Jesus, der Hund muss raus - Jonas Goebel - E-Book

Jesus, der Hund muss raus E-Book

Jonas Goebel

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Beschreibung

Jesus ist zurück und stellt alle Erwartungen erneut völlig auf den Kopf. Seine Mission diesmal: neue Ich-bin-Worte. Statt an den Dorfbrunnen, in den Tempel und in die Wüste führt ihn sein Weg jetzt in die Sauna, in den Escape-Room, auf die Hundewiese und sogar ins Tattoostudio. Wieder mit dabei: seine schräge WG um Jonas, Trixi und Martin. Der Neuzugang: Hund James. Dieser darf natürlich auch nicht fehlen, als für Trixi und Jonas die Hochzeitsglocken läuten und es im Camper nach Norwegen geht. Mit an Bord ist nicht nur ein himmlischer Überraschungsgast, sondern es wartet auch eine ganz besondere Botschaft auf sie. In seinem dritten Buch schafft es Jonas Goebel erneut, Humor, Leichtigkeit und Glaubensthemen genial zu verknüpfen. Ein Buch, das dich nicht nur zum Lachen bringt, sondern auch zum Nachdenken anregt.

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Seitenzahl: 202

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Jonas Goebel

Jesus, der Hund muss raus

Meine schräge WG bekommt Zuwachs

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2024

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung und -motiv: Sabine Hanel, Gestaltungssaal

E-Book-Konvertierung: Daniel Förster

ISBN Print 978-3-451-39747-9

ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-83379-3

Für Lio

Inhalt

#1 HOCHZEITSTANZ

#2 LATSCHENKIEFER

#3 HUNDEHAUFEN

#4 HIMBEERCHEN

#5 RETTUNGSMISSION

#6 GARTENARBEIT

#7 MIT FLÖTEN UND POSAUNEN

#8 ARSCHGEWEIH

#9 LOVERS GONNA LOVE

#10 ZWEIWANGENLÖSUNG

#11 Jesus VS. WILD

#12 SEELENSTIMMER

#Nachwort ALLER GUTEN DINGE …

Der Autor

#1 HOCHZEITSTANZ

»Shut up and dance with me!«, dröhnt es in voller Lautstärke durch unseren Flur. Ich zähle innerlich im Takt mit: 5, 6, 7, 8 – linker Fuß, rechter Fuß, halbe Drehung, linker Fuß tippen und … zack, schon wieder habe ich es verkackt.

»Oh nein!«, ruft Trixi lachend und stoppt das Video. »Immer an der gleichen Stelle! Egal, wir schaffen das!«

Fiep. Fiep.

»James ist, glaube ich, genauso skeptisch wie ich«, sagt Martin, während er vier große Teller aus der Küche ins Esszimmer bringt.

»Oder er versteht nicht, warum er nicht mittanzen darf«, wende ich ein und streichle unserem fiepsenden Labrador-Schäferhund-Mischling dabei liebevoll über den Kopf.

Dann startet Trixi das Video von vorne und wir üben weiter unseren Hochzeitstanz. In ein paar Monaten steht endlich unsere kirchliche Hochzeit an und wir haben zu dem Lied Shut up and dance with me einen Online-Tanzkurs rausgesucht. Klang erst mal toll, aber faktisch werden wir in dem Kurs per Video von einer ziemlich strengen Polin mit einem ordentlich harten Akzent auf Englisch ganz schön angebrüllt. Meistens sind wir nach kurzer Zeit so genervt, dass wir sie stummschalten und direkt zur Musik üben. Was aber auch nur so bedingt positiv dazu beiträgt, dass ich die Schritte endlich lerne.

5, 6, 7, 8, linker Fuß, rechter Fuß, halbe Drehung, linker Fuß tippen und ...

»Yeah!«, ruft Trixi begeistert, als ich tatsächlich nicht schon wieder an der gleichen Stelle scheitere. Ich traue mich für einen kurzen Moment, nicht mitzuzählen und dafür aus vollem Herzen »this woman is my destiny« mitzugrölen. Was sich natürlich umgehend rächt. Jaja, Hochmut kommt vor dem Fail und so. Aber egal: Ich bin schon weiter gekommen als die letzten Abende, und Freestyle ist immer eine Lösung. Entsprechend schreie ich ein »shut up« in Richtung unserer polnischen Tanzlehrerin und ein »dance with me« zu der sich noch an die Choreo haltenden Trixi. Und dann … wird getanzt!

