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Hermann und Dorothea: Neben »Werther« Goethes erfolgreichstes Werk; 30 Auflagen allein zu seinen Lebzeiten. Hingerissen lobte August Wilhelm Schlegel das Hexameterepos, dessen neun Gesänge die Namen der Musen und Inhaltshinweise tragen: »Hermann und Dorothea ist ein vollendetes Kunstwerk im großen Stil, und zugleich fasslich, herzlich, vaterländisch, volksmäßig; ein Buch voll goldner Lehren der Weisheit und Tugend.« Ein wohlhabender Wirt will für seinen Sohn die gute Partie der begüterten Kaufmannstochter. Hermann verliebt sich jedoch in Dorothea, ein mittelloses Mädchen der vorbeiziehenden Flüchtlingsschar, will nur sie freien. Die Mutter steht ihrem Sohn bei. Pfarrer und Apotheker, Freunde der Wirtsfamilie, werden ausgesandt, um Erkundigungen über das Mädchen einzuziehen, die durchweg günstig ausfallen. Weil Hermann es aber, aus Angst vor einem Korb, nicht wagt, Dorothea seine Liebe zu gestehen, verpflichtet er sie nur als Magd und führt sie in sein Elternhaus. Nach Missverständnissen und Verwirrungen: Happyend. West-östlicher Divan: Von seiner Lektüre des Hafis, dem persischen Dichter (um 1320-1390), in der Übertragung von J. von Hammer-Purgstall, zutiefst beeindruckt einerseits und andererseits beglückt von seiner Begegnung mit Marianne von Willemer wurde Goethe zu dem Gedichtzyklus in 12 souverän, ironisch und heiter durchtränkten Büchern beseelt. Zwiesprache von Hafis und Suleika im Zentrum des Liebeserlebens, das sich lyrisch vollendet und weltumfassend weitet. Reales löst sich symbolisch auf, wird geläutert, »jedes einzelne Glied vom Sinn des Ganzen durchdrungen«, sich ineinander spiegelnd, Geheimnisvolles offenbar machend, Offenes geheimnisvoll chiffrierend. Liebe, Dichtertum, Weltfrömmigkeit, Gottesnähe, Naturverehrung, Trinkfreude et cetera; Aufbruch in den Osten, Zeitkritisches, witzige Spruchweisheiten, schmucke Parabeln, Timur und Napoleon, der junge Schenke, Vermächtnis altpersischen Glaubens, Paradies mit Huri. Die Noten und Abhandlungen zu besserem Verständnis des West-östlichen Divans sind zugleich: Kulturgeschichte, über alle Grenzen blickende, vergleichende Abhandlung literarischer Gestalten, Formen und ihrer Ästhetik, poetische Prosa, kritische Epochenauseinandersetzung mit autobiographischen Bezügen und Verortung von Goethes eigenem Standpunkt. [Joerg K. Sommermeyer]
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Seitenzahl: 404
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Hermann und Dorothea: Neben »Werther« Goethes erfolgreichstes Werk; 30 Auflagen allein zu seinen Lebzeiten. Hingerissen lobte August Wilhelm Schlegel das Hexameterepos, dessen neun Gesänge die Namen der Musen und Inhaltshinweise tragen: »Hermann und Dorothea ist ein vollendetes Kunstwerk im großen Stil, und zugleich fasslich, herzlich, vaterländisch, volksmäßig; ein Buch voll goldner Lehren der Weisheit und Tugend.«
Ein wohlhabender Wirt will für seinen Sohn die gute Partie der begüterten Kaufmannstochter. Hermann verliebt sich jedoch in Dorothea, ein mittelloses Mädchen der vorbeiziehenden Flüchtlingsschar, will nur sie freien. Die Mutter steht ihrem Sohn bei. Pfarrer und Apotheker, Freunde der Wirtsfamilie, werden ausgesandt, um Erkundigungen über das Mädchen einzuziehen, die durchweg günstig ausfallen. Weil Hermann es aber, aus Angst vor einem Korb, nicht wagt, Dorothea seine Liebe zu gestehen, verpflichtet er sie nur als Magd und führt sie in sein Elternhaus. Nach Missverständnissen und Verwirrungen – Happyend.
