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"Wer sich gegen neue Formen von Kirche stemmt, der stemmt sich gegen das gesunde Fortbestehen von Kirche: Warum neue Formen von Kirche kein Aufgeben eines teuren Gutes sind. Sondern das kirchlichste, was Kirche tun kann." "Schluss mit dem Schönreden. Weniger ist nicht mehr. Mehr ist mehr. Mehr ist besser. Mehr ist richtig. Mehr ist Kirche: Warum wir wieder volle Kirchen brauchen. Und warum wir leere Kirchen nicht länger akzeptieren dürfen." "Kirche kann manchmal alles. Und irgendwie auch nichts. Aber: Was ist Kirche eigentlich? Und was nicht? Ein Plädoyer für eine ernsthafte und kritische Analyse. Über das was Kirche ist und was nicht. Und ein Plädoyer für Mut. Mut zum Wegwerfen. Denn: Ich bin mir sicher, dass da so einiges weg könnte."
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Seitenzahl: 160
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EINE KURVE.
Vorweg
Diese Kirche ist beschämend!
Die tote Kirche des lebendigen Gottes?
Mehr ist mehr!
Mit Dinos wäre das Leben geiler!
Die Macht des schwarzen Umhangs
Kirche ist mir egal!1!!
10 Gründe, warum PastorenInnen einen Talar tragen sollten
Beharrlich in die Belanglosigkeit
Wir predigen einfach zu schlecht!
Unser Problem ist der Gottesdienst!
Vergesst es: In dieser Kirche wird sich nichts verändern
Pastoren, lasst die Profis ran!
Lasst die Kirche im Dorf! (und auch in der Stadt!)
Ich gehe nicht gerne in den Gottesdienst
Eine Kirche ohne Ecken und Kanten
Ist das Kirche oder kann das weg?
Lasst uns die Pastoren nicht mehr bezahlen!
Mein erstes Mal: Beerdigung
Was die Kirche vom Ballett (nicht) lernen kann
Hauptsache die Orgel fühlt sich wohl!
Wir brauchen A- und B-Pastoren!
Kirche ist nicht überflüssig. Kirche macht sich überflüssig.
Ich wünsche mir runde Kirchen!
Warum wir eine Craft-Bier-Kirche brauchen!
„Predigten langweilen mich!“
Was macht ein Vikar eigentlich so?
10 ½ Thesen zur Zukunft der Kirche
Yoga gehört (nicht) in die Kirche!
Das ist einfachkirche!
19. Januar 2019 - juhopma
Was noch zu sagen wäre. Bevor es los geht. Und weil ich einfach noch kein Buch ohne Vorwort gelesen habe. Eigentlich wäre das ja mal eine Idee. Aber nicht heute. Nächstes Mal dann.
Hallo.
Mein Name ist Jonas, ich bin Pastor in der evangelischlutherischen Kirche in Norddeutschland. Während meiner Ausbildung zum Pastor (meinem Vikariat) habe ich Blog-Beiträge geschrieben. Die – aus meiner Sicht – 29 besten davon erwarten dich in diesem Buch.
Ich freue mich, dass du meine Zeilen und Worte lesen möchtest. Was dich hier erwartet? Persönliche Beiträge. Zwischen Aufbruch und Verzweiflung. Alle spontan und im Affekt geschrieben. Die Beiträge sind in diesem Buch chronologisch geordnet und nicht inhaltlich angepasst worden. Ich habe nur den einen oder anderen Rechtschreibfehler korrigiert.
Du wirst merken: Ich reibe mich. An dieser Kirche. Meiner Ausbildung. Meinem Job. Aber ich reibe mich aus Liebe und Leidenschaft. Okay, und dieser Satz ist irgendwie doppeldeutig. Egal, haha. Was ich meine: Ich bin Feuer und Flamme für „die Sache“. Und damit meine ich den Gott der Bibel. Und gerade deshalb hatte und habe ich viel zu schreiben.
Warum ich schreibe? Oder warum ich dieses Buch veröffentliche? Weil ich den Austausch suche. Auch mit dir. Ich möchte wissen, was du über meine Ideen und Meinungen denkst. Ich wünsche mir Kritik und Weiterführung.