James springt vor Freude an uns beiden hoch und bellt ansatzweise im Takt mit, Martin unterbricht das Decken des Esstisches und trommelt breit grinsend mit zwei Gabeln auf dem Türrahmen, Trixi wirbelt sich elegant durch den Raum und ich gebe meine 2 ½ Tanzmoves zum Besten.

»Ihr feiert, ohne mir Bescheid zu geben?«, höre ich auf einmal Jesus’ entrüstete Stimme hinter mir.

»Shut up and dance with us!«, brülle ich zurück. Was der sich natürlich nicht zweimal sagen lässt und James sofort zum Tanz auffordert.

»Ein Traumpärchen!«, ruft Martin laut lachend und geht vom Besteck-an-Türrahmen-Trommeln auf rhythmisches Klatschen und gleichzeitiges Mit-dem-rechten-Fuß-Stampfen über.

Ich schaue kopfschüttelnd zu Jesus und James. Der Hund auf den Hinterbeinen, beide Vorderpfoten in den Händen vom Sohn Gottes – und keine Frage: Die Choreo läuft bei den beiden auf jeden Fall besser als bei mir.

Nach exakt 3 Minuten und 19 Sekunden (ja, ich kenne natürlich die Länge des Liedes inzwischen auswendig) endet die Musik und somit unsere kleine WG-Tanzeinlage. Martin klatscht frenetisch Beifall, Trixi verbeugt sich, ich frage mich, ob ich eigentlich irgendwie am Hochzeitstanz auch noch vorbeikommen könnte und Jesus belohnt James mit einem Leckerli.

»Dann mal jetzt ran an den Tisch hier«, lädt Martin direkt im Anschluss ins Esszimmer ein, deckt schnell noch fertig und überreicht uns feierlich leuchtende LED-Partybrillen, die irgendwie verdächtig nach einem archäologischen Fund aus den 1990er- Jahren aussehen.

»Ist das der Dresscode für heute Abend?«, fragt Trixi belustigt.

»Habe ich aus der Materialkiste für eure Hochzeits-Fotobox«, verrät Martin augenzwinkernd. »Also: Brillen auf! Heute wird gefeiert!«

Wir folgen der Aufforderung artig, Martin zaubert auch noch eine Brille für James hervor und entzündet eine große glitzernde Kerze in Form einer »Zwei«, die in der Mitte des Tisches steht.

Wir feiern heute nämlich unser 2-jähriges WG-Jubiläum! Krass, wie schnell das geht … vor exakt zwei Jahren stand Jesus Christus – ja genau: der Typ aus der Bibel und von Weihnachten und so – vor unserer Haustür und ist mit einem »Hi, ich bin Jesus. Ich wohn´ jetzt hier« bei uns eingezogen. Gratis dazu gab’s Martin Luther, den großen christlichen Reformator aus dem 16. Jahrhundert.

Die beiden waren dann eine Zeit bei uns, mussten nach einer Weile wieder zurück in den Himmel, wir dachten, die aufregende Zeit wäre vorbei, aber Pustekuchen! Völlig überraschend stellte sich nach ein paar Monaten heraus, dass die beiden immer noch auf der Erde waren, und es ging für uns als WG dann auf eine aufregende Interrail-Reise durch Europa. Und danach, ja, was soll ich sagen: Ich glaube der Fachbegriff lautet dafür »Hotel Mama«.

Die beiden sind auf jeden Fall wieder bei uns eingezogen. Und seit Kurzem hat unsere schräge WG-Zuwachs bekommen: James, unser jetzt ein gutes halbes Jahr alter Hund.

Wir sind aber nicht nur um einen Mitbewohner reicher, sondern regelmäßig auch um ein Fiepskonzert. Ganz besonders, wenn so wie jetzt lecker-duftende Speisen auf dem Tisch stehen.