West-östlicher Divan: Von seiner Lektüre des Hafis, dem persischen Dichter (um 1320-1390), in der Übertragung von J. von Hammer-Purgstall, zutiefst beeindruckt einerseits und andererseits beglückt von seiner Begegnung mit Marianne von Willemer wurde Goethe zu dem Gedichtzyklus in 12 souverän, ironisch und heiter durchtränkten Büchern beseelt.
Zwiesprache von Hafis und Suleika im Zentrum des Liebeserlebens, das sich lyrisch vollendet und weltumfassend weitet. Reales löst sich symbolisch auf, wird geläutert, »jedes einzelne Glied vom Sinn des Ganzen durchdrungen«, sich ineinander spiegelnd, Geheimnisvolles offenbar machend, Offenes geheimnisvoll chiffrierend. Liebe, Dichtertum, Weltfrömmigkeit, Gottesnähe, Naturverehrung, Trinkfreude et cetera; Aufbruch in den Osten, Zeitkritisches, witzige Spruchweisheiten, schmucke Parabeln, Timur und Napoleon, der junge Schenke, Vermächtnis altpersischen Glaubens, Paradies mit Huri.
Die Noten und Abhandlungen zu besserem Verständnis des West-östlichen Divans sind zugleich: Kulturgeschichte, über alle Grenzen blickende, vergleichende Abhandlung literarischer Gestalten, Formen und ihrer Ästhetik, poetische Prosa, kritische Epochenauseinandersetzung mit autobiographischen Bezügen und Verortung von Goethes eigenem Standpunkt.
Johann Wolfgang von Goethe, geboren am 28. August 1749 in Frankfurt am Main, gestorben am 22. März 1832 in Weimar. Den deutschen Dichterfürsten kennt jedes Kind. Sein Name ist untrennbar verknüpft mit Idealismus, Sturm und Drang, Weimarer Klassik. Über ihn allzu viele Worte zu machen, hieße Eulen nach Athen tragen. Der Frankfurter Hautevolee entstammend, sein Vater Kaiserlicher Rat ohne Amtsausübung, die Mutter Tochter des Stadtschultheißen, studiert er in Leipzig und Straßburg Rechtswissenschaft, arbeitet als Jurist in Wetzlar und Frankfurt. Nach einem nationalen Erfolg mit dem Drama Götz von Berlichingen, 1773, gelingt ihm 1774 mit dem Briefroman Die Leiden des jungen Werthers, Schlüsselroman des Sturm und Drang, ein europäischer Erfolg, erster Bestseller deutscher Literatur, Mitauslöser von „Lesewut" und „Nachahmungsselbstmord-Epidemie". 1775 kommt er als Freund und Minister des Herzogs Carl August nach Weimar. Neben politischen und administrativen Aufgaben leitet er das Hoftheater. Umfang und Vielfalt all der Tätigkeiten bedingen eine Vernachlässigung seiner schöpferischen Fähigkeiten und führen nach einem Weimarer Jahrzehnt in die Krise. Er flieht nach Italien, wo er seine Wiedergeburt erlebt, Tasso, Iphigenie und Egmont vollendet. Nach seiner Rückkehr, von Amtspflichten weitgehend befreit, hat er nur noch repräsentativen Aufgaben nachzukommen. Goethe erschafft Lyrik, Dramen, Epik, autobiografische, kunst- und literaturtheoretische Schriften, naturwissenschaftliche Arbeiten sowie Briefe und Gespräche von literarischer Bedeutung. Wilhelm Meister begründet den deutschen Künstler- und Bildungsroman, und Faust bleibt für immer eine der größten Schöpfungen der Weltliteratur.
Joerg K. Sommermeyer (JS), * 14.10.1947 in Brackenheim. Jurist, Musiker und Schriftsteller. 1976 bis 2004 Rechtsanwalt in Freiburg. Zahlreiche Veröffentlichungen.