Wenn du dieses Buch liest, hast du vermutlich meinen Blog nicht gelesen. Vielleicht liest du einfach lieber offline. Mit Papier in den Händen. Oder auf einem E-Book-Reader. Und auch wenn ein Buch und E-Book keine Kommentar-Funktion haben – ich freue mich trotzdem sehr über deine Kommentare. Auf juhopma. de öffentlich oder per E-Mail privat an mich.
Die meisten meiner Ideen und Anregungen fasse ich unter dem Begriff einfachkirche zusammen. Dir wird dieser Begriff immer wieder auf den folgenden Seiten begegnen. Der letzte Beitrag in diesem Buch ist eine Art Zusammenfassung aller Ideen, die ich unter einfachkirche bislang gesammelt habe.
Aber nun: genug meiner langweiligen Vorworte. Blätter schnell weiter und leg los! : )
27. November 2016 - juhopma
Von der Wut, dem Unverständnis und einem tief beschämenden Gefühl zu dieser Kirche zu gehören. Von einem 1. Advent, der mich nachdenklich stimmt. Und von der überraschenden Folge, dass mich all das bestärkt Pastor werden zu wollen.
Ich habe viele Jahre für das Hamburger Straßenmagazin Hinz&Kunzt gearbeitet, dort Obdachlose oder von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen kennengelernt. Vor einiger Zeit habe ich angefangen dort ab und zu Frühstücksandachten anzubieten. Sonntagmorgen. 11 Uhr. Rührei, Brötchen, Käse, Orangensaft. Sowas eben. Und am Anfang gibt es eine kurze Andacht, ein schnelles Gebet. Auch heute, am 1. Advent.
Papst Franziskus hat vor kurzem Obdachlose nach Rom eingeladen. Es waren auch einige Hinz&Künztler dabei, die heute begeistert erzählt haben. Ein Gespräch geht mir nicht mehr aus dem Kopf. In dem Gespräch ging es um den ersten Abend in Rom. Der Mensch, der mir von diesem Abend erzählte, schüttelte ungläubig den Kopf, während er sprach.
„Jonas, es hat mich einfach berührt. Ich habe kein Wort von dem verstanden, was der Papst erzählt hat. Kein Wort. Aber ich habe geheult vor Berührung.“
Ich habe ihm weiter zugehört und er schüttelte noch einmal den Kopf, sah mich an und erzählte, dass er damals in einem christlichen Waisenheim missbraucht wurde. Und er sich nicht vorstellen konnte, jemals wieder etwas Positives mit dieser Kirche zu verbinden. (Okay, und danach erzählte er, dass er sich gefragt hat, wie vielen Obdachlosen man wohl mit dem ganzen Gold aus dem Vatikan helfen könnte).
Lass mich sagen, dass es Zufall war. Vielleicht auch nicht. Whatever. Aber ich habe heute Abend „Spotlight“ gesehen.
Ein Film über die journalistische Aufdeckung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche in Boston, USA. Und weißt du was?
Ich habe mich geschämt. Ich war wütend. Fassungslos. Traurig.
Natürlich, das alles war nicht neu. Das alles war nicht überraschend. Aber es ist der erste Advent. Und ich wollte heute meinen ersten Beitrag über meine Idee der einfachkirche schreiben. Ich habe mir viele Ideen gemacht. Aber im Laufe des Tages ist mir klar geworden, womit ich wirklich beginnen möchte.
Mit Wut. Mit Traurigkeit. Mit diesem tief beschämenden Gefühl.
Über das, was Kirche war. Über das, was Kirche noch immer sicherlich ist.
„Wie kannst du diesem Verein noch angehören?“
Das ist eine beliebte Frage an mich. Auch in Gesprächen wie dem heute Morgen. Meine Antwort ist immer gleich. Ich möchte nicht Pastor dieser Kirche werden. Ich möchte kein Verteidiger dieser Kirche sein. Ich möchte Anwalt der Frohen Botschaft sein. Ein Pastor für Menschen. Nicht irgendeiner Kirche.
Ich möchte mit Menschen gemeinsam auf dem Weg sein. Vor allem mit Menschen, die vermeintlich fern von Kirche sind.
Die sich nicht vorstellen können, jemals wieder oder überhaupt mit Kirche etwas Positives zu verbinden.
