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Der Leitfaden zum spirituellen Erwachen!
Jetzt … Es gibt nur diesen Moment. Leben ist immer jetzt. Doch unser Verstand grübelt ständig über gestern und sorgt sich um morgen. Dabei sind wir so mit unseren negativen Gedanken und Gefühlen identifiziert und machen unseren Selbstwert daran fest, dass wir ganz vergessen haben, wer wir jenseits der äußeren Form in Wahrheit sind.
Eckhart Tolle, einer der weltweit bekanntesten spirituellen Lehrer der Gegenwart, zeigt in diesem Bestseller, wie wir uns von der Tyrannei des Verstandes befreien können. Das Jetzt ist der Schlüssel dazu. Sobald wir voll und ganz präsent sind, eröffnet sich uns die transformierende Kraft der Gegenwart und wir finden Zugang zu unserer ureigensten Essenz.
Das international meistverkaufte spirituelle Buch, jetzt als Neuausgabe.
In dieser Reihe erscheinen folgende Titel im Arkana Verlag:
Louise Hay, Heile deinen Körper
Thich Nhat Hanh, Das Wunder der Achtsamkeit
Byron Katie; Stephen Mitchell, Lieben was ist
Eckhart Tolle, Eine neue Erde
Shunryu Suzuki, Zen-Geist - Anfänger-Geist
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 318
Jetzt … Es gibt nur diesen Moment. Und darin liegt unsere Kraft. Denn das Jetzt ist der Zugang zu unserer tiefsten Glückseligkeit und zu dem inneren Frieden, nach dem wir uns so sehnen.
Eckhart Tolle, einer der bekanntesten spirituellen Lehrer der Gegenwart, zeigt, wie wir ein gesünderes, glücklicheres und achtsameres Leben führen können, indem wir im gegenwärtigen Moment leben. Im Jetzt gibt es keine Probleme. Hier können wir entdecken, dass wir bereits vollständig und vollkommen sind. Wenn wir in der Lage sind, ganz präsent zu sein und jeden Schritt im Jetzt zu tun, öffnen wir uns für die transformierende Erfahrung der Kraft des Jetzt.
Eckhart Tolle wurde in Deutschland geboren und verbrachte hier die ersten 13 Jahre seines Lebens. Nach dem Studienabschluss an der University of London war er in Forschung und Supervision an der Cambridge University tätig. Im Alter von 29 Jahren veränderte eine tiefgreifende spirituelle Erfahrung sein Leben von Grund auf. Die Jahre danach verbrachte er damit, diese Erfahrung zu vertiefen und zu integrieren. Seit mehr als dreißig Jahren unterrichtet Eckhart Tolle weltweit und gilt als einer der bedeutendsten Weisheitslehrer der Gegenwart.
Weitere Informationen unter:
www.eckharttolle.com
Die Originalausgabe erschien 1997 unter dem Titel The Power Of Now – A Guide To Spiritual Enlightenmentbei Namaste Publishing Inc., Vancouver, British Columbia, Canada und New World Library, Novato, California, USA.
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Deutsche Ausgabe August 2024
Copyright © 2000 der deutschen Erstausgabe: Kamphausen Media GmbH, Bielefeld
Copyright © 2024 dieser Ausgabe: Arkana, München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Lektorat: Hans-Jürgen Zander
Umschlag: ki36 Editorial Design, Daniela Hofner, München
Umschlagmotiv: © Daniela Hofner
Gestaltung und Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
ISBN 978-3-641-32296-0V001
www.arkana-verlag.de
Inhalt
Vorwort der Herausgeberin der Originalausgabe
Vorwort von Vera F. Birkenbihl
Einleitung
Die Entstehung dieses Buches
Die Wahrheit, die in dir lebt
Kapitel 1: Du bist nicht dein Verstand
Das größte Hindernis auf dem Weg zur Erleuchtung
Befreie dich von deinem Verstand
Erleuchtung: Über das Denken hinausgehen
Emotionen: Die Reaktion des Körpers auf deinen Verstand
Kapitel 2: Bewusstsein: Der Weg aus dem Schmerz heraus
Erschaffe keinen neuen Schmerz in der Gegenwart
Alter Schmerz: Auflösung des Schmerzkörpers
Ego-Identifikation mit dem Schmerzkörper
Der Ursprung von Angst
Die Suche des Egos nach Ganzheit
Kapitel 3: Eine Bewegung tief in die Gegenwart hinein
Suche dich nicht im Verstand
Beende die Illusion von Zeit
Nichts existiert außerhalb der Gegenwart
Der Schlüssel zur spirituellen Dimension
Zugang zur Kraft der Gegenwart
Loslassen von psychologischer Zeit
Der Wahnsinn psychologischer Zeit
Negativität und Leiden haben ihre Wurzeln in der Zeit
Finde das Leben, das tiefer ist als deine Lebenssituation
Alle Probleme sind Einbildungen des Verstandes
Ein Quantensprung in der Entwicklung des Bewusstseins
Die Freude des Seins
Kapitel 4: Strategien des Verstandes, um die Gegenwart zu vermeiden
Der Verlust des Jetzt: Die zentrale Täuschung
Gewöhnliche Unbewusstheit und tiefe Unbewusstheit
Wonach suchen sie?
