Unheilvolles Tattoo - Roland Gampp - E-Book

Unheilvolles Tattoo E-Book

Roland Gampp

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Beschreibung

Nachdem die schöne, liebevolle Jasmin in Roberts Leben tritt, scheint alles vollkommen und seine düstere Vergangenheit endgültig überwunden. Doch plötzlich und unerwartet schlägt das Pendel des Lebens grauenhaft zur anderen Seite aus; Jasmin stirbt auf tragische Weise. Robert gerät ohne sein Dazutun ins Visier der Schwarzen Spinne. Nichts ist mehr, wie es war, bis schlussendlich Lia-Mara auf der Bildfläche erscheint. Die etwas andere, ausgeflippte Ermittlerin streckt ihre Fühler aus und stößt auf unglaubliche Machenschaften multinationaler Konzerne, auf Gier und machtzerfressene Persönlichkeiten, allesamt verstrickt mit der brasilianischen Mafia. Unheilvolles Tattoo ist ein packender Thriller, der ungebremst unter die Haut fährt.

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Seitenzahl: 143

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Die Handlung dieses Thrillers sowie die darin vorkommenden Personen sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten mit realen Begebenheiten und tatsächlich lebenden oder bereits verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Privatschnüfflerin

Enkendorf-Connection

Kapitel 2

Seltsame Begegnung

Im Vorhof zur Hölle

Kapitel 3

Das Erwachen

Die heiße Spur

Kapitel 4

Unverhoffte Liebe

Aranha Negra

Kim Noack

Kapitel 5

Verführung auf brasilianisch

Casino Villa D’Angelo

Kapitel 6

Die Einladung

Das Jahrestreffen

Tödlicher Besuch

Unverhoffte Spenden

Der Autowäscher

Nächtlicher Besuch

Kapitel 7

Der Wendepunkt

Der seltsame Fund

Das Damoklesschwert

Der Beichtstuhl

Epilog

Prolog

Das, was du gerne hättest, ist nicht unbedingt das Beste für dich.

Kapitel 1

Privatschnüfflerin

„Wer spricht da?“, schrie sie mit bissigem Ton, wie eine angreifende, fauchende Raubkatze, verärgert in den Hörer.

Sie konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn jemand undeutlich oder gar leise sprach. Und wenn sie bei irgendetwas unterbrochen wurde, löste dies eine Aggression, eine innere Unruhe in ihr aus, in die sie sich immer stärker hineinsteigerte, bis es knallte. Dabei wurde ihr Blick scharf und gebündelt, zu einem fokussierten Starren, einem Laserstrahl, dem man am besten schnellstmöglich aus dem Weg ging.

„Hallo, Lia-Mara, ich bin`s, Robert“, wiederholte er ruhig und gelassen seinen Namen, musste ein lautes Lachen unterdrücken. Seltsam, sie hatte sich all die Jahre nicht verändert, war schon immer angriffslustig, oft auch aggressiv, wenn sie nicht weiterwusste.

Ihre Strategie, Angriff ist die beste Verteidigung, hatte sie demnach beibehalten.

Wie sie heute wohl aussehen mag, reflektierte er, wurde jedoch sofort jäh aus dem Gedankenflug gerissen.

„Robert, Robert, was für ein Robert? Es gibt sicherlich Tausende Roberts hier in dem beschissenen Land“, plätscherte es aus ihr heraus.

„Dem du in der vierten Klasse zwei Veilchen verpasst hast, mich mir nichts, dir nichts ausgeknockt hast. Und dies nur, weil ich mit dem Feuerzeug deine langen, feuerroten Haare ein wenig angebrutzelt habe“, kam es spöttisch aus Roberts Mund.

„Hahaha, ach ja …, das Arschloch!

Und was heißt da, ein wenig angebrutzelt!? Regelrecht abgefackelt hast du sie, du Monster“, dann legte Lia-Mara eine kleine Gedenkpause für das verbrannte Haar ein, redete danach aber in einem etwas vertrauteren Ton weiter.

