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Jesus, durch eine eigentümliche Vision heimgesucht, begibt sich auf spirituelle Suche. Er schließt sich einer Handelskarawane, die auf der Seidenstraße Richtung Taklamakan-Wüste in Zentralasien zieht, an. Damit beginnt eine abenteuerliche Reise ins Ungewisse, in der sich folgenreiche Abgründe auftun. Auf rätselhafte Weise trifft Jesus in der usbekischen Stadt Samarkand auf ein altes indisches Dokument, das ihn schlussendlich zu einem Hindu-Kloster lockt. Doch zuvor gilt es, tiefe Schluchten und zerklüftete Berge mit einer menschenfeindlichen Vegetation in Begleitung von Wandermönchen zu überwinden. Auf dem entbehrungsreichen Weg und unter übermenschlichen Anstrengungen hofft Jesus, im Kloster schlussendlich den Zustand von Erleuchtung, das unbedingte und dauerhafte Glück zu erfahren, sich mit dem Geist der Natur zu verbinden. Jesus, der Sohn des anderen, ist ein spannender und unterhaltsamer Roman. Er erzählt von tiefer Zuneigung und vom leidenschaftlichen Feuer zweier Menschen aus gegensätzlichen Kulturkreisen, aber auch von Leid und Entbehrung. Er beinhaltet eine große, vielschichtige Bandbreite des menschlichen Seins.
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Seitenzahl: 143
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Prolog
Kapitel 1
Die Karawane
Die geheimnisvolle Botschaft
Kapitel 2
Die Hindu-Mönche
Kapitel 3
Die Überquerung
Der Schneeleopard
Die Nacht der Erkenntnis
Der göttliche Auftrag
Die Banditen
Kapitel 4
Der Bergtempel
Verrat mit schwerwiegenden Folgen
Tempelleben
Kapitel 5
Sheela Kaur
Die Begegnung
Kapitel 6
Das Mantra
Das geheime Wissen
Ein neues Leben
Kapitel 7
Die Anschuldigung
Das Fasten
Der Blinde
Kapitel 8
Der Schierlingskelch
Du hast alle Karten in der Hand,
du musst nur die richtige wählen.
Das Geräusch ließ Josef erschrecken und riss ihn aus seinem morgendlichen Gedankenstrom. Was für ein seltsamer Laut! Er fuhr ihm durch Mark und Bein.
Ein verletztes Tier?
Eine Sinnestäuschung?
Nein, es klang wie der Ruf eines verlorenen Menschen. Doch der Gedanke verflog so schnell, wie er gekommen war. Die feuchte, morgendliche Kälte kroch ihm von unten in sein Baumwollgewand und breitete sich schnell im ganzen Körper aus, ließ ihn frösteln. Warum auch um Himmels willen sollte sich ein Mensch in aller Herrgottsfrühe hierher verirren?
Joseph beschleunigte seinen Schritt. Die Ziegenledersandalen, die durch zwei gegenläufige, dünne Bänder an seinen Schienbeinen festgebunden waren, wärmten auch nicht wirklich und seine Lunge fühlte sich inzwischen wie vereist an.
Um diese Jahreszeit stiegen hier in Palästina die Temperaturen erst nach Sonnenaufgang auf ein angenehmes, erträgliches Maß an.
Die weißen Nebelbänke lagen noch ruhig über dem Ufer des Kishon und hüllten wie ein übergroßes Bettlaken alles in sich ein. Joseph wusste, dass sie sich gleich mit den ersten Sonnenstrahlen lautlos heben und wie süße Zuckerwatte im Mund eines Kindes in ein paar Minuten in nichts auflösen würden.
