Jerry Cotton 2038 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 2038 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Es gibt Menschen, die verdienen diese Bezeichnung kaum, weil sie mehr Bestien sind als menschliche Wesen. Zu dieser Sorte gehörte die "Kuba-Connection", die harte Dollars mit Menschenschmuggel verdiente. Eines ihrer Opfer war die junge Eva Ramirez. Während ihr jugendlicher Körper noch im Leichenschauhaus lag, zwangen die Bestien der "Kuba-Connection" ihren Vater in einer Verbrecherklinik zur Organ-Entnahme ...

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Seitenzahl: 124

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Kuba-Connection

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Johnny Cris

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-1187-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Kuba-Connection

Die Kuba-Connection

Sterne funkelten matt am Himmel, und ein fahler Mond ließ die hageren Kakteen bizarre Schatten werfen. Ein Kojote heulte irgendwo. Dann herrschte wieder Stille. Die Wüste war mit sich allein.

Ein fernes Rauschen verdrängte plötzlich die Stille, Lichtkegel bahnten sich einen Weg durch die Dunkelheit.

Ein Truck quälte sich langsam die Passstraße herauf, rumpelte mit röhrendem Motor über den groben Schotter der Straße.

Die Aufschrift auf dem gewaltigen Container verriet, dass Rindfleisch im Laderaum des Lkws transportiert wurde. Doch der schwarz lackierte Truck, der langsam dem amerikanischen Grenzposten entgegen rollte, hatte menschliche Fracht geladen …

Im Inneren des Laderaumes war es feucht, heiß und stickig.

An die hundert Menschen drängten sich im Halbdunkel ängstlich aneinander, wagten kaum zu sprechen.

Sie waren Kubaner.

Männer, Frauen und Kinder, die aus ihrer Heimat geflohen waren, um in den Vereinigten Staaten Freiheit und Glück zu suchen.

Freiheit und Glück …

Dies waren die beiden Dinge, von denen Juan Ramirez geträumt hatte, seit er ein kleiner Junge gewesen war – Dinge, die er in seiner Heimat nie wirklich gefunden hatte.

Vor drei Jahren hatte Eva, Ramirez älteste Tochter, ihre Heimat verlassen und war zu den Gringos in die große Stadt New York gegangen.

Sie hatte dort ihr Glück gefunden – und jetzt, endlich, würden auch Ramirez, seine Frau und seine beiden jüngeren Töchter, das Land der grenzenlosen Freiheit kennen lernen.

Wenn … wenn sie nicht entdeckt wurden!

Besorgt dachte Vater Ramirez an die Grenzkontrolle, die noch vor ihnen lag.

Was, wenn die amerikanischen Grenzposten die Ladung des Trucks überprüften? Dann würde alles zu Ende sein, wofür der alte Kubaner je gearbeitet und gekämpft hatte …

Es war eine aufregende Flucht gewesen. Auf Schlauchbooten hatte man die Auswanderer von Kuba weggeholt und sie auf uralten Kuttern nach Mexiko gebracht. Von dort waren sie auf den Truck verladen worden – vor drei Tagen.

Seitdem saßen sie eng aneinander gekauert in der Dunkelheit. Es gab keine Pausen und keine Unterbrechungen – die Gefahr entdeckt zu werden, war zu groß.

Die Lüftungsanlage blies unaufhörlich Frischluft in den Laderaum, aber sie genügte kaum zum Atmen. Der Gestank von Schweiß und Exkrementen brannte in den Lungen der Flüchtlinge.

Es war eine Qual.

Aber nun näherte ihre Reise sich dem Ende.

Das gelobte Land war nahe. Ramirez konnte fühlen, wie seine schmerzenden Knochen sich erholten und sein gepeinigter Körper neuen Mut schöpfte.

Nur noch über die Grenze …

Er griff in der Dunkelheit nach der Hand seiner Frau. Rita war seine Jugendliebe. Sie war eine liebenswerte Frau und sorgte gut für ihre Töchter.