„Mannomann, hinterher sah ich mit den noch übrigen Haarstummeln wie Quasimodo aus, konnte wochenlang nicht vor die Haustür gehen. Biste eigentlich immer noch so ein Schurke, der unschuldigen, kleinen Mädchen einfach die Haare abfackelt?“, fragte sie ketzerisch mit einem belustigten Unterton, formte dabei die Lippen zu einer abschätzenden Schnute.

„Na ja, wer weiß …, aber ich rufe dich an, weil ich unbedingt deine Hilfe brauche“, wechselte er abrupt das Thema.

„Nenne mir einen guten Grund, warum ich einem Arsch wie dir, der mich abfackeln wollte, helfen sollte?“, kam ihre Gegenfrage wie aus einem Schnellfeuergewehr.

„Lia-Mara, seit ein paar Wochen werde ich verfolgt. Ich habe ein eigenartiges Gefühl. Egal wo ich mich befinde, was ich grade mache, es beobachtet mich immer jemand“, so begann er zu erzählen, zuerst mit gemessenen Worten, doch dann plötzlich sprudelten die Sätze aus ihm heraus.

„Dann vor einigen Tagen spitzte sich das Ganze noch zu, brauste ein Landrover im vollen Tempo auf mich zu. In letzter Sekunde konnte ich mich zur Seite werfen, sonst hätte die Karre mich plattgemacht. Und das Beste ist, die Bullen unternehmen nichts! Die Idioten wollen Beweise“, dabei zog er die Mundwinkel verächtlich nach unten. Seine Kehle wurde trocken. Er wollte nicht weitersprechen. In dem kurzen Schweigen, ehe er weitersprach, vermittelte er den Druck, den er mit sich herumtrug.

„Erst wenn ich wirklich platt bin, eins fünfzig tiefer liege, haben diese engstirnigen Paragrafenreiter die Beweise. Darauf will ich`s wirklich nicht ankommen lassen.“

„Wäre doch für diese Welt kein Verlust, wenn so eine frauenfeindliche Type wie du ausgelöscht würde“, säuselte sie genussvoll, wie bei einer Sexhotline üblich, mit hörbarem Vergnügen ins Telefon.

„Scheiße, kannst du nicht einmal normal bleiben, mich ernst nehmen!

Mir steht die verdammte Scheißangst bis zum Hals“, kreischte er genervt in den Hörer, dabei schwoll seine Ärgerader quer über der Stirn mächtig an.

„Musst du immer alles und alle lächerlich machen?

Du nervst tierisch! Merkst du das denn nicht, du …, du gehst mir gerade mächtig auf den Sack“, quietschte er hysterisch und flippte dabei fast aus.

„Umso besser, dann hat sich`s ja erledigt und ich kann mich wieder den wichtigen Dingen zuwenden, bei denen du mich unnötigerweise gestört hast“, gab sie mit spitzer Zunge gelassen zurück.

„Liebe Lia-Mara, hier noch mal ganz langsam zum Mitschreiben:

Iiiiich schweeeebeeee in Le…bens…ge…fahr!

Bitte hilf mir, mir steht die Angst bis Oberkante Unterlippe!“, flehte er theatralisch, hilflos mit seiner sonoren Stimme.

„Ich muss rausfinden, was hier abgeht, und das kann ich nur mit deiner Hilfe.“ Dann legte er eine kleine Sprechpause ein, atmete mit einem lauten Seufzer tief durch, sodass sie es deutlich vernahm und fuhr fort:

„Du bist eine sehr gute, nein, die beste Ermittlerin“, berichtigte er seine Aussage, „ mit einer sensationellen Ausbildung und deine Spürnase ist …“

„Stopp, stopp, versuch es nicht auf diese Tour!“, bremste sie ihn aus.

„So viel Schleimerei ertrage ich nicht. Das Ganze kannst dir auf deine Frühstücksstulle schmieren und selber essen, hoffentlich erstickst du daran.“

Manchmal biste eine richtig arrogante Kuh, dachte er genervt, presste jedoch fest den Mund zusammen, damit es nicht über seine Lippen trat.

