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Wer sich die Muße nimmt, Johann Wolfgang von Goethe abseits der üblichen Pfade zu erkunden, wer sich mit dieser Anthologie in Goethes Zeit und seine Denkweise einführen lässt, wird feststellen: Goethe ist zeitgemäß. Hier finden sich neben klassischen Gedichten und Balladen, Anakreontik und volksliedhaften Versen auch für den Augenblick verfasste Gelegenheitspoesie und immer wieder Absagen an die Regelpolitik. Hinzu kommen die seinerzeit als "anstößig" gebrandmarkten "Venetianischen Sentenzen", das berühmte "Tagebuch" und die "Zahmen Xenien". Die intensive Auseinandersetzung schon der Zeitgenossen mit Goethes Werk demonstriert der Anhang mit Parodien "klassischer" Goethe-Gedichte.
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Seitenzahl: 451
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Johann Wolfgang von Goethe
Johann Wolfgang von Goethe
Lieder – Balladen – SonetteEpigramme – Elegien – Xenien
Impressum
Umwelthinweis:Dieses Buch wurde auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt.Die Einschrumpffolie – zum Schutz vor Verschmutzung –ist aus umweltverträglichem und recyclingfähigem PE-Material.
© 2006 Edition Lempertz GmbH
Umschlagentwurf: ART WORK, Olaf Schumacher, Königswinter
Printed and bound in Germany
ISBN: 978-3-933070-74-6
Sein Leben – geboren am 28.8.1749 in Frankfurt am Main, gestorben am 22.3.1832 Weimar – ist von frühester Jugend bis ins höchste Alter von der Lyrik, der strophischen Dichtung geprägt. Neben seinen Dramen, Romanen schuf dieses lyrische Werk neue Maßstäbe. Bereits während seines Studiums in Leipzig schrieb J. W. von Goethe Gedichte, die eine souveräne Beherrschung der Techniken galanter Poesie zeigen. Während seiner Straßburger Zeit lernte er das Volkslied kennen und schreibt Eindruck schlicht-volksliedhafte Verse. In Goethes Lyrik der Sturm-und Drang-Zeit ist nichts von dichterischer Beschaulichkeit zu finden, da drängt die Leidenschaft. Liebe ist für ihn verstärktes Lebensgefühl, sie wird in ihrer Widersprüchlich-keit bejaht. 1772 wieder in Frankfurt, ist Goethe wegen seiner Arbeit am Reichskammergericht unglücklich und versucht auf Wanderungen einen Ausgleich zu finden. Seine Gedichte werden hymnischer. Zu den Höhepunkten seiner Sturm-und Drang-Lyrik gehört »Prometheus«, das Gedicht, das menschliches Selbstbewußtsein als oberste Gottheit ansieht. 1775 lädt Herzog Karl August den inzwischen durch seinen Werther berühmten Dichter nach Weimar ein. 1786 unternimmt Goethe eine Reise nach Italien. Eine neue Epoche beginnt in seinem Schaffen. Die »Venetianischen Epigramme« zeigen in disziplinierter klassischer Form, wie weltoffen Goethe die neuen Eindrücke aufnahm. 1790 entstehen die »Römischen Elegien« ein Zyklus von 20 Gedichten. Der Titel läßt elegische Trauer erwarten, doch schon August Wilhelm Schlegel schrieb: »Sie sind im Ton meistens munterer, als man ihn selbst bei den alten Elegikern gewohnt ist«. In den neunziger Jahren wandte sich Goethe immer stärker klassischen Dichtungsformen zu.Bei seinen Zeitgenossen fand er wegen seines »Heidentums« oft wenig Gegenliebe, das gilt vor allem für das gewagte Thema »Der Gott und die Bajadere«. Sehr beliebt war und ist heute noch »Der Zauberlehrling«, an alle adressiert, die Meister sein wollen, ohne das Werkzeug zu beherrschen. Schillers Tod traf Goethe schwer und es entstehen Dichtungen voller Symbolik, nicht immer leicht verständlich. Zu poetischen Ereignissen wurden die »Sonette« und der »West-östliche Divan«.
Die Zusammenstellung dieses Bandes verzichtet auf eine streng chronologische Folge. Selbstverständlich sind alle wichtigen Balladen, alle »großen Gedichte« aufgenommen. Doch dazwischengestreut sind Gelegenheitsgedichte, kurze Widmungen. Sie wirken spontan, besitzen eine »moderne Frische«, zeigen die Vielfalt des Dichterfürsten.
Bei Goethes Gedichten bestimmt statt der Gefühlsbeschreibung das eigene Erlebnis die Form des Gedichtes. »Das Gedicht legitimiert sich also nur noch durch seinen künstlerisch-ästhetischen Rang, der in der vollkommenen Übereinstimmung von Gehalt und Gestalt liegt. Diese individualistische Kunstauffassung, die die endgültige Absage an die Regelpoetik darstellt, gilt letztlich bis heute«. (E. v. Borries)
GEDICHTE
AUS WILHELM MEISTER
NACH ANTIKEM VORBILD
AN BEKANNTE ADRESSEN
DAS TAGEBUCH
EPIGRAMME
POLITISCHES
SONETTE
DIE ZAHMEN XENIEN
ELEGIEN
VENETIANISCHE EPIGRAMME
WEISSAGUNGEN DES BAKIS
VIER JAHRESZEITEN
ELEGIEN II
EPISTELN
SEINERZEITGENOSSEN
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,Kennst du es wohl? – Dahin! DahinMöcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.
Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach,Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:Was hat man dir, du armes Kind, getan?Kennst du es wohl? – Dahin! DahinMöcht ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.
Kennst du den Berg und seinen WolkenstegDas Maultier sucht im Nebel seinen Weg;In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut;Es stürzt der Fels und über ihn die Flut,Kennst du ihn wohl? – Dahin! DahinGeht unser Weg! O Vater, laß uns ziehn!
Ein Veilchen auf der Wiese standGebückt in sich und unbekannt;Es war ein herzigs Veilchen.Da kam eine junge Schäferin,Mit leichtem Schritt und muntern Sinn,Daher, daher,Die Wiese her, und sang.
Ach! denkt das Veilchen, wär ich nurDie schönste Blume der Natur,Ach, nur ein kleines Weilchen,Bis mich das Liebchen abgepflücktUnd an dem Busen mattgedrückt!Ach nur, ach nurEin Viertelstündchen lang!
Ach! aber ach! das Mädchen kamUnd nicht in acht das Veilchen nahm,Zertrat das arme Veilchen.Es sank und starb und freut’ sich noch:Und sterb ich denn, so sterb ich dochDurch sie, durch sie,Zu ihren Füßen doch.
Was hör ich draußen vor dem Tor,Was auf der Brücke schallen?Laß den Gesang vor unserm OhrIm Saale widerhallen!Der König sprach’s, der Page lief;Der Knabe kam, da König rief:Laßt mir herein den Alten!Gegrüßet seid mir, edle Herrn,Gegrüßt ihr, schöne Damen!Welch reicher Himmel! Stern bei Stern!Wer kennet ihre Namen?Im Saal voll Pracht und HerrlichkeitSchließt, Augen, euch; hier ist nicht Zeit,Sich staunend zu ergetzen.
Der Sänger drückt’ die Augen einUnd schlug in vollen Tönen;Die Ritter schauten mutig drein,Und in den Schoß die Schönen.Der König, dem das Lied gefiel,Ließ, ihn zu ehren für sein Spiel,Eine goldene Kette holen.
Die goldne Kette gib mir nicht,Die Kette gib den Rittern,Vor deren kühnem AngesichtDer Feinde Lanzen splittern;Gib sie dem Kanzler, den du hast,Und laß ihn noch die goldne LastZu andern Lasten tragen.
Ich singe, wie der Vogel singt,Der in den Zweigen wohnet;Das Lied, das aus der Kehle dringt,Ist Lohn, der reichlich lohnet.Doch darf ich bitten, bitt ich eins:Laß mit den besten Becher WeinsIn purem Golde reichen.
Er setzt’ ihn an, er trank ihn aus:O Trank voll süßer Labe!O wohl dem hochbeglückten Haus,Wo das ist kleine Gabe!Ergeht’s Euch wohl, so denkt an mich,Und danket Gott so warm, als ichFür diesen Trunk euch danke.
