt er, ob er über den Zaun klettern soll, tut es aber lieber nicht. Den einen Manfred, der mit seiner Schwester auf der rechten Seite wohnt, kann Jelle nicht richtig einordnen. Deshalb ist er da eher vorsichtig. Den anderen Manfred, den alle Manni nennen, mag er. Manni ist immer freundlich und hilfsbereit und stark wie zwei Bären. Wenn Papa im Haus oder im Garten mal nicht weiter weiß oder was braucht, Manni hilft. Außerdem stecken Manni und seine Frau Monka ihm und Chewie oft etwas über den Zaun zu. Diese Quelle möchte Jelle lieber nicht gefährden, indem er den doch schon recht altersschwachen Maschendrahtzaun beim Überklettern beschädigt. Er nimmt sich vor, Manni bei Gelegenheit auf die Pfeile anzusprechen. Jelle überlegt, er ist sicher, dass es irgendwo noch weitere Pfeile geben muss. Erst vor ein paar Wochen hat er doch von Marlene einen Köcher mit Pfeilen bekommen, den diese vor einigen Jahren ebenfalls in Segeberg abgestaubt hat. Dabei fällt ihm ein, dass er den Köcher ganz bestimmt wie immer irgendwo ordentlich aufgehängt hat. Wahrscheinlich in der Garderobe, und da hängen inzwischen tausend Jacken, Mützen und Schals drüber, die Mama und Papa ohne jede Rücksicht da reingepfeffert haben. Kein Wunder, dass er in diesem Haus nichts findet.

Also macht Jelle sich auf die Socken und durchsucht die Garderobe nach dem vermissten Köcher. Das geschieht, indem er alles was da auf den Haken hängt, erst einmal auf den Boden schmeißt und vorsorglich auch noch die Bügel abhängt. Doch von einem Köcher ist auch danach nichts zu sehen. Jelle steht etwas ratlos und enttäuscht inmitten der Unordnung und kaut nachdenklich an der Unterlippe, während er überlegt, was er denn nun machen soll. Doch bevor er weitere wertvolle Zeit mit Suchen verplempern kann, klingelt es an der Haustür. Oma und Opa bringen den Doodle vom Nachmittagsspaziergang zurück, da Mama noch Wäsche macht und Papa vor dem Urlaub noch mal kurz für eine schnelle Abschiedspartie Star Wars zu seinem Kumpel Jan rüber musste. Während Oma Mama beim Wäschesortieren hilft, nutzt Jelle die Gelegenheit, Opa über die Katastrophe mit den Pfeilen zu informieren. Opa verspricht, umgehend noch einige Pfeile anzufertigen, für die er sich gleich aus Mamas Blumenbeeten einige passende Bambusstöcke ausleiht. Federn dafür werden sich am Strand genügend finden, sagt er. Zu Jelles großer Freude kündigt Opa dann auch noch an, einen Köcher mitzuliefern (für den der Ärmel einer alten Lederjacke von Oma herhalten muss).

So zufrieden gestellt, macht Jelle sich daran, sein Waffenarsenal für die Abenteuer-Expedition auf der Insel zu vervollständigen. Aus seinem Versteck holt er seinen größten Schatz, einen echten Finnendolch in einer Lederscheide, den er im Vorgarten gefunden hat. Wahrscheinlich hat ihn einer der großen Jungen von der Schule gegenüber dorthin geworfen. Dieser Dolch sieht in der Scheide ungeheuer echt und gefährlich aus, hat jedoch den Nachteil (Jelles Mama würde eher von Vorteil sprechen), dass er praktisch nur noch aus einem Griff mit knapp drei Zentimetern Klinge besteht. Jelle findet das nicht weiter schlimm. Den Dolch hält er in seiner Autokiste versteckt, wo er unter der Menge verschiedenster Matchbox- und anderer Autos nicht zu sehen ist.