In der Andacht heute Morgen habe ich die Geschichte vom „Verlorenen Sohn“ (oder von mir aus auch von den „Verlorenen Söhnen“) erzählt. Ich erzähle diese Geschichte deshalb so gerne, weil mir die Bewegung des Vaters gefällt. Der Vater ist immer auf dem Weg nach draußen, um seine Söhne nach drinnen zu holen. Er rennt seinem ersten Sohn entgegen, nachdem der all sein Geld verprasst hat. Und er geht seinem anderen Sohn entgegen, als der nicht versteht, warum die dicke Willkommensparty stattfindet.
Es ist für mich die eindrücklichste Beschreibung dessen, wie Gott ist. Unterwegs. Nach draußen. Immer auf dem Weg nach draußen.
Es ist nur ein sehr brüchiger Gedanke. Mein Gedanke des Tages. Aber ich glaube, dass Kirche gefährlich wird, wenn sie nicht mehr unterwegs nach draußen ist. Wenn sie sich nach innen verstärkt, anstatt nach außen zu öffnen. Wenn die Strukturen innerhalb der Kirche so fest werden, dass sie selbst Missbrauchsfälle über Jahrzehnte decken kann.
So sitze ich hier nachdenklich. Am 1. Advent. Und denke über diese Kirche nach, die so etwas zugelassen hat. Und darüber, dass ich gerade dabei bin, Teil dieser Kirche zu werden.
Wie kann ich nur diesem Verein angehören wollen?
Weil ich am 1. Advent auch hier sitze und über den Gott nachdenke, der immer am hinauslaufen ist. Der immer unterwegs ist nach draußen. Und für diesen möchte ich Pastor werden. Ich möchte mit ihm hinauslaufen. Unterwegs sein.
Und in all meiner Beschämung über diese Kirche mischt sich Freude und Dankbarkeit. Dass es für Gott anscheinend trotz seiner in so vielen Teilen missratenen Kirche möglich ist, Menschen noch zu berühren. Selbst Menschen, die in kirchlicher Obhut missbraucht wurden und sich bis vor kurzem nicht vorstellen konnten, mit Kirche mal etwas Positives zu verbinden.
Wegen dieses Gottes möchte ich Pastor werden. Wegen solcher Menschen. Aber nicht wegen und erst recht nicht für irgendeine Kirche.
29. November 2016 - juhopma
Wer sich gegen neue Formen von Kirche stemmt, der stemmt sich gegen das gesunde Fortbestehen von Kirche: Warum neue Formen von Kirche kein Aufgeben eines teuren Gutes sind. Sondern das kirchlichste, was Kirche tun kann. / Eine inhaltliche Grundlegung für einfachkirche.
Während meiner Examenszeit durfte ich mich in wenigen Wochen quasi einmal durch die gesamte Kirchengeschichte lernen. Das hat wirklich keinen Spaß gemacht, war aber durchaus lehrreich. Eine der Lehren: Kirche wurde und wird immer geprägt von ihrer Umwelt und ihrer Geschichte.
Ob nun Römer, Griechen, Germanen, Nationalismus, Sozialismus… wer einen Ritt durch die Kirchengeschichte macht, der stellt fest: Kirche gibt es in keiner „Reinform“. Sie hat je nach Einfluss und Prägung ein anderes Gewand.
Das gilt für die Vergangenheit. Und genauso für die Gegenwart. Kirche wird auch heute noch stark von der Umwelt geprägt. Die Kirche wie wir sie in Deutschland kennen, wurde entscheidend von unserer Geschichte geprägt. Achtung, Überraschung: Kirche war kein Fremdkörper, der unabhängig und berührungsfrei durch Zeit und Raum geflogen ist. Auch wenn ich bei manchen Theologen das Gefühl habe, sie nehmen genau das an.