Das morgendliche Ritual, vor Sonnenaufgang am Ufer des Kishon zu Gott beten, hatte in seiner Familie eine lange Tradition. Schon sein Großvater wie auch sein Vater Jakob zelebrierten es ausnahmslos täglich. In Zwiesprache mit dem Herrn und Schöpfer wurden in der morgendlichen Ruhe am Ufer des Kishon Wünsche ausgesprochen. Verfehlungen vom Vortage, aber auch die positiven Seiten wurden Gott gedankt, Besserung gelobt und ebenso der vor ihnen liegende Arbeitstag verplant.
Vor einigen Jahren hatte er von seinem Vater die Baufirma mit über 15 Angestellten, Handwerkern, Zimmermännern, Maurern und Schreinern, übernommen. Bei großen Projekten wurden je nach Bedarf auch immer wieder Tagelöhner eingestellt.
Seit mehreren Generationen lag das Unternehmen in den Händen der Familie, die aus dem messianischen Stamm Davids hervorging, hatte sie zu Wohlstand und somit auch in die führende Klasse erhoben.
Mit der Leitung wurde somit auch die gesamte Verantwortung auf ihn übertragen und Jakob, sein Vater, hatte sich langsam auf sein Altenteil zurückgezogen.
Doch Jakob, Josefs Vater, konnte nicht lange seinen wohlverdienten Ruhestand genießen. Gott holte ihn schnell und unverhofft zu sich.
Josefs Mutter Johanna, die bei seiner schwierigen Geburt das Zeitliche gesegnet hatte, hinterließ bei seinem Vater einen tiefen Spalt des Verlustes, an dem er sein ganzes Leben lang zu kauen hatte, daran schlussendlich zerbrach.
Josef, der ohne fürsorgliche Mutterliebe heranwuchs, suchte Ersatz bei seinem Thora-Lehrer. Durch den Wohlstand der Familie war eine gute Ausbildung für Josef finanziell gegeben, was zu dieser Zeit eher eine Seltenheit darstellte. Nur wenige waren des Lesens und Schreibens mächtig. So wurde Josef ab dem sechsten Lebensjahr von einem Thora-Lehrer in einer Synagoge, dem Bet- und Versammlungshaus der Juden, täglich unterrichtet. Er lernte nach und nach die hebräischen Buchstaben schreiben und lesen. Voller Stolz zelebrierte er vor seinem Vater seine Fortschritte, las er doch schon bald jeden Abend aus der Thora, der wichtigsten Schrift im Judentum, laut und deutlich vor. Dabei zeigte sein Gesicht eine Mischung aus Stolz und Aufregung.
Dem kleinen Josef, einem gelehrigen Schüler mit einem unstillbaren Wissensdurst, war damals das große Privileg einer umfassenden Ausbildung, das er damit genoss, noch gar nicht bewusst. Zu dieser Zeit konnten nur wenige schreiben und lesen. Die teure Tinte, Federn und Pergament konnte sich nur eine kleine Minderheit von Privilegierten leisten. Zur Übung wurde meist mit einem Stock oder den Fingern in den Sand geschrieben.
Jede freie Minute versuchte Josef mit seinem Vater zu verbringen. Schnell war klar, dass er auch zu einem geschickten Handwerker heranwuchs. Jakobs Vaterstolz konnte jeder sehen und spüren und er machte kein Hehl daraus, auch wenn es nach der Thora eine Sünde sein sollte, zu viel Stolz an den Tag zu legen. Ja, mit der Demut hatte er es nicht so.
Auch die Streitgespräche, die Josef mit seinem Vater oft führte, waren in einer Zeit der Unterwürfigkeit eine Besonderheit.
„Papa, ich verstehe nicht, warum Gott gesagt haben soll, macht euch die Welt untertan. Ich finde diesen biblischen Spruch anmaßend. Hierbei geht es doch um Gewalt und Nichtachtung von Gottes Schöpfung!“
Es war seine Art, hinter die Dinge zu blicken und sie zu hinterfragen. Dies wurde von dem Thora-Lehrer nicht immer gerne gesehen, verschlug ihm manchmal sogar die Sprache.
