Jerry Cotton 3068 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3068 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Gerold Willson sah fürchterlich aus. Phil und ich waren entsetzt, als wir dem Mediziner unseres SR-Teams gegenübersaßen. Wir befanden uns im Bezirksgefängnis von Odessa, Texas, und Gerold stand unter Mordverdacht. Für uns war klar, dass es sich dabei nur um eine abgefeimte Intrige handeln konnte. Wir taten unser Bestes, um Gerolds Unschuld zu beweisen, doch wir hatten es mit einem mächtigen Gegner zu tun, den offiziellen Organen der Stadt Odessa ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Tod steht hinter dir

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Nomad_Soul

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2760-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Tod steht hinter dir

»Cotton«, meldete ich mich und war erstaunt, wer mich so früh im Headquarter vermutete und vor allem sprechen wollte. Denn die angezeigte Nummer sagte mir nicht das Geringste.

»Jerry, ich bin es, Gerold Willson«, hörte ich die angespannte Stimme unseres Pathologen des Scientific Research Team aus Quantico.

»Morgen, Gerold«, begrüßte ich ihn gut gelaunt. »Was ist denn mit Ihnen los? Ich dachte, um die Uhrzeit liegen Sie immer unter einer Sonnenbank«, scherzte ich, da unser Texaner penibel darauf achtete, das ganze Jahr seine Sonnenbräune zu pflegen.

»Jerry, ich habe nur diesen einen Anruf. Ich brauche Hilfe und einen guten Anwalt«, erwiderte er so ernsthaft, dass ich gleich wusste, es war keiner seiner üblichen Scherze.

»Wo sind Sie und was ist passiert, Gerold?«, fragte ich sofort.

»Im Gefängnis von Odessa in Texas. Man hat mich wegen Mordes verhaftet.«

Als Erstes ging ich rüber in Phils Büro. Es war erst halb acht und ich hoffte, er war mittlerweile eingetroffen.

»Morgen«, begrüßte er mich. Er zog gerade den nassen Trenchcoat aus und strich sich durch sein feuchtes Haar. Er sah mich an und runzelte die Stirn. »Was ist denn mit dir los? Du machst ein Gesicht, als wäre dir des Teufels Großmutter begegnet«, scherzte er.

»Genau das. Gerold hat mich gerade angerufen, man hat ihn in Texas verhaftet. Wir müssen ihm helfen, vor allem einen guten Anwalt hier in Washington besorgen«, sagte ich todernst.

»Man hat unseren Leichenfledderer verhaftet«, erwiderte er und schmunzelte. »Was hat er angestellt? Rinder geklaut?«

»Mord«, erwiderte ich nur und sofort wurde Phils Miene ernst.

»Das ist ein Scherz«, kam es erst von ihm, und dann sagte er: »In Texas wird noch die Todesstrafe verhängt. Weißt du schon, was los ist? Was macht er überhaupt in Texas?«

»Rufen wir erst einmal FGF an, vielleicht weiß er mehr. Dann sprechen wir mit Mr High«, schlug ich vor und tippte bereits die Kurzwahl auf Phils Bürotelefon. Frederick Fortesque, Gerolds Kollege und Spezialist für chemische Analysen und Materialkunde, nahm sofort ab.

»Morgen, FGF«, sagte ich. »Es geht um Gerold …« Weiter kam ich nicht, denn er unterbrach mich sofort.

»Ist nicht da, Jerry. Gerold ist für ein paar Tage nach Texas geflogen. Sie müssen auf die Pathologie des Police Department in Washington zurückgreifen. Gerold plante, erst nächsten Freitag wiederzukommen. Aber vielleicht kann ich Ihnen helfen – worum geht es denn?«

»Ich weiß, wo Gerold ist, ich habe gerade mit ihm gesprochen. Er sitzt in Texas im Gefängnis. Die Anklage lautet auf Mord«, berichtete ich ihm sofort, um mir wenigstens seine dummen Sprüche zu sparen. Gerold und Frederick waren als wissenschaftliches Team unschlagbar, doch die beiden ließen keine Gelegenheit aus, um sich gegenseitig verbal zu malträtieren. Ich hielt das zwischen den beiden immer für eine Art Hass-Liebe.

»Um Gottes willen – das kann nicht sein! Wir müssen ihm helfen«, erwiderte er bestürzt.