Lia-Maras unstillbarer Wissensdurst, die kognitiven Fähigkeiten, ihr EDV-Wissen, ihr niemals endendes Durchhaltevermögen, das Ganze gepaart mit einer sensationellen Kombinationsgabe trieben sie vor Jahren zum Polizeidienst. Denn schon als kleines Mädchen fühlte Lia-Mara sich als Polizistin, beobachtete jeden und alles in ihrer Umgebung und nervte dabei jedermann tierisch.

Sie brauchte sich nichts zu notieren. Was sie einmal richtig gesehen hatte, war auf ihrer Festplatte für alle Ewigkeit gespeichert und jederzeit abrufbereit.

Nach absolviertem Studium auf der Polizeifachhochschule Villingen-Schwenningen, die sie mit Bestnote hinter sich ließ, war sie für ein paar Jahre in Berlin als verdeckte Ermittlerin tätig gewesen. Hier in der Rauschgiftszene hatte sich Lia-Mara richtig wohlgefühlt. Durch ihr extravagantes Äußeres und ihr oft unsoziales Verhalten nahm jeder an, dass sie zur Szene gehörte.

Ihr gesamter Körper, bis auf ein, zwei kleine Flecken, war über und über mit der Tinte von Tattoos bedeckt.

Grüne, filigrane Rosenranken überzogen den ganzen Rücken. Das kräftige Grün wurde nur durch ein paar hellrote Rosenblüten unterbrochen. Das Kunstwerk war so exakt und scharf gestochen, dass der Betrachter das Gefühl nicht loswurde, er könnte den betörenden Duft der Rosen wahrnehmen.

Ziemlich am oberen Ende ihrer rechten Schulter saß ein zarter, blauer Schmetterling mit schwarz-weiß gepunkteten Flügeln auf einer Rosenblüte und saugte Nektar. Hier versuchte der Beobachter sich ruhig zu verhalten, denn bei einer unüberlegten Bewegung könnte der Falter jeden Augenblick aufgeschreckt losfliegen.

Die beiden festen und kleinen Brüste waren ebenfalls in Rosenranken eingebettet, die von den Hüften aus über den Bauch nach oben kletterten.

Doch für die meisten blieb ihr Körperkunstwerk unter der ausgefallenen Kleidung verborgen. Nur die leuchtende Blüte am Nacken erfreute sich des Tageslichts.

Durch ihre sensationelle Erfolgsquote wurde Lia-Mara nach Frankfurt in die Mordkommission berufen und durchlief etliche Spezialausbildungen neben der täglichen Polizeiarbeit.

Dann eines Tages öffnete sich unverhofft eine neue Tür; ein mehrjähriger USA-Aufenthalt.

Bei der Bundespolizei in Chicago bekam sie tiefen Einblick in die Arbeit der Kriminalpolizei, hatte hier die einmalige Chance, in diesem Metier durch „learning by doing“ neue Kenntnisse zu erwerben.

Ihre englischen Sprachkenntnisse, neben französisch, portugiesisch und spanisch, waren innerhalb eines Dreivierteljahres so perfekt, dass nur noch ein geringer, kaum merklicher deutscher Akzent sie als Ausländerin verriet.

In einem kriminaltechnischen Labor durfte Lia-Mara ihr Können unter anderem in den Fachgebieten der Spurensuche, Spurensicherungen und verschiedenen Spurenauswertungen in den Bereichen DNA-, Farb- und Lackspuren erweitern. Sie konnte einfach nicht genug davon bekommen. Sie fraß förmlich diese neuen Kenntnisse.

Dabei kam ihr ihr fotografisches Gedächtnis, das sie als Kind immer gestört hatte, sehr zu Hilfe. Sie musste die Dinge nur einmal genau sehen und schon war alles für immer und ewig abgespeichert und jederzeit wieder abrufbar.

Auch die Amis erkannten ihr Talent sehr schnell und förderten Lia-Mara, wollten sie zum Bleiben locken.