Ich möchte es noch klarer formulieren: Die Kirche, die wir heute in Deutschland kennen, ist (natürlich) extrem von der Geschichte unseres Landes geprägt. Das ist nicht schlimm, das ist ein Fakt. Kirchen in anderen Teilen der Welt hatten andere Geschichten und sehen deshalb heute anders aus als unsere. Und das meine ich jetzt nicht optisch (wobei das auch zutrifft). Sondern vor allem inhaltlich und auf die Form, die Gestalt, von Kirche bezogen. Je nach Kultur, Land, Umwelt, politischen Geschehnissen etc. wurden verschiedene theologische Entscheidungen getroffen. Auch herrschaftliche und machtpolitische Gefüge haben die Form der Kirche beeinflusst. In Brasilien geht es in Kirchen anders zu als im Kaukasus. Okay, das klingt jetzt platt. Aber du weißt, was ich meine, oder?
Und jetzt kommt es noch dicker: Nicht nur, dass je nach Region, Kultur und Geschichte die Kirche unterschiedlich aussieht. Nein, Kirchen haben sich auch innerhalb einer Region, eines Kulturkreises, fortwährend verändert. Ja, ich weiß, das kommt jetzt noch überraschender. Aber es stimmt wirklich: Im 21. Jahrhundert geht es in den Kirchen unseres Landes anders zu als im 14. Jahrhundert (und nein, ich meinte damit nicht, dass es leerer ist…). Google ruhig mal, seit wann und warum es Kirchenbänke gibt. Wieso es in Kirchen Kanzeln gibt. Um nur zwei kleine Beispiele zu nennen.
Also: Eine meiner Lehren aus der Kirchengeschichte: Kirche hat sich unterschiedlich entwickelt und Kirche hat sich stetig gewandelt. Klingt für dich selbstverständlich und du fragst dich, worauf ich hinauswill?
Es gibt keine heilige Kirchenformen.
Anscheinend waren Hausgemeinden sehr früh sehr angesagt. Später wurden die Gemeinden größer und man musste darauf reagieren. Also hat Kirche sich gewandelt. Am Anfang waren Christen eine Art Untergrundorganisation, sie wurden verfolgt. Wenig später war das Christentum plötzlich Staatsreligion. Natürlich hatte das extreme Auswirkungen darauf, wie die Kirche aussah. Wie, wann und wo Gottesdienst gefeiert wurde. Wer zur Kirche wie dazugehören konnte.
Schon sehr früh sind Christen in die weite Welt gegangen und haben dort wiederum neue Gemeinden gegründet. Schon früh kam es zu sehr unterschiedlichen Entwicklungen in der Kirche. Ich nenne mich heute „Christ“ und es gibt angeblich über 2.000.000.000 weitere von diesen Christen auf der Welt. Ja, und was verbindet uns? Die Form unserer Kirche? Die Gottesdienst-Liturgie? Unsere Musik? Unsere Spiritualität?
Ganz ehrlich: eine Messe bei den Katholiken? Nicht so mein Ding. Teufelsaustreibungen, Ekstase im Gottesdienst und Zungenreden bei Pfingstlern? Puh… wohlfühlen tue ich mich da nicht. Und ich könnte diese Liste sehr lange weiterführen. Ohne scheiß: mit den meisten Formen von „Christentum“ kann ich persönlich nichts anfangen. Aber ist das deshalb falsch, was die anderen da so praktizieren? Ist meine Form „richtiger“ als ihre?
Ich denke: Ne du, genau das ist die Kirche. Vielfältig. Bunt. Geprägt von Umwelt und Geschichte. Je nach Kultur und Menschentyp sehr verschieden. Aber warum fällt es uns dann so schwer – und ich meine jetzt mit uns die evangelische Kirche in Deutschland, zu der ich gehöre – neue Formen von Kirche zu akzeptieren? Fast überall gilt:
Die Form der Kirche ist unantastbar.
Das hat Jesus übrigens gesagt. Zumindest im Kopf vieler Kirchenleute.
Nein, das hat er nicht gesagt! Überhaupt. Er hat so herzlich wenig über die Form der Kirche gesagt, dass ich mir fast vorstellen könnte: Es war ihm egal. Es war Jesus einfach schnurzpiepegal, wie die Leute das mit der Kirchenform regeln!
Kirchenformen kommen und gehen. Sie haben ihre Zeit und ihre Berechtigung. Aber nicht für alle Zeiten und nicht für die ganze Welt.
Wenn ich über neue Formen von Kirche schreibe – und darum geht es bei der einfachkirche – dann ist das weder „neu“, noch teuflisch, noch ein Aufgeben von irgendeinem auch nur ansatzweise „teuren Gut“. Es ist das kirchlichste, was Kirche tun kann.