Für das WG-Jubiläum hat jeder sein Lieblingsessen beigesteuert. Trixi hat die weltbesten Burger mit Süßkartoffelpommes gemacht. Ich das einzige Gericht, das ich ansatzweise kann: Ofengemüse. Jesus hat Döner-Boxen mitgebracht und Martin, der Scherzkeks? Der hat jedem von uns mit den Worten »Euer täglich Brot« eine Bibel auf den Teller gelegt.

»Habt ihr jetzt eigentlich schon entschieden, was es auf eurer Hochzeit zu essen gibt?«, fragt Martin, während er sich aus seiner Döner-Box (wie immer mit einer extra Portion Rind) das Fleisch zuerst herauspickt.

»Unser Martin«, sagt Jesus schmunzelnd, »denkt immerzu ans Essen.«

»Also hör mal, wenn hier jemand dauernd an Essen denkt, dann ja wohl du, Jesus!«, entgegnet Martin, gönnt sich eine ordentliche Ladung Fleisch und spielt dann sein Lieblingsspiel mit Jesus: Bibelstellenraten. Ehrlich gesagt ist der Ablauf immer gleich, aber vielleicht gefällt es Martin gerade deshalb so gut. Schritt 1: Martin fragt Jesus, was an einer bestimmten Stelle in der Bibel steht. Schritt 2: Jesus hat keine Ahnung. Schritt 3: Martin belehrt ihn. Fertig. Naja, wie gesagt: Eigentlich jetzt nicht sooo abwechslungsreich das Spiel.

»Was steht in Matthäus 8, Verse 14 und 15?«, fragt Martin.

Jesus zuckt mit den Schultern und dippt eine Süßkartoffelpommes tief in die Trüffel-Majo.

»Da hast du die Schwiegermutter von Petrus geheilt! Und weißt du, was das Erste war, was sie danach gemacht hat?«

Jesus lächelt, er scheint sich also durchaus daran zu erinnern.

»Ich zitiere«, sagt Martin: »Jesus ging in das Haus von Petrus. Er sah, dass die Schwiegermutter von Petrus mit Fieber im Bett lag. Da nahm er ihre Hand, und das Fieber verschwand. Sie stand auf und brachte ihm etwas zu essen.«

Martin schaut uns erwartungsvoll an. »Versteht ihr? Was würdet ihr machen, wenn ihr geheilt werdet? Als Erstes in die Küche rennen und Jesus was zu essen bringen? Das ist doch nicht normal!«

»Ja, ich war halt hungrig«, stellt Jesus fest. »Weißt du, wie anstrengend solche Heilungen sind?«

»Bestimmt nicht anstrengender als Bibelübersetzungen!«

Fiep. Fiep.

»Ich glaube, da hat noch jemand Hunger«, stellt Trixi fest und beendet damit die Runde Bibelstellenraten.

»Darf ich?«, fragt Jesus.

Trixi und ich nicken, wohlwissend, dass das eh eine rhetorische Frage war. Und zack, eine Sekunde später, sitzt James auf dem Schoß von Jesus und sieht aus, als würde er innerlich rufen: »Ich bin der Hunde-König der Welt!«

Es war ja eigentlich absolut vorhersehbar, dass Jesus auch mit Hunden kann. Allerdings waren wir schon überrascht, wie kuschelig-vermenschlichend-liebevoll Jesus mit James umgeht. Das ist zwar einerseits schön, andererseits aber auch so gegen ungefähr alle Ratschläge unserer Hundetrainerin.

Gut, es ist aber auch letztlich völlig aussichtslos, wenn dich James und Jesus gleichzeitig mit großen bittenden Augen anschauen. Und so hat sich eingebürgert, dass früher oder später bei jedem Essen James auf dem Schoß von Jesus landet, einen Napf mit seinem Futter bekommt, und die beiden dann gemeinsam essen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass in dem neuen Evangelium, an dem Jesus immer noch schreibt, irgendwas stehen wird wie »Ich bin das Leckerli der Welt« oder so.