»Haben wir das Richtige getan?«, flüsterte er in die Dunkelheit hinein.

»Mach dir keine Sorgen, Juan«, gab sie zurück. »Wir tun, was am besten für uns ist – und für unsere Kinder.« Irgendwie wusste er, dass sie lächelte, als sie das sagte.

Rita war eine bemerkenswerte Frau …

Der Truck verlangsamte seine Fahrt, das monotone Brummen des Motors wurde leiser.

Ramirez streckte die Hand aus, konnte das lange, glatte Haar seiner beiden Mädchen fühlen. Er zog sie zu sich heran und presste ihre zitternden kleinen Körper an sich.

Das Geräusch des Motors erstarb.

»Wir haben die Grenze erreicht«, sagte jemand heiser.

»Sei still!«, fuhr ein anderer dazwischen.

Die Flüchtlinge im Truck hielten den Atem an.

Sie konnten hören, dass der Fahrer des Trucks ausstieg, um den Grenzbeamten die gefälschten Frachtpapiere vorzulegen.

Wenn die Gringos nur nichts bemerkten …

Eine Weile lang herrschte atemloses Schweigen. Dann näherten sich Schritte, umrundeten den Truck.

Viele der Kubaner sprachen lautlose Gebete, sandten flehende Bitten zum Himmel. So kurz vor dem Ziel durften sie einfach nicht mehr entdeckt werden …

Der Tritt schwerer Stiefel drang durch die große Ladeluke, die am Heck des Containers angebracht war.

Im Laderaum war es so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören.

Plötzlich ein lautes Geräusch, jemand riss mit Gewalt an der Verriegelung.

Ein Instinkt ließ Ramirez seiner jüngsten Tochter die Hand auf den Mund legen. Der Schrei des Mädchens verschwand in seiner großen Hand …

Die Flüchtlinge warteten darauf, dass jeden Augenblick die Ladeluke geöffnet und grelles Scheinwerferlicht ins Innere des Containers fluten würde, warteten auf die Schreie der Americanos …

Aber nichts von all dem geschah. Die Schritte entfernten sich wieder. Der Grenzbeamte hatte nur den Verschluss der Luke überprüft …

Erleichterung legte sich über die Insassen des Flüchtlingstransports, aber noch wagte niemand, einen Ton zu sprechen. Konnte man dem Frieden trauen? War die Zeit der bangen Furcht wirklich zu Ende?

Erst als die Tür des Fahrerhauses zugeschlagen wurde und der Motor des Trucks wieder röhrend aufheulte, riskierten die ersten Kubaner, hörbar durchzuatmen.

Ein Ruck durchlief das schwere Gefährt, als es seine Fahrt über den Schotter fortsetzte.

Minuten lang herrschte Stille im Laderaum – teils, weil die Flüchtlinge noch immer Angst hatten, doch noch entdeckt zu werden, teils, weil sie ihr Glück nicht fassen konnten.

»Santa Maria! Wir haben es geschafft!«, rief schließlich irgendwer und alle stimmten in den lauten Jubel ein, der in der Enge des Laderaums ausbrach.

Die Menschen lachten und weinten gleichzeitig, als die Anspannung und die Angst der letzten Tage von ihnen wich.

Juan Ramirez steckte seine Arme nach seiner Frau und seinen Kindern aus, küsste sie unter Tränen.

Nun endlich stand ihrem Traum nichts mehr im Wege.

»Wir werden Eva besuchen«, sagte Ramirez immer wieder, »in der großen Stadt der Gringos.«

Der Truck setzte seinen Weg durch die zerklüftete Landschaft der Guadalupe Mountains fort, im Laderaum einhundert Menschen, die sich am Ende ihrer Nöte wähnten und glaubten, alles Leid weit hinter sich gelassen zu haben.

Sie sollten sich irren.

***

»Guten Morgen, Jerry, Phil.«

Mr. High saß wie immer hinter seinem Schreibtisch, als wir gegen acht Uhr morgens sein Büro im FBI-Hauptquartier betraten.