Die alltägliche Unbewusstheit auflösen
Freiheit vom Unglücklichsein
Wo immer du bist, sei total gegenwärtig
Das innere Ziel deiner Lebensreise
Die Vergangenheit kann in deiner Gegenwart nicht überleben
Kapitel 5: Der Zustand von Gegenwärtigkeit
Er ist nicht das, was du denkst
Die esoterische Bedeutung von »Warten«
Schönheit erblüht in der Stille deiner Gegenwärtigkeit
Das Erkennen von reinem Bewusstsein
Christus: Der lebendige Ausdruck deiner göttlichen Gegenwärtigkeit
Kapitel 6: Der innere Körper
Das Sein ist dein tiefstes Selbst
Schau über die Worte hinaus
Finde deine unsichtbare und unzerstörbare Realität
Verbindung mit dem inneren Körper
Transformation durch den Körper
Predigt über den Körper
Habe tiefe Wurzeln im Inneren
Übe Vergebung, bevor du ins Innere des Körpers gehst
Deine Verbindung zum Unmanifesten
Den Alterungsprozess verlangsamen
Das Immunsystem stärken
Lasse dich von deinem Atem in den Körper bringen
Den Verstand kreativ nutzen
Die Kunst des Zuhörens
Kapitel 7: Portale und Zugänge zum Unmanifesten
Gehe tief in den Körper hinein
Die Quelle des Chi
Traumloser Schlaf
Andere Zugänge
Stille
Raum
Die wahre Natur von Raum und Zeit
Bewusstes Sterben
Kapitel 8: Erwachte Beziehungen
Wo immer du bist, ist der Zugang zum Jetzt
Hass-Liebe-Beziehungen
Abhängigkeit und die Suche nach Ganzheit
Von abhängigen zu erleuchteten Beziehungen
Beziehungen als spirituelle Praxis
Warum Frauen der Erleuchtung näher sind
Den kollektiven weiblichen Schmerzkörper auflösen
Gib die Beziehung mit dir selbst auf
Kapitel 9: Jenseits von Glücklichsein und Unglücklichsein ist Frieden
Das höhere gute Jenseits von gut oder böse
Das Ende deines Lebensdramas
Vergänglichkeit und die Zyklen des Lebens
Negativität nutzen und aufgeben
Das Wesen von Mitgefühl
Einer anderen Art von Realität entgegen
Kapitel : Die Bedeutung von Hingabe
Die Gegenwart annehmen
Von der Verstandesenergie zu spiritueller Energie
Hingabe in persönlichen Beziehungen
Krankheit in Erleuchtung verwandeln
Wenn Unglück zuschlägt
Leiden in Frieden verwandeln
Der Weg des Kreuzes
Die Macht zu wählen
Anmerkungen
Danksagungen
Der Autor
Um in die Kraft der Gegenwart zu reisen, müssen wir unseren analytischen Verstand und das falsche, von ihm erschaffene Selbst, das Ego, hinter uns lassen. Schon vom Anfang des ersten Kapitels an beginnen wir, uns rapide auf eine deutlich höhere Ebene hinzubewegen, wo wir eine leichtere Luft atmen, die Luft des Spirituellen. Obwohl die Reise viel von uns fordert, werden wir von einfacher Sprache und einem Frage- und Antwortformat geführt. Die Worte selbst sind die Wegweiser.
Viele von uns werden auf dem Weg neue Entdeckungen machen: Wir sind nicht unser Verstand; wir können unseren Weg aus psychologischem Schmerz herausfinden; authentische menschliche Kraft kann durch Hingabe an das Jetzt gefunden werden. Wir entdecken, dass unser Körper und auch die Stille und der Raum um uns Schlüssel sind, die uns zu einem Zustand von innerem Frieden Zugang verschaffen. Ja, der Zugang ist überall verfügbar. Diese Zugänge oder Portale können sämtlich benutzt werden, um uns ins Jetzt zu bringen, in den gegenwärtigen Moment, wo es keine Probleme gibt. Dies ist der Ort, wo wir unsere Freude finden, wo wir in der Lage sind, unser wahres Selbst zu umarmen. Hier entdecken wir, dass wir schon ganz und vollkommen sind.
Viele von uns werden herausfinden, dass unsere Beziehungen, besonders unsere intimen, das Haupthindernis darstellen, das dieser Einsicht im Wege steht. Aber wir befinden uns hier auf »neuem Territorium«, und unsere gewohnte Sichtweise ist nicht mehr gültig. Wir werden erkennen, dass unsere Beziehungen als weiterer Zugang zur spirituellen Erleuchtung dienen können, wenn wir sie weise nutzen, das heißt, wenn wir sie nutzen, um bewusstere und damit liebevollere menschliche Wesen zu werden.
Das Ergebnis? Wahre Begegnung und Einssein zwischen dem Selbst und den anderen.
Wenn wir fähig sind, wirklich gegenwärtig zu sein und jeden Schritt im Jetzt zu tun, wenn wir fähig sind, die Wahrheit hinter Worten wie »Innerer Körper«, »Hingabe«, »Vergebung« und das »Ungeschaffene« oder »Unmanifeste« zu spüren, dann öffnen wir uns für eine Erfahrung der Wandlung, ein Erfahren der Kraft der Gegenwart.
Namaste Publishing Inc.,
Vancouver, Canada
Die meisten Menschen haben sich damit abgefunden, gelebt zu werden; Sie nicht, sonst würden Sie diese Zeilen nicht lesen. Fragen Sie sich bitte, ob Ihnen folgende Gedanken vielleicht »etwas sagen«:
Einerseits wissen Sie genau, dass Mensch-Sein etwas mehr an Sein erfordert als das, was wir normalerweise »tun«, und »irgendwie« sind viele von uns auch auf der Suche nach Menschen, die uns bei dieser Suche helfen können, wiewohl wir unsere Autonomie nicht aufgeben wollen.
Was wir brauchen, sind innere Meisterinnen und Meister, genau genommen Gurus im alten besten Wortsinn (ein Guru führt seine Mitmenschen zu wichtigen Erkenntnissen über ihr eigenes Wesen). Solche Lehrerinnen und Lehrer erfüllen seit Jahrtausenden eine Funktion, die wir derzeit mit dem Begriff »Coach« umschreiben, wobei diese Art von Coach uns hilft, das eigentlich Menschliche in uns zu entdecken; sie oder er führt uns also zu gewissen Ein-SICHT-en.
Jede Ein-SICHT kann als Er-HELL-ung (eines zuvor im Dunklen verbliebenen Aspektes) beschrieben werden. Wir alle haben schon so manches Mal eine wunderbare Ein-SICHT gewonnen, sie aber bald wieder »vergessen«, als wir den Kegel unserer »Taschenlampe« wieder auf das Alltägliche gelenkt haben.