Es war ein Knabe frech genung,War erst aus Frankreich kommen,Der hatt ein armes Mädel jungGar oft in Arm genommen.Und liebgekost und liebgeherzt,Als Bräutigam herumgescherztUnd endlich sie verlassen.
Das braune Mädel das erfuhr,Vergingen ihr die Sinnen,Sie lacht’ und weint’ und bet’t’ und schwur;So fuhr die Seel von hinnen.Die Stund, da sie verschieden war,Wird bang dem Buben, graust sein Haar,Es treibt ihn fort zu Pferde.
Er gab die Sporen kreuz und querUnd ritt auf alle Seiten,Herüber, hinüber, hin und her,Kann keine Ruh erreiten;Reit’t sieben Tag und sieben Nacht;Es blitzt und donnert, stürmt und kracht,Die Fluten reißen über.
Und reit’t in Blitz und WetterscheinGemäuerwerk entgegen,Bind’t ’s Pferd hauß’ an und kriecht hineinUnd duckt sich vor dem Regen.Und wie er tappt und wie er fühlt,Sich unter ihm die Erd erwühlt;Er stürzt wohl hundert Klafter.
Und als er sich ermannt vom Schlag,Sieht er drei Lichtlein schleichen.Er rafft sich auf und krabbelt nach,Die Lichtlein ferne weichen,Irrführen ihn, die Quer und Läng,Trepp auf, Trepp ab, durch enge Gäng,Verfallne wüste Keller.
Auf einmal steht er hoch im Saal,Sieht sitzen hundert Gäste,Hohläugig grinsen allzumalUnd winken ihm zum Feste.Er sieht sein Schätzel untenan,Mit weißen Tüchern angetan,Die wend’t sich –
Wer reitet so spät durch Nacht und WindEs ist der Vater mit seinem Kind;Er hat den Knaben wohl in dem Arm,Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.
Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?Den Erlenkönig mit Kron und Schweif? –Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif –
»Du liebes Kind, komm, geh mit mir!Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;Manch bunte Blumen sind an dem Strand,Meine Mutter hat manch gülden Gewand.«
Mein Vater, mein Vater, und hörst du nicht,Was Erlenkönig mir leise verspricht? –Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;In dürren Blättern säuselt der Wind. –
»Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?Meine Töchter sollen dich warten schön;Meine Töchter führen nächtlichen ReihnUnd wiegen und tanzen und singen dich ein.« –
Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dortErlkönigs Töchter am düstern Ort? –Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:Es scheinen die alten Weiden so grau. –
»Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.« –Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!Erlkönig hat mir ein Leids getan! –
Dem Vater grauset’s, er reitet geschwind,Er hält in Armen das ächzende Kind,Erreicht den Hof mit Mühe und Not;In seinen Armen das Kind war tot.
Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll,Ein Fischer saß daran,Sah nach der Angel ruhevoll,Kühl bis ans Herz hinan.
Und wie er sitzt und wie er lauscht,Teilt sich die Flut empor:Aus dem bewegten Wasser rauschtEin feuchtes Weib hervor.
Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:Was lockst du meine BrutMit Menschenwitz und MenschenlistHinauf in Todesglut?Ach, wüßtest du, wie’s Fischlein istSo wohlig auf dem Grund,Du stiegst herunter, wie du bist,Und würdest erst gesund.
Labt sich die liebe Sonne nicht,Der Mond sich nicht im Meer?Kehrt wellenatmend ihr GesichtNicht doppelt schöner her?Lockt dich der tiefe Himmel nicht,Das feuchtverklärte Blau?Lockt dich dein eigen AngesichtNicht her in ewgen Tau?
Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll,Netzt’ ihm den nackten Fuß;Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll,Wie bei der Liebsten Gruß.Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;Da war’s um ihn geschehn:Halb zog sie ihn, halb sank er hinUnd ward nicht mehr gesehn.
Lied des gefangnen Grafen
Graf.Ich kenn ein Blümlein WunderschönUnd trage darnach Verlangen;Ich möcht es gerne zu suchen gehn,Allein ich bin gefangen.Die Schmerzen sind mir nicht gering;Denn als ich in der Freiheit ging,Da hatt ich es in der Nähe.
Von diesem ringsum steilen SchloßLaß ich die Augen schweifenUnd kann’s vom hohen TurmgeschoßMit Blicken nicht ergreifen;Und wer mir’s vor die Augen brächt,Es wäre Ritter oder Knecht,Der sollte mein Trauter bleiben.
Rose.Ich blühe schön und höre diesHier unter deinem Gitter.Du meinest mich, die Rose, gewiß,Du edler, armer Ritter!Du hast gar einen hohen Sinn,Es herrscht die BlumenköniginGewiß auch in deinem Herzen.
Graf.Dein Purpur ist aller Ehren wertIm grünen Überkleide,Darob das Mädchen dein begehrt,Wie Gold und edel Geschmeide.Dein Kranz erhöht das schönste Gesicht;Allein du bist das Blümchen nicht,Das ich im stillen verehre.
Lilie.Das Röslein hat gar stolzen BrauchUnd strebet immer nach oben;Doch wird ein liebes Liebchen auchDer Lilie Zierde loben.Wem ’s Herze schlägt in treuer BrustUnd ist sich rein, wie ich, bewußt,Der hält mich wohl am höchsten.
Graf.Ich nenne mich zwar keusch und rein,Und rein von bösen Fehlen;Doch muß ich hier gefangen seinUnd muß mich einsam quälen.Du bist mir zwar ein schönes BildVon mancher Jungfrau, rein und mild;Doch weiß ich noch was Liebers.
Nelke.Das mag wohl ich, die Nelke, seinHier in des Wächters Garten;Wie würde sonst der Alte meinMit so viel Sorge warten?Im schönen Kreis der Blätter DrangUnd Wohlgeruch das Leben langUnd alle tausend Farben.
Graf.Die Nelke soll man nicht verschmähn,Sie ist des Gärtners Wonne:Bald muß sie in dem Lichte stehn,Bald schützt er sie vor Sonne,Doch was den Grafen glücklich macht,Es ist nicht ausgesuchte Pracht:Es ist ein stilles Blümchen.
Veilchen.Ich steh verborgen und gebücktUnd mag nicht gerne sprechen;Doch will ich, weil sich’s eben schickt,Mein tiefes Schweigen brechen.Wenn ich es bin, du guter Mann,Wie schmerzt mich’s, daß ich hinauf nicht kannDir alle Gerüche senden.
Graf.Das gute Veilchen schätz ich sehr,Es ist so gar bescheidenUnd duftet so schön; doch brauch ich mehrIn meinem herben Leiden.Ich will es euch nur eingestehn:Auf diesen dürren FelsenhöhnIst’s Liebchen nicht zu finden.
Doch wandelt unten an dem BachDas treuste Weib der ErdeUnd seufzet leise manches Ach,Bis ich erlöset werde.Wenn sie ein blaues Blümchen brichtUnd immer sagt: Vergiß mein nicht!So fühl ich’s in der Ferne.
Ja, in der Ferne fühlt sich die Macht,Wenn zwei sich redlich lieben;Drum bin ich in des Kerkers NachtAuch noch lebendig geblieben.Und wenn mir fast das Herze bricht,So ruf ich nur: Vergiß mein nicht!Da komm ich wieder ins Leben.
Es war ein König in Thüle,Gar treu bis an das Grab,Dem sterbend seine BuhleEinen goldnen Becher gab.
Es ging ihm nichts darüber,Er leert’ ihn jeden Schmaus;Die Augen gingen ihm über,So oft er trank daraus.
Und als er kam zu sterben,Zählt’ er seine Städt im Reich,Gönnt’ alles seinem Erben,Den Becher nicht zugleich.
Er saß beim Königsmahle,Die Ritter um ihn her,Auf hohem VätersaaleDort auf dem Schloß am Meer.
Dort stand der alte Zecher,Trank letzte LebensglutUnd warf den heiigen BecherHinunter in die Flut.
Er sah ihn stürzen, trinkenUnd sinken tief ins Meer.Die Augen täten ihm sinken,Trank nie einen Tropfen mehr.