»Ich hoffe, ich habe Sie nicht aus allzu süßen Träumen geweckt«, fügte der Chef mit dem ihm eigenen Humor hinzu, »aber ich brauche Sie beide dringend.«

»Was ist geschehen?«, erkundigte sich Phil, dem deutlich anzusehen war, dass er diesen Sonntag Morgen lieber gemütlich im Bett verbracht hätte – und in anderer Gesellschaft als der unseres Chefs …

»Setzen Sie sich«, bot Mr. High uns die beiden Stühle an, die diesseits des großen Schreibtisches auf uns warteten. »Gestern Nacht wurde in Brooklyn eine Frau ermordet.« Der Chef griff in eine der zahllosen Schubladen, zog eine Aktenmappe daraus hervor und schlug sie auf.

Darin lagen Farbfotos, die von der Spurensicherung angefertigt worden waren.

Phil und ich betrachteten die Bilder schweigend. Bei der Toten handelte es sich um eine Frau mit südländischem Aussehen – wahrscheinlich aus Puerto Rico oder Kuba. Ich schätzte sie auf Ende zwanzig. Eine Kugel hatte sie direkt in die Stirn getroffen und wahrscheinlich sofort getötet. In den weit aufgerissenen Augen der Frau lag eine stumme Anklage.

»Kennen wir ihren Namen?«, fragte ich.

Mr. High nickte. »Ihr Name ist Eva Ramirez. Sie arbeitete als Prostituierte in East New York.«

»Ein Prostituiertenmord?« Phil zog die Augenbrauen hoch. »Das ist doch Sache der City Police. Seit wann ruft die uns um Hilfe?«

Mr. High schüttelte den Kopf. »Der FBI wurde hinzugezogen, weil es sich allem Anschein nach nicht um Raub- oder Triebmord handelte. An Eva Ramirez Leiche wurden keine Spuren von Gewalt oder Misshandlung entdeckt. Auch hat der Täter keinerlei Spuren hinterlassen.«

»Sie wurde ausgeschaltet«, nickte ich, während ich noch einmal die Fotos in Augenschein nahm. »Die Arbeit eines Profis.«

»Das ist auch meine Vermutung«, bestätigte Mr. High. »Auch wenn wir keine weiteren Anhaltspunkte haben – mein Gefühl sagt mir, dass bei der Sache etwas faul ist.«

»Ein Syndikatskrieg?«, vermutete Phil. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass die Zuhälter der Stadt sich eine blutige Fehde lieferten.

Der Chef verzog das Gesicht. »Es wird Ihre Aufgabe sein, das herauszufinden. Fahren Sie zu Eva Ramirez Wohnung. Sehen Sie sich um und klopfen Sie gehörig auf den Busch. Sollte sich da draußen wirklich eine Syndikatsfehde ankündigen, müssen wir den Mörder schnappen, ehe ein blutiger Krieg losbricht.«

Wir nickten. »Verstanden.«

»Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Und halten Sie mich auf dem Laufenden.«

***

Endlich.

Nach drei Tagen, siebzehn Stunden und vierzig Minuten kam der Truck zum Stillstand.

Die Flüchtlinge atmeten auf.

Nachdem das Fahrzeug die Grenze der Vereinigten Staaten so glücklich hinter sich gelassen hatte, hatten alle gehofft, dass ihre leidvolle Odyssee nun bald ein Ende haben würde.

Die hundert Kubaner, die im Laderaum des Fahrzeugs eingepfercht saßen, hatten sich jedoch zu früh gefreut. Weitere zehn Stunden hatten sie ausharren müssen, bis der schwere Lkw sie endlich ans Ziel gebracht hatte.

Ungezählte Male hatte Juan Ramirez seiner Frau und seinen beiden Töchtern über ihr glattes Haar gestrichen und ihnen versprochen, dass die lange Reise bald ein Ende nehmen würde.