Wir neigen dazu, uns auf die »Zwänge« des täglichen Tuns einzulassen, das wir mit Leben verwechseln. Im tiefsten Grund unseres Seins wissen wir, dass es sich hierbei nicht um das wirkliche Leben handelt. Wie oft fühlen wir uns im Alltag verletzlich und verletzt, ausgebeutet, hin- und hergestoßen und glauben, wir könnten nichts dagegen tun. Oft stürzen wir uns mutig in den Kampf, immer wieder, ohne zu begreifen, dass wir gerade durch diesen »Kampf« das stark machen, was wir krampfhaft (d. h. mit verkrampftem Körper und Geist) zu bekämpfen versuchen. Dorthin lenken wir unsere wertvollen Kräfte, dem Kampf (genauer: dem von uns so intensiv Bekämpften) gilt ein Großteil unserer wachsamen Aufmerksamkeit. Wir konzentrieren uns auf die »böse« Welt und vergessen darüber unser eigenes Wesen. In den kurzen Zwischenspielen, als wir die eine oder andere Ein-SICHT über diese Zusammenhänge gewonnen hatten, wussten wir (kurzfristig), dass es auch anders sein könnte, aber dann ließen wir uns wieder hineinziehen in den Alltag, um den Kampf fortzuführen …
Kennen Sie die sokratische Einstellung, dass alle Menschen die tiefen Wahrheiten eigentlich kennen und sie, wenn man sie daran er-INNER-t, sofort wiedererkennen werden? Eckhart Tolle zeigt uns, wie recht Sokrates und seine Schule haben:
Wir begreifen auf jeder Seite, dass hier einer jener wenigen wahren Meister zu uns spricht, dass er uns meint, unser Leben, unser Sein. Dabei benutzt er, wie alle großen Meister, eine einfache Sprache. Die tiefsten Wahrheiten sind immer einfach. Nicht simpel – sondern einfach; darin liegt eine Welt des Unterschiedes.
Lassen Sie sich ein auf dieses Abenteuer. Das Schlimmste, das Ihnen passieren kann, ist, dass Sie in einen Spiegel schauen, in dem Sie erwarteten, Ihr kleines Ich zu sehen, und dabei feststellen, dass Ihnen Ihr wahres Selbst entgegenblickt.
Die ehemalige Leiterin des Instituts für gehirn-gerechtes Arbeiten, Vera F. Birkenbihl (1946–2011), ist eine der ganz großen Trainerpersönlichkeiten. Sie gehört zu den Erfindern von Infotainment, lange bevor es einen Begriff dafür gab. (Sie nannte das seit 1969 brain-friendly und seit 1973 gehirn-gerecht.) Ihre Themenbereiche waren u. a. Brain-Management (inkl. Kreativität), Kommunikation, Persönlichkeitsentwicklung, Zukunftstauglichkeit und die Psychologie des Erfolges und Versagens (inkl. Stressbewältigung).
Einleitung
Ich habe wenig Verwendung für die Vergangenheit und denke selten über sie nach; trotzdem möchte ich kurz erzählen, wie es dazu kam, dass ich ein spiritueller Lehrer wurde, und wie dieses Buch entstanden ist.
Bis zu meinem 30. Lebensjahr lebte ich in einem Zustand fast ununterbrochener Angstgefühle, unterbrochen von Phasen lebensmüder Depression. Jetzt fühlt es sich so an, als spräche ich über ein vergangenes Leben oder über das Leben eines anderen.
Eines Nachts, nicht lange nach meinem neunundzwanzigsten Geburtstag, erwachte ich in den frühen Morgenstunden mit einem Gefühl absoluten Grauens. Ich war schon oft mit einem solchen Gefühl aufgewacht, aber diesmal war es intensiver als je zuvor. Die Stille der Nacht, die vagen Umrisse der Möbel im dunklen Zimmer, das entfernte Geräusch eines vorüberfahrenden Zuges – alles fühlte sich so fremd an, so feindselig und so absolut bedeutungslos, dass in mir ein tiefer Abscheu vor der Welt entstand. Und das Abscheulichste von allem war meine eigene Existenz. Welchen Sinn machte es, mit dieser Elendslast weiterzuleben? Warum diesen ständigen Kampf weiterführen? Ich konnte fühlen, dass die tiefe Sehnsucht nach Auslöschung, nach Nicht-Existenz jetzt wesentlich stärker wurde als der instinktive Wille weiterzuleben.
»Ich kann mit mir selbst nicht weiterleben.« Dieser Gedanke kreiste endlos in meinem Verstand. Plötzlich wurde mir bewusst, was für ein sonderbarer Gedanke das war. »Bin ich einer oder zwei? Wenn ich nicht mit mir selbst leben kann, dann muss es zwei von mir geben: das ›Ich‹ und das ›Selbst‹, mit dem ›Ich‹ nicht mehr leben kann. Vielleicht«, dachte ich, »ist nur eins von beiden wirklich.«
Ich war so fassungslos über diese seltsame Erkenntnis, dass mein Verstand anhielt. Ich war bei vollem Bewusstsein, aber es waren keine Gedanken mehr da. Dann fühlte ich mich in eine Art Energiewirbel hineingezogen. Zuerst war die Bewegung langsam, dann beschleunigte sie sich. Ich wurde von heftiger Angst ergriffen, und mein Körper begann zu zittern. Wie aus dem Inneren meiner Brust hörte ich die Worte: »Wehre dich nicht!« Ich fühlte, wie ich in eine Leere hineingesaugt wurde. Es fühlte sich an, als sei die Leere in meinem Inneren, nicht außen. Plötzlich war keine Angst mehr da, und ich ließ mich in diese Leere hineinfallen. Ich habe keine Erinnerung daran, was danach geschah.
Ich wurde vom Zwitschern eines Vogels draußen vor dem Fenster geweckt. Nie zuvor hatte ich einen solchen Klang gehört. Meine Augen waren immer noch geschlossen, und ich sah das Bild eines kostbaren Diamanten. Ja, wenn ein Diamant ein Geräusch machen könnte, dann würde sich das so anhören. Ich öffnete meine Augen. Das erste Licht der Morgendämmerung sickerte durch die Vorhänge. Ohne jeden Gedanken wusste ich, fühlte ich, dass es über das Licht unendlich viel mehr zu erfahren gibt, als wir ahnen. Diese weiche Helligkeit, die durch die Vorhänge sickerte, war Liebe selbst. Tränen stiegen mir in die Augen. Ich stand auf und ging im Zimmer umher. Ich erkannte das Zimmer, und doch wusste ich, dass ich es nie zuvor wirklich gesehen hatte. Alles war frisch und unberührt, als ob es gerade erst entstanden wäre. Ich nahm einige Dinge in die Hand, einen Bleistift, eine leere Flasche, voll Wunder über die Schönheit und Lebendigkeit von allem.