Mit des Bräutigams BehagenSchwingt sich Ritter Kurt aufs Roß,Zu der Trauung soll’s ihn tragenAuf der edlen Liebsten Schloß:
Als am öden FelsenorteDrohend sich ein Gegner naht;Ohne Zögern, ohne WorteSchreiten sie zu rascher Tat.
Lange schwankt des Kampfes Welle,Bis sich Kurt im Siege freut;Er entfernt sich von der Stelle,Überwinder und gebleut.
Aber was er bald gewahretIn des Busches Zitterschein!Mit dem Säugling still gepaaret,Schleicht ein Liebchen durch den Hain.
Und sie winkt ihn auf das Plätzchen:Lieber Herr, nicht so geschwind!Habt Ihr nichts an Euer Schätzchen,Habt Ihr nichts für Euer Kind?
Ihn durchglühet süße Flamme,Daß er nicht vorbei begehrt,Und er findet nun die Amme,Wie die Jungfrau, liebenswert.
Doch er hört die Diener blasen,Denket nun der hohen Braut;Und nun wird auf seinen StraßenJahresfest und Markt so laut,
Und er wählet in den BudenManches Pfand zu Lieb und Huld;Aber, ach! da kommen JudenMit dem Schein vertagter Schuld.
Und nun halten die GerichteDen behenden Ritter auf,O verteufelte Geschichte!Heldenhafter Lebenslauf!
Soll ich heute mich gedulden?Die Verlegenheit ist groß.Widersacher, Weiber, Schulden,Ach! kein Ritter wird sie los.
Wir singen und sagen vom Grafen so gern,Der hier in dem Schlosse gehauset,Da, wo ihr den Enkel des seligen Herrn,Den heute vermählten, beschmauset.Nun hatte sich jener im heiligen Krieg
Zu Ehren gestritten durch mannigen Sieg,Und als er zu Hause vom Rösselein stieg,Da fand er sein Schlösselein oben,Doch Diener und Habe zerstoben.
Da bist du nun, Gräflein, da bist du zu Haus,Das Heimische findest du schlimmer!Zum Fenster da ziehen die Winde hinaus,Sie kommen durch alle die Zimmer.Was wäre zu tun in der herbstlichen Nacht?So hab ich doch manche noch schlimmer vollbracht,Der Morgen hat alles wohl besser gemacht.Drum rasch bei der mondlichen HelleIns Bett, in das Stroh, ins Gestelle!
Und als er im willigen Schlummer so lag,Bewegt es sich unter dem Bette.Die Ratte, die raschle, so lange sie mag!Ja, wenn sie ein Bröselein hätte!Doch siehe! da stehet ein winziger Wicht,Ein Zwerglein so zierlich mit Ampelen-Licht,Mit Redner-Gebärden und Sprecher-GewichtZum Fuß des ermüdeten Grafen,Der, schläft er nicht, möcht er doch schlafen.
Wir haben uns Feste hier oben erlaubt,Seitdem du die Zimmer verlassen,Und weil wir dich weit in der Ferne geglaubt,So dachten wir eben zu prassen.Und wenn du vergönnest und wenn dir nicht graut,So schmausen die Zwerge behaglich und lautZu Ehren der reichen, der niedlichen Braut.Der Graf im Behagen des Traumes:Bedienet euch immer des Raumes!
Da kommen drei Reiter, sie reiten hervor,Die unter dem Bette gehalten;Dann folget ein singendes, klingendes ChorPossierlicher kleiner Gestalten;Und Wagen auf Wagen mit allem Gerät,Daß einem so Hören als Sehen vergeht,Wie’s nur in den Schlössern der Könige steht;Zuletzt auf vergoldetem WagenDie Braut und die Gäste getragen.
So rennet nun alles in vollem GaloppUnd kürt sich im Saale sein Plätzchen;Zum Drehen und Walzen und lustigen HoppErkieset sich jeder ein Schätzchen.Da pfeift es und geigt es und klinget und klirrt,Da ringelt’s und schleift es und rauschet und wirrt,Da pispert’s und knistert’s und flüstert’s und schwirrt.Das Gräflein, es blicket hinüber,Es dünkt ihn, als läg er im Fieber.
Nun dappelt’s und rappelt’s und klappert’s im SaalVon Bänken und Stühlen und Tischen,Da will nun ein jeder am festlichen MahlSich neben dem Liebchen erfrischen;Sie tragen die Würste, die Schinken so kleinUnd Braten und Fisch und Geflügel herein;Es kreiset beständig der köstliche Wein;Das toset und koset so lange,Verschwindet zulaut mit Gesange.
Und sollen wir singen, was weiter geschehn,So schweige das Toben und Tosen.Denn was er so artig im kleinen gesehn,Erfuhr er, genoß er im großen.
Trompeten und klingender, singender SchallUnd Wagen und Reiter und bräutlicher Schwall,Sie kommen und zeigen und neigen sich all,Unzählige, selige Leute.So ging es und geht es noch heute.
Arm am Beutel, krank am HerzenSchleppt ich meine langen Tage.Armut ist die größte Plage,Reichtum ist das höchste Gut!
Und, zu enden meine Schmerzen,Ging ich, einen Schatz zu graben.Meine Seele sollst du haben!Schrieb ich hin mit eignem Blut.
Und so zog ich Kreis’ um Kreise,Stellte wunderbare Flammen,Kraut und Knochenwerk zusammen:Die Beschwörung war vollbracht.
Und auf die gelernte WeiseGrub ich nach dem alten SchatzeAuf dem angezeigten Platze;Schwarz und stürmisch war die Nacht.
Und ich sah ein Licht von weiten,Und es kam gleich einem SterneHinten aus der fernsten Ferne,Eben als es zwölfe schlug.
Und da galt kein Vorbereiten;Heller ward’s mit einem MaleVon dem Glanz der vollen Schale,Die ein schöner Knabe trug.
Holde Augen sah ich blinkenUnter dichtem Blumenkranze;In des Trankes HimmelsglanzeTrat er in den Kreis herein.
Und er hieß mich freundlich trinken;Und ich dacht: es kann der KnabeMit der schönen lichten GabeWahrlich nicht der Böse sein.
Trinke Mut des reinen Lebens!Dann verstehst du die Belehrung,Kommst mit ängstlicher BeschwörungNicht zurück an diesen Ort.
Grabe hier nicht mehr vergebens!Tages Arbeit, abends Gäste!Saure Wochen, frohe Feste!Sei dein künftig Zauberwort.
Als ich still und ruhig spann,Ohne nur zu stocken,Trat ein schöner junger MannNahe mir zum Rocken.
Lobte, was zu loben war,Sollte das was schaden?Mein dem Flachse gleiches HaarUnd den gleichen Faden.
Ruhig war er nicht dabei,Ließ es nicht beim alten;Und der Faden riß entzwei,Den ich lang erhalten.
Und des Flachses SteingewichtGab noch viele Zahlen;Aber, ach! ich konnte nichtMehr mit ihnen prahlen.
Als ich sie zum Weber trug,Fühlt ich was sich regen,Und mein armes Herze schlugMit geschwindern Schlägen.
Nun, beim heißen Sonnenstich,Bring ich’s auf die Bleiche,Und mit Mühe bück ich michNach dem nächsten Teiche.
Was ich in dem KämmerleinStill und fein gesponnen,Kommt – wie kann es anders sein? –Endlich an die Sonnen.
Von wem ich es habe, das sag ich euch nicht,Das Kind in meinem Leib. –Pfui! speit ihr aus: die Hure da! –Bin doch ein ehrlich Weib.
Mit wem ich mich traute, das sag ich euch nicht,Mein Schatz ist lieb und gut,Trägt er eine goldene Kett am Hals,Trägt er einen strohernen Hut.Soll Spott und Hohn getragen sein,Trag ich allein den Hohn.Ich kenn ihn wohl, er kennt mich wohl,Und Gott weiß auch davon.
Herr Pfarrer und Herr Amtmann Ihr,Ich bitte, laßt mich in Ruh!Es ist mein Kind, es bleibt mein Kind,Ihr gebt mir ja nichts dazu.
Gesell.Wo willst du, klares Bächlein, hinSo munter?Du eilst mit frohem, leichtem SinnHinunter.Was suchst du eilig in dem Tal?So höre doch und sprich einmal!
