Jerry Cotton Sonder-Edition 23 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 23 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Der Winter hatte New York in seinem eiskalten Griff. Doch auch bei Temperaturen weit unter Null, ruhte das Verbrechen nicht. Phil und ich nahmen an einer Großrazzia unter der Leitung von Captain Hywood von der City Police teil. Damit traten wir dem Syndikat ganz schön auf die Füße und schon bald fanden wir die erste steifgefrorene Leiche in einem Hinterhof ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Der eiskalte Tod

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Film: »Der Gejagte«/ddp-images

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2762-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der eiskalte Tod

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

New York City kämpfte gegen die Begleiterscheinungen eines strengen Winters: Rohrbrüche, Serienunfälle wegen Glatteis oder Schneematsch, überforderte Stromnetze und viele andere Widerwärtigkeiten.

Pietro Valdi war 46 Jahre alt. Sein offizielles Einkommen bezog er von vier Beteiligungen an renommierten Nachtclubs. Über sein inoffizielles Einkommen zerbrachen sich die Beamten von der Steuerfahndung seit Jahren den Kopf. In gewissen Kreisen wurde über Valdi allerlei gemunkelt, aber Genaues kam der Polizei nie zu Ohren. Nach außen hin erschien Pietro Valdi als ehrbarer Staatsbürger.

Als er vor dem Taft Hotel in der Seventh Avenue, Ecke 51st Street, aus seinem cremefarbenen Cadillac stieg, sagte er zu seinem Fahrer: »Holen Sie mich um Mitternacht wieder ab! Aber warten Sie gefälligst, bis ich komme! Ich mag es nicht, wenn mich ein Chauffeur rufen lässt.«

»Ja, Sir«, erwiderte der Fahrer. Sein Gesicht blieb ausdruckslos.

Valdi legte im Hotel Mantel und Pelzmütze auf den Garderobentisch und die übliche Dollarnote daneben. Er tat es so seit sechs Jahren und genoss den Vorzug, keine Garderobenmarke aufheben zu müssen. Valdis Mantel kam stets an denselben Haken.

Der Oberkellner im Speisesaal geleitete Valdi mit sichtlichem Respekt zum gewohnten Eckplatz. Ein kurzer Wink genügte, und innerhalb weniger Sekunden erschien einer der jüngeren Kellner und brachte Valdis üblichen Eröffnungstrunk: einen Walker’s DeLuxe Bourbon. Pietro Valdi ließ sich mit einem leisen Seufzer der Zufriedenheit in das weiche Polster gleiten, während er den Empfehlungen des Oberkellners zuhörte, um sich anschließend für heiße Cress Cakes mit Kaviar und Guinea-Henne in Madeira auf Schinken zu entscheiden. Aber der Oberkellner hatte sich kaum entfernt, um die Bestellung ausnahmsweise persönlich an den Chefkoch weiterzuleiten, als auch schon einer der Pagen erschien und sich vor Pietro Valdi verbeugte.

»Verzeihung, Sir«, sagte der Page. »Sie werden am Telefon verlangt.«

Valdi runzelte die Stirn.

»Ich?«

»Ja, Sir. Mister Pietro Valdi.«

»Nichts zu machen, das bin ich«, seufzte Valdi und stemmte sich hoch. »Wo?«

»Das Gespräch liegt in Zelle 4, Sir. In der Empfangshalle, bitte.«

»Okay.«

Valdi griff in die Hosentasche und suchte eine Ein-Dollar-Note aus dem bunten Päckchen von Banknoten, das er nachlässig in die Tasche zurückstopfte. Mit raschen Schritten durchquerte er den Speisesaal, den kleinen Zwischenraum und endlich die Halle, um dann in der mit einer goldenen 4 versehenen Telefonzelle den Hörer aufzunehmen. »Ja, hallo?«

»Mister Valdi?«

»Ja.«

»Ich verbinde, Sir«, sagte die Telefonistin des Hotels. Dann war die Leitung für einen Augenblick tot, bis eine kräftige Männerstimme ertönte: »Sind Sie am Apparat, Mister Valdi?«