Unzählige Male …

Nun, da das Motorengeräusch verstummte, konnte Ramirez sein Versprechen endlich halten.

»Wir sind da«, flüsterte er ungläubig in die spannungsvolle Stille hinein. Dann, lauter: »Santa Maria! Wir sind am Ziel!«

»Endlich!«

»Dem Herrn sei Dank!«

Es schien, als würden die Flüchtlinge aus tiefem Dämmerschlaf erwachen. Während die meisten von ihnen die letzten Stunden auf dem Boden gekauert und lethargisch in die Dunkelheit gestarrt hatten, erfüllte sie die Hoffnung und die freudige Erwartung auf das, was nun vor ihnen lag, mit neuer Kraft.

Die Männer, Frauen und Kinder halfen einander aufzustehen und kamen zitternd auf die Beine.

Die Flüchtlinge griffen nach ihren Gepäckstücken, die ihnen während der langen Reise als Polster und Sitzmöbel gedient hatten.

Ramirez schulterte den alten Seesack, dessen Inhalt alles barg, was ihm und seiner Familie geblieben war. Aber wen kümmerte, was sie hatten zurücklassen müssen? Nun würde ja ein neues Leben beginnen! Ein Leben in Wohlstand und Freiheit …

Wieder näherten sich von draußen Stiefeltritte – aber diesmal sorgte sich niemand mehr darum. Jeden Augenblick würde einer der Männer von der ›X-Trans‹ die Ladeluke öffnen und alles war überstanden. Leid und Angst würden dann endgültig der Vergangenheit angehören.

Von draußen wurde Hand an die Verriegelung gelegt. Die Wände des Laderaums tönten hohl und blechern, als der Riegel zurückgezogen wurde. Ein Scharren von Metall auf Metall und ein dünner Lichtstrahl fiel ins Innere des Laderaums.

Ein Raunen freudiger Erwartung ging durch die Reihen der Flüchtlinge. Sie brannten darauf, das Licht der Sonne wieder zu sehen, das sie so lange entbehrt hatten und das sie nun in einem neuen Leben begrüßen würde …

Die Ladeluke wurde weiter geöffnet.

Gleißendes Licht flutete herein, blendete die Flüchtlinge und schmerzte in ihren Augen.

Das Schott glitt zur Seite und obwohl die Flüchtlinge, die der Öffnung am nächsten standen, außer blendender Helligkeit nichts sehen konnten, sprangen sie von der Ladefläche des Lkw ab, um den Boden ihrer neuen Heimat zu begrüßen.

Die Kubaner lachten und scherzten, schrieen wild durcheinander, während sie dem Ladecontainer des Trucks entstiegen. Die Männer trugen das Gepäck, während die Frauen mit letzter Kraft ihre Kinder im Arm hielten.

Endlich waren auch Ramirez und seine Familie an der Reihe. Der alte Kubaner hielt sich die Hand vor die Augen, um sich vor dem gleißenden Licht zu schützen. Er warf den Seesack hinab, sprang selbst hinterher und half seiner Frau und seinen Kindern beim Absteigen.

Nun erst begannen die Augen der Flüchtlinge sich an die ungewohnte Helligkeit zu gewöhnen. Und sie erkannten, dass es nicht die Sonne war, deren Licht sie geblendet hatte.

Der Truck stand inmitten einer gewaltigen Halle, an deren Decke riesige Scheinwerfer gleißendes Licht abstrahlten.

»Wo … sind wir?«, fragte jemand aus der Menge, aber niemand wusste eine Antwort darauf zu geben.

Stattdessen wurden hektische Schritte hörbar und im nächsten Moment betraten etwa dreißig Männer im Laufschritt die Halle.

Bei ihrem Anblick begannen die Kinder angstvoll zu wimmern.

»Santa Maria«, entfuhr es auch Ramirez.

Diese Männer waren furchterregender als alles, was er bisher in seinem Leben gesehen hatte.