»Nice Idee!«, wirft Jesus ein, der natürlich immer noch Gedanken ungefragt mithören kann, und prostet mir dann schmunzelnd mit seiner Fritz-Kola zu. #SolaFritzKola gilt selbstverständlich weiterhin bei uns in der WG. Auch wenn ich unverständlicherweise immer noch keinen Fritz-Werbevertrag erhalten habe.

»Um auf meine eigentliche Frage zurückzukommen: Wie wäre es mit Vatikanbrot auf eurer Hochzeit?«, fragt Martin.

Wir schauen ihn ratlos an. Keine Ahnung, was das sein soll. Altes, vertrocknetes Brot, das man heutzutage kaum noch essen mag?

»Na, das ist so ein Brot, wo du vor dem Backen immer einen Teil vom rohen Teig an andere Leute weitergibst. Wie so ein Kettenbrief, nur mit Brot. Und das wäre doch lustig, wenn es einerseits das Brot auf eurer Hochzeit gibt und andererseits alle einen Teil vom Teig als Gastgeschenk bekommen.«

Ich schaue Martin stirnrunzelnd an. Will der jetzt Wedding-Planner auf dem zweiten Bildungsweg werden oder was ist hier los? Überhaupt: Er hat den Tisch gedeckt, diese Brillen und die Kerze besorgt. Er hat schon den ganzen Abend erstaunlich gute Laune. Irgendwas stimmt bei ihm doch nicht!

Jesus nickt mir unauffällig zu. Aha! Ich bin also nicht der Einzige, der das gemerkt hat. Ich gucke Jesus direkt an und frage ihn denkend: Hat Martin vielleicht jemanden kennengelernt?

Die Antwort von Jesus: Ratloses Schulterzucken. Ich schaue Martin mit leicht zusammengekniffenen Augen an. Hat er etwa heimlich getindert? Oder läuft da was mit jemandem aus seinen Bibel-Gesprächskreisen? Oder ist er gar nicht wegen des Klimas, sondern wegen der Liebe seit Kurzem bei der »Letzten Generation« dabei?

»Ist was, Jonas?«, fragt mich Martin plötzlich.

»Äh, ähm«, stottere ich. »Nein, nein, ich … habe nur ein wenig in Erinnerungen geschwelgt. So, also mit Blick auf unsere letzten zwei WG-Jahre und so …«

Martin nickt. Uff, gerade noch gerettet. Jesus schaut mich an und verdreht kopfschüttelnd die Augen.

»Reichst du mir mal bitte das Salz?«, fragt Trixi Martin.

»Wofür?«

»Die Bibel ist mir zu wenig gesalzen«, antwortet Trixi und lacht. »Ach so, und würdest du eher Knobi-Dip oder Barbecue-Sauce zur Bibel empfehlen?«

Tatsächlich salzt Trixi mein Ofengemüse nach, was ich natürlich mit einem kritischen Blick kommentiere. Dann fällt mir aber ein, dass ich Jesus eh noch fragen wollte, wie er diesen komischen Salz-Spruch in der Bibel eigentlich gemeint hatte: »Hey Jesus, du hast doch mal gesagt, dass deine Anhänger das Salz der Erde sind? Was genau meintest du damit?«

»Na, ist doch klar«, antwortet Martin für Jesus. »Wir als Christ:innen machen in der Welt einen Unterschied!«

Ich stutze. Seit wann gendert Martin denn?

Jesus beugt sich zu mir rüber und flüstert: »Martin und ich hatten da vor Kurzem eine längere Diskussion und er hat jetzt beschlossen, seine gesamte neue Bibelübersetzung in gegenderter Sprache herauszubringen.«

»Nicht sein Ernst!«, flüstere ich zurück.

»Doch, und wie!«, antwortet Martin laut.

Fiep.

Fiep.

... kommentiert James und erhält von Jesus ein kleines Stück Fleisch aus seiner Döner-Box.

Ich muss gestehen: Das hätte ich von Martin nicht erwartet. Also, dass ausgerechnet er mit dem Gendern anfängt. Und ich bin mir ja ziemlich sicher, dass James Fieps-Konzert nichts gegen den lärmenden Protest sein wird, der auf Martin da zu kommt.