An diesem Tag ging ich in der Stadt umher, voller Staunen über das Wunder des Lebens auf der Erde, so als wäre ich gerade erst in diese Welt hineingeboren worden.
Fünf Monate lang lebte ich ununterbrochen in einem Zustand tiefen Friedens und tiefer Glückseligkeit. Danach ließ die Intensität etwas nach, oder vielleicht schien es auch nur so, weil mir dieser Zustand so selbstverständlich geworden war. Ich konnte weiterhin in der Welt funktionieren, obwohl mir bewusst war, dass jegliches Tun nicht das Geringste zu dem hinzufügen konnte, was ich bereits hatte.
Ich wusste natürlich, dass etwas zutiefst Bedeutsames mit mir geschehen war, aber ich verstand es nicht. Erst einige Jahre später, nachdem ich spirituelle Texte gelesen und Zeit mit spirituellen Lehrern verbracht hatte, erkannte ich, dass das, wonach andere suchen, für mich bereits geschehen war. Ich verstand, dass der intensive Leidensdruck mein Bewusstsein in jener Nacht wohl dazu gezwungen hatte, sich aus der Identifikation mit dem unglücklichen und zutiefst ängstlichen Selbst zu lösen, welches ja letztendlich eine Einbildung des Verstandes ist.
Der Rückzug muss so vollständig gewesen sein, dass das unechte, leidende Selbst sofort in sich zusammenbrach, so als wenn man den Stöpsel aus einem aufblasbaren Spielzeug herausgezogen hätte. Was zurückblieb, war meine wahre Natur – das stets gegenwärtige Ich bin: reines Bewusstsein, bevor es sich mit Form identifiziert. Später lernte ich auch bei vollem Bewusstsein, in dieses innere zeitlose und unsterbliche Reich, das ich ursprünglich als eine Leere wahrgenommen hatte, einzutreten. Ich befand mich in Zuständen von so unbeschreiblicher Glückseligkeit und Heiligkeit, dass im Vergleich damit sogar die ursprüngliche Erfahrung, welche ich gerade beschrieben habe, verblasste. Es kam dann eine Phase, in der mir auf der körperlichen und materiellen Ebene eine Zeit lang absolut nichts blieb. Ich hatte keine Beziehungen, keine Arbeit, kein Zuhause, keine sozial definierte Identität. Ich verbrachte fast zwei Jahre auf Parkbänken sitzend in einem Zustand intensivster Freude.
Aber sogar die allerschönsten Erfahrungen kommen und gehen. Vielleicht grundlegender als jede Erfahrung ist der tiefe Unterton von Frieden, der mich seitdem nicht mehr verlassen hat. Manchmal ist er sehr stark, fast greifbar, so dass andere ihn auch fühlen können. Zu anderen Zeiten ist er mehr im Hintergrund, wie eine entfernte Melodie.
Später kamen Leute gelegentlich auf mich zu und sagten: »Ich möchte haben, was du hast. Kannst du es mir geben oder mir zeigen, wie man es bekommt?« Dann sagte ich: »Du hast es bereits. Du kannst es nur nicht fühlen, weil dein Verstand so viel Lärm macht.« Aus dieser Antwort wurde später das Buch, das du* jetzt in deinen Händen hältst.
Bevor ich mich versah, hatte ich wieder eine äußere Identität. Ich war zu einem spirituellen Lehrer geworden.
Soweit sie in Worten vermittelt werden kann, stellt dieses Buch die Essenz meiner Arbeit mit Individuen und kleinen Gruppen spiritueller Sucher während der vergangenen zehn Jahre in Europa und in Nordamerika dar. In tiefer Liebe und Anerkennung möchte ich diesen außergewöhnlichen Menschen für ihren Mut danken, für ihre Bereitwilligkeit, sich für innere Transformation zu öffnen, für ihre herausfordernden Fragen und für ihre Bereitschaft zuzuhören. Dieses Buch wäre ohne sie nicht entstanden. Sie gehören zu einer noch kleinen, aber glücklicherweise wachsenden Minderheit von spirituellen Pionieren. Diese Menschen haben einen Punkt erreicht, an dem sie imstande sind, aus ererbten kollektiven Verstandesmustern auszubrechen, die die Menschheit seit Ewigkeiten im Angekettetsein an das Leiden gehalten haben.
Ich bin mir sicher, dass dieses Buch seinen Weg zu denen finden wird, die bereit für eine solche radikale innere Verwandlung sind und für die es dabei als Katalysator wirken kann. Ich hoffe auch, dass es viele andere erreichen wird, die seinen Inhalt als wertvoll erachten, obwohl sie nicht in der Lage sein mögen, ihn voll zu leben oder zu praktizieren. Es ist möglich, dass der Same, der beim Lesen dieses Buches gesät wurde, zu einem späteren Zeitpunkt mit dem Samen der Erleuchtung verschmelzen wird, den jedes menschliche Wesen in sich trägt, und dass dieser Same plötzlich aufgehen und in ihnen lebendig werden wird.
Dieses Buch entstand in seiner gegenwärtigen Form aus oft spontan gegebenen Antworten zu Fragen von Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmern, in Meditationsgruppen und privaten Beratungssitzungen. Ich habe daher das Frage-und-Antwort-Format beibehalten. In diesen Gruppen und Sitzungen lernte und erhielt ich ebenso viel wie die Fragenden. Einige der Fragen und Antworten habe ich fast wörtlich aufgeschrieben. Andere sind umfassender, das heißt, ich habe bestimmte Arten von Fragen, die oft gestellt wurden, zu einer einzigen zusammengezogen und ebenso das Wesentliche der verschiedenen Antworten zusammengefasst. Beim Schreiben geschah es manchmal, dass eine völlig neue Antwort kam, die tiefgründiger oder einleuchtender war als alles, was ich bisher dazu geäußert hatte. Einige zusätzliche Fragen wurden von der Herausgeberin gestellt, um bestimmte Punkte zu klären.