»Genau das werden wir auch. Wissen Sie, warum er nach Texas geflogen ist?«, fragte ich. Gerold war gebürtiger Texaner, und soweit ich mich erinnern konnte, kam er aus Odessa, eine der texanischen Kleinstädte, etwa dreihundert Meilen westlich von Dallas, die einen verdammt üblen Ruf hatte. Denn die Verbrechensrate in der Stadt war die höchste von ganz Texas und rangierte auf Platz acht der kriminellsten Kleinstädte in den ganzen Vereinigten Staaten.

»Wegen seiner Familie. Soweit ich weiß, ist sein Vater letzte Woche bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Gerold ist gleich am Montag geflogen, da die Beisetzung bereits für Mittwoch geplant war. Wie gesagt, er wollte jetzt am Freitag wieder zurückkommen. Hat mich selbst gewundert, dass er überhaupt so lange bleiben wollte«, berichtete Frederick Fortesque.

»Wieso das?«, fragte ich automatisch.

»Na ja, Gerold ist nicht gerade ein Schwätzer, wenn es um seine Familie geht. Doch er hat mir mal bei einer Flasche Bourbon anvertraut, dass sein Vater den Kontakt mit ihm völlig abgebrochen hat, als er damals zum FBI ging. Eigentlich spricht er nur ab und zu mit seiner Schwester. Der Kontakt mit der Mutter scheint auch nicht der beste zu sein«, berichtete Frederick uns.

»Danke, FGF, wir melden uns«, meinte ich und wollte schon auflegen.

»Moment, Jerry, was planen Sie jetzt?«, fragte er und klang sehr besorgt.

»Wir sprechen erst einmal mit Mr High, dann beauftragen wir die beste Anwaltskanzlei, und wenn unser Chef damit einverstanden ist, fliegen wir sofort nach Texas.«

***

Nachdem wir Mr High informiert hatten, war er unverzüglich zu seinem Kollegen Assistant Director Segal gegangen, der für die Field Operation Section Midwest verantwortlich war, zu der auch Texas gehörte. Ich hatte mich mit Phil um die Anwaltskanzlei gekümmert. Die hier in Washington ansässige Sozietät Rosenfeld-Wahlberg hatte in Dallas ein Büro, und gleich nach unserem Anruf wollte man einen ihrer Spitzenleute von dort nach Odessa schicken.

»Da hat sich Agent Willson ein verdammt schlechtes Timing ausgesucht«, meinte Mr High bekümmert, als er von seiner Besprechung zurückkam. »Assistant Director George Segal kann uns nicht unterstützen, so gerne er das auch möchte.«

»Aber Sir, es muss doch möglich sein, ein paar seiner Agents aus dem Field Office Dallas für Gerolds Fall abzuziehen, auch wenn es offiziell nicht ins Arbeitsgebiet des FBI gehört. Er ist doch immerhin einer von uns«, meinte Phil reichlich empört.

»Natürlich würde er das sofort tun, wie jeder Assistant Director, wenn es um einen unserer Männer geht. Doch vor zwei Tagen hat die Texas State Fair in Dallas begonnen und das geht noch dreiundzwanzig Tage, bis zum 18. Oktober. Das Field Office hat alle Männer dort im Einsatz und sogar noch Ressourcen aus Oklahoma und Louisiana hinzugerufen. Man hat mehrere Terroranschläge angekündigt. Das FBI hat versucht, die Veranstaltung ganz abzusagen, doch die Texaner lassen sich alte Traditionen nicht nehmen.«

»Dann stehen wir alleine in der Sache?«, fragte ich den Chef.

»Ja, fliegen Sie hin, Sie beide. Sehen Sie sich an, was da los ist, und versuchen Sie für Dr. Willson zu tun, was möglich ist. Die Anwaltskanzlei wird sich um die rechtlichen Belange kümmern. Wenn es sich nicht um einen FBI-Fall handelt, haben Sie keine Amtsgewalt. Sie werden außerdienstlich ermitteln müssen«, sagte unser Chef etwas besorgt.

»Das heißt, wir dürfen unsere Ausweise zücken, uns aber nicht wundern, wenn man sie ignoriert. Das wird ein Vergnügen mit den Texas Sheriff’s Office«, bemerkte Phil frustriert.