Dann, mit Vollendung des dreizehnten Lebensjahres, kam für Josef eines der wichtigsten Ereignisse im Leben eines jüdischen Jungen, die Mizwa-Feier. Heute ist dies ein wenig zu vergleichen mit der Erreichung der Volljährigkeit. Mit dieser Feier wird der Junge in die Gemeinde aufgenommen und ist damit religionsmündig, muss und darf in der Gemeinde mitarbeiten und ist für sein Handeln eigenverantwortlich.
Viele Jungen heirateten damals schon in diesem zarten Alter. Genauso wichtig im Judentum war und ist in Palästina die Beschneidung der kleinen Jungen, acht Tage nach der Geburt. Die Beschneidung ist ein Symbol dafür, dass der Junge in den Bund Gottes mit seinem Volk aufgenommen und er dadurch auch zu „Abrahams Sohn“ wurde bzw. wird. Diese jüdischen Rituale und Bräuche strukturieren das Leben eines jeden Juden.
Nach dem Tod seines Vaters lebte Josef zusammen mit einer unverheirateten Tante, die die Hausarbeiten verrichtete, alleine im herrschaftlichen Haus.
Zu dieser Zeit gehörten normalerweise zu einer Familie nicht nur Vater, Mutter und Kinder, sondern auch Großeltern, unverheiratete Tanten oder jüngere Geschwister des Mannes.
Doch diese gab es nicht mehr, waren entweder schon gestorben oder führten einen eigenen Hausstand.
Die unverheiratete Tante war eine zuverlässige Hilfe, kochte ausgezeichnet und erledigte die Arbeiten im Haus. Und doch fühlte Josef sich oft alleine, manchmal auch überfordert, wünschte sich sehnlichst eine Frau, mit der er sich austauschen und seine Probleme besprechen konnte, doch diese war ihm bislang nicht begegnet.
Seine Eltern hatten für ihn schon kurz nach seiner Geburt, wie hier seit Generationen Usus, eine Frau ausgesucht. Die Herkunft dieser besaß die höchste Priorität.
Sie musste aus einer gehobenen, unproblematischen Familie, also einer Familie, die seit Generationen in Harmonie lebt, stammen. Die Erbsünde, die Unbeflecktheit, sollte durch die Herkunftsfamilie möglichst gering gehalten oder gänzlich ausgeschaltet werden.
Die Religion der Urväter nämlich besagte, dass eine unbefleckte Geburt das Leben derjenigen Menschen sehr bereichere und sich auf alle im Umfeld Lebenden, insbesondere auf die Kinder und Enkel immer wieder übertrage. Egoismus, Nationalismus, ja auch Gewalt würden somit reduziert und eine bessere Welt könne geschaffen werden.
Maria, Tochter von Eli, die Josef längst versprochen war, hatte sich aber sehr früh in einen anderen Mann verliebt. Somit war es nie zur Vermählung mit ihr gekommen. Das Versprechen war vor Jahren aufgelöst worden. Zum Leid von Josef, denn Maria war für ihn seit Kindesbeinen eine ganz besondere Frau. Ihr Aussehen, ihr ganzes Wesen berührte Josefs Herz, doch er wusste um die Sinnlosigkeit eines Kampfes um die Liebe, wenn eine Frau einen anderen liebt.
Und so blieb er alleine. Wann sollte er auch auf Brautschau gehen? Den einzigen freien Tag in der Woche, den Sabbat, widmete er Gott mit Gebeten in der Synagoge und am Nachmittag wurde jeweils schon die kommende Arbeitswoche geplant. Er war voll und ganz mit seinem Unternehmen ausgelastet und fiel abends meist ohne Übergang in einen tiefen und traumlosen Schlaf.
Und dann sah er sie, wie sie langsam, wie in Trance, Schritt um Schritt ins reißende Wasser des Kishon stieg. Auch wenn er sie nur von hinten erblicken konnte, wusste er sofort, es ist Maria. Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren und war doch wie gelähmt.