Orlando Syrg, Berlin, 9. Juli 2019
Über dieses Buch
Der Autor
Der Herausgeber
Hermann und Dorothea
Kalliope / Schicksal und Anteil
Terpsichore / Hermann
Thalia / Die Bürger
Euterpe / Mutter und Sohn
Polyhymnia / Der Weltbürger
Klio / Das Zeitalter
Erato / Dorothea
Melpomene / Hermann und Dorothea
Urania / Aussicht
West-östlicher Divan
Moganni Nameh / Buch des Sängers
[Zwanzig Jahre ließ ich gehn]
Hegire
Segenspfänder
Freisinn
Talismane
[Mich verwirren will das Irren]
[Ob ich Ird'sches denk und sinne]
[Im Atemholen sind zweierlei Gnaden]
Vier Gnaden
Geständnis
Elemente
Erschaffen und beleben
Phänomen
Liebliches
Zwiespalt
Im gegenwärtigen Vergangnes
Lied und Gebilde
Dreistigkeit
Derb und tüchtig
Al - Leben
Selige Sehnsucht
[Tut ein Schilf sich doch hervor]
Hafis Nameh / Buch Hafis
[Sei das Wort die Braut genannt]
Beiname
Anklage
Fetwa
Der Deutsche dankt
Fetwa
Unbegrenzt
Nachbildung
Offenbar Geheimnis
Wink
An Hafis
Uschk Nameh / Buch der Liebe
[Sage mir]
Musterbilder
Noch ein Paar
Lesebuch
[Ja, die Augen waren's, ja, der Mund]
Gewarnt
Versunken
Bedenklich
[Liebchen, ach! im starren Bande]
Schlechter Trost
Genügsam
Gruß
Ergebung
[Eine Stelle suchte der Liebe Schmerz]
Unvermeidlich
Geheimes
Geheimstes
Tefkir Nameh / Buch der Betrachtungen
[Höre den Rat, den die Leier tönt]
Fünf Dinge
Fünf andere
[Lieblich ist des Mädchens Blick, der winket]
[Und was im Pend Nameh steht]
[Reitest du bei einem Schmied vorbei]
[Den Gruß des Unbekannten ehre ja!]
[Haben sie von deinen Fehlen]
[Märkte reizen dich zum Kauf]
[Wie ich so ehrlich war]
[Frage nicht, durch welche Pforte]
[Woher ich kam? Es ist noch eine Frage]
[Es geht eins nach dem andern hin]
[Behandelt die Frauen mit Nachsicht! ]
[Das Leben ist ein schlechter Spaß]
[Das Leben ist ein Gänsespiel]
[Die Jahre nahmen dir, du sagst, so vieles]
[Vor den Wissenden sich stellen]
[Freigebiger wird betrogen]
[Wer befehlen kann, wird loben]
Schach Sedschan und seinesgleichen
Höchste Gunst
Ferdusi
Dschelâl - Eddîn Rumi
Suleika
Rendsch Nameh / Buch des Unmuts
[Wo hast du das genommen?]
[Keinen Reimer wird man finden]
[Befindet sich einer heiter und gut]
[Übermacht, ihr könnt es spüren]
[Wenn du auf dem Guten ruhst]
[Als wenn das auf Namen ruhte]
[Medschnun heißt – ich will nicht sagen]
[Hab ich euch denn je geraten]
Wanderers Gemütsruhe
[Wer wird von der Welt verlangen]
[Sich selbst zu loben ist ein Fehler]
[Glaubst du denn: von Mund zu Ohr]
[Und wer franzet oder britet]
[Sonst, wenn man den heiligen Koran zitierte]
Der Prophet
Timur
Hikmet Nameh / Buch der Sprüche
[Talismane werd ich in dem Buch zerstreuen]
[Vom heut'gen Tag, von heut'ger Nacht]
[Wer geboren in bös'ten Tagen]
[Wie etwas sei leicht]
[Das Meer flutet immer]
[Was wird mir jede Stunde so bang?]
[Prüft das Geschick dich, weiß es wohl warum]
[Noch ist es Tag, da rühre sich der Mann]
[Was machst du an der Welt? Sie ist schon gemacht]
[Wenn der schwer Gedrückte klagt]
[Wie ungeschickt habt ihr euch benommen]
[Mein Erbteil wie herrlich, weit und breit!]
[Gutes tu rein aus des Guten Liebe!]