Du wirst sehen, dass die Dialoge von der ersten bis zur letzten Seite ständig zwischen zwei verschiedenen Ebenen wechseln.
Auf einer Ebene richte ich deine Aufmerksamkeit auf das, was in dir unecht ist. Ich spreche vom Wesen menschlicher Unbewusstheit und Gestörtheit sowie von den üblichen daraus resultierenden Verhaltensmustern, die von Konflikten in Beziehungen bis zu Kriegen zwischen Stämmen oder Nationen reichen. Dieses Wissen ist wesentlich, denn bevor du nicht lernst, das Falsche als falsch zu erkennen – als nicht du –, kann es keine dauerhafte Verwandlung geben, und du wirst immer wieder in die Illusion und irgendeine Art von Schmerz zurückgezogen. Auf dieser Ebene zeige ich dir auch, wie du aufhören kannst, das, was falsch in dir ist, zu einem Selbst und zu einem persönlichen Problem zu machen, denn genau so erhält das Falsche sich aufrecht.
Auf einer anderen Ebene spreche ich von einer grundlegenden Umwandlung des menschlichen Bewusstseins – nicht als einer Möglichkeit in ferner Zukunft, sondern als jetzt erreichbar – egal, wer oder wo du bist. Dir wird gezeigt, wie du dich von der Tyrannei des Verstandes befreien, in den erleuchteten Zustand des Bewusstseins eintreten und ihn im täglichen Leben aufrechterhalten kannst.
Auf dieser Ebene des Buches sind die Worte nicht immer als Information gedacht, sondern oft dazu vorgesehen, dich beim Lesen in dieses neue Bewusstsein hineinzuziehen. Wieder und wieder bemühe ich mich, dich mit mir in den zeitlosen Zustand von intensiver, bewusster Gegenwärtigkeit im Jetzt mitzunehmen, um dir einen Geschmack von Erleuchtung zu geben. Bis du in der Lage bist zu erleben, wovon ich spreche, werden dir diese Passagen wie ständige Wiederholungen vorkommen. Wenn du aber so weit bist, glaube ich, dass du erkennen wirst, welch große spirituelle Kraft sie enthalten, und sie werden für dich vielleicht zu den lohnendsten Teilen des Buches werden.
Da außerdem jeder Mensch den Samen der Erleuchtung in sich trägt, wende ich mich oft an den Wissenden in dir, der hinter dem Denker wohnt, an das tiefere Selbst, welches spirituelle Wahrheit sofort erkennt, in Resonanz damit geht und Stärke daraus gewinnt.
Das Pausensymbol nach bestimmten Abschnitten ist eine Anregung, für einen Moment mit dem Lesen aufzuhören, innezuhalten und die Wahrheit von dem, was gerade gesagt wurde, zu fühlen und zu erfahren. Es mag andere Stellen im Text geben, an denen du das ganz natürlich und spontan tust.
Anfänglich mag dir die Bedeutung bestimmter Worte wie zum Beispiel »Sein« oder »Gegenwärtigkeit« nicht völlig klar sein. Lies einfach weiter. Fragen oder Einwände können gelegentlich in deinem Verstand auftauchen, während du liest. Sie werden wahrscheinlich später im Buch beantwortet oder sie mögen sich als nebensächlich erweisen, wenn du tiefer in die Lehre hineingehst und in dich selbst. Lies nicht mit dem Verstand allein. Achte auf jede »Gefühlsantwort« während des Lesens und jede Art von Erkennen tief im Inneren. Ich kann dich keine spirituelle Wahrheit lehren, die du nicht tief innen bereits kennst. Ich kann dich nur an das erinnern, was du vergessen hast. Lebendiges Wissen, uralt und doch immer neu, wird dann in jeder Zelle deines Körpers aktiviert und wieder befreit.
Der Verstand will immer einordnen und vergleichen, aber dieses Buch wird dir mehr geben, wenn du dich nicht bemühst, seine Terminologie mit der anderer Lehren zu vergleichen; es könnte dich verwirren. Ich benutze Worte wie »Verstand«, »Glück« und »Bewusstsein« auf eine Art, die nicht unbedingt mit anderen Lehren übereinstimmt. Halte dich nicht an irgendwelche Worte. Sie sind nur Stationen, die man so schnell wie möglich hinter sich lässt.
Wenn ich gelegentlich die Worte von Jesus oder Buddha aus Ein Kurs in Wundern oder aus anderen Lehren zitiere, dann tue ich das nicht, um zu vergleichen, sondern um deine Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass es in Essenz immer nur eine Lehre gibt und gegeben hat, obwohl sie in mehreren Formen erscheint. Einige dieser Formen, wie z. B. die alten Religionen, sind so überlagert mit fremden Inhalten, dass ihre spirituelle Essenz fast vollkommen verdeckt ist. Ihre tiefere Bedeutung ist dadurch fast nicht mehr zu erkennen, und sie haben ihre transformative Kraft verloren. Wenn ich aus den alten Religionen oder anderen Lehren zitiere, dann will ich damit deren tiefere Bedeutung enthüllen und dadurch ihre transformative Kraft wiederherstellen – besonders für jene Leserinnen und Leser, welche diesen Religionen oder Lehren folgen. Ich sage ihnen: Es ist nicht nötig, die Wahrheit irgendwo anders zu suchen. Lass mich dir zeigen, wie du das, was du bereits hast, tiefer erfahren kannst.
Meistens habe ich mich jedoch bemüht, eine Terminologie zu benutzen, die so neutral wie möglich ist, um einen möglichst großen Kreis von Menschen zu erreichen. Dieses Buch kann als aktuelle Neuformulierung für die eine zeitlose spirituelle Lehre, die Essenz aller Religionen gesehen werden. Es ist nicht von äußeren Quellen abgeleitet, sondern entspringt der einen wahren inneren Quelle, enthält also keine Theorien oder Spekulationen. Ich spreche aus innerer Erfahrung, und wenn ich manchmal eindringlich spreche, dann deshalb, um durch die dichten Schichten mentalen Widerstandes zu dringen und den Ort in dir zu erreichen, wo du schon weißt, genau wie ich weiß, und wo die Wahrheit erkannt wird, wenn sie gehört wird. Ein Gefühl von Begeisterung und erhöhter Lebendigkeit entsteht, wenn etwas in dir sagt: »Ja, ich weiß, dies ist die Wahrheit.«
* Anmerkung der Übersetzerinnen: Da Eckhart Tolle in seinem Buch die Seele anspricht, haben wir uns entschlossen, in der Übersetzung das »du« als Anrede zu benutzen.