„Neiiiiin! Bleib stehen, tue es nicht! Bitte“, schrie er angstvoll und voller Entsetzen, lief ohne zu überlegen wie von der Tarantel gestochen los.
Es ging um Leben und Tod. Dabei spürte Josef nicht, wie er sich immer wieder die Füße an den großen, am Ufer angeschwemmten Steinblöcken stieß und Blut in dünnen Rinnsalen in die Sandalen lief.
Das Wasser reichte ihr schon bis zur Hüfte und es konnte sich nur um Sekunden handeln, bis die Strömung sie mitreißen und für immer verschlingen würde.
Die Angst um sie steigerte sich in ihm ins Unendliche. Flink wie ein Wiesel sprang er über die Hindernisse, das angeschwemmte Holz, die Steine, bis er das Wasser erreichte.
Zu spät!
Im selben Moment wurde Maria von den Wassermassen mitgerissen.
Josef sprang kopfüber in den Kishon, hatte sie mit einigen kräftigen Schwimmzügen schnell erreicht und griff beherzt nach ihr. Er bekam sie zuerst von hinten an ihren langen, kräftigen, schwarzen Haaren zu fassen und griff dann blitzschnell mit der anderen Hand um ihren Hals.
Dabei achtete er darauf, dass ihr Kopf über Wasser blieb, sie kein Wasser schluckte. Mit beiden Füßen strampelte Josef wie wild, versuchte sie im Schlepptau ans Ufer zu ziehen.
Doch es war erfolglos!
Er konnte sich noch so anstrengen, gegen die Urgewalt des Wassers ankämpfen, die reißende Strömung war einfach zu übermächtig.
Hinter der nächsten Biegung sank das Flussbett terrassenförmig ab und war dazu noch durch dicht in den Fluss geschobene Felsen wesentlich verengt. Mächtige Felsblöcke lagen über das ganze Flussbett verstreut im tobenden Wasser. In hochstiebenden Schaumfontänen brach es sich an den Felsblöcken, als wolle es die lästigen Giganten aus seinem Bereich hinwegschleudern, fortspülen, einfach loswerden. Und Josef war sich bewusst, er musste vor diesen Stromschnellen das rettende Ufer mit ihr erreichen, sonst war es um ihrer beider Leben geschehen.
Josef wusste, dass sie nicht schwimmen konnte, und redete beruhigend auf sie ein, doch in Wirklichkeit redete er mit sich, musste seine Nerven beruhigen. Sie nahm von alledem nichts mehr wahr, war weggetreten, apathisch.
Inzwischen waren sie schon ein paar Hundert Meter flussabwärts auf die besagte Stelle, an der der Kishon in einem scharfen Bogen nach rechts abknickt, abgetrieben. Die starke Strömung schaufelte sie wie durch ein Wunder auf die Außenseite des Flussbogens und Josef verspürte plötzlich wieder rettenden Grund unter seinen Füßen.
Maria hatte zwischenzeitlich das Bewusstsein verloren. Mit beiden Händen griff er dem leblosen Körper unter die Schultern und zog ihn Kopf voraus wie ein Stück schwimmendes Holz hinter sich her zum Ufer. Peinlich genau achtete er auch hier darauf, dass ihr Gesicht stets über Wasser blieb. Außer Atem hievte Josef Maria ganz vorsichtig aus dem Wasser, zog sie die flache Uferböschung hinauf.
Im Augenblick herrschte in seinem Kopf ein Chaos, er konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen. Alles überschlug sich in seinem Gehirn.
Josef atmete ein paarmal tief durch und zwang sich und die vielen Gedanken, die sich wie Tausende von Ameisen gleichzeitig in alle Richtungen bewegten, zur Ruhe.