[Enweri sagt's, ein Herrlichster der Männer]
[Was klagst du über Feinde?]
[Wenn Gott so schlechter Nachbar wäre]
[Gesteht's! die Dichter des Orients]
[Überall will jeder obenauf sein]
[Verschon uns Gott mit deinem Grimme!]
[Will der Neid sich doch zerreißen]
[Sich im Respekt zu erhalten]
[Was hilft's dem Pfaffenorden]
[Einen Helden mit Lust preisen und nennen]
[Gutes tu rein aus des Guten Liebe]
[Soll man dich nicht aufs Schmählichste berauben]
[Wie kommt's, dass man an jedem Orte]
[Lass dich nur in keiner Zeit]
[Warum ist Wahrheit fern und weit?]
[Niemand versteht zur rechten Zeit!]
[Was willst du untersuchen]
[Als ich einmal eine Spinne erschlagen]
[Dunkel ist die Nacht, bei Gott ist Licht]
[Welch eine bunte Gemeinde!]
[Ihr nennt mich einen kargen Mann]
[Soll ich dir die Gegend zeigen]
[Wer schweigt, hat wenig zu sorgen]
[Ein Herre mit zwei Gesind]
[Ihr lieben Leute, bleibt dabei]
[Wofür ich Allah höchlich danke?]
[Närrisch, dass jeder in seinem Falle]
[Wer auf die Welt kommt, baut ein neues Haus]
[Wer in mein Haus tritt, der kann schelten]
[Herr, lass dir gefallen]
[Du bist auf immer geborgen]
[Was brachte Lokman nicht hervor]
[Herrlich ist der Orient]
[Was schmückst du die eine Hand denn nun]
[Wenn man auch nach Mekka triebe]
[Getretner Quark]
[Betrübt euch nicht, ihr guten Seelen!]
[Du hast gar vielen nicht gedankt]
[Guten Ruf musst du dir machen]
[Die Flut der Leidenschaft, sie stürmt vergebens]
Vertrauter
Wesir
[Schlimm ist es, wie doch wohl geschieht]
[Wisse, dass mir sehr missfällt]
Timur Nameh / Buch des Timur
Der Winter und Timur
An Suleika
Suleika Nameh / Buch Suleika
[Ich gedachte in der Nacht]
Einladung
[Dass Suleika von Jussuph entzückt war]
[Da du nun Suleika heißest]
Hatem
Suleika
[Der Liebende wird nicht irregehn]
[Ist's möglich, dass ich, Liebchen, dich kose]
Suleika
Hatem
[Kenne wohl der Männer Blicke]
Gingo Biloba
[Sag, du hast wohl viel gedichtet]
[Die Sonne kommt! Ein Prachterscheinen!]
[Komm, Liebchen, komm! umwinde mir die Mütze!]
[Nur wenig ist's, was ich verlange]
[Hätt ich irgend wohl Bedenken]
[Die schön geschriebenen]
[Lieb um Liebe, Stund um Stunde]
[Volk und Knecht und Überwinder]
[Wie des Goldschmieds Basarlädchen]
[Locken, haltet mich gefangen]
[Lass deinen süßen Rubinenmund]
[Bist du von deiner Geliebten getrennt]
[Mag sie sich immer ergänzen]
[Oh! dass der Sinnen doch so viele sind!]
[Auch in der Ferne dir so nah!]
[Wie sollt ich heiter bleiben]
[Wenn ich dein gedenke]
Buch Suleika
[An vollen Büschelzweigen]
[An des lust'gen Brunnens Rand]
[Kaum dass ich dich wieder habe]
[Behramgur, sagt man, hat den Reim erfunden]
[Deinem Blick mich zu bequemen]
Suleika
Hochbild
Nachklang
Suleika
Wiederfinden
Vollmondnacht
Geheimschrift
Abglanz
Suleika
[Lass den Weltenspiegel Alexandern]
[Die Welt durchaus ist lieblich anzuschauen]
[In tausend Formen magst du dich verstecken]
Saki Nameh / Das Schenkenbuch
[Ja, in der Schenke hab ich auch gesessen]
[Sitz ich allein]
[So weit bracht es Muley, der Dieb]
[Ob der Koran von Ewigkeit sei?]