Zu seiner Ausrüstung gehören schließlich noch das Seeräuberkopftuch (aus Beständen von Mama), ein kleines Fernglas (Geschenk von Opa), ein Nähetui von Mama, mit diversen Nähnadeln und Zwirnsfäden in verschiedenen Farben, das er auf dem Flurschrank gefunden und für alle Fälle mal eingesteckt hat, ein großes Knäuel Bindfaden von Papas Werkbank, sowie eine größere Brotdose, in der er die Süßigkeiten sammelt, die er regelmäßig abstaubt, wenn Mama und Papa Besuch haben oder die von Moni und Manni über den Zaun gereicht werden. Zu guter Letzt stopf er noch Hippo in den Rucksack, das kleine graublaue Nilpferd, das Mama gehäkelt hat, als sie mit ihm schwanger war. Eigentlich sollte es ein Mobile werden, aber weil Oma Marlies auch fleißig mitgehäkelt hat, ist eins übrig geblieben. Hippo ist nun sein ständiger Begleiter und darf natürlich auch bei dieser Reise nicht fehlen. Sein Freund Theo findet das albern, aber Jelle ist davon überzeugt, dass Hippo ihm Glück bringt.

Als Jelle alles zusammen hat, packt er seinen Rucksack, den er immer in die Kita mitnimmt, und stellt ihn neben das Kopfende seines Bettes, damit er ihn beim Aufbruch morgen früh auch ja nicht vergisst. Oben aus dem Rucksack ragen der rote Griff des Seeräubersäbels, den Opa mit silbernen Knöpfen verziert hat und der entspannte Flitzebogen. Jelle hofft nur, dass Opa die Pfeile nicht vergisst. Eigentlich kann er sich auf Opa ja verlassen, aber vorsichtshalber bittet er Mama noch, ihm eine Erinnerung per Handy zu schicken. Als Opa zurückmeldet „Pfeile und Köcher sind fertig und eingepackt“, ist Jelle zufrieden. In diesem Urlaub kann nichts mehr schiefgehen, das Abenteuer kann beginnen.

Als er abends müde und zufrieden im Bett liegt, muss Mama ihm wie immer noch eine Geschichte vorlesen.

„Aus dem Irmchen-Buch“, bestimmt Jelle, „das Kapitel mit der Brücke und das mit der Waldhütte.“

„Nur eins heute Abend“, lehnt Mama ab. Es ist schon spät, und du musst morgen früh aufstehen.“

„Na gut, dann das mit der Waldhütte“, gibt Jelle nach. Er kuschelt sich in seine Decke, nimmt seinen Schlafteddy in den Arm und guckt seine Mutter erwartungsvoll an.

„Also dann“, sagt Mama und liest vor, wie Marlene und ihre vierbeinigen Freunde den herrenlosen Hund Harras treffen, vor einem Unwetter Schutz in der Hütte suchen, in der Harras früher mit seinem Herrn Roberto gelebt hat, dort eine Feldmausfamilie kennenlernen und wie schließlich Omas Dackel Julchen dazu stößt, der sie sicher wieder auf den Bauernhof zurückbringt.

Dann gibt sie ihm einen Gutenachtkuss, lächelt und streicht ihm über das strubbelige Haar. „Ich bin ganz sicher, dass das ein besonders toller Urlaub wird, Schatz“, sagt sie, aber da ist Jelle schon eingeschlafen.

Wovon er wohl träumt?

Kapitel 3: Aufbruch

Die Fähre von Dagebüll auf die Insel geht um 10,40 Uhr. Opa erinnert sich mit Schaudern an den letztjährigen Urlaub, als er vergessen hatte, rechtzeitig eine Fähre zu reservieren und sie dann um vier Uhr nachts aus den Federn mussten, um mit der ersten Fähre rüberzukommen, die – wenig erstaunlich – bei den anreisenden Feriengästen kaum Anklang gefunden hatte. Das heißt, sie müssten spätestens um halb acht Uhr losfahren, sagt Oma, denn sie plant immer ein bisschen vorsichtiger als Opa, der lieber länger schläft und dann auf den letzten Drücker ankommt. Mama stimmt Oma zu. Auch sie erinnert sich mit Schaudern, nämlich an die vorletzte Fahrt nach Dagebüll, als Opa auf der zweispurigen Strecke hinter Heide wie ein Formel 1 Pilot einen Laster nach dem anderen überholte, und sie im Auto dahinter Blut und Wasser schwitzte, weil sie sich nicht traute, die waghalsigen Überholmanöver ihres Vaters zu kopieren.

Um halb acht losfahren heißt, dass um halb sechs der Wecker klingelt. Bei Mama. Jelle darf länger schlafen. Als Mama ihn um halb sieben weckt, ist er jedoch sofort hellwach und springt aus dem Bett.