Die Kerle trugen weiße Overalls, die steril und klinisch wirkten und mit ihren hautengen Kapuzen sogar die Köpfe der Männer einhüllten. Vor ihren Gesichtern trugen die Kerle Atemschutzmasken, deren dreieckige Sehschlitze sie wie albtraumhafte Dämonen erscheinen ließen.

Am schrecklichsten aber waren die gefährlich aussehenden Sturmgewehre, die die Vermummten in Händen hielten und wortlos auf die Flüchtlinge richteten.

Die Kubaner standen unbewegt vor Schreck, starrten die schweigenden Kerle aus entsetzten Augen an.

Ramirez war der Erste, der sich ein Herz fasste.

»Was soll das?«, fragte er laut. »Wer sind Sie? Wo sind wir hier?«

Die Vermummten antworteten nicht.

Stattdessen begann einer der Lautsprecher, die zwischen den Scheinwerfern an der Decke angebracht waren, zu schnarren und eine dunkle Stimme meldete sich.

»An alle Einwanderer in die Vereinigten Staaten. Hier spricht die ›X-Transport‹-Corporation. Sie haben den längsten und schwersten Teil Ihrer Reise hinter sich gelassen und sind fast am Ziel. Die US-Einwanderungsbehörde schreibt für alle Immigranten eine Quarantänezeit von fünf Tagen vor. Sie werden diese Zeit hier im Hauptquartier verbringen. Sobald die Quarantäne verstrichen ist und Ihre neuen Papiere vorliegen, können Sie gehen und sind für immer frei.«

Ramirez Blut, das beim Anblick der Bewaffneten in Wallung geraten war, beruhigte sich wieder etwas. Auch den anderen Flüchtlingen schien die Durchsage wieder neuen Mut zu geben. Also war doch alles in Ordnung. Nur für einen kurzen Augenblick hatte es so ausgesehen, als ob …

»Folgen Sie jetzt Ihrer Eskorte zu den Quarantäneräumen«, plärrte die Stimme aus dem Lautsprecher weiter. »Sie werden dort alles bekommen, was Sie brauchen.«

Schweigend setzte sich der Zug der Vermummten in Bewegung und flankierte die Flüchtlinge, als sie die Halle durch einen hell erleuchteten Korridor verließen.

Mehr als einmal sah Juan Ramirez über die Schulter zurück zu dem Gefährt, das sie hierher gebracht hatte.

Ein dumpfes Gefühl sagte ihm, dass er und seine Familie diese Reise nie hätten antreten sollen.

***

Eva Ramirez Wohnung lag im hinteren Teil von East New York, in einem heruntergekommenen Mietshaus, das noch aus den Gründertagen unserer Stadt zu stammen schien.

Phil und ich brachen das Siegel, das die Beamten des New York Police Departments über der Tür zu Evas Wohnung angebracht hatten und traten ein.

Eva Ramirez’ Zuhause unterschied sich in nichts von dem anderer Mädchen, die entlang des Highways ihrer Arbeit nachgingen. Nackte, feuchte Wände, an denen schwarzer Schimmelpilz wucherte, abgenutzte, schäbige Möbel. Die Zuhälter bezahlten ihre Mädchen schlecht und ließen sie in Drecklöchern wie diesem hausen, während sie selbst in Saus und Braus lebten und sich alle nur denkbaren Annehmlichkeiten gönnten.

Ich nahm die kleine Spiegelkommode in Augenschein, die neben dem Bett stand.

Dies war zweifellos Evas Schminktisch gewesen. Ich fragte mich unwillkürlich, wie oft sie davor gesessen und sich für ihre Arbeit zurechtgemacht hatte …

Die Kommode war über und über mit kleinen Fläschchen und Tinkturen übersät – Schönheit war das einzige Kapital, das diese Mädchen besaßen. Dazwischen standen Schwarzweißfotos, die ziemlich vergilbt und altmodisch gerahmt waren. Eines davon zeigte zwei Menschen, einen bärtigen Mann und eine gütig aussehende Frau – wahrscheinlich die Eltern des Mädchens.