»Bin ich. Mit wem spreche ich?«

»Sie sprechen mit Sergeant Callagan von der Unfallabteilung der City Police, Sir. Wir haben Sie gesucht und erfuhren vom Portier Ihres Apartmenthauses, dass Sie wahrscheinlich im Taft zu Abend essen würden.«

»Aha. Aber wieso Unfallabteilung? Hat mein Fahrer einen Unfall verursacht?«

»Nein, nicht Ihr Fahrer, Sir. Ich würde vorziehen, nicht am Telefon mit Ihnen zu sprechen. Bitte, beunruhigen Sie sich nicht! Wir haben noch keinerlei Beweise, dass es wirklich Ihr Sohn ist. Aber wenn Sie vielleicht zwei oder drei Minuten mit mir sprechen könnten?«

»Um Gottes willen!«, presste Valdi erschrocken hervor. »Johnny ist manchmal sehr impulsiv. Es kann gut sein, dass er völlig überraschend beschlossen hat, aus Massachusetts herzukommen. Ich bin völlig durcheinander, Sergeant. Was sagten Sie? Sie wollten mit mir sprechen? Natürlich! Sind Sie in der Nähe? Dann kommen Sie doch herein? Oder?«

»Sir, ich bin ganz in der Nähe, aber meine Kleidung dürfte für das Taft nicht geeignet sein. Ich hatte den ganzen Nachmittag Außendienst. Und bei dem Wetter – na ja, ich würde also vorziehen, wenn Sie einen Augenblick herauskommen könnten, Sir. Wenn Sie sich nach rechts wenden, finden Sie in der ersten Einfahrt unseren Wagen. Vielleicht könnten wir uns hier einen Augenblick unterhalten?«

»Ich komme sofort«, rief Valdi entschlossen, warf den Hörer auf die Gabel und hastete durch die Halle.

***

Als wir abends das Distriktgebäude betraten, hatte ich eiskalte Füße und klamme Finger. In der Halle schlug uns die warme Luft der Klimaanlage entgegen, als klatsche uns jemand einen warmen Lappen ins Gesicht.

Die Uhr in der Halle zeigte auf sechs Minuten vor acht. Der Kollege am Auskunftsschalter hämmerte verbissen auf seiner Schreibmaschine herum. Besucher gab es im Augenblick nicht.

Der Fahrstuhl brachte uns nach oben. Aus einigen Büros hörte man das gedämpfte Klappern von Schreibmaschinen, das Klingeln von Telefonen oder unverständliches Gemurmel.

Wir betraten das Vorzimmer unseres Distriktchefs. Die Sekretärin war um diese späte Stunde natürlich nicht mehr da. Aber die Verbindungstür zum Zimmer von Mr High stand offen, und ein schwacher Lichtschein fiel heraus. Ich hatte noch nicht einmal die Hand zum Klopfen gehoben, da ertönte von drinnen Mr Highs Stimme: »Kommen Sie herein!«

Mr High nickte uns zu und deutete auf die beiden Sessel vor seinem Schreibtisch.

Der Chef fügte zu einer aufgeschlagenen Akte noch eine kurze Randnotiz, klappte dann den Schnellhefter zu und schob ihn zur Seite.

»Captain Hywood von der City Police hat ganz offiziell um FBI-Unterstützung bei einer Razzia gebeten«, erklärte der Chef. »Er meinte, es wäre mit der Möglichkeit zu rechnen, dass bei dieser Aktion Leute überprüft werden müssten, die ihren Wohnsitz in einem anderen Bundesstaat haben, und das ist für uns natürlich einfacher zu bewerkstelligen als für die City Police. Trotzdem frage ich mich, ob unser alter Freund Hywood nicht irgendeinen Hintergedanken dabei hat.«

»Eine Razzia?«, meinte Phil. »Worum geht es denn?«

Der Chef hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Hywood wollte sich nicht näher auslassen. Razzia, das war alles, was er sagte. Und dass es ein paar Stunden dauern könne. Dann trug er seine Bitte um Amtshilfe vor und hatte praktisch schon eingehängt, bevor ich meine Zustimmung richtig ausgesprochen hatte. Hywood lässt Sie um viertel nach acht vor dem Distriktgebäude abholen. Wenn Sie vorher in der Kantine noch etwas Heißes trinken wollen, bleibt Ihnen dafür also gerade noch Zeit.«

Wir standen auf und verabschiedeten uns. Als wir hinausgingen, griff der Chef schon nach der nächsten Akte.