So folgte noch eine spezielle Ausbildung zum Profiler.

Die psychologische Ausbildung behagte ihr nicht besonders, da sie dabei immer wieder auf die eigenen Untiefen stieß, von denen sie gar nichts wissen wollte. Aber Lia-Mara biss sich durch den Dschungel der psychologischen Wirren.

Die Fallanalysen hingegen waren ganz nach ihrem Gusto. Hier drehte es sich nicht um sie. Hier musste ein Täterprofil erstellt werden. Die Gedanken, den Ablauf der Tat rekonstruieren, um somit auf das Wesen des Täters zu schließen.

Ja, hier tummelte sich Lia-Mara mit Hochgenuss, wie ein Bär beim Honiglecken ganz und gar auf ihrem Lieblingsspielplatz.

Sämtliche Informationen in einem Prozess zu verarbeiten und daraus Schlüsse zu ziehen, aus welchem Milieu der Täter stammt und wie er tickt. Einfach alles aus dem Gegebenen zu kombinieren, wie bei einem Puzzle jedes einzelne Teil an den richtigen Ort zu platzieren, damit ein annehmbares Gesamtbild entsteht.

Schlussendlich offerierte man Lia-Mara das sagenhafte Angebot, die Leitung des SWAT-Teams (Special Weapons and Tactics) zu übernehmen.

Doch hier stieß sie gewaltig an ihre Grenzen. Lia-Mara musste bitter erkennen, dass ihr Selbstbild völlig von der Wirklichkeit abwich. Die Realität hatte sie eingeholt.

Lia-Mara taugte nicht zur Teamplayerin und unterordnen konnte sie sich schon gar nicht. Ihre paranoiden Strukturen ließen dies einfach nicht zu. Soziale Kompetenzen waren für sie Fremdwörter, das Ganze auf einen Nenner gebracht:

Lia-Mara war die introvertierte Einzelgängerin und sie hasste Schwarmintelligenz.

Ihre männlichen Kollegen akzeptierten sie nicht. Oft standen auch versuchte sexuelle Übergriffe auf sie im Raum. Und last but not least: Menschenführung gehörte nicht unbedingt zu ihrem Spezialgebiet.

So kündigte Lia-Mara nach knapp einem halben Jahr. Sie musste dem starken, ungewohnten Druck Tribut zollen.

Mit einem Burn-out im Gepäck verließ sie die Abteilung und ebenfalls die USA.

„Woher hast du denn meine Telefonnummer, Arschloch?“, fragte sie Robert vorwurfsvoll.

„Deine Tante, die in derselben Straße wohnt wie ich, hat sie nach langem Bitten und Betteln rausgerückt. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich alles anstellen musste, damit ich sie überzeugen konnte!“

„Hoffe, du hast dich an ihr nicht vergangen, sie gehört mit ihren siebzig Jahren sicherlich genau in dein Beuteschema“, reizte ihn Lia-Mara verbal.

Dann urplötzlich spürte Lia-Mara ein fürchterliches Jucken auf ihrem Handrücken.

Yeah, da ist es wieder, spürte sie erfreut, fühlte, wie ihr Kreislauf Freudensprünge vollführte. Dies war bei ihr immer ein untrügliches Zeichen, dass etwas Spannendes im Raum stand. Sie kratzte sich unbewusst so lange mit der anderen Hand auf dem juckenden Handrücken, bis sich die ganze Fläche blutrot verfärbte. Ihre ganzen Sinne jubilierten, der Körper überschüttete sie mit Hormonen.

Es ist das erste Mal nach meinem shit Zusammenbruch, dachte Lia-Mara in Hochstimmung. Sie hatte keine Wahl. Jetzt musste sie, wie der Süchtige gierig nach der Droge greift, zugreifen, sie konnte einfach nicht anders. Dieser Fall war ihre erste echt interessante Aufgabe, die ihr als Privatdetektiv unterkam.

Nur nichts anmerken lassen, schoss es ihr mahnend durch den Kopf.