Die Ereignisse waren unwillkürlich ohne vorherige Ankündigung über ihn hereingebrochen. Das Ganze wäre schon schlimm genug gewesen, wenn es sich um eine ihm fremde Person gehandelt hätte. Aber dass es gerade Maria, seine verlorene Liebe, sein musste, hatte ihm einfach, im wahrsten Sinne des Wortes, den Boden unter den Füßen weggerissen.
So lag sie nun ruhig und anmutig wie ein Engel mit nass verklebtem, langem, schwarzem Haar über dem Gesicht da, gab ihre ungezügelte Schönheit preis. Ja, sie ist mit ihrer leicht gebogenen Nase, den dunklen, üppigen Augenbrauen, dem etwas ovalen, aber gut geschnittenen Gesicht und ihren vollen und sinnlichen Lippen wunderschön, sinnierte Josef. Vorsichtig strich er ihr mit der Hand liebevoll die nasse Strähne aus dem Gesicht und war versucht, sie zu küssen.
Dann fiel ihm unwillkürlich auf, dass sich unter dem noch vor Wasser triefenden Baumwollkleid ihr Bauch rund wie eine Kugel nach außen wölbte.
Zuerst konnte er sich keinen Reim darauf machen und versuchte es gedankenversunken glatt zu ziehen. Aber dies war keine Falte im Kleid, nein, es war ihr Leib. Und es ließ sich nicht glätten.
Sie hat doch kein Wasser geschluckt und …, kam es ihm plötzlich in den Sinn, verängstigte Josef abermals. Doch dem war nicht so, musste er feststellen, nachdem er nochmals ihren Bauch ganz vorsichtig abtastete.
Dann, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, schoss es ihm durch den Kopf:
Mein Gott, sie ist schwanger!
„Was ist geschehen?
Ahhh …Josef, duuu …, ääähhhm, was mache ich hier?“, fragte sie verwirrt mit etwas belegter Stimme, nachdem sie verdutzt die Augen geöffnet hatte.
„Beruhige dich, Maria“, sprach er mit ruhiger, gleichmäßiger Stimme auf sie ein. Josef versuchte seine Nervosität mit einer gespielten Gelassenheit zu verbergen und strich ihr liebevoll über die Wange.
„Kannst du aufstehen, Maria“, fragte er sie, noch ein wenig gedankenversunken, „oder soll ich Hilfe holen?“, fügte er nach einer kleinen Sprechpause beklommen hinzu.
„Ja, ich glaube schon, du musst mich nur ein wenig stützen! Ich fühle mich schwach“, kam leise die Antwort, in der Unsicherheit und Angst mitschwangen.
„Danke, Josef“, sagte Maria und nahm vorsichtig einen kleinen Schluck Tee aus der dampfend heißen Tasse. Ihre bläulichen Lippen zitterten vor Kälte und Aufregung immer noch wie Espenlaub.
Nachdem sie wieder zu Bewusstsein gekommen war, hatte Josef sie untergegriffen und in sein Haus, das nur ein paar Hundert Meter vom Fluss entfernt lag, gebracht. Sie war jedoch so schwach und zitterig auf den Beinen, dass sie mehrere Pausen einlegen musste, um neue Kräfte zu sammeln.
Er hatte ihr trockene Kleidung von seiner Tante gegeben.
Das massiv gemauerte Haus bestand aus mehreren Räumen und große Fensteröffnungen erhellten jedes einzelne Zimmer. Man konnte den Reichtum in diesem Gebäude förmlich riechen.
Die Häuser zu dieser Zeit waren normalerweise klein und sehr einfach aus grob behauenen Steinen, mit Lehm und Kies vermauert, gebaut. Diese Hütten hatten meist nur wenige, kleine Fensteröffnungen, die sehr hoch oben in den Mauern angebracht waren. Wenn es kalt wurde, stopfte man sie mit Stroh einfach zu. In der heißen Jahreszeit wiederum konnte jedoch durch die nur kleinen Fensteröffnungen nur wenig Hitze eindringen und es blieb länger kühl im Innern.