In der Kantine saßen ein paar Kollegen vom Nachtdienst und tranken Kaffee, um die Lebensgeister anzuregen. Phil stellte sich an die Theke und sagte: »Zwei Tassen starken Kaffee, bitte. Wir haben nicht viel Zeit.«

Es war genau 8.15 Uhr, als wir wieder in der Halle waren.

Fast im gleichen Augenblick rollte eine schwarze Limousine vor dem Eingang an der Bordsteinkante aus. Die hintere Tür ging auf, und die Riesengestalt von Captain Hywood schob sich heraus. Der Riese stemmte seine mächtigen Fäuste in die Hüften.

»Nein!«, röhrte er mit Donnerstimme. »Ihr? Sergeant Miller, die Aktion wird abgeblasen!«

Wir grinsten nur. Hywood schlug zuerst Phil und dann mir auf die Schulter. Er hielt das für eine freundschaftliche Form von Begrüßung. Halb gelähmt kletterten wir in seinen Wagen. Vom Armaturenbrett her fiel Licht auf das kantige Gesicht des uniformierten Fahrers. Als ich mich ein wenig vorbeugte, um meinen Mantel zurechtzuziehen, sah ich auf dem freien Vordersitz ein paar sperrige schwarze Gegenstände, die matt schimmerten. Ich blickte genauer hin.

Es waren drei Maschinenpistolen.

2

Pietro Valdi hastete die Straße hinauf. Er achtete nicht auf die grimmige Kälte, die seinen schnellen Atem zu kleinen weißen Wolken gefrieren ließ. Er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, seine Persianermütze und den Mantel von der Garderobe zu holen. Er dachte nur an Johnny, an seinen impulsiven Sohn, mit dem ganz offensichtlich etwas passiert sein musste. Wenn er nur erst wüsste, was geschehen war!

Er kam an die beschriebene Einfahrt. Keuchend starrte er in die schwarze, gähnende Schlucht zwischen den beiden turmhohen Hauswänden. Die Finsternis war undurchdringlich. Zögernd tappte Valdi in die Einfahrt hinein. Wo war der Polizeiwagen? Warum hatten sie nicht die Scheinwerfer eingeschaltet oder wenigstens das Standlicht?

Valdi blieb stehen. Sein Atem ging so schnell, dass er einen Augenblick verschnaufen musste. Schnee knirschte unter seinen blanken Lackschuhen, die viel zu leicht waren für diese Temperatur.

»Mister Valdi?« Die Stimme schien aus dem Nichts zu kommen. Es war die Stimme, die Valdi am Telefon gehört hatte. Aber von wo kam sie?

»Ja?«, rief er in die Dunkelheit hinein und tappte weiter. »Wo sind Sie?«

»Hier hinten, auf dem Hof, Sir. Wir haben ihn hier hergebracht, weil es hier nicht so zieht.«

Valdi spürte, wie sich dumpfer Schmerz in seiner Brust ausbreitete. Hier hergebracht? Ihn? Wen? Seinen Johnny? Valdi blieb wieder stehen und presste die Faust auf das dumpf pochende Herz.

Mit keuchendem Atem hastete er weiter. Die Dunkelheit umgab ihn wie mit einem schwarzen, undurchdringlichen Nebel. Er streckte die Arme aus, um nicht gegen irgendein Hindernis zu rennen.

Dann hatte er die Hausecke erreicht, wo die Einfahrt in den großen Hof mündete. Rechts und links ragten Hauswände empor.