»Was ist mit unseren Waffen?«, fragte ich Mr High. »Wenn wir schon in den Bundesstaat müssen, in dem so ziemlich jeder Bürger mit einer Schusswaffe rumläuft, wäre mir wohler, wenn wir das auch tun könnten.«

»Na, da berufen wir uns einmal auf den neuen Safety Act, der verabschiedet wurde. Demnach dürfen Bundesbeamte in allen fünfzig Staaten auch außer Dienst ihre Waffe tragen«, erwiderte Mr High.

Das beruhigte mich ungemein, denn Texas war wirklich ein ganz spezielles Pflaster, was den Umgang mit Schusswaffen anging.

»Gehen Sie jetzt packen. Dorothy wird alles Nötige veranlassen, dass Sie von Washington nach Dallas und weiter nach Midland kommen. Halten Sie mich auf dem Laufenden, und falls Sie Hilfe brauchen, wenden Sie sich direkt an mich, ich koordiniere das hier von Washington aus.«

»In Ordnung, Sir«, sagte ich.

»Jerry, Phil – holen Sie Agent Willson da raus«, meinte unser Chef und nickte uns ernst zu.

***

Um 10:33 Uhr starteten wir Richtung Dallas und sollten mit dem Anschlussflug nach Midland gegen 15:00 Uhr Ortszeit dort landen. Irgendwie lief uns die Zeit davon, ich fühlte mich momentan nutzlos, vor allem, wenn ich mir vorstellte, dass Gerold in einer Zelle saß.

Als Polizist oder FBI-Agent in einem Gefängnis war man immer extrem gefährdet, daher hoffte ich inständig, dass die Vollzugsbeamten in Odessa ihn isoliert hatten.

»Mal sehen, ob wir schon etwas in der Mailbox haben«, meinte Phil und klappte seinen Laptop auf.

»Kommst du denn dran?«, fragte ich reichlich naiv, denn ich verfolgte nicht die Neuerungen, was die Datenverarbeitung und ihre Zugänglichkeit in Flugzeugen betraf.

»Auf dem Flug schon. Sobald wir Reisehöhe erreicht haben, schalten sie sogar das WLAN hier in der Business Class ein«, meinte er und loggte sich bereits ein. »Hier ist was von Mr High«, sagte Phil und begann vorzulesen. »Ich habe mit dem Anwalt gesprochen. Zu Agent Willsons Glück war der Anwalt heute Morgen vor Ort. Man hat die Anhörung einfach vorverlegt und Agent Willson hätte fast einen Pflichtverteidiger aus Odessa bekommen. Doch unser Mann war früh genug dort. Die schlechte Nachricht ist jedoch, dass sich der Richter auf keine Kaution eingelassen hat. Agent Willson bleibt in Untersuchungshaft. Sie werden den Anwalt heute noch im Ector-Country-Gefängnis treffen, man erwartet Sie um 16:00 Uhr. Anbei finden Sie die Dokumente, die unser Anwalt, Mr Wendler, bereits für Sie gescannt hat. Viel Glück.«

»Gerold hat einen vorzüglichen Leumund und ist Bundesbeamter. Warum wurde keine Kaution gewährt?«, dachte ich laut.

»Bei einer Mordanklage wird das so gemacht, vor allem, wenn der Staatsanwalt die Todesstrafe fordert. Es wird dann immer unterstellt, dass der Angeklagte zu fliehen versucht«, meinte Phil viel zu sachlich, während ich damit kämpfte, die Vorstellung von Gerold in der Todeszelle aus meinem Kopf zu verdrängen.

»Los, öffne die Dokumente, ich will endlich wissen, was überhaupt passiert ist«, meinte ich ungeduldig. Phil klickte die angehängten Dateien an und fing an sie zu überfliegen.

»Oh, Mann«, brummte er und las still weiter.

»Teilst du deine Informationen auch mal mit?«, raunzte ich ihn ungeduldig an.