Bach.Ich war ein Bächlein, Junggesell;Sie habenMich so gefaßt, damit ich schnellIm GrabenZur Mühle dort hinunter soll,Und immer bin ich rasch und voll.
Gesell.Du eilest mit gelaßnem MutZur MühleUnd weißt nicht, was ich junges BlutHier fühle.Es blickt die schöne MüllerinWohl freundlich manchmal nach dir hin?
Bach.Sie öffnet früh beim MorgenlichtDen LadenUnd kommt, ihr liebes AngesichtZu baden.Ihr Busen ist so voll und weiß;Es wird mir gleich zum Dampfen heiß.
Gesell.Kann sie im Wasser LiebesglutEntzünden,Wie soll man Ruh mit Fleisch und BlutWohl finden?Wenn man sie einmal nur gesehn,Ach, immer muß man nach ihr gehn.
Bach.Dann stürz ich auf die Räder michMit Brausen,Und alle Schaufeln drehen sichIm Sausen.Seitdem das schöne Mädchen schafft,Hat auch das Wasser beßre Kraft.
Gesell.Du Armer, fühlst du nicht den Schmerz,Wie andre?Sie lacht dich an und sagt im Scherz:Nun wandre!Sie hielte dich wohl selbst zurückMit einem süßen Liebesblick?
Bach.Mir wird so schwer, so schwer, vom OrtZu fließen:Ich krümme mich nur sachte fortDurch Wiesen;Und kam es erst auf mich nur an,Der Weg wär bald zurückgetan.
Gesell.Geselle meiner Liebesqual,Ich scheide;Du murmelst mir vielleicht einmalZur Freude.Geh, sag ihr gleich und sag ihr oft,Was still der Knabe wünscht und hofft.
Ich bin der wohlbekannte Sänger,Der vielgereiste Rattenfänger,Den diese altberühmte StadtGewiß besonders nötig hat.
Und wären’s Ratten noch so viele,Und wären Wiesel mit im Spiele:Von allen säubr’ ich diesen Ort,Sie müssen miteinander fort.
Dann ist der gutgelaunte SängerMitunter auch ein Kinderfänger,Der selbst die wildesten bezwingt,Wenn er die goldnen Märchen singt.
Und wären Knaben noch so trutzig,Und wären Mädchen noch so stutzig,In meine Saiten greif ich ein,Sie müssen alle hinterdrein.
Dann ist der vielgewandte SängerGelegentlich ein Mädchenfänger;In keinem Städtchen langt er an,Wo er’s nicht mancher angetan.
Und wären Mädchen noch so blöde,Und wären Weiber noch so spröde,Doch allen wird so liebebangBei Zaubersaiten und Gesang.
Es war ein Kind, das wollte nieZur Kirche sich bequemen,Und Sonntags fand es stets ein Wie,Den Weg ins Feld zu nehmen.
Die Mutter sprach: Die Glocke tönt,Und so ist dirs befohlen,Und hast du dich nicht hingewöhnt,Sie kommt und wird dich holen.
Das Kind, es denkt: Die Glocke hängtDa droben auf dem Stuhle.Schon hats den Weg ins Feld gelenkt,Als lief’ es aus der Schule.
Die Glocke Glocke tönt nicht mehrDie Mutter hat gefackelt.Doch, welch ein Schrecken! hinterher!Die Glocke kommt gewackelt.
Sie wackelt schnell, man glaubt es kaum;Das arme Kind im Schrecken,Es lauft, es kommt, als wie im Traum;Die Glocke wird es decken.
Doch nimmt es richtig seinen Husch,Und mit gewandter SchnelleEilt es durch Anger, Feld und BuschZur Kirche, zur Kapelle.
Und jeden Sonn- und FeiertagGedenkt es an den Schaden,Läßt durch den ersten Glockenschlag,Nicht in Person sich laden.
Um Mitternacht, wenn die Menschen erst schlafen,Dann scheinet uns der Mond,Dann leuchtet uns der Stern,Wir wandlen und singenUnd tanzen erst gern.
Um Mitternacht, wenn die Menschen erst schlafen,Auf Wiesen an den ErlenWir suchen unsern RaumUnd wandlen und singenUnd tanzen einen Traum.
Woher der Freund so früh und schnelle,Da kaum der Tag im Osten grautHat er sich in der Waldkapelle,So kalt und frisch es ist, erbaut?
Es starret ihm der Bach entgegen;Mag er mit Willen barfuß gehn?Was flucht er seinen MorgensegenDurch die beschneiten wilden Höhn?
Ach, wohl! Er kommt vom warmen Bette,Wo er sich andern Spaß versprach;Und wenn er nicht den Mantel hätte,Wie schrecklich wäre seine Schmach!
Es hat ihn jener Schalk betrogenUnd ihm den Bündel abgepackt;Der arme Freund ist ausgezogenUnd fast wie Adam bloß und nackt.
Warum auch schlich er diese WegeNach einem solchen Äpfelpaar,Das freilich schön im MühlgehegeSo wie im Paradiese war.
Er wird den Scherz nicht leicht erneuen,Er drückte schnell sich aus dem HausUnd bricht auf einmal nun im FreienIn bittre laute Klagen aus:
»Ich las in ihren FeuerblickenNicht eine Silbe von Verrat;Sie schien mit mir sich zu entzücken,Und sann auf solche schwarze Tat!
Konnt ich in ihren Armen träumen,Wie meuchlerisch der Busen schlug?Sie hieß den holden Amor säumen,Und günstig war er uns genug.
Sich meiner Liebe zu erfreuen!Der Nacht, die nie ein Ende nahm!Und erst die Muttef anzuschreien,Nun eben als der Morgen kam!
Da drang ein Dutzend AnverwandtenHerein, ein wahrer Menschenstrom;Da kamen Vettern, guckten Tanten,Es kam ein Bruder und ein Ohm.
Das war ein Toben, war ein Wüten!Ein jeder schien ein andres Tier.Sie forderten des Mädchens BlütenMit schrecklichem Geschrei von mir. –
Was dringt ihr alle wie von SinnenAuf den unschuldgen Jüngling einDenn solche Schätze zu gewinnen,Da muß man viel behender sein.
Weiß Amor seinem schönen SpieleDoch immer zeitig nachzugehn;Er läßt fürwahr nicht in der MühleDie Blumen sechzehn Jahre stehn. –
Sie raubten nun das Kleiderbündel,Und wollten auch den Mantel noch.Wie nur so viel verflucht GesindelIm engen Hause sich verkroch!
Nun sprang ich auf und tobt und fluchte,Gewiß, durch alle durchzugehn.Ich sah noch einmal die Verruchte,Und ach! sie war noch immer schön.
Sie alle wichen meinem Grimme;Es flog noch manches wilde Wort;Da macht ich mich mit DonnerstimmeNoch endlich aus der Höhle fort.
»Man soll euch Mädchen auf dem Lande,Wie Mädchen aus den Städten, fliehn.So lasset doch den Fraun von StandeDie Lust, die Diener auszuziehn!
Doch seid ihr auch von den GeübtenUnd kennt ihr keine zarte Pflicht,So ändert immer die Geliebten,Doch sie verraten müßt ihr nicht.«
So singt er in der Winterstunde,Wo nicht ein armes Hälmchen grünt.Ich lache seiner tiefen Wunde;Denn wirklich ist sie wohlverdient.
So geh es jedem, der am TageSein edles Liebchen frech betriegtUnd nachts, mit allzukühner Wage,Zu Amors falscher Mühle kriecht.
Die Königin steht im hohen Saal,Da brennen der Kerzen so viele;Sie spricht zum Pagen: »Du läufst einmalUnd holst mir den Beutel zum Spiele.Er liegt zur HandAuf meines Tisches Rand.«Der Knabe, der eilt so behende,War bald an Schlosses Ende.
Und neben der Königin schlürft zur StundSorbet die schönste der Frauen.Da brach ihr die Tasse so hart an dem Mund,Es war ein Greuel zu schauen.Verlegenheit! Scham!Ums Prachtkleid ist’s getan!Sie eilt und fliegt so behendeEntgegen des Schlosses Ende.