»Mister Valdi?«

Jetzt war die Stimme sehr nahe. Valdi wandte sich nach rechts. Aus dem dichten Schatten des Hauses löste sich die Gestalt eines Mannes und kam näher. Valdi konnte von ihm nicht mehr sehen als den schattenhaften Umriss.

»Ja«, erwiderte Valdi heiser. »Wo ist Johnny? Wo ist mein Sohn? Hat er einen Unfall gehabt? Lassen Sie mich zu ihm! Ich muss ihn sehen.«

Er musste unterbrechen, um Atem zu schöpfen. Der Mann vor ihm sagte tröstend: »Nicht aufregen, Mister Valdi. Ein Arzt ist gerade bei ihm. Im Hausflur. Wir müssen warten, bis der Arzt fertig ist. Er hat mich rausgeschickt. Regen Sie sich nicht auf! Hier, trinken Sie einen Whisky! Bei der Kälte wird er Ihnen bestimmt gut tun.«

Der Mann brachte eine kleine Taschenflasche zum Vorschein. Valdi hörte es gluckern. Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die Finsternis. Hoch über ihren Köpfen gab es zwar viele erleuchtete gelbe Fenster, aber sie lagen zu hoch, als dass ihr Lichtschein bis herab in den Hof hätte dringen können. Valdi griff nach dem Blechbecher und kippte den Inhalt in einem Zug hinunter.

»Noch einen«, sagte der Mann. »Es wärmt auf. Und es beruhigt den Magen. Aufregung schlägt auf den Magen. Glauben Sie mir, Sir!«

Valdi wollte ablehnen, besann sich aber und trank auch den zweiten Becher. »Was ist denn mit Johnny geschehen?«

»Autounfall«, erwiderte der Mann lakonisch. »Aber wir wissen nicht mit Sicherheit, ob es Ihr Sohn ist, Mister Valdi. Er hatte nichts als einen Briefumschlag bei sich, auf dem Ihre Adresse stand. Können Sie Ihren Sohn beschreiben?«

»Johnny ist 1,74 Meter groß. Er hat schwarzbraunes Haar, kurz geschnitten und naturgelockt. Dunkle braune Augen.«

»Dann kann er es gar nicht sein«, sagte der Mann.

»Nein?«, rief Valdi hoffnungsvoll.

»Nein. Da! Trinken Sie noch einen, Sir! Ich kann mir denken, dass Ihnen jetzt ein Stein vom Herzen gefallen ist. Bitte, hier, Sir!«

Valdi kippte den dritten Whisky hinab. Wohlig und warm strömte der Alkohol durch seinen Magen. Es war nicht Johnny, dachte er immer und immer wieder. Nun war alles wieder gut. Es gab nur einen einzigen Menschen, an dem er wirklich hing, an seinem Johnny, und ihm war nichts geschehen.

Plötzlich musste Valdi lachen. »So was Blödes«, meinte er. »Es konnte ja Johnny gar nicht sein. Der ist in seinem verschlafenen Universitätsstädtchen, nicht in New York. Es konnte gar nicht Johnny sein.«

»Trotzdem sollten Sie, nur damit wir ganz sicher sein können, Sir, den Mann einmal anschauen. Wäre Ihnen das recht, Sir?«

»Selbstverständlich, Sergeant. Ich will Ihnen gern helfen.«

»Kommen Sie!«

Irgendwo in der Dunkelheit gab es eine Tür, die mit einem leisen Quietschen aufging. Dahinter war Finsternis. Valdi tastete sich durch die Tür und hörte, wie sie hinter ihm mit einem leisen Quietschen ins Schloss fiel. Er blieb stehen, denn er konnte die Hand vor den Augen nicht mehr sehen.

Da traf ihn jäh und unerwartet das grelle Licht aus einem starken Stabscheinwerfer. Valdi schloss geblendet die Augen.

»Trinken Sie!«, sagte die Stimme des unbekannten Mannes, den Valdi für einen Sergeant von der Unfallabteilung der City Police hielt.