»Das sieht nicht gut aus«, sagte er völlig unbeeindruckt von meinem Tonfall. »Gerold soll am Sonntagabend den stellvertretenden Bürgermeister von Odessa mit einem Küchenmesser erstochen haben. Drei Stiche, alle Beweise zeigen auf ihn. Fingerabdrücke waren nur von Gerold auf dem Messer, und es gibt Zeugen, die einen lautstarken Streit zwischen den beiden hörten. Diese Nachbarn haben dann auch den Sheriff gerufen. Das Opfer hat sich trotz der Verletzungen gewehrt und Gerold mit einer Skulptur niedergeschlagen. Die Officers fanden Gerold neben der Leiche, er war bewusstlos und hatte immer noch die Waffe in der Hand. Er selbst hat Blessuren im Gesicht, die ihm das Opfer beigebracht hat. Man vermutet, die beiden haben sich geschlagen, und Gerold hat dann das Messer von Wohnzimmertisch gegriffen und angefangen zuzustechen.«

»Konnten die Zeugen Angaben machen, um was es bei dem Streit ging?«, fragte ich ihn.

»Hm«, meinte Phil und überflog weiter das Verhaftungsprotokoll und die Zeugenaussagen. »Nein, nicht wirklich, sie meinten zwei Männer gehört zu haben, die sich anschrien. Der Name einer Frau muss wohl gefallen sein, eine Eileen. Dann Gepolter und Kampflärm. Das ist alles.«

»Eileen? Wer soll das sein? Vielleicht seine Schwester. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gerold da unten in Texas noch eine Romanze hat«, dachte ich wieder laut.

»Warte mal«, meinte Phil und ich sah, wie er sich in das interne FBI-System einloggte. Dann erschien Gerolds Foto auf dem Bildschirm. Er hatte sich seine Personalakte aufgerufen und scrollte durch das Dokument. »Hier haben wir es, die Schwester Eileen. Moment, das gibt es doch gar nicht«, sagte er und ging zurück zu dem Polizeidokument.

»Was?«, fragte ich.

»Ich fasse es nicht. Gerolds Schwester hat einen Doppelnamen: Eileen Rease Willson, und jetzt rate mal, wie unser Opfer heißt?«, fragte er mich.

»Doch nicht Rease?«

»Gideon Norman Rease. Rease ist ein ungewöhnlicher Name, daher denke ich auch nicht, dass es ein Zufall ist. Gideon Rease ist wahrscheinlich Gerolds Schwager, dann macht es auch Sinn, dass der Name seiner Schwester fiel«, fasste Phil zusammen und schüttelte den Kopf.

»Ach du lieber Himmel, damit wird jeder Staatsanwalt ein Familiendrama daraus machen. Allein schon, dass er sein Schwager war, ist ein Motiv. Familienstreitereien kommen überall vor. Ich hoffe nur, dass dieser Gideon Rease seine Frau nicht geschlagen hat, denn dann sieht die Sache für Gerold wirklich düster aus«, meinte ich und ahnte schon, dass meine Vermutung richtig war.

Wenn Gerold zu dem Schwager gegangen war, weil seine Schwester misshandelt worden war, würde ein Tötungsakt im Affekt vor Gericht nicht standhalten. Dann würde der Staatsanwalt auf geplanten Mord plädieren.

»Jerry, wir kennen Gerold nun schon eine Weile. Kannst du dir einen Grund vorstellen, dass er sich auf eine Schlägerei einlässt?«, fragte Phil zwar, doch ich wusste, worauf er hinauswollte.

»Ja, wenn jemand eine Frau schlägt, und wenn es dann noch seine Schwester ist, dreht er bestimmt durch. Ich befürchte, in dem Fall kommt dann der wilde Texaner bei ihm durch.«

***

Als wir pünktlich landeten und als Letzte die Gangway zum Flugfeld runtergingen, da wir noch auf unseren Waffenkoffer gewartet hatten, schlug uns eine staubtrockene Hitze entgegen. Außer den wenigen vereinzelten Flugzeugen und der Empfangshalle sah man hier meilenweit nichts außer trockenem Land.

Schnell hatten wir bei der Autovermietung einen weißen Chevrolet Tahoe abgeholt, den uns Dorothy dort gebucht hatte. Wir schalteten die Klimaanlage auf Höchststufe, denn die Außentemperatur wurde mit 95 ° Fahrenheit angezeigt und wir waren bereits durchgeschwitzt.

»Wenn wir schon inoffiziell hier sind, dann hätten wir auch auf unsere Anzüge und Krawatten verzichten können«, meinte Phil, lockerte seinen Schlips und setzte die Sonnenbrille auf. Es war eine verdammt trostlose Gegend und ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, wie man hier freiwillig lebte.