„Wann fahren wir los?“ fragt er, während er sich hastig anzieht und nach seinem Rucksack greift.

„Immer langsam, junger Mann“, hält ihn Mama zurück. „Erst einmal marsch ins Badezimmer“.

Jelle wirft sich dort eine Handvoll Wasser ins Gesicht, zieht die Zahnbürste mit einem winzigen Klecks Zahnpasta zweimal quer über die Zähne und will sich wieder den Rucksack schnappen, den er vorsorglich in der Badezimmertür deponiert hat.

„Nichts da, Freundchen!“ Mama erwischt ihn beim Schlafittchen und zerrt ihn zurück vors Waschbecken. „Duschen brauchst Du heute nicht, aber ein bisschen mehr Morgentoilette muss sein.“ Sie nimmt einen Waschlappen, macht ihn ordentlich nass und fährt ihm damit über Gesicht und Hals.

Jelle prustet, zappelt und schreit: „Das ist heiß, Du verbrennst mich!“.

Mama lacht: „Keine Bange, so heiß ist das Wasser nicht.“

„Wohl!“, schreit Jelle wieder und will sich aus dem Griff der Mutter befreien.

Diese aber kennt kein Erbarmen. Sie lässt nicht los rubbelt ihn kurz mit dem Handtuch ab und drückt ihrem Sohn dann noch einmal die Zahnbürste in die Hand. Diesmal mit einer ordentlichen Portion Zahnpasta darauf. „Nun sieh mal zu, dass du zu Potte kommst, oder soll ich das machen?“

Jelle gibt nach. Das wäre ja noch schöner, sich wie ein Kleinkind von der Mama die Zähneputzen zu lassen. Er steckt sich die Bürste in den Mund und bearbeitet die Zähne so, wie es ihm die Zahnärztin beigebracht hat.

„Prima“, lobt Mama, „geht doch“, und gibt ihrem Sohn einen zärtlichen Klaps auf den Hinterkopf.

„Aua!“, schreit Jelle, wendet sich zur Tür und grapscht nach dem Rucksack.

„Nicht so schnell, Bürschchen“, hält ihn Mama zurück. „Was hast du da eigentlich Wichtiges drin?“ Schon hat sie sich den Rucksack geschnappt und öffnet ihn. „Das sieht ja nach Kriegspfad aus“, stellt sie fest. „Was hast du denn auf Föhr vor?“

„Brauch ich alles für den Abenteuerurlaub“, antwortet Jelle. „Du weißt doch, was da auf dem Hof immer los ist.“ Mama weiß das im Moment nicht so recht und guckt Jelle ratlos an. „Denk doch an das Buch von Opa“, hilft Jelle ihr etwas entnervt auf die Sprünge.

„Ach ja, das verschwundene Lamm“, erinnert sich Mama jetzt. „Und du glaubst, da wird wieder etwas passieren, wozu du das ganze Zeug hier brauchst?“

„Man kann nie wissen“, antwortet Jelle, „besser man ist auf alles vorbereitet“. Er rollt mit den Augen, so wie er das von Marlene gelernt hat, wenn Erwachsene einfach nichts begreifen. Er reißt Mama den Rucksack aus den Händen und macht sich auf den Weg nach unten. Gut, dass Mama nicht tiefer im Rucksack gekramt hat. Den Finnendolch hätte sie sicher nicht durchgehen lassen und das Nähetui bestimmt auch gerne wiedergehabt.

Im Esszimmer sitzt Papa schon am Frühstückstisch. Er hat schon eine Joggingrunde mit Chewie hinter sich und alles Gepäck bereits im Auto verstaut.

„Prima, dass Du Brötchen mitgebracht hast“, freut sich Jelle und schiebt Papa eins davon über den Tisch. „Bitte mit der Erdbeermarmelade von Oma“, verlangt er, „und eins mit Salami und eins mit Leberwurst für unterwegs.“

Papa nickt und macht sich an die Arbeit. Dabei zwinkert er Jelle zu und fragt: „Seit wann isst du denn Leberwurst“?