Die Flachdächer dieser kleinen Häuser, die über Holzstufen erreicht wurden, waren bei schwülem und heißem Wetter ein überaus beliebter Schlafplatz, über dem sich der ganze funkelnde Sternenhimmel unverdeckt zum Greifen nah ausbreitete.
Da diese Behausungen meist aus einem einzigen Raum bestanden, waren sehr enge Verhältnisse angesagt.
Die Familien damals waren Großfamilien, mit häufig acht oder mehr Personen. Neben den Menschen lebten zusätzlich die Tiere ebenerdig im Haus.
Der Wohnraum der Menschen befand sich meist im hinteren Teil des Hauses auf einer erhöhten Plattform, unter der die Vorräte aufbewahrt wurden. Gesessen wurde auf Strohmatten und als Ruhestätte dienten grobe Teppiche mit Decken, die erst nachts zum Schlafen ausgerollt wurden. Für Möbel war kein Platz und meist auch kein Geld vorhanden.
Diese sehr dunklen Räume erhellten Öllämpchen, die in Mauernischen standen und dem Ganzen einen gespenstischen Anstrich gaben.
„Josef, ich weiß gar nicht, wie ich dir dies alles erklären soll“, sagte Maria ängstlich, stotternd und scheu wie ein Reh mit ihren bernsteinbraunen Augen, und es kam ihr vor, als laste ein tonnenschwerer Mühlstein auf ihrem Herzen.
„Es …, es … es tut mir so leid, dass ich dich, ... damals im Stich ließ und …“, fing sie stotternd mit unsicherer Stimme ihre Erzählung an.
Doch Josef kannte den größten Teil dieser Geschichte.
Sie, Maria, hatte sich einfach zu einem anderen hingezogen gefühlt und nicht ihn, den Versprochenen, geliebt. So wurde die arrangierte Ehe abgesagt. Er, Josef, hatte es so gewollt und nicht darauf bestanden, wie es von beiden Elternteilen verlangt wurde, dass sie sich von ihrem Geliebten trennte. Nein, Josef war ein freiheitsbewusster und liebender Mensch, dem Zwang und Kampf ein Gräuel war.
„Ja, und dann, als ich ihm sagte, dass ich ein Kind von ihm erwarte, wollte er nichts mehr von mir wissen und verschwand von heute auf morgen. Was sollte ich nun tun?“, berichtete sie weiter, mit den Gedanken in der Vergangenheit, von dem Erlebten.
„Ich wollte das Kind nicht wegmachen lassen, aber genauso schwierig und unerträglich war der Gedanke, ein uneheliches Kind zur Welt zu bringen. Du weißt doch, wie die Gesellschaft hier darauf reagiert. Und so entschloss ich mich schweren Herzens, zu dir zu kommen und dich um deinen Rat zu bitten. Aber als ich frühmorgens alleine mit meinen vielen Problemen vor deinem Haus stand, da …“ Dicke Tränen liefen über ihre Wangen und sie fing an zu schluchzen, ihr ganzer Körper zitterte.
Josef legte beruhigend seine Hand auf ihre Schulter.
„Du weißt doch, dass ich dir immer gutgesinnt bin und meine Haustür für dich immer offen steht“, sagte Josef mit seiner sonoren und beruhigenden Stimme schon fast andächtig.
Er konnte seinen Blick von dieser wunderschönen Frau, deren Anblick wie Rauschmittel auf ihn wirkte, nicht abwenden. Nein, das konnte er nicht.
Josef verspürte wie an jenem Tag, als er sie zum allerersten Mal sah, tiefe Zuneigung zu ihr. Wenn er mit ihr zusammen war, war sie wie Opium oder Hasch für ihn und seine Brust schien zu explodieren. Und er wusste, dies würde sich niemals ändern, es wird immer so sein. Bis in alle Ewigkeit.