Der Knabe zurück zu laufen kamEntgegen der Schönen in Schmerzen.Es wüßt es niemand, doch beide zusamm,Sie hegten einander im Herzen;Und o des Glücks,Des günstgen Geschicks!Sie warfen mit Brust sich zu BrüstenUnd herzten und küßten nach Lüsten.
Doch endlich beide sich reißen los;Sie eilt in ihre Gemächer,Der Page drängt sich zur Königin großDurch alle die Degen und Fächer.
Die Fürstin entdecktDas Westchen befleckt:Für sie war nichts unerreichbar,Der Königin von Saba vergleichbar.
Und sie die Hofmeisterin rufen läßt:»Wir kamen doch neulich zu Streite,Und Ihr behauptetet steif und fest,Nicht reiche der Geist in die Weite,Die Gegenwart nur,Die lasse wohl Spur,Doch niemand wirk in die Ferne,Sogar nicht die himmlischen Sterne.
Nun seht! Soeben ward mir zur SeitDer geistige Süßtrank verschüttet,Und gleich darauf hat er dort hinten so weitDem Knaben die Weste zerrüttet. –Besorg dir sie neu!Und weil ich mich freu,Daß sie mir zum Beweise gegolten,Ich zahl sie! sonst wirst du gescholten.«
O wären wir weiter, o war ich zu Haus!Sie kommen. Da kommt schon der nächtliche Graus;Sie sinds, die unholdigen Schwestern.Sie streifen heran und sie finden uns hier,Sie trinken das mühsam geholte, das Bier,Und lassen nur leer uns die Krüge.
So sprechen die Kinder und drücken sich schnell;Da zeigt sich vor ihnen ein alter Gesell:Nur stille, Kind! Kinderlein, stille!Die Hulden, sie kommen von durstiger Jagd,Und laßt ihr sie trinken, wie’s jeder behagt,Dann sind sie euch hold, die Unholden.
Gesagt so geschehn! und da naht sich der GrausUnd siehet so grau und so schattenhaft aus,Doch schlürft es und schlampft es aufs beste.Das Bier ist verschwunden, die Krüge sind leer;Nun saust es und braust es, das wütige Heer,Ins weite Getal und Gebirge.
Die Kinderlein ängstlich gen Hause so schnell,Gesellt sich zu ihnen der fromme Gesell:Ihr Püppchen, nur seid mir nicht traurig! –Wir kriegen nun Schelten und Streich’ bis aufs Blut.Nein, keineswegs, alles geht herrlich und gut,Nur schweiget und horchet wie Mäuslein.
Und der es euch anrät und der es befiehlt,Er ist es, der gern mit den Kindelein spielt,Der alte Getreue, der Eckart.Vom Wundermann hat man euch immer erzählt;Nur hat die Bestätigung jedem gefehlt,Die habt ihr nun köstlich in Händen.
Sie kommen nach Hause, sie setzen den KrugEin jedes den Eltern bescheiden genugUnd harren der Schläg und der Schelten.Doch siehe, man kostet: Ein herrliches Bier!Man trinkt in die Runde schon dreimal und vier,Und noch nimmt der Krug nicht ein Ende.
Das Wunder, es dauert zum morgenden Tag.Doch fraget, wer immer zu fragen vermag:Wie ist’s mit den Krügen ergangen?Die Mäuslein, sie lächeln, im stillen ergetzt;Sie stammeln und stottern und schwatzen zuletzt,Und gleich sind vertrocknet die Krüge.
Und wenn euch, ihr Kinder, mit treuem GesichtEin Vater, ein Lehrer, ein Aldermann spricht,So horchet und folget ihm pünktlich!Und liegt auch das Zünglein in peinlicher Hut,Verplaudern ist schädlich, Verschweigen ist gut;Dann füllt sich das Bier in den Krügen.
Hat der alte HexenmeisterSich doch einmal wegbegeben!Und nun sollen seine GeisterAuch nach meinem Willen leben.Seine Wort’ und WerkeMerkt ich und den Brauch,Und mit GeistesstärkeTu ich Wunder auch.
Walle! walleManche Strecke,Daß, zum Zwecke,Wasser fließeUnd mit reichem, vollem SchwalleZu dem Bade sich ergieße.
Und nun komm, du alter Besen!Nimm die schlechten Lumpenhüllen!Bist schon lange Knecht gewesen;Nun erfülle meinen Willen!Auf zwei Beinen stehe,Oben sei ein Kopf!Eile nun und geheMit dem Wassertopf!
Walle! walleManche Strecke,Daß, zum Zwecke,Wasser fließeUnd mit reichem, vollem SchwalleZu dem Bade sich ergieße.
Seht, er läuft zum Ufer nieder;Wahrlich! ist schon an dem Flusse,Und mit Blitzesschnelle wiederIst er hier mit raschem Gusse.Schon zum zweiten Male!Wie das Becken schwillt!Wie sich jede SchaleVoll mit Wasser füllt!
Stehe! stehe!Denn wir habenDeiner GabenVollgemessen! –Ach, ich merk es! Wehe! wehe!Hab ich doch das Wort vergessen!
Ach, das Wort, worauf am EndeEr das wird, was er gewesen.Ach, er läuft und bringt behende!Wärst du doch der alte Besen!Immer neue GüsseBringt er schnell herein,Ach! und hundert FlüsseStürzen auf mich ein.
Nein, nicht längerKann ichs lassen;Will ihn fassen.Das ist Tücke!Ach, nun wird mir immer bänger!Welche Miene! welche Blicke!
O du Ausgeburt der Hölle!Soll das ganze Haus ersaufen?Seh ich über jede SchwelleDoch schon Wasserströme laufen.Ein verruchter Besen,Der nicht hören will!Stock, der du gewesen,Steh doch wieder still!
Willst’s am EndeGar nicht lassen?Will dich fassen,Will dich haltenUnd das alte Holz behendeMit dem scharfen Beile spalten.
Seht, da kommt er schleppend wieder!Wie ich mich nun auf dich werfe,Gleich, o Kobold, liegst du nieder;Krachend trifft die glatte Schärfe.Wahrlich, brav getroffen!Seht, er ist entzwei!Und nun kann ich hoffen,Und ich atme frei!
Wehe! wehe!Beide TeileStehn in EileSchon als KnechteVöllig fertig in die Höhe!Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
Und sie laufen! Naß und nässerWird’s im Saal und auf den Stufen;Welch entsetzliches Gewässer!Herr und Meister! hör mich rufen! –Ach, da kommt der Meister!Herr, die Not ist groß!Die ich rief, die GeisterWerd ich nun nicht los.
»In die Ecke,Besen! Besen!Seids gewesen.Denn als GeisterRuft euch nur, zu seinem Zwecke,Erst hervor der alte Meister.«
Ein Druide.Es lacht der Mai,Der Wald ist freiVon Eis und Reifgehänge.Der Schnee ist fort,Am grünen OrtErschallen Lustgesänge.Ein reiner SchneeLiegt auf der Höh;Doch eilen wir nach oben,Begehn den alten heiigen Brauch,Allvater dort zu loben.Die Flamme lodre durch den Rauch!So wird das Herz erhoben.
Die Druiden.Die Flamme lodre durch den Rauch!Begeht den alten heiigen Brauch,Allvater dort zu loben!Hinauf! hinauf nach oben!
Einer aus dem Volke.Könnt ihr so verwegen handeln?Wollt ihr denn zum Tode wandeln?Kennet ihr nicht die GesetzeUnsrer harten Überwinder?Rings gestellt sind ihre NetzeAuf die Heiden, auf die Sünder.Ach, sie schlachten auf dem WalleUnsre Weiber, unsre Kinder.Und wir alleNahen uns gewissem Falle.
Chor der Weiber.Auf des Lagers hohem WalleSchlachten sie schon unsre Kinder.Ach, die strengen Überwinder!Und wir alleNahen uns gewissem Falle.
Ein Druide.Wer Opfer heutZu bringen scheut,Verdient erst seine Bande.Der Wald ist frei!Das Holz herbei,Und schichtet es zum Brande!Doch bleiben wirIm BuschrevierAm Tage noch im stillen,Und Männer stellen wir zur HutUm eurer Sorgen willen.Dann aber laßt mit frischem MutUns unsre Pflicht erfüllen.