»Rückfrage!«, höre ich Trixi sagen. »Wenn wir das Salz der Erde sind und wenn das heißen soll, dass wir uns positiv in dieser Welt einbringen und quasi für guten Geschmack sorgen – gibt es dann aber nicht auch den Fall, dass es nicht gut ist, wenn sich zu viele Christen einbringen oder wenn es von uns insgesamt zu viele gibt? Damit meine ich: Ein bestimmtes Maß an Salz ist für das Essen ja gut, zu viel aber nicht.«

Ich nicke anerkennend. Guter Punkt!

Jesus lächelt, krault James die Ohren und antwortet: »Wie immer gilt: Alle meine Vergleiche kommen an einem bestimmten Punkt an ihr Ende. Aber du darfst auch nicht vergessen, dass es damals, als ich das gesagt habe, quasi nur ein paar Hände voll Christen gab. Da hat das mit dem Salz also noch voll und ganz Sinn ergeben. Heute müsste man das sicherlich anpassen. Aber auch deshalb schreibe ich ja am neuen Evangelium.«

»Mit neuen gesalzenen Vergleichen?«, bohre ich weiter.

»Definitiv!«, antwortet Jesus nickend.

»Och, wenn du lang genug wartest, wird es zumindest in Deutschland wieder so wenige Menschen in der Kirche geben, da passt dein Salz-Vergleich dann wieder«, ergänzt Martin und beißt voller Leidenschaft in einen von Trixis Burgern. Die Soße läuft auf allen Seiten heraus – Yummy dieser Anblick!

Plötzlich klingelt ein Wecker. Jesus guckt erschrocken auf sein Smartphone (ja, er hat sein Fairphone wieder im vollen Einsatz. Die Zeiten des Digital Detoxing sind endgültig vorbei!) und ruft laut aus: »Alexa, mach den Fernseher an!«

»Muss das jetzt sein?«, fragt Trixi.

»Es ist das Finale von Germanys Next Topmodel! Das müssen Martin und ich ja wohl sehen, wir haben die ganze Staffel schon geguckt!«, antwortet Jesus. »Und James ist auch schon ganz gespannt auf das neue Topmodel!«

Fiep.

Fiep.

Trixi und mich schauen sechs große Augen bittend an – und klar: Wenige Minuten später sitzen wir alle im Wohnzimmer auf dem Sofa. Martin und ich haben uns einen leckeren Whisky gegönnt, Trixi hat ein paar Kerzen angezündet und sich in eine Decke eingekuschelt, James liegt genau zwischen Trixi und Jesus und ist direkt eingeschlafen – und im Fernsehen kreischt Heidi rum. Natürlich haben wir noch unsere LED-Partybrillen auf. Wenn schon scheiße aussehen, dann aber auch konsequent den ganzen Abend.

Ich schließe die Augen, hole tief Luft und genieße diesen Augenblick. Das hier ist Zuhause für mich. Dieses Gefühl. Diese Menschen. James schnarcht kurz laut auf. Ok, ok: Diese Menschen und der Hund. Auf jeden Fall auch das Sofa, die Gemütlichkeit des Raumes. Ich fühle mich einfach wohl hier, in unserer WG. In meinem Zuhause.

Trixi gähnt laut und sagt: »Nehmt es mir nicht übel, aber ich glaube, ich gehe ins Bett.«

»Ey!«, ruft Jesus laut aus. »Ihr bleibt gefälligst alle hier und haltet euch wach! Jonas, du machst die Augen auch sofort wieder auf!«

Ich muss schmunzeln, weil Jesus etwas sehr Ähnliches vor rund 2000 Jahren zu seinen Jüngern kurz vor seinem Tod gesagt hat. Damals ist er in einen Garten dreimal zum Beten weggegangen und dreimal fand er beim Zurückkehren seine Jünger schlafend vor. Ich vermute ja, dass es Jesus heute Abend ähnlich ergehen wird. Jedes Mal, wenn er aufs Klo muss, wird er ins Wohnzimmer zurückkommen und uns schlafend vorfinden.

»Ich werde den ganzen Abend nicht mehr aufs Klo gehen«, antwortet Jesus auf meine Gedanken.