Das änderte sich auch nicht, als wir auf der Interstate 20 an Odessa vorbeifuhren, um zum Ector-County-Gefängnis zu kommen. Es dauerte keine dreißig Minuten, bis wir die Strafanstalt erreicht hatten.

»Du lieber Himmel«, meinte Phil, nachdem wir die umzäunten Flachbauten mitten im Nirgendwo erblickten und endlich rechts abfuhren, um auf das Gelände der Vollzugsanstalt zu kommen. Da uns der Anwalt angekündigt hatte, bekamen wir ohne Probleme einen Besucherausweis und stellten den Wagen auf dem Besucherparkplatz ab.

Es waren nur wenige Autos hier, die meisten davon Pick-ups, doch an einem neuen BMW-Modell stand ein kleiner Mann mit teurem Business-Anzug und Brille, das musste der Anwalt sein.

»Mr Wendler?«, fragte ich ihn, nachdem wir zu ihm gegangen waren. Er ergriff sofort meine Hand.

»Ja, ich bin Dr. Willsons Anwalt. Sie sind Inspektor Cotton und Inspektor Decker?«, fragte er und wir beide nickten. »Dann kommen Sie mal, aber erschrecken Sie nicht. Ich war gegen Mittag, nach der Anhörung, noch einmal bei Dr. Willson. Na, Sie werden schon sehen.«

Wir wurden in einen kleinen Verhörraum gebracht und warteten dann noch einmal zwanzig Minuten. Als Gerold reingebracht wurde, trug er einen orangefarbenen Overall, war mit Ketten an den Füßen und Handschellen gefesselt. Der Gefängnisbeamte führte ihn in den Raum und dann kettete er Gerold an den Metalltisch.

Gerold sah fürchterlich aus, sein rechtes Auge war zugeschwollen, er hatte eine aufgeplatzte Oberlippe, und die Wange verfärbte sich ebenfalls in allen Blauschattierungen.

»Mann, ist das von der Schlägerei?«, fragte Phil entsetzt und schüttelte den Kopf.

»Nein, heute Morgen hatte er das blaue Auge noch nicht«, beantwortete der Anwalt die Frage und fügte an: »Mitgefangene haben ihn bereits angegriffen.«

»Moment, Sie sind doch nicht im allgemeinen Vollzug, Gerold?«, fragte ich empört, denn dann wäre er als ehemaliger Bundespolizist Freiwild und konnte froh sein, noch kein Messer zwischen die Rippen bekommen zu haben.

»Nicht nur das. Wie es scheint, hat ein Wärter einigen Insassen zugeflüstert, dass ich ein FBI-Mann bin. Ex-FBI, wie es jetzt aussieht«, erwiderte Gerold leise. Er klang verdammt deprimiert.

»Das ändern wir. Sie bekommen eine Einzelzelle und nehmen dort Ihre Mahlzeiten ein, bis klar ist, wo Ihr Prozess stattfinden wird und Sie verlegt werden können«, sagte ich schnell. Doch Gerold lachte nur müde.

»Der Prozess wird hier in Odessa stattfinden, der Richter hat darauf bestanden. Da er aber mit einigen Fällen beschäftigt ist, wurde angekündigt, dass man erst im Frühjahr nächsten Jahres den Prozess aufnehmen will.«

Wendler blickte uns an, als Gerold das sagte, und nickte zustimmend.

»Gerold soll erst einmal sechs Monate hier bleiben?«, fragte ich eher rein rhetorisch und der Anwalt nickte wieder nur. Auch seine Miene verriet mir, dass es schlimm um Gerold stand. »Das überlebt er nur in Einzelhaft«, sagte ich entschlossen.

»Auch das habe ich beantragt, aber man hat mir gesagt, dass Ector keine Kapazitäten hat, einen Insassen so zu versorgen. Es gibt hier nur Isolierräume, in denen gewalttätig gewordene Insassen eingesperrt werden. Das sind Löcher, ohne Fenster, keine Bücher, kaum Waschgelegenheit. Das habe ich mir selbst angesehen«, erwiderte er.

»Dann muss er verlegt werden«, schlug ich sofort vor.

»Habe ich auch beantragt, doch bevor ein Bundesrichter darüber entscheidet, werden Wochen vergehen.«