Kirche lebt aus Tradition von ihrer immer neuen Gestalt.
Also versteh mich bitte hier nicht falsch. Kirche lebt nicht von Traditionen. Sondern: Kirche lebt schon immer davon, dass sie wandelbar ist. Eine neue Gestalt annimmt. Sich anpasst. Nicht wie eine Fahne im Wind. Nicht alle zwei Jahre eine Generalüberholung.
Aber schau in die Geschichte der Kirche. Schau dir an, wie unterschiedlich Kirche sich im Laufe der Zeiten entwickelt und gewandelt hat. Was für unterschiedliche Ergebnisse herausgekommen sind und wie sich diese dann doch wieder gewandelt haben.
Gerade als lutherische, als reformierte Kirche, sollte uns das bewusst sein. Ist es aber nicht. Anscheinend.
Ich meine: Wer sich gegen neue Formen von Kirche stemmt, der stemmt sich gegen das gesunde Fortbestehen von Kirche. Der stemmt sich gegen die Natur der Kirche.
Und ich möchte noch einen drauflegen: Für mich gibt es eine ganz klare Verbindung zwischen einer sich wandelnden Kirche und dem Gott der Bibel. Denn auch dieser bewegt sich. Ist lebendig. Keine tote Statue. Es kann Gott reuen! Gott geht unterschiedliche Wege mit unterschiedlichen Menschen! Gott lässt mit sich quatschen und verhandeln! Er begegnet verschiedenen Menschen auf völlig verschiedene Art und Weise! Wenn ich dem Gott der Bibel Eigenschaften zuordnen müsste, dann wäre „lebendig“ auf jeden Fall dabei!
Und welche Eigenschaften würden wir der Kirche zuordnen? Bewahrend? Konservativ? Traditionell?
Mir stellt sich daher, so unterm Strich, die Frage: Woran wollen wir uns halten, liebe Kirche: an festgefahrenen Traditionen oder am lebendigen Gott? Haben wir den Mut, so lebendig zu sein, wie der Gott, von dem wir den Menschen erzählen?
Gott lebt. Kirche bewahrt.
Wir als Kirche sind ein fettes, unsportliches Kind, dass den ganzen Tag zuhause vor dem PC sitzt. Es wird Zeit, dass wir rausgehen und Sport treiben. Wieder fit werden.
Damit ist nicht gesagt, dass die Traditionen über Bord gehen müssen. Wir dürfen sie durchaus bewahren und behalten – in einem Rahmen, der ihnen zusteht. Wir müssen sie aber von dem Thron holen, der sie unantastbar macht.
Denn die Form der Kirche ist antastbar. Sie ist veränderbar.
Veränderung hat in der Kirche Tradition. Seit mehr als 2000 Jahren. Und mit einfachkirche möchte ich diese Tradition gerne fortführen.
4. Dezember 2016 - juhopma
Schluss mit dem Schönreden. Weniger ist nicht mehr. Mehr ist mehr. Mehr ist besser. Mehr ist richtig. Mehr ist Kirche: Warum wir wieder volle Kirchen brauchen. Und warum wir leere Kirchen nicht länger akzeptieren dürfen.
In diesem Beitrag geht es um eine weitere Grundlage für die einfachkirche. Vielleicht könnte man es biblische Grundlage nennen. Es geht darum, wieso es nicht hinnehmbar ist, wenn Kirchen weniger besucht werden. Leerer werden. Wieso es dem Wesen und dem Ziel von Kirche widerspricht, wenn sie schrumpft und nur noch zu Bruchteilen gefüllt ist.
Wieso? Weil der Gott der Bibel, so wie ich von ihm in der Bibel lese, nicht nur ein paar Leute erreichen will. Er will sie alle.
Ich möchte es beispielhaft an einer Geschichte festmachen, die Jesus erzählt haben soll. Theologen und Kirchenleute nennen sie häufig „Das große Festmahl“. Da erzählt Jesus von einem Mann, der groß zu einem Fest einlädt. Aber als er die Eingeladenen kurz vorher an das Fest erinnert, sagt einer nach dem anderen ab. Und was macht der Mann?