Chor der Wächter.Verteilt euch, wackre Männer, hierDurch dieses ganze WaldrevierUnd wachet hier im stillen,Wenn sie die Pflicht erfüllen.
Ein Wächter.Diese dumpfen Pfaffenchristen,Laßt uns keck sie überlisten!Mit dem Teufel, den sie fabeln,Wollen wir sie selbst erschrecken.Kommt! mit Zacken und mit GabelnUnd mit Glut und Klapperstöcken
Lärmen wir bei nächtger WeileDurch die engen Felsenstrecken.Kauz und EuleHeul’ in unser Rundgeheule!
Ein Druide.So weit gebracht,Daß wir bei NachtAllvater heimlich singen!Doch ist es Tag,Sobald man magEin reines Herz dir bringen.Du kannst zwar heutUnd manche ZeitDem Feinde viel erlauben.Die Flamme reinigt sich vom Rauch:So reinge unsern Glauben!Und raubt man uns den alten Brauch,Dein Licht, wer will es rauben?
Ein christlicher Wächter.Hilf, ach, hilf mir, Kriegsgeselle!Ach, es kommt die ganze Hölle!Sieh, wie die verhexten LeiberDurch und durch von Flamme glühen!Menschenwölf und Drachenweiber,Die im Flug vorüberziehen!Welch entsetzliches Getöse!Laßt uns, laßt uns alle fliehen!Oben flammt und saust der Böse,Aus dem BodenDampfet rings ein Höllenbroden!
Chor der christlichen Wächter.Schreckliche verhexte Leiber,Menschenwölf und Drachenweiber!Welch entsetzliches Getöse!Sieh, da flammt, da zieht der Böse!Aus dem BodenDampfet rings ein Höllenbroden!Chor der Druiden.Die Flamme reinigt sich vom Rauch:So reinge unsern Glauben!Und raubt man uns den alten Brauch,Dein Licht, wer kann es rauben!
Nach Korinthus von Athen gezogenKam ein Jüngling, dort noch unbekannt.Einen Bürger hofft’ er sich gewogen;Beide Väter waren gastverwandt,Hatten frühe schonTöchterchen und SohnBraut und Bräutigam voraus genannt.
Aber wird er auch willkommen scheinen,Wenn er teuer nicht die Gunst erkauft?Er ist noch ein Heide mit den Seinen,Und sie sind schon Christen und getauft.Keimt ein Glaube neu,Wird oft Lieb und TreuWie ein böses Unkraut ausgerauft.
Und schon lag das ganze Haus im stillen,Vater, Töchter, nur die Mutter wacht;Sie empfingt den Gast mit bestem Willen,Gleich ins Prankgemach wird er gebracht.Wein und Essen prangt,Eh er es verlangt:So versorgend wünscht sie gute Nacht.
Aber bei dem wohlbestellten EssenWird die Lust der Speise nicht erregt;Müdigkeit läßt Speis und Trank vergessen.Daß er angekleidet sich aufs Bette legt;Und er schlummert fast,Als ein seltner GastSich zur offnen Tür herein bewegt.
Denn er sieht, bei seiner Lampe SchimmerTritt, mit weißem Schleier und Gewand,Sittsam still ein Mädchen in das Zimmer,Um die Stirn ein schwarz- und goldnes Band.Wie sie ihn erblickt,Hebt sie, die erschrickt,Mit Erstaunen eine weiße Hand.
Bin ich, rief sie aus, so fremd im Hause,Daß ich von dem Gaste nichts vernahm?Ach, so hält man mich in meiner Klause!Und nun überfällt mich hier die Scham.Ruhe nur so fortAuf dem Lager dort,Und ich gehe schnell, so wie ich kam.
Bleibe, schönes Mädchen! ruft der Knabe,Rafft von seinem Lager sich geschwind:Hier ist Ceres’, hier ist Bacchus’ Gabe,Und du bringst den Amor, liebes Kind!Bist vor Schrecken blaß!Liebe, komm und laß,Laß uns sehn, wie froh die Götter sind.
Ferne bleib, o Jüngling! bleibe stehen;Ich gehöre nicht den Freuden an.Schon der letzte Schritt ist, ach! geschehenDurch der guten Mutter kranken Wahn,Die genesend schwur:Jugend und NaturSei dem Himmel künftig untertan.
Und der alten Götter bunt GewimmelHat sogleich das stille Haus geleert.Unsichtbar wird einer nur im Himmel,Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt;Opfer fallen hier,Weder Lamm noch Stier,Aber Menschenopfer unerhört.
Und er fragt und wäget alle Worte,Deren keines seinem Geist entgeht.Ist es möglich, daß am stillen OrteDie geliebte Braut hier vor mir steht?Sei die Meine nur!Unsrer Väter SchwurHat vom Himmel Segen uns erfleht.
Mich erhältst du nicht, du gute Seele!Meiner zweiten Schwester gönnt man dich.Wenn ich mich in stiller Klause quäle,Ach! in ihren Armen denk an mich,Die an dich nur denkt,Die sich liebend kränkt;In die Erde bald verbirgt sie sich.
Nein! bei dieser Flamme seis geschworen,Gütig zeigt sie Hymen uns voraus;Bist der Freude nicht und mir verloren,Kommst mit mir in meines Vaters Haus.Liebchen, bleibe hier!Feiere gleich mit mirUnerwartet unsern Hochzeitsschmaus.
Und schon wechseln sie der Treue Zeichen;Golden reicht sie ihm die Kette dar,Und er will ihr eine Schale reichen,Silbern, künstlich, wie nicht eine war.Die ist nicht für mich;Doch, ich bitte dich,Eine Locke gib von deinem Haar.
Eben schlug die dumpfe Geisterstunde,Und nun schien es ihr erst wohl zu sein.Gierig schlürfte sie mit blassem MundeNun den dunkel blutgefärbten Wein.Doch vom Weizenbrot,Das er freundlich bot,Nahm sie nicht den kleinsten Bissen ein.
Und dem Jüngling reichte sie die Schale,Der, wie sie, nun hastig lüstern trank.Liebe fordert er beim stillen Mahle;Ach, sein armes Herz war liebekrank.Doch sie widersteht,Wie er immer fleht,Bis er weinend auf das Bette sank.
Und sie kommt und wirft sich zu ihm nieder:Ach, wie ungern seh ich dich gequält;Aber, ach! berührst du meine Glieder,Fühlst du schaudernd, was ich dir verhehlt.Wie der Schnee so weiß,Aber kalt wie EisIst das Liebchen, das du dir erwählt.
Heftig faßt er sie mit starken Armen,Von der Liebe Jugendkraft durchmannt:Hoffe doch, bei mir noch zu erwarmen,Wärst du selbst mir aus dem Grab gesandt!Wechselhauch und Kuß!Liebesüberfluß!Brennst du nicht und fühlest mich entbrannt?
Liebe schließet fester sie zusammen,Tränen mischen sich in ihre Lust;Gierig saugt sie seines Mundes Flammen,Eins ist nur im andern sich bewußt.Seine LiebeswutWärmt ihr starres Blut;Doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust.
Unterdessen schleichet auf dem GangeHäuslich spät die Mutter noch vorbei,Horchet an der Tür und horchet lange,Welch ein sonderbarer Ton es sei:Klag- und WonnelautBräutigams und BrautUnd des Liebestammelns Raserei.
Unbeweglich bleibt sie an der Türe,Weil sie erst sich überzeugen muß,Und sie hört die höchsten Liebesschwüre,Lieb’- und Schmeichelworte mit Verdruß –Still! der Hahn erwacht! –Aber morgen NachtBist du wieder da? – und Kuß auf Kuß.
Länger hält die Mutter nicht das Zürnen,Öffnet das bekannte Schloß geschwind:Gibt es hier im Hause solche Dirnen,Die dem Fremden gleich zu Willen sind? –So zur Tür hinein.Bei der Lampe ScheinSieht sie – Gott! sie sieht ihr eigen Kind.
Und der Jüngling will im ersten SchreckenMit des Mädchens eignem Schleierflor,Mit dem Teppich die Geliebte decken;Doch sie windet gleich sich selbst hervor.Wie mit Geists GewaltHebet die GestaltLang und langsam sich im Bett empor.
Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte,So mißgönnt Ihr mir die schöne Nacht!Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte.Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht?Ists Euch nicht genug,Daß ins Leichentuch,Daß Ihr früh mich in das Grab gebracht?
Aber aus der schwerbedeckten EngeTreibet mich ein eigenes Gericht.Eurer Priester summende GesängeUnd ihr Segen haben kein Gewicht;Salz und Wasser kühltNicht, wo Jugend fühlt;Ach! die Erde kühlt die Liebe nicht.
Dieser Jüngling war mir erst versprochen,Als noch Venus’ heitrer Tempel stand.Mutter, habt Ihr doch das Wort gebrochen,Weil ein fremd, ein falsch Gelübd Euch band!Doch kein Gott erhört,Wenn die Mutter schwört,Zu versagen ihrer Tochter Hand.
Aus dem Grabe werd ich ausgetrieben,Noch zu suchen das vermißte Gut,Noch den schon verlornen Mann zu liebenUnd zu saugen seines Herzens Blut.Ists um den geschehn,Muß nach andern gehn,Und das junge Volk erliegt der Wut.
Schöner Jüngling! kannst nicht länger leben;Du versiechest nun an diesem Ort.Meine Kette hab ich dir gegeben;Deine Locke nehm ich mit mir fort.Sieh sie an genau!Morgen bist du grau,Und nur braun erscheinst du wieder dort.
Höre, Mutter, nun die letzte Bitte:Einen Scheiterhaufen schichte du;Öffne meine bange kleine Hütte,Bring in Flammen Liebende zur Ruh;Wenn der Funke sprüht,Wenn die Asche glüht,Eilen wir den alten Göttern zu.
Indische Legende
Mahadöh, der Herr der Erde,Kommt herab zum sechsten Mal,Daß er unsersgleichen werde,Mitzufühlen Freud und Qal.Er bequemt sich, hier zu wohnen,Läßt sich alles selbst geschehn.Soll er strafen oder schonen,Muß er Menschen menschlich sehn.Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet,Die Großen belauert, auf Kleine geachtet,Verläßt er sie abends, um weiter zu gehn.
Als er nun hinausgegangen,Wo die letzten Häuser sind,Sieht er, mit gemalten Wangen,Ein verlornes schönes Kind:Grüß dich, Jungfrau! – Dank der Ehre!Wart, ich komme gleich hinaus –Und wer bist du? – Bajadere,Und dies ist der Liebe Haus.Sie rührt sich, die Zimbeln zum Tanze zu schlagen;Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen,Sie neigt sich und biegt sich und reicht ihm den Strauß.
Schmeichelnd zieht sie ihn zur Schwelle,Lebhaft ihn ins Haus hinein.Schöner Fremdling, lampenhelleSoll sogleich die Hütte sein.Bist du müd, ich will dich laben,Lindern deiner Füße Schmerz.Was du willst, das sollst du haben,Ruhe, Freuden oder Scherz.Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden.Der Göttliche lächelt; er siehet mit FreudenDurch tiefes Verderben ein menschliches Herz.
Und er fordert Sklavendienste;Immer heitrer wird sie nur,Und des Mädchens frühe KünsteWerden nach und nach Natur.Und so stellet auf die BlüteBald und bald die Frucht sich ein;Ist Gehorsam im Gemüte,Wird nicht fern die Liebe sein.Aber, sie schärfer und schärfer zu prüfen,Wählet der Kenner der Höhen und TiefenLust und Entsetzen und grimmige Pein.
Und er küßt die bunten Wangen,Und sie fühlt der Liebe Qual,Und das Mädchen steht gefangen,Und sie weint zum erstenmal;Sinkt zu seinen Füßen nieder,Nicht um Wollust noch Gewinst,Ach! und die gelenken Glieder,Sie versagen allen Dienst.Und so zu des Lagers vergnüglicher FeierBereiten den dunkeln behaglichen SchleierDie nächtlichen Stunden, das schöne Gespinst.
Spät entschlummert unter Scherzen,Früh erwacht nach kurzer Rast,Findet sie an ihrem HerzenTot den vielgeliebten Gast.Schreiend stürzt sie auf ihn nieder,.Aber nicht erweckt sie ihn;Und man trägt die starren GliederBald zur Flammengrube hin.Sie höret die Priester, die Totengesänge,Sie raset und rennet und teilet die Menge.Wer bist du? was drängt zu der Grube dich hin?
Bei der Bahre stürzt sie nieder,Ihr Geschrei durchdringt die Luft:Meinen Gatten will ich wieder!Und ich such ihn in der Gruft.Soll zu Asche mir zerfallen Dieser Glieder Götterpracht?Mein! er war es, mein vor allen!Ach, nur eine süße Nacht!Es singen die Priester: Wir tragen die Alten,Nach langem Ermatten und spätem Erkalten,Wir tragen die Jugend, noch eh sies gedacht.
Höre deiner Priester Lehre:Dieser war dein Gatte nicht.Lebst du doch als Bajadere,Und so hast du keine Pflicht.Nur dem Körper folgt der SchattenIn das stille Totenreich;Nur die Gattin folgt dem Gatten:Das ist Pflicht und Ruhm zugleich.Ertöne, Trompete, zu heiliger Mage!O nehmet, ihr Götter! die Zierde der Tage,O nehmet den Jüngling in Flammen zu euch!
So das Chor, das ohn ErbarmenMehret ihres Herzens Not;Und mit ausgestreckten ArmenSpringt sie in den heißen Tod.Doch der Götterjüngling hebetAus der Flamme sich empor,Und in seinen Armen schwebetDie Geliebte mit hervor.Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder;Unsterbliche heben verlorene KinderMit feurigen Armen zum Himmel empor.
Der Türmer, der schaut zu mitten der NachtHinab auf die Gräber in Lage.Der Mond, der hat alles ins Helle gebracht,Der Kirchhof, er liegt wie am Tage.Da regt sich ein Grab und ein anderes darin:Sie kommen hervor, ein Weib da, ein Mann,In weißen und schleppenden Hemden.
Das reckt nun, es will sich ergötzen sogleich,Die Knöchel zur Runde, zum Kranze,So arm und so jung und so alt und so reich;Doch hindern die Schleppen am Tanze.Und weil hier die Scham nun nicht weiter gebeut,Sie schütteln sich alle, da liegen zerstreutDie Hemdelein über den Hügeln.
Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein,Gebärden da gibt es vertrackte;Dann klippert’s und klappert’s mitunter hinein,Als schlüg man die Hölzlein zum Takte.Das kommt nun dem Türmer so lächerlich vor;Da raunt ihm der Schalk, der Versucher, ins Ohr:Geh! hole dir einen der Laken.
Getan wie gedacht! und er flüchtet sich schnellNun hinter geheiligte Türen.Der Mond, und noch immer er scheinet so hellZum Tanz, den sie schauderlich führen.Doch endlich verlieret sich dieser und der,Schleicht eins nach dem andern gekleidet einher,Und husch! ist es unter dem Rasen.
Nur einer, der trippelt und stolpert zuletztUnd tappet und grapst an den Grüften;Doch hat kein Geselle so schwer ihn verletzt,Er wittert das Tuch in den Lüften.Er rüttelt die Turmtür, sie schlägt ihn zurück,Geziert und gesegnet, dem Türmer zum Glück,Sie blinkt von metallenen Kreuzen.
Das Hemd muß er haben, da rastet er nicht,Da gilt auch kein langes Besinnen;Den gotischen Zierat ergreift nun der WichtUnd klettert von Zinne zu Zinnen.
Nun ist’s um den armen, den Türmer getan!Es ruckt sich von Schnörkel zu Schnörkel hinan,Langbeinigen Spinnen vergleichbar.
Der Türmer erbleichet, der Türmer erbebt,Gern gab er ihn wieder, den Laken.Da häkelt – jetzt hat er am längsten gelebt –Den Zipfel ein eiserner Zacken.Schon trübet der Mond sich verschwindenden Scheins,Die Glocke, sie donnert ein mächtiges Eins,Und unten zerschellt das Gerippe.