Jelle grinst und deutet mit dem Kopf zu Chewie hinüber, der in einiger Entfernung vom Esstisch Platz gemacht hat, aber aussieht, als wäre er gern beim Frühstück dabei und könne nur mit Mühe liegen bleiben. Unter seiner Schnauze zeichnen sich Tropfenspuren ab, die von seinem Dauerappetit zeugen.

„Der kriegt sein Leberwurstbrötchen gleich nach dem Frühstück, sagt Papa. „Wir geben ihm dann ein halbes, die andere Hälfte packen wir für unterwegs ein, ok?“

Jelle ist einverstanden. Er steckt sein Salamibrötchen in die leere Brötchentüte und stopft die in seinen Rucksack.

Papa schaut ihm zu, lacht und sagt: „Du willst wohl auf den Kriegspfad gehen mit Säbel und Flitzebogen. Na ja, man weiß ja nie, was an Abenteuern in so einem Urlaub auf einen zukommt“. Jelle nickt ihm dankbar zu. Er ist froh, dass sein Papa ihn versteht. Unter Männern ist doch alles viel einfacher. Vielleicht wäre es auch besser gewesen, wenn Mama heute früh mit dem Doodle die Runde gemacht hätte.

Aus logistischen Gründen sind die Familien getrennt auf die Autos verteilt. Jelle und Mama fahren bei Oma und Opa mit, weil Papas BMW mit Chewie im Kofferraum, dem riesigen Hundekörbchen, allerlei weiterem Hundekram und drei Koffern bis zum Rand voll ist. Lexi, Anja und Marlene fahren separat. Da nur Opas Yeti mit auf die Insel kommt, können die anderen später losfahren. Man trifft sich im Imbiss an der Fähre.

Die Fahrt an die Nordseeküste verläuft ohne Zwischenfälle. Jelle hat es sich neben Mama auf der Rückbank bequem gemacht. Mama ist mit ihrem Handy beschäftigt oder döst ein bisschen, Jelle hat seine Ohrstecker drin und ist ganz vertieft in die Geschichte von „Jim Knopf und der Wilden Dreizehn“. Diesmal sind die Seeräuber seine Feinde. So ist das nun einmal mit den Geschichten.

Dagebüll erreichen sie, wie von Opa vorausgesagt, sehr rechtzeitig um zehn Minuten vor zehn Uhr. Ihn stört das aber wenig, denn als Oma vorschlägt, im Fährhafenimbiss eine Kleinigkeit zu sich zu nehmen, ist er gleich dabei. Jelle auch. Sofort hängt er an Omas Rockzipfel und bestellt Pommes, Eis und eine Apfelschorle. Um möglichen Bauchschmerzen vorzubeugen, gelingt es Mama, die Apfelschorle auf die Überfahrt zu verschieben. Die anderen nehmen Fischbrötchen. Mama wählt Bismarckhering, Oma Matjes, Opa Makrele. Oma bestellt Kaffee für alle drei. Die Fischbrötchen sind nicht schlecht, aber alle sind sich einig, dass sie keinen Vergleich mit denen im Wyker Hafen aushalten (Noch besser waren die vom Räucherimbiss in Oevenum, aber der hat ja leider aufgegeben).

Als Nico, Chewie und die Alsterdorfer dann auch pünktlich vor dem Auslaufen der Fähre eintreffen, wird erst einmal das gesamte Gepäck im Yeti verstaut, dann geht es an Bord. Jelle ist außer Rand und Band und läuft kreuz und quer übers Schiff, von vorn nach achtern und von Backbord nach Steuerbord, um ja keine Aussicht auf Sandbänke, Robben, andere Schiffe und die sich nähernden Umrisse der Insel zu verpassen. Oma hat alle Hände voll zu tun, den kleinen Wirbelwind davon abzuhalten, auf die Reling zu klettern, eine Leiter am Steuerhaus hochzusteigen und einen Rettungsring probeweise ins Wasser zu werfen. Aus sicherheitstechnischen Gründen wird auch der Vorschlag von Marlene abgelehnt, sich die Zeit mit Versteckspielen zu vertreiben (was auch einigermaßen sinnlos wäre, da Chewie den Kindern nicht von der Seite weicht und jedes Verstecken aussichtslos macht). Zum Ausgleich gibt es für die Beiden noch ein Eis, woraufhin Jelle großzügig auf die in Aussicht gestellte Apfelschorle verzichtet.