„Okay, Robert, ich werde morgen bei dir vorbeikommen und schauen, ob ich die Aufgabe übernehme. Du kannst schon mal dein Bankkonto räumen, denn billig bin ich gewiss nicht“, gab sie selbstsicher und voller Elan von sich.

Lia-Mara spürte intuitiv, trotz der räumlichen Distanz zwischen ihnen, dass ein unerträgliches Gewicht von ihm genommen wurde. Doch es war nur von kurzer Dauer, es kam schnell wieder.

„Danke, Lia-Mara, meine Adresse …“, wollte er sich bedanken, doch dazu kam er nicht.

„Meinste, ich bin blöd oder was? Vor mir steht so ein Gerät, das man auch Computer nennt, und dem Ding kann ich alles entlocken“, klärte sie ihn im oberlehrermäßigen Tonfall auf.

„Na ja, bei euch im Hotzenwald habt ihr ja auch schon Fortschritte erzielt. Von der Trommel zum Telefon. Meine Gratulation, ein echter Quantensprung“, hänselte sie ihn.

„Also bis morgen, Arschloch. Und freu dich nicht zu früh, vielleicht überlege ich's mir doch noch anders“, drohte sie, und Robert hörte augenblicklich das Piepsen im Hörer, sie hatte einfach aufgelegt.

Enkendorf-Connection

„Wie kommst du eigentlich auf die absurde Annahme, dass dich jemand beschattet?“, fragte Lia-Mara Robert und blickte ihm dabei direkt in die Augen. Ihrem Gesichtsausdruck konnte er entnehmen, dass sie an seiner Aussage stark zweifelte.

„Morgens bei der Fahrt zur Arbeit folgt mir öfters ein Auto. Ein grauer Audi A3, doch er hält immer so viel Abstand, dass ich die Autonummer nicht lesen kann“, dann hielt Robert kurz inne und starrte sie über den Tisch hinweg an. Ließ nochmals einen kurzen Augenblick vorüberziehen, beugte sich gleichzeitig in dem Stuhl nach vorne, den rechten Unterarm auf den Tisch gestützt.

„Na ja, zuerst dachte ich, die Person hat denselben Arbeitsweg. Doch nach einiger Zeit fiel mir auf, dass er sich nicht immer von derselben Stelle aus an mich dranhängt.“

„Aber nur, weil dir öfters ein grauer Audi folgt, heißt das noch lange nicht, dass du verfolgt wirst. Weißt du was, ich glaube, du bist so langsam paranoid“, dabei schaute sie ihm direkt, ohne jegliche Regung gefühllos in die Augen.

Robert verzog sichtlich genervt sein Gesicht, reagierte jedoch nicht verbal darauf.

„Du bist immer noch so verdammt empfindlich, wenn man was zu dir sagt, das nicht in dein Weltbild passt“, knallte sie ihm unverblümt vor seinen Latz.

„Bin ich doch gar nicht. Wäre von dir jedoch schön, wenn du mich ernst nehmen könntest“, gab Robert ruhig zurück, wendete den Blick von ihr ab und saß abwesend, wie hypnotisiert, da. Dann kehrten seine Augen zu ihr zurück und er dachte, ihr fehlen tatsächlich die notwendigen Spiegelzellen, die zuständig für Gefühle sind.

„Okay, zurück zum Thema. Was haste denn noch so bemerkt?“

„Letzte Woche zum Beispiel war ich zum Shoppen in Lörrach in einem Kaufhaus unterwegs. Plötzlich kam ein seltsames Gefühl in mir auf und ich entdeckte, wie mich ein Mann fast unmerklich beobachtete. Wie mein eigener Schatten klebte dieser an meinen Fersen, folgte mir auf jede Etage. Der Typ hielt aber immer genügend Abstand zu mir, benahm sich unauffällig. Doch ich spürte sofort, dass er kein Interesse an der Auslage, die er intensiv anstarrte, hatte. Er war auf mich fixiert“, erzählte er lebhaft und unterstrich jeden Satz mit einer ausholenden Gestik.