Blinzelnd öffnete Valdi die Lider. Er sah die Taschenflasche, die ihm aus der Finsternis her entgegengestreckt wurde. Eine schmale Männerhand hielt die Flasche. Die Hand steckte in einem grauen Wildlederhandschuh.

»Was?«, fragte Valdi verwirrt. »Was soll ich?«

»Trinken!«

Die Stimme war plötzlich anders. Sie wirkte nicht mehr routiniert freundlich, sie klang jetzt herrisch. Irgendetwas Drohendes lag in ihr.

Valdi schüttelte den Kopf. »Warum? Ich kann mich doch hier nicht be …«

»Doch!«, fiel ihm die Stimme ins Wort. »Sie wollen trinken! Und Sie werden trinken! Ich habe eine Pistole auf Sie gerichtet.«

»Ich …«

»Sauf, zum Teufel!«, zischte die Stimme. »Oder ist dir eine Kugel lieber?«

Valdi verstand überhaupt nichts mehr. Zögernd griff er nach der Flasche und setzte sie an. Er nahm einen tüchtigen Schluck.

»Austrinken!«, befahl der Unbekannte, der im Schutz der Dunkelheit unsichtbar blieb, während Valdi erbarmungslos von dem starken Lichtkegel des Stabscheinwerfers getroffen wurde.

Die Stimme klang ungeduldig. Valdi nahm den nächsten Zug und sah, dass die Flasche schon fast leer war. Er zuckte die Achseln. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass er sich eine gehörige Portion Whisky zugemutet hatte. Er trank aus.

»Hier!«, sagte die Stimme.

Valdi riss die Augen auf, als eine zweite Taschenflasche im Lichtschein der Lampe erschien. Mochten diese kleinen, flachen Flaschen auch nicht viel enthalten, so war Whisky doch immerhin ein scharfes Getränk, und Valdi hatte noch nicht zu Abend gegessen.

Valdi machte eine seltsam kraftlose Bewegung. Er wollte etwas sagen, unterließ es aber und schraubte die zweite Flasche auf. Er zog mit den Zähnen den kleinen Korken heraus, spie ihn in die Finsternis hinein und setze die Flasche an.

Er trank zwei Drittel der zweiten Flasche, ohne abzusetzen. Dann wischte er sich mit dem Handrücken über die feuchten Lippen. Ein schwaches Grinsen erschien auf seinem Gesicht. Es war Valdi nicht bewusst, dass der Alkohol schon zu wirken begann.

»Cheers«, sagte er und prostete mit der Flasche mitten in den Lichtkegel hinein. »Die Marke ist gar nicht übel. Ich habe zwar schon besseren Whisky getrunken, aber den hier brauche ich ja nicht zu bezahlen. Prost!«

Er leerte den Rest aus der Flasche. »Zufrieden?«, fragte er und stellte die leere Flasche auf die Treppe. »Ist das jetzt genug?«

»Hier«, sagte die Stimme. Eine dritte Flasche wurde sichtbar.

»Cheers«, sagte er und setzte die dritte Flasche an den Mund. Er trank die dritte Taschenflasche aus, und als er damit fertig war, spürte er, dass er anfing, betrunken zu werden. Aber er musste noch eine vierte austrinken. Als er mit der fünften anfangen sollte, musste er zum ersten Male würgen.

»Stopp!«, sagte sie Stimme sofort und verlangte die bereits geöffnete Flasche zurück. Erleichtert streckte Valdi den Arm aus. Jetzt hatte er wirklich genug. Nun war er betrunken, fing an müde zu werden und fragte sich nur noch ganz weit hinten in seinem Bewusstsein, was nun wohl kommen würde.

»Setzen Sie sich hin!«, befahl die Stimme.

»Hi-hinsetzen?«, lallte Valdi mit schwerer Stimme. »I-ist mir recht.«

Er ließ sich auf die eiskalte Betonstufe plumpsen. Seine Beine waren wie aus Gummi und zugleich schwer wie Blei. Die Müdigkeit kroch in ihm hoch und hängte sich an die Augenlider. Er stemmte die Ellenbogen auf die Knie und legte das Gesicht in die Handflächen.