Kapitel 1: Du bist nicht dein Verstand
Erleuchtung – was ist das?
Ein Bettler hatte mehr als dreißig Jahre am Straßenrand gesessen. Eines Tages kam ein Fremder vorbei. »Hast du mal ’ne Mark?«, murmelte der Bettler und hielt mechanisch seine alte Baseballmütze hin. »Ich habe dir nichts zu geben«, sagte der Fremde und fragte dann: »Worauf sitzt du da eigentlich?« »Ach«, antwortete der Bettler, »das ist nur eine alte Kiste. Da sitze ich schon drauf, solange ich zurückdenken kann.« »Hast du da mal reingeschaut?«, fragte der Fremde. »Nein«, sagte der Bettler, »warum auch? Es ist ja doch nichts drin.« »Schau hinein«, drängte der Fremde. Es gelang dem Bettler, die Kiste aufzubrechen. Voller Erstaunen, Unglauben und Begeisterung entdeckte er, dass die Kiste mit Gold gefüllt war.
Ich bin dieser Fremde, der dir nichts zu geben hat und der dir rät, nach innen zu schauen. Nicht in irgendeine Kiste wie in dem Gleichnis, sondern viel näher: in dich selbst.
»Aber ich bin doch kein Bettler«, höre ich dich sagen.
Alle, die ihren wahren Reichtum noch nicht gefunden haben, die strahlende Freude des Seins und den tiefen, unerschütterlichen Frieden, der damit einhergeht, alle die sind Bettler, mögen sie materiell auch noch so reich sein. Sie suchen im Außen nach Vergnügen und Erfüllung, nach Wertschätzung, Sicherheit und Liebe, während sie einen Schatz in sich tragen, der all diese Dinge beinhaltet und zugleich unendlich viel größer ist als alles, was die Welt anzubieten hat.
Das Wort Erleuchtung lässt an eine Art übermenschlicher Fähigkeit denken, und das Ego möchte daran festhalten. Doch Erleuchtung ist ganz einfach dein natürlicher Zustand von empfundener Einheit mit dem Sein. In diesem Zustand bist du mit etwas Unermesslichem und Unzerstörbarem verbunden, mit etwas, das paradoxerweise du selbst bist und das zugleich etwas viel Größeres ist als du. Es geht um das Entdecken deiner wahren Natur jenseits von Name und Form. Die Unfähigkeit zu fühlen, dass du derart verbunden bist, führt zu der Illusion von Trennung. Trennung von dir selber und von deiner Umwelt. Dann nimmst du dich selbst, bewusst oder unbewusst, als ein isoliertes Fragment wahr. Angst entsteht, innere und äußere Konflikte werden die Norm.
Ich liebe die schlichte Definition des Buddha für Erleuchtung: »Das Ende allen Leidens.« Daran ist nichts übermenschlich, oder? Diese Definition ist allerdings nicht vollständig. Sie erklärt nur, was Erleuchtung nicht ist: Leiden. Aber was bleibt übrig, wenn es kein Leiden mehr gibt? Buddha schweigt dazu, und sein Schweigen deutet an, dass du es selbst herausfinden musst. Er benutzt eine negative Definition, so dass der Verstand keinen neuen Glauben daraus machen, es nicht zu einer übermenschlichen Fähigkeit hochstilisieren kann, zu einem Ziel, welches du niemals erreichen kannst. Trotz dieser Vorsichtsmaßnahme glaubt die Mehrheit der Buddhisten weiterhin, dass Erleuchtung nur etwas für einen Buddha ist, nicht für sie selbst, zumindest nicht in diesem Leben.
Du hast den Begriff Sein benutzt.
Kannst du erklären, was du damit meinst?
Das Sein ist das ewige, immer gegenwärtige Eine Leben jenseits der unzähligen Erscheinungen, die Geburt und Tod unterworfen sind. Doch das Sein befindet sich nicht nur jenseits von Formen, sondern auch tief im Inneren der Formen als ihre innerste unsichtbare und unzerstörbare Essenz. Das bedeutet, das Sein ist jetzt zugänglich für dich, ist dein eigenes tiefstes Selbst, deine wahre Natur. Aber versuche nicht, es mit dem Verstand zu erfassen. Du erfährst es nur, wenn der Verstand still ist. Wenn du gegenwärtig bist, wenn deine Aufmerksamkeit voll und ganz auf das Jetzt gerichtet ist, dann wird das Sein spürbar, aber es entzieht sich dem Begreifen des Verstandes. Die Bewusstheit des Seins wiederzuerlangen und in dem Zustand von »fühlendem Erkennen« zu verbleiben, das ist Erleuchtung.
Wenn du vom Sein sprichst, meinst du dann Gott?
Wenn ja, warum sagst du es nicht?
Das Wort Gott hat seine Bedeutung in tausenden von Jahren, in denen es missbraucht wurde, verloren. Manchmal benutze ich es, aber eher sparsam. Mit Missbrauch meine ich hier, dass Menschen, die nicht einmal einen flüchtigen Einblick in den Bereich des Heiligen, in die unendliche Weite hinter diesem Wort hatten, es mit großer Überzeugung benutzen, als wüssten sie, wovon sie reden. Oder sie argumentieren dagegen, als wüssten sie, was sie da ablehnen. Dieser Missbrauch führt zu absurden Überzeugungen, Behauptungen und Ego-Fantasien wie zum Beispiel »Mein oder unser Gott ist der einzig wahre Gott, und dein Gott ist falsch« oder zu Nietzsches berühmter These: »Gott ist tot.«
Das Wort Gott ist zu einem geschlossenen Konzept geworden. Sobald dieses Wort ausgesprochen wird, entsteht eine Vorstellung; vielleicht nicht mehr die von einem alten Mann mit weißem Bart, aber immer noch eine Vorstellung von jemandem oder etwas außerhalb von dir und, ja fast zwangsläufig, von einem männlichen Jemand oder einem Etwas.