»Das will ich sehen!«

»Tja, dafür musst du dann aber auch wach bleiben, nicht wahr?«, antwortet Jesus.

Mist, das habe ich nicht durchdacht. Da hat er natürlich recht.

»Jesus, du darfst das nicht missverstehen«, sage ich und öffne meine Augen wieder. »Wenn wir hier einschlafen, dann hat das doch einen ganz bestimmten Grund.«

»Dass wir die Sendung bescheuert und langweilig finden«, kommentiert Trixi leise mit geschlossenen Augen.

»Nein«, sage ich.

»Dass ich zu viel gegessen und zu viel Whisky getrunken habe«, ergänzt Martin, der auch schon gut müde aussieht.

»Äh, ja, aber das meinte ich nicht.«

»Also?«, möchte Jesus wissen.

»Nimm James als Beispiel«, versuche ich mich spontan an einem Hunde-Gleichnis. »James kann nicht schlafen, wenn er Angst hat oder sich super unsicher fühlt. Und er schläft am liebsten in unserer Nähe.«

»Am liebsten in meiner Nähe«, korrigiert mich Jesus, aber ich ignoriere ihn und fahre fort.

»Oder nimm mich als Beispiel. Ich kann viel besser schlafen, wenn Trixi bei mir ist. Und Trixi kann am besten auf meinem Schoß einschlafen, während sie den Kopf gekrault bekommt.«

»Oh ja«, brummelt Trixi mit geschlossenen Augen.

»Worauf willst du hinaus, Jonas?«, fragt mich Jesus.

»Na, dass Einschlafen keine schlechte Sache ist. Wir schlafen dort schnell und gerne ein, wo wir uns wohlfühlen. Sei es durch die Umgebung oder durch die Menschen.«

Jesus ist noch nicht so richtig überzeugt. Er schaut mich skeptisch an und erwidert: »Mir fallen aber noch viele andere Dinge ein, warum man schnell und gerne einschläft. Zum Beispiel, wenn man zu wenig Fritz-Kola getrunken hat. Oder wenn du mal wieder zu lange predigst oder –«

Jetzt unterbreche ich Jesus.

»Ja, da hast du recht. Ist wie bei deinen Gleichnissen, jeder Vergleich kommt an sein Ende. Ich wollte dir doch eigentlich nur etwas Schönes sagen.«

»Und das wäre?«

»Wenn wir bei dir hier gerne und schnell einschlafen, dann auch deshalb, weil wir uns in deiner Nähe sicher und geborgen fühlen.«

»Und weil wir Germanys next Topmodel langweilig finden«, ergänzt Trixi mit letzter Kraft vorm Einschlafen.

Jesus lächelt, streichelt James sanft über den Kopf und sagt dann: »Hmm, das passt vielleicht sogar gut zu einer Sache, die ich in mein neues Evangelium schreiben wollte.«

»Was für eine Sache?«, frage ich direkt wieder etwas wacher zurück.

Jesus antwortet: »Der Titel des Kapitels ist ›Zuhause‹ und ich habe auch schon einen Kernsatz. Nicht viel, ich weiß. Aber immerhin.«

»Ja und, wie lautet der Satz?«, hake ich nach, während Martins Kopf herabsackt und er eindeutig eingeschlafen ist. James schnarcht leise gemütlich vor sich hin, Trixi hat sich noch fester in ihre Decke eingerollt und im Fernsehen kreischt Heidi Klum mal wieder rum.

Jesus dreht sich zu mir, lächelt und sagt: »Ehrlich, ich sage dir: Ich bin dein Zuhause.«

Okay, das ist jetzt noch kürzer und kompakter, als ich dachte. Aber … ja, warum eigentlich nicht. Jesus als mein Zuhause. Jesus als Ort, an dem ich mich so wohl fühle, wie hier in meinem Zuhause? Jesus, der mir Sicherheit und Vertrauen schenkt? Bei dem ich sein kann, wie ich bin? Jesus als jemand, zu dem ich einfach immer kommen kann, egal in welcher Verfassung ich gerade bin?