Ab und zu nickte er ein, rutschte mit einem Ellenbogen ab und schrak auf. Der Mann, der die Lampe hielt, wartete geduldig. Nach fast einer Stunde weckte er Valdi auf, setzte ihm die angefangene Flasche an den Mund und zwang ihn, sie auszutrinken.

Dann legte er sich einen Arm von Valdi um die Schultern und schleppte den Betrunkenen hinaus in die Dunkelheit auf den weitläufigen Hof. Ohne von der Taschenlampe Gebrauch zu machen, schleifte er den halb bewusstlosen Valdi hinter sich her.

Weit hinten auf dem Hof gab es einen freien Platz, der gegen die Einfahrt durch eine Garagenreihe abgeschirmt war. Dort ließ er Pietro Valdi in den Schnee fallen. Valdi grunzte etwas Unverständliches und schlief weiter.

Über den weiten Hof pfiff leise der eisige Nordwind. Das Thermometer neben dem Eingang zum Taft Hotel zeigte auf 14 Grad Celsius unter Null. Es sank im Laufe der Nacht bis auf 19 Grad.

***

»Schweres Geschütz«, sagte ich und zeigte auf den freien Vordersitz. »Drei Maschinenpistolen? Jetzt lassen Sie aber endlich die Katze aus dem Sack, Hywood!«

Der Riese, der sich nach Phil und mir auf die Rückbank der Dienstlimousine gezwängt hatte, schlug sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel, dass es laut knallte. Er schien sehr vergnügt zu sein.

»Nur für den Fall der Fälle«, sagte er.

»Captain«, mahnte Phil sanft, »wenn Sie uns schon zu einem Unternehmen mitschleppen, bei dem Sie damit rechnen, dass wir Tommy Guns brauchen können, sollten Sie uns dann nicht etwas über Art und Ziel dieses Unternehmens sagen?«

»Die Helden werden neugierig«, röhrte der Captain in einer Lautstärke, die bei ihm der normale Umgangston war. »Na schön, hört zu: Da gibt es eine Spielhölle in der 62nd Street. Wir haben sie seit ungefähr acht Monaten heimlich im Auge behalten. Der Betrieb ist in der letzten Zeit unheimlich angewachsen. Jetzt kommen schon Leute aus Connecticut, aus New Jersey und sogar von Massachusetts herüber, um hier ihr Geld loszuwerden.«

»Das ist alles?«, fragte ich, lehnte mich zurück und schob mir den Hut so weit in die Stirn, dass die Krempe auf der Nase auflag. »Und für so etwas brauchen Sie FBI-Unterstützung?«

»Brauchen?«, brüllte Hywood empört. »Ich brauche gar nichts. Aber ich will vorbeugen. Wenn wir die Leute aus den benachbarten Bundesstaaten überprüfen und sie sich nicht ausweisen können, müssen wir sie erst einmal ein paar Stunden einsperren, bis wir uns vergewissert haben, ob ihre Angaben stimmen.«

»Das heißt«, seufzte Phil, »Sie laden uns die Überprüfung der Leute aus den benachbarten Bundesstaaten auf.«

Ich schob meinen Hut mit dem Zeigefinger wieder hoch. Hywood verschwieg uns etwas. Und es war offensichtlich, dass er vor seiner Aktion nicht darüber sprechen wollte. Das machte mich langsam neugierig. Andererseits hatte ich genügend Vertrauen zu Hywood, dass ich nicht im Geringsten fürchtete, er könne uns in etwas hineinziehen, was nach den Bundesgesetzen für uns nicht zu verantworten war.

Wir fuhren über den Columbus Circle und den Broadway hinauf. Einen Block weiter bog der Fahrer nach links ab in die 61st Street westlich des Central Park. Dicht an der Ecke zur Columbus Avenue hielten wir an. Auf beiden Seiten der Straße standen schwarze Autos hintereinander.