Weder Gott noch Sein noch irgendein anderes Wort kann die unaussprechliche Wahrheit hinter diesem Wort beschreiben oder erklären. Daher ist die einzig wichtige Frage, ob das Wort eine Hilfe oder eher eine Behinderung ist, wenn es darum geht, die Realität zu erfahren, auf die es hinweist. Weist es über sich selbst hinaus auf jene transzendente Realität oder wird es viel zu leicht zu einer Idee in deinem Kopf, an die du glaubst, zu einem mentalen Götzen?
Das Wort Sein erklärt gar nichts, ebenso wenig wie das Wort Gott. Sein hat allerdings den Vorteil, dass es ein offenes Konzept darstellt. Es reduziert das unendliche Unsichtbare nicht zu einer endlichen Einheit. Es ist unmöglich, sich darunter etwas vorzustellen. Niemand kann einen Besitzanspruch auf das Sein anmelden. Es ist deine eigenste Essenz, und durch das Gefühl deiner eigenen Gegenwärtigkeit hast du einen direkten Zugang dazu. Es ist die Erkenntnis Ich bin, bevor du sagst: Ich bin dies oder ich bin das. Daher ist es nur ein kleiner Schritt von dem Wort Sein zur Erfahrung dieses Seins.
Was ist das größte Hindernis, das dem Erfahren dieser Realität im Wege steht?
Identifikation mit deinem Verstand. Dadurch werden Gedanken zwanghaft. Die Unfähigkeit, das Denken anzuhalten, ist eine schlimme Krankheit, aber wir sehen das nicht so, wir halten es für normal, weil fast jeder darunter leidet. Der unaufhörliche geistige Lärm hindert dich daran, den Raum innerer Stille zu finden, der vom Sein untrennbar ist. Er erschafft außerdem ein falsches Verstand-geborenes Selbst, das einen Schatten von Angst und Leiden wirft. Wir werden uns das alles später noch genauer anschauen.
Der Philosoph Descartes glaubte, er habe die fundamentalste Wahrheit gefunden, als er seine berühmte Aussage machte: »Ich denke, also bin ich.« In Wirklichkeit hat er damit den grundlegendsten Irrtum ausgedrückt, nämlich den, Denken mit Sein und Identität mit Denken gleichzusetzen. Der zwanghaft Denkende, also fast jeder, lebt in einem Zustand von scheinbarer Getrenntheit, in einer krankhaft komplexen Welt ständiger Probleme und Konflikte, einer Welt, die ein Spiegel für die wachsende Zerstückelung des Verstandes ist. Erleuchtung ist ein Zustand von Einheit und somit von Frieden. Einheit mit dem Leben und seiner manifesten Erscheinung, der Welt, sowie Einheit mit deinem wahren Selbst und dem unmanifesten Leben – Einheit mit dem Sein. Erleuchtung ist nicht nur das Ende allen Leidens und der ständigen Konflikte im Innen und Außen, sondern auch das Ende der schrecklichen Versklavung in zwanghaftes Denken. Was für eine unglaubliche Befreiung!
Identifikation mit deinem Verstand erschafft einen dunklen Schleier von Konzepten, Bezeichnungen, Vorstellungen, Wörtern, Urteilen und Definitionen, der jede wahre Beziehung behindert. Er gerät zwischen dich und dein Selbst, zwischen dich und deine Mitmenschen, zwischen dich und die Natur, zwischen dich und Gott. Dieser Schleier aus Gedanken erschafft auch die Illusion von Trennung, die Illusion, dass es dich gibt und getrennt davon den/die anderen. Dann vergisst du die grundlegende Tatsache, dass du auf einer Ebene, die tiefer ist als körperliche Erscheinungen und separate Formen, eins bist mit allem, was ist. Mit »vergessen« meine ich, dass du dieses Einssein nicht mehr als offensichtliche Wahrheit fühlen kannst. Du magst glauben, dass es wahr ist, aber du weißt es nicht mehr. Ein Glaube kann ja tröstlich sein. Aber erst durch deine eigene Erfahrung wird er befreiend.
Denken ist zu einer Krankheit geworden. Krankheit entsteht, wenn Dinge aus dem Gleichgewicht geraten. Zum Beispiel ist es normal, wenn Zellen sich im Körper teilen und vermehren, aber wenn dieser Prozess sich unkontrolliert ohne Bezug zur Ganzheit des Körpers fortsetzt, dann wuchern diese Zellen, und Krankheit entsteht.
Der Verstand ist ein hervorragendes Instrument, wenn er richtig benutzt wird. Bei falschem Gebrauch kann er allerdings sehr destruktiv werden. Genauer gesagt ist es nicht so, dass du deinen Verstand falsch gebrauchst – du gebrauchst ihn normalerweise überhaupt nicht. Er gebraucht dich. Das ist die Krankheit. Du hältst dich für deinen Verstand. Das ist die Wahnidee. Das Instrument hat die Macht über dich gewonnen.
Ich kann dem nicht ganz zustimmen. Es stimmt, dass ich mich oft sinnlosen Gedanken hingebe wie die meisten, aber ich habe auch die Wahl, meinen Verstand dafür einzusetzen, Dinge zu bekommen oder zu erreichen, und das tue ich ständig.
Nur weil du ein Kreuzworträtsel lösen oder eine Atombombe bauen kannst, bedeutet das nicht, dass du deinen Verstand benutzt. Genauso wie Hunde es lieben, auf Knochen herumzukauen, liebt der Verstand es, sich an Problemen festzubeißen. Darum mag er Kreuzworträtsel und baut Atombomben. Du hast nicht das geringste Interesse an Kreuzworträtseln oder Atombomben. Ich frage dich: Kannst du dich von deinem Verstand befreien, wann immer du möchtest? Hast du den Knopf zum Abschalten gefunden?
Du meinst, ganz mit dem Denken aufzuhören?
Nein, das kann ich nicht, außer vielleicht für einen kurzen Moment.