„Nach etwa einer halben Stunde verließ ich das Kaufhaus. Und dreimal darfst du raten, was er tat.“ Robert ließ Lia-Mara jedoch keine Chance zu antworten, setzte seine Berichterstattung ohne Pause fort.

„Er verließ es ebenfalls kurz nach mir. Ich wechselte extra auf die andere Straßenseite. Dort stellte ich mich absichtlich mit dem Rücken so zum Ausgang des Kaufhauses, dass ich sein Spiegelbild im Schaufenster erblicken konnte. Und wie vermutet ist er mir weiter gefolgt.“

Und so erklärte er Lia-Mara, dass er das Gefühl einfach nicht loswurde, dass sein ganzes Verhalten, seine Tagesabläufe beobachtet wurden.

„Lia-Mara, jetzt musst du genau hinhören, dir dies einmal voll reinziehen!“ Aufgebracht rutschte Robert samt Stuhl auf dem Holzboden Richtung Tisch und hinterließ auf dem Boden etliche tiefe Kratzer.

„Vor einiger Zeit kam ich außer der Reihe etwas früher als sonst nach Hause. Als ich ins Haus eintrat, merkte ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Wohnzimmertür und die Küchentür standen offen. Ich schließe sie immer! Ohne Ausnahme“, dabei formte er beide Hände zu Fäusten, gab dem Gesagten Gewicht.

„Plötzlich vernahm ich ein seltsames Geräusch. Vorsichtig schlich ich mich in die Küche. Sah im letzten Augenblick eine dunkel gekleidete Gestalt über die Terrasse nach draußen ins Freie verschwinden.“

Und so erklärte Robert ihr alles, alles bis ins kleinste Detail, ließ nichts aus. Auch dass die Polizei nur vorbeikam und ihn mahnte, er sollte das Haus besser sichern und die Eingangstür in Zukunft verschließen. Denn sein Verhalten lade jeden Dieb ein. Da jedoch nichts fehlte, könnten sie nichts unternehmen, würden jedoch in nächster Zeit öfters mal mit dem Streifenwagen vorbeifahren, Präsenz zeigen.

„Konntest du erkennen, ob der Einbrecher ein Mann oder eine Frau war, wie war er gebaut?“, unterbrach sie ihn.

„Hm, das ist schwer zu sagen. Ich sah ihn nur von hinten und er trug einen schwarzen Kapuzenpullover.“ Dabei wendete er den Blick von ihr ab, legte den Kopf zurück in den Nacken und starrte ein paar Sekunden ruhig gegen die Zimmerdecke.

„Er oder sie hatte die Kapuze über den Kopf gezogen. Doch der Figur und dem Gang nach meine ich, dass es sich um einen Mann handelte.“

Lia-Mara war gleich am darauffolgenden Tag nach dem Telefonat bei ihm erschienen. Kein Wölkchen verdeckte an diesem wunderschönen Sommertag die Sonne. Das Thermometer stieß am späten Vormittag knapp an die 20-Grad-Grenze.

Ihr Kommen kündigte ein tiefes, gleichmäßiges Orgelkonzert eines alten Ford Mustang an. Das giftgrün lackierte Cabrio Ford Mustang 289 entließ aus seinen zwei fetten Endrohren ein bollerndes Röhren, wozu nur ein Achtzylinder älteren Datums in der Lage ist.

Robert musste unwillkürlich grinsen, als er die Farbkombination des Wagens wahrnahm: Lack giftgrün und innen leuchtend rote Ledersitze.

Nachdem sie den Zündschlüssel aus dem Zündschloss gezogen hatte, tönte nur noch die laute, rhythmische Musik von Haddaway aus den vier Lautsprechern:

„Baby don't hurt me, don't hurt me, no more …“ Ein kurzer Griff zum Autoradio und es herrschte wieder die gewohnte Stille im Enkendorf.

Das Enkendorf ist ein Stadtteil von Wehr, dessen nicht offizielles Ortsschild in schwarzen Lettern den „Freistaat Enkendorf“ unübersehbar ankündigt.