Ich wunderte mich wieder einmal, warum die meisten Wagen der Kriminalabteilung schwarz sind. Jeder Anfänger von einem Gangster, der hier vorbeikam, konnte sich an den fünf Fingern abzählen, dass sich hier große Polizeikräfte sammelten.

Als wir aus dem Wagen stiegen, packte die Kälte mit gierigen Klauen nach uns. Der erste Atemzug drang einem wie flüssiges Eis in die Lungen. Der Atem gefror einem noch auf den Lippen.

»Wartet einen Augenblick!«, sagte Hywood. Seine Stimme war fast leise. Phil und ich sahen uns erschrocken an. So vorsichtig hatten wir den Captain noch nie erlebt.

Wir vertraten uns die Füße. Ich warf einen Blick auf die Uhr und sah, dass es ungefähr Viertel vor neun war. Für eine Razzia in einer geheimen Spielhölle schien es ein sehr früher Zeitpunkt.

Als wir zu Hywoods Limousine zurückkamen, war der Captain noch dabei, von einem Polizeiwagen zum anderen zu gehen und letzte Instruktionen zu geben. Wir kletterten in den geheizten Wagen und warteten.

Hywood kam zurück und kletterte ächzend zu uns in die Limousine. Er klatschte seine Hände gegeneinander, zupfte sich die Handschuhe von den Fingern und blies in die Fäuste.

»Saukälte«, knurrte er.

Träge kroch der Sekundenzeiger über das Zifferblatt.

Um 8.50 Uhr sahen wir die erste Gruppe von Detectives aus einem der Wagen steigen und langsam die Straße hinabgehen. Sie unterhielten sich laut und lebhaft.

Wenig später gingen auf unserer Seite der Straße zwei andere Detectives schweigend vorbei. Und von nun an riss der Strom nicht mehr ab. Die Zeitabstände zwischen den einzelnen Gruppen waren verschieden, und deren Stärke wechselte.

Aber alles ging offenbar nach einem minutiös festgelegten Plan. Ich drückte zufrieden meine Zigarette im Aschenbecher aus. Exakte Vorbereitung kann entscheidend sein für Erfolg oder Misserfolg solcher Aktionen.

»Wir gehen als letzte«, erklärte Hywood nach einer Weile. »Und wir nehmen die Maschinenpistolen unter die Mäntel. Ach ja – was ich noch sagen wollte; glaubt nicht, dass es ein Spaziergang werden wird! Von dem Augenblick an, wo ich die Tommy Gun unter dem Mantel hervorhole, müsst ihr auf alles gefasst sein.«

»Also auch auf eine wilde Schießerei?«, erkundigte sich Phil.

»Genau. Unter Umständen sogar auf ein richtiges Feuergefecht.«

»Scheint ja eine tolle Spielhölle zu sein, bei der man mit so etwas rechnen muss«, murmelte ich. Aber Hywood ließ sich zu keiner weiteren Erklärung verlocken.

Um 9.25 Uhr gab Hywood die Maschinenpistolen an uns aus. Er nahm die dritte und sagte: »Ab geht die Post!«

Wir stiegen aus. Die Tommy Guns klemmten wir mit dem Ellenbogen unter dem aufgeknöpften Mantel fest gegen die Hüfte. Jeder hatte von Hywood zwei Reservemagazine zu je 50 Schuss erhalten. Stumm und schnell gingen wir die Straße entlang, wandten uns einen Block weit nach Norden und überquerten den Broadway. Die Lichterkette der Autoschlangen riss nicht ab.

Hywood war einen halben Schritt vor uns. Wir hatten die Mantelkragen hochgeschlagen, die Hände in die Taschen gestopft und den Hut tief in die Stirn gezogen. Bei der Kälte fiel das nicht auf. So liefen fast alle herum.

Vor einer schmalen Tür in der langen Front der 62nd Street blieb Hywood stehen.

»Wir sind wahrscheinlich ein oder zwei Minuten zu früh dran«, knurrte der Riese, und wir wunderten uns wieder einmal, wie leise er sein konnte, wenn er es nur wollte. Wir warteten.