Dann benutzt der Verstand dich. Du bist unbewusst mit ihm identifiziert, deshalb weißt du nicht einmal, dass du sein Sklave bist. Es ist fast so, als seist du besessen, ohne es zu wissen, und deshalb hältst du das Wesen, das dich besetzt, für dich selbst. Freiheit beginnt, wenn du erkennst, dass du mit dem Verstand, dem Denker, der dich im Zustand der Besessenheit hält, nicht identisch bist. Diese Erkenntnis befähigt dich, den Denker zu beobachten. Sobald du beginnst, den Denker zu beobachten, wird eine höhere Bewusstseinsebene aktiviert. Dann beginnst du zu erkennen, dass es einen enormen Bereich von Intelligenz jenseits des Denkens gibt, dass dein Denken nur einen winzig kleinen Aspekt dieser Intelligenz ausmacht. Du erkennst auch, dass alles, was dem Leben wahren Wert verleiht – Schönheit, Liebe, Kreativität, Freude, innerer Friede –, seinen Ursprung jenseits des Verstandes hat. Du beginnst zu erwachen.
Was genau meinst du, wenn du sagst »den Denker beobachten«?
Wenn jemand zum Arzt geht und sagt: »Ich höre eine Stimme in meinem Kopf«, dann wird er oder sie höchstwahrscheinlich zu einem Psychiater überwiesen. In Wirklichkeit ist es so, dass fast jeder auf ganz ähnliche Art dauernd eine oder mehrere Stimmen in seinem Kopf hört: die unwillkürlichen Gedankengänge, von denen du noch nicht weißt, dass es in deiner Macht steht, sie anzuhalten. Ständige Monologe oder Dialoge. Sicher bist du schon »Verrückten« auf der Straße begegnet, die unaufhörlich mit sich selber reden oder murmeln. Das ist gar nicht so verschieden von dem, was du und all die anderen »Normalen« tun, ihr tut es nur nicht laut. Die Stimme kommentiert, spekuliert, urteilt, vergleicht, mag, mag nicht und so weiter. Die Stimme hat nicht unbedingt mit der Situation zu tun, in der du dich gerade befindest; es kann sein, dass sie die nahe oder ferne Vergangenheit wieder aufleben lässt oder für mögliche Situationen in der Zukunft schon mal übt. Dabei stellt sie sich oft vor, dass Dinge schiefgehen oder schlecht ausgehen; das nennt man »sich sorgen«. Manchmal wird diese Tonspur von Bildern begleitet, wie im Kino. Selbst wenn die Stimme für die augenblickliche Situation Relevanz hat, wird sie Interpretationen anbringen, die sich an der Vergangenheit orientieren. Das geschieht, weil diese Stimme zu deinem konditionierten Verstand gehört, der aus deiner gesamten Vergangenheit entstanden ist und aus den von dir geerbten kollektiven Verstandesmustern. Du siehst und beurteilst die Gegenwart durch die Augen der Vergangenheit – das verzerrt die Sicht völlig. Es ist nicht ungewöhnlich, dass diese Stimme zum größten Feind eines Menschen wird. Viele Menschen leben mit einem Peiniger im Kopf, der sie ununterbrochen angreift und bestraft und ihnen die Lebensenergie abzieht. Hier liegt die Ursache für unzähliges Leid, für Unglück und auch für Krankheit.
Die gute Nachricht ist, dass du dich von deinem Verstand befreien kannst. Das ist die einzig wahre Befreiung. Du kannst gleich jetzt den ersten Schritt darauf hin tun. Fange an, so oft du kannst, auf die Stimme in deinem Kopf zu hören. Sei besonders aufmerksam bei allen sich wiederholenden Gedankenmustern, diesen alten Schallplatten, die wahrscheinlich viele Jahre lang in deinem Kopf gespielt wurden. Das meine ich mit »den Denker beobachten« – ich könnte auch sagen: Höre auf die Stimme in deinem Kopf, sei als Beobachter gegenwärtig. Wenn du dieser Stimme zuhörst, dann tue das vorurteilslos. Beurteile oder verdamme nicht, was du hörst, denn das würde bedeuten, dass dieselbe Stimme durch die Hintertür wieder hereingekommen ist. Du wirst bald erkennen: Da ist die Stimme, und hier bin ich – und höre ihr zu, beobachte sie. Dieses Erkennen von Ich bin, dieses Gefühl deiner eigenen Gegenwärtigkeit ist kein Gedanke. Es hat seinen Ursprung jenseits des Verstandes.
Wenn du also einem Gedanken zuhörst, dann bist du dir des Gedankens bewusst und zugleich auch deiner selbst als Zeuge dieses Gedankens. Eine neue Dimension von Bewusstheit ist entstanden. Während du dem Gedanken zuhörst, fühlst du eine bewusste Gegenwärtigkeit – dein tieferes Selbst – sozusagen hinter oder unter dem Gedanken. Der Gedanke verliert so an Macht über dich und lässt schnell nach, denn du bestärkst den Verstand nicht mehr durch deine Identifikation mit ihm. Das ist der Anfang vom Ende des unbeabsichtigten und zwanghaften Denkens. Wenn ein Gedanke nachlässt, erlebst du eine Unterbrechung im Strom der Gedanken – eine Lücke von »No-Mind«.
Zunächst werden diese Lücken kurz sein, ein paar Sekunden vielleicht, aber allmählich werden sie länger. Wenn diese Lücken stattfinden, dann fühlst du eine gewisse Stille und einen Frieden in dir. Das ist der Beginn deines natürlichen Zustands von empfundenem Einssein mit dem Sein, das normalerweise vom Verstand getrübt ist. Durch Übung wird sich dieses Gefühl von Stille und Frieden vertiefen. Tatsächlich ist seine Tiefe ohne Ende. Du wirst auch eine feine Ausstrahlung von Freude aufsteigen fühlen, von tief innen: die Freude des Seins.
Dieser Zustand hat nichts mit Trance zu tun, absolut nicht. Die Bewusstheit lässt nicht nach, im Gegenteil. Wäre der Preis für diesen Frieden ein Nachlassen an Bewusstheit und wäre der Preis für die Stille ein Mangel an Vitalität und Wachsamkeit, dann wären sie wertlos. Im Zustand innerer Verbundenheit bist du wesentlich aufmerksamer, wacher, als wenn du mit deinem Verstand identifiziert bist. Du bist völlig gegenwärtig. Und auch die Schwingung des Energiefeldes, welches den physischen Körper am Leben erhält, wird erhöht.