Der Mann sagt das Fest nicht ab. Er sagt nicht: „Okay, dann feiern wir eben im kleinen Kreis“. Er schickt seine Angestellten raus auf die Straße und lässt alle möglichen Leute einladen. Das Fest findet statt. Der Laden soll voll werden.
Siehst du wieder diese Bewegung nach draußen?
Ich gehe davon aus, dass Jesus diese Geschichte erzählt hat, weil er damit etwas über Gott erzählen wollte. Was ich deshalb aus der Geschichte u.a. herauslese:
Wenn zu unserer Party keiner kommt, dann sollen auch wir rausgehen. Leute einladen. Neue Leute einladen. Hauptsache, die Bude ist am Ende voll.
Gott begnügt sich nicht mit einer kleinen, persönlichen Runde mit seinen treuesten und liebsten Freunden. Er hat groß eingeladen, er hat alles vorbereitet und von dem Plan rückt er nicht ab.
Ja, manchmal ist weniger mehr. Aber eben nicht immer.
Manchmal ist mehr auch einfach mehr.
Wenn in unseren riesigen Kirchen nur noch ein paar Verbliebene am Sonntagmorgen aufkreuzen, dann sehe ich uns als Kirche in der Pflicht unseren Hintern hochzubekommen und rauszugehen. Die Menschen einladen.
Weißt du, was ich spannend finde? Die Neu-Eingeladenen in der von Jesus erzählten Geschichte sind die, die man für gewöhnlich wohl nicht auf seine Party einlädt:
„Lauf schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt. Bring die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Gelähmten hierher“ (Lukas 14,21)
Diese Leute dachten sich vermutlich „Wer, ich?“ oder „Nein, ich kann nicht gemeint sein“. Und ich habe genau das schon so häufig erlebt: Menschen, die sich gar nicht vorstellen können, dass Kirche (bzw. Gott) an ihnen Interesse hat. Das müssen nicht die wortwörtlich Armen, Verkrüppelten, Blinden und Gelähmten sein.
„Jonas, ich habe mit Kirche wirklich nichts am Hut“, „Du, ich kann mit der Musik und dieser Sprache echt nichts anfangen“, „Wenn du wüsstest, was ich getan habe… nein, das ist nichts für mich“, „Mir geht es gut, Jonas. Kirche ist doch für die da, denen es schlecht geht. Was soll ich da?“
Kirche muss Menschen (wieder) überraschen. Ihnen klar machen, dass sie alle eingeladen sind. Es gibt keine Hauptzielgruppe der Kirche (also ja, es gibt eine in der aktuellen Kirche, aber ich meine jetzt so in echt. Also… wie es eigentlich gemeint ist).
Wir müssen es wieder hinbekommen, dass Kirche weniger mit einer bestimmten Hochkultur verbunden wird. Kirche ist nicht nur intellektuelle Predigt. Nicht nur klassische Musik und als moderne Variante schrumm-schrumm-Gitarrenleierei.
Kirche ist auch Metal und Rock ´n Roll. Helene Fischer und RTL2.
Kirche ist auf der Straße im Hinterhof und in großen Kathedralen. Ja, es ist abgedroschen. Aber: Kirche ist da, wo die Menschen sind. Und nicht umgekehrt.
Denn sonst ist Kirche bald da, wo keine Menschen mehr sind.
Mehr ist mehr. In diesem Fall. Mehr ist besser. Mehr ist richtig. Weil Kirche, wenn sie leer ist, eine ganz klare Aufgabe hat: Rausgehen, einladen und dafür sorgen, dass der notorische Kirchenbank-Leerstand reduziert wird.
Und warum ist das Aufgabe der Kirche? Weil der Gott der Bibel sich so in der Bibel darstellt. Und woran, wenn nicht daran, sollten wir unsere Arbeit, unsere Ziele, unsere Ideen für Kirche beziehen?
„Geh hinaus aus der Stadt auf die Landstraßen und an die Zäune. Dränge die Leute dort herzukommen, damit mein Haus voll wird!“ (Lukas 14,23)
Wir haben uns in Kirche lange genug eingeredet, dass es völlig okay ist, wenn es den Bach runter geht. Wenn die Zahl an Menschen, für die wir relevant sind, von Jahr zu Jahr sinkt.