Er.Kannst du, schöne Pächtrin ohnegleichen,Unter dieser breiten Schattenlinde,Wo ich Wandrer kurze Ruhe finde,Labung mir für Durst und Hunger reichen?
Sie.Willst du, Vielgereister, hier dich laben:Sauren Rahm und Brot und reife Früchte,Nur die ganz natürlichsten Gerichte,Kannst du reichlich an der Quelle haben.
Er.Ist mir doch, ich müßte schon dich kennen,Unvergeßne Zierde holder Stunden!Ähnlichkeiten hab ich oft gefunden;Diese muß ich doch ein Wunder nennen.
Sie.Ohne Wunder findet sich bei WandrernOft ein sehr erklärliches Erstaunen.Ja, die Blonde gleichet oft der Braunen;Eine reizet eben wie die andern.
Er.Heute nicht, fürwahr, zum erstenmale,Hat mir’s diese Bildung abgewonnen!Damals war sie Sonne aller SonnenIn dem festlich aufgeschmückten Saale.
Sie.Freut es dich, so kann es wohl geschehen,Daß man deinen Märchenscherz vollende:Purpurseide floß von ihrer Lende,Da du sie zum erstenmal gesehen.
Er.Nein, fürwahr, das hast du nicht gedichtet!Konnten Geister dir es offenbaren?Von Juwelen hast du auch erfahrenUnd von Perlen, die ihr Blick vernichtet.
Sie.Dieses eine ward mir wohl vertrauet:Daß die Schöne, schamhaft, zu gestehen,Und in Hoffnung, wieder dich zu sehen,Manche Schlösser in die Luft erbauet.
Er.Trieben mich umher doch alle Winde!Sucht ich Ehr und Geld auf jede Weise!Doch gesegnet, wenn am Schluß der ReiseIch das edle Bildnis wieder finde!
Sie.Nicht ein Bildnis, wirklich siehst du jeneHohe Tochter des verdrängten Blutes;Nun im Pachte des verlaßnen GutesMit dem Bruder freuet sich Helene.
Er.Aber diese herrlichen Gefilde,Kann sie der Besitzer selbst vermeiden?Reiche Felder, breite Wies’ und Weiden,Mächtge Quellen, süße Himmelsmilde.
Sie.Ist er doch in alle Welt entlaufen!Wir Geschwister haben viel erworben;Wenn der Gute, wie man sagt, gestorben,Wollen wir das Hinterlaßne kaufen.
Er.Wohl zu kaufen ist es, meine Schöne!Vom Besitzer hört ich die Bedinge;Doch der Preis ist keineswegs geringe,Denn das letzte Wort, es ist: Helene!
Sie.Könnt uns Glück und Höhe nicht vereinen!Hat die Liebe diesen Weg genommen?Doch ich seh den wackren Bruder kommen;Wenn er’s hören wird, was kann er meinen?
Der Morgen kam; es scheuchten seine TritteDen leisen Schlaf, der mich gelind umfing,Daß ich, erwacht, aus meiner stillen HütteDen Berg hinauf mit frischer Seele ging;Ich freute mich bei einem jeden SchritteDer neuen Blume, die voll Tropfen hing;Der junge Tag erhob sich mit Entzücken,Und alles war erquickt, mich zu erquicken.
Und wie ich stieg, zog von dem Fluß der WiesenEin Nebel sich in Streifen sacht hervor.Er wich und wechselte mich zu umfließen,Und wuchs geflügelt mir ums Haupt empor:Des schönen Blicks sollt ich nicht mehr genießen,Die Gegend deckte mir ein trüber Flor;Bald sah ich mich von Wolken wie umgössenUnd mit mir selbst in Dämmrung eingeschlossen.
Auf einmal schien die Sonne durchzudringen,Im Nebel ließ sich eine Klarheit sehn;Hier sank er leise sich hinabzuschwingen,Hier teilt’ er steigend sich um Wald und Höhn.Wie hofft ich, ihr den ersten Gruß zu bringen!Sie hofft ich nach der Trübe doppelt schön.Der luftge Kampf war lange nicht vollendet,Ein Glanz umgab mich, und ich stand geblendet.
Bald machte mich, die Augen aufzuschlagen,Ein innrer Trieb des Herzens wieder kühn;Ich könnt es nur mit schnellen Blicken wagen,Denn alles schien zu brennen und zu glühn.Da schwebte, mit den Wolken hergetragen,Ein göttlich Weib vor meinen Augen hin,Kein schöner Bild sah ich in meinem Leben;Sie sah mich an und blieb verweilend schweben.
Kennst du mich nicht? sprach sie mit einem Munde,Dem aller Lieb und Treue Ton entfloß:Erkennst du mich, die ich in manche WundeDes Lebens dir den reinsten Balsam goß?Du kennst mich wohl, an die zu ewgem BundeDein strebend Herz sich fest und fester schloß.Sah ich dich nicht mit heißen HerzenstränenAls Knabe schon nach mir dich eifrig sehnen?
Ja! rief ich aus, indem ich selig niederZur Erde sank, lang hab ich dich gefühlt;Du gabst mir Ruh, wenn durch die jungen GliederDie Leidenschaft sich rastlos durchgewühlt:Du hast mir, wie mit himmlischem Gefieder,Am heißen Tag die Stime sanft gekühlt;Du schenktest mir der Erde beste Gaben,Und jedes Glück will ich durch dich nur haben!
Dich nenn ich nicht. Zwar hör ich dich von vielenGar oft genannt, und jeder heißt dich sein,Ein jedes Auge glaubt auf dich zu zielen,Fast jedem Auge wird dein Strahl zur Pein.Ach, da ich irrte, hatt ich viel Gespielen,Da ich dich kenne, bin ich fast allein;Ich muß mein Glück nur mit mir selbst genießen,Dein holdes Licht verdecken und verschließen.
Sie lächelte, sie sprach: Du siehst, wie klug,Wie nötig war’s, euch wenig zu enthüllen!Kaum bist du sicher vor dem gröbsten Trug,Kaum bist du Herr vom ersten Kinderwillen,So glaubst du dich schon Übermensch genug,Versäumst die Pflicht des Mannes zu erfüllen!Wie viel bist du von andern unterschieden?Erkenne dich, leb mit der Welt in Frieden!
Verzeih mir, rief ich aus, ich meint es gut;Soll ich umsonst die Augen offen haben?Ein froher Wille lebt in meinem Blut;Ich kenne ganz den Wert von deinen Gaben!Für andre wächst in mir das edle Gut,Ich kann und will das Pfund nicht mehr vergraben!Warum sucht ich den Weg so sehnsuchtsvoll,Wenn ich ihn nicht den Brüdern zeigen soll?
Und wie ich sprach, sah mich das hohe WesenMit einem Blick mitleidger Nachsicht an;Ich konnte mich in ihrem Auge lesen,Was ich verfehlt und was ich recht getan.Sie lächelte, da war ich schon genesen,Zu neuen Freuden stieg mein Geist heran;Ich konnte nun mit innigem VertrauenMich zu ihr nahn und ihre Nähe schauen.
Da reckte sie die Hand aus in die StreifenDer leichten Wolken und des Dufts umher;Wie sie ihn faßte, ließ er sich ergreifen,Er ließ sich ziehn, es war kein Nebel mehr.Mein Auge könnt im Tale wieder schweifen,Gen Himmel blickt ich, er war hell und hehr.Nur sah ich sie den reinsten Schleier halten,Er floß um sie und schwoll in tausend Falten.
Ich kenne dich, ich kenne deine Schwächen,Ich weiß, was Gutes in dir lebt und glimmt! – So sagte sie, ich hör sie ewig sprechen, –Empfange hier, was ich dir lang bestimmt!Dem Glücklichen kann es an nichts gebrechen,Der dies Geschenk mit stiller Seele nimmt:Aus Morgenduft gewebt und Sonnenklarheit,Der Dichtung Schleier aus der Hand der Wahrheit.
Und wenn es dir und deinen Freunden schwüleAm Mittag wird, so wirf ihn in die Luft!Sogleich umsäuselt Abendwindes Kühle,Umhaucht euch Blumen-Würzgeruch und Duft.Es schweigt das Wehen banger Erdgefühle,Zum Wolkenbette wandelt sich die Gruft,Besänftiget wird jede Lebenswelle,