»Doch, kann ich mir vorstellen!«, sage ich laut. »Bin gespannt, was du daraus machst.«

Jesus nickt und auf einmal kommt wieder etwas Leben in Trixi. Sie hebt den Arm, als würde sie sich melden, zeigt dann aber auf die Box neben dem Fernseher und sagt: »Jesus, da liegt noch ein Brief für dich. Kam heute an, das ist von dieser Zensus-Sache, die wollen irgendwas von dir.«

Ich schaue Jesus fragend an. Der verschränkt die Arme und sagt: »Ne, das ist wieder dieser Volkszählungsmist. Ganz ehrlich, Leute: Da habe ich ein gewisses familiäres Trauma vererbt bekommen. Ich werfe diese Briefe schon seit Wochen immer ungeöffnet weg. Bei Volkszählungen mache ich nicht mehr mit! Keine Chance! Und hier, Leute: Augen auf – bleibet wach und schauet mit mir!«

Ich muss lächeln und mache Jesus einen Vorschlag: »Wir bleiben wach und gucken mit dir deine Topmodel-Show. Aber jedes Mal, wenn jemand im Fernsehen »Oh mein Gott« sagt, dann muss jeder von uns eine Lieblingserinnerung aus unseren letzten zwei Jahren WG erzählen.«

Jesus geht den Deal natürlich ein, Trixi und Martin werden mehr oder weniger unfreiwillig Teil der Abmachung. Nur James lassen wir in Ruhe schlafen.

Es gibt für alle noch eine Runde Fritz-Kola und dann wird es eine lange Nacht voller »Oh mein Gott!«-WG-Erinnerungen. Unser erstes gemeinsames Weihnachten. Urlaub in Schweden und der Elch, der uns verfolgt hat. Diese besondere Nacht im Irish Pub. Natürlich unsere Interrail-Reise, auch wenn Martin die ehrlich gesagt nur so semi gut fand.

Irgendwann ist aber dann selbst Jesus müde. Irgendwann ist auch endlich ein neues Topmodel gefunden, oh mein Gott! Und irgendwann bin ich anscheinend der Einzige, der aus unserer Runde noch wach ist.

Ich schaue Jesus an. Du bist mein Zuhause? Vielleicht. Ich fühle mich durchaus bei dir sicher und geborgen. Aber was nach zwei Jahren auf jeden Fall gilt: Du bist ein fester Teil in meinem Zuhause.

»Und das ist gut so!«, wirft Jesus schlaftrunken ein.

»Was ist gut so?«, murmelt Trixi leise fragend, während Martin einen kräftigen Schnarcher von sich gibt und James sich auf den Rücken dreht und alle Beine von sich streckt.

»Dass Jesus hier bei uns zu Hause ist«, sage ich.

Trixi nickt leicht und fragt mich flüsternd: »Und ich vermute, der wird auch erst mal bleiben, oder?«

Aber noch bevor ich antworten kann, kommt Jesus mir zuvor und klärt seine Wohnsituation relativ eindeutig mit den Worten: »Siehe, ich wohne bei euch, alle Tage, bis an der Welt Ende.«

#2 LATSCHENKIEFER

»Selamat datang. Mein Name ist Jesus und ich bin heute euer Saunameister!«

Als Antwort kommt ein vielstimmiges »Moin« aus dem Holzbank-Halbkreis zurück. Jesus, nur mit einem Handtuch um die Hüften gekleidet, stellt eine bronzefarbene flache Schale mit drei ungefähr faustgroßen Kugeln aus Eis neben den Ofen, legt zwei große Handtücher daneben und hängt ein »Bitte nicht stören«-Schild an die Eingangstür.

Ich höre, wie eine Frau hinter uns fröhlich flüstert: »Hat er Jesus gesagt? Da erwartet uns ja wieder ein göttlicher Aufguss!«

Jesus nickt ihr lächelnd zu und fährt mit seinen einleitenden Worten fort: »Willkommen zum Erlebnis-Aufguss ›Himmlische Verzückung‹. Es gibt handverlesene Musik und kein Schweigegebot! Ich werde euch in drei Runden ordentlich einheizen und am Ende wartet als Special ein kleines Überraschungs-Peeling. Wem es zu viel wird, der kann natürlich jederzeit gehen, und es gilt wie immer bei mir: Wer kein Handtuch zwischen Haut und Holz legt, den schicke ich ins Fegefeuer!«

Einige lachen. Martin, der links neben mir sitzt, brummt und checkt sein Handtuch sicherheitshalber.

»Was hast du uns denn heute mitgebracht?«, fragt eine Frau hinter uns.

»Gold, Weihrauch und Myrrhe natürlich!«, wirft ein Mann aus der untersten Reihe lachend ein. Okay, wir haben heute also auch einen bibelfesten Saunierer unter uns.

»Ich merke: Ihr seid gut drauf – das gefällt mir!«, antwortet Jesus lächelnd. »Ich habe drei Holzdüfte für euch: Birke, Sandelholz und Latschenkiefer.«

»Alte Familientradition mit den Holz-Aufgüssen«, kommentiert Martin leise in meine Richtung. »Die sind wirklich gut! Alle Rezepte stammen von seinem Vater!«

»Von welchem Vater?«, fragt Trixi, die rechts neben mir sitzt.

»Na, von Josef natürlich! Der hat die Aufgüsse aus den Holzresten seiner Werkstatt gemacht und sich so ein wenig nebenbei dazuverdient.«

Trixi und ich nicken. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob Martin uns gerade einfach nur verschaukelt. Ich meine: Gab es vor 2000 Jahren überhaupt schon Saunen? Ich dachte, die sind irgendwie in Skandinavien erfunden worden? Und war es in Nazareth, Bethlehem und Co nicht schon an sich heiß genug – also auch ohne Sauna? Wobei, es gab wohl auch echt kalte Nächte manchmal.

Jesus wirft mir einen kopfschüttelnden Blick zu, startet die Musik und zerteilt die erste Eiskugel auf dem Ofen. Wenige Momente später wedelt er gekonnt den Duft von Sandelholz (so unter uns: Ich habe keine Ahnung, was das ist) durch die Sauna und dazu hören wir die nie besser passenden Zeilen von ›I just wanna make you sweat‹.

Martin, Jesus, Trixi und ich sind heute im Vabali Spa, eine ziemlich große Sauna-Anlage bei uns in der Nähe, die einem das Gefühl geben soll, auf Bali zu verweilen – was durchaus gelingt.

Trixi und ich sind hier schon länger regelmäßige Gäste und haben natürlich irgendwann auch mal unsere himmlischen Mitbewohner mitgenommen. Den beiden hat es so gut gefallen, dass sie sich direkt als Mitarbeiter beworben haben. Leider hat Martin das Probearbeiten nicht bestanden, weil er während der Aufgüsse lieber lange Reden als das Handtuch geschwungen hat. Aber Jesus wurde eingestellt, und seine Aufgüsse gelten als die besten, die das Spa je gesehen hat!

»Soo, das war die erste Runde! Könnt ihr noch alle?«, unterbricht Jesus meine Gedanken. Zustimmendes Gemurmel aus der Runde. Einige rutschen eine Ebene tiefer.

»Heißt du eigentlich wirklich Jesus?«, fragt der bibelfeste Saunierer unseren Saunameister.

Dieser nickt und legt die nächste Eiskugel auf den Ofen.

»Ist das überhaupt erlaubt? Also, sein Kind so zu nennen? Was haben sich denn deine Eltern dabei gedacht?«

Jesus lächelt und antwortet: »Mein Vater hat sich den Namen ausgesucht und der hat sich da ganz schön viel bei gedacht!«

Die Frau hinter uns bringt sich in das Gespräch ein und fragt: »Wieso sollte Jesus als Name nicht erlaubt sein? Es gibt doch auch voll viele Kinder, die Mohammed heißen.«

Martin räuspert sich und erwidert: »Na, du kannst doch nicht Jesus mit Mohammed vergleichen!«

Lustig, denke ich mir. Ist das die religiöse Variante vom Sprichwort mit den Birnen und Äpfeln? Du kannst doch nicht Jesus mit Mohammed vergleichen!