[Trunken müssen wir alle sein!]
[Da wird nicht mehr nachgefragt!]
[Solang man nüchtern ist]
[Warum du nur oft so unhold bist?]
[Wenn der Körper ein Kerker ist]
[Setze mir nicht, du Grobian]
Schenke
[Sie haben wegen der Trunkenheit]
[Du kleiner Schelm du!]
[Was in der Schenke waren heute]
[Welch ein Zustand! Herr, so späte]
[Jene garstige Vettel]
Schenke
Schenke
[Schenke, komm! Noch einen Becher!]
[Denk, o Herr! wenn du getrunken]
Sommernacht
[So hab ich endlich von dir erharrt]
Mathal Nameh / Buch der Parabeln
[Vom Himmel sank in wilder Meere Schauer]
[Bulbuls Nachtlied durch die Schauer]
Wunderglaube
[Die Perle, die der Muschel entrann]
[Ich sah mit Staunen und Vergnügen]
[Ein Kaiser hatte zwei Kassiere]
[Zum Kessel sprach der neue Topf]
[Alle Menschen groß und klein]
[Vom Himmel steigend, Jesus bracht]
Es ist gut
Parsi Nameh / Buch des Parsen
Vermächtnis altpersischen Glaubens
[Wenn der Mensch die Erde schätzet]
Chuld Nameh / Buch des Paradieses
Vorschmack
Berechtigte Männer
Auserwählte Frauen
Einlass
Anklang
[Deine Liebe, dein Kuss mich entzückt!]
[Wieder einen Finger schlägst du mir ein!]
Begünstigte Tiere
Höheres und Höchstes
Siebenschläfer
Gute Nacht!
Noten und Abhandlungen zu besserem Verständnis
[Wer das Dichten will verstehen]
Einleitung
Hebräer
Araber
Übergang
Ältere Perser
Regiment
Geschichte
Mahomet
Kalifen
Fortleitende Bemerkung
Mahmud von Gasna
Dichterkönige
Überlieferungen
Ferdusi
Enweri
Nisami
Dschelâl-Eddîn Rumi
Saadi
Hafis
Dschami
Übersicht
Allgemeines
Allgemeinstes
Neuere, Neueste
Zweifel
Despotie
Einrede
Nachtrag
Gegenwirkung
Eingeschaltetes
Orientalischer Poesie Urelemente
Übergang von Tropen zu Gleichnissen
Warnung
Vergleichung
Verwahrung
Dichtarten
Naturformen der Dichtung
Nachtrag
Buchorakel
Blumen- und Zeichenwechsel
Chiffer
Künftiger Divan
Alttestamentliches
Israel in der Wüste
Nähere Hilfsmittel
Wallfahrten und Kreuzzüge
Marco Polo
Johannes von Montevilla
Pietro della Valle
Entschuldigung
Olearius
Tavernier und Chardin
Neuere und neuste Reisende
Lehrer
Abgeschiedene, Mitlebende
Von Diez
Von Hammer
Übersetzungen
Endlicher Abschluss
Revision
Silvestre de Sacy
[Taschenbuch für 1798, Berlin 1797]
»Hab ich den Markt und die Straßen doch nie so einsam gesehen!
Ist doch die Stadt wie gekehrt! wie ausgestorben! Nicht fünfzig,
Deucht mir, blieben zurück von allen unsern Bewohnern.
Was die Neugier nicht tut! So rennt und läuft nun ein jeder,
Um den traurigen Zug der armen Vertriebnen zu sehen.
Bis zum Dammweg, welchen sie ziehn, ist's immer ein Stündchen,
Und da läuft man hinab, im heißen Staube des Mittags.
Möcht ich mich doch nicht rühren vom Platz, um zu sehen das Elend
Guter fliehender Menschen, die nun, mit geretteter Habe,
Leider das überrheinische Land, das schöne, verlassend,
Zu uns herüberkommen und durch den glücklichen Winkel
Dieses fruchtbaren Tals und seiner Krümmungen wandern.
Trefflich hast du gehandelt, o Frau, dass du milde den Sohn fort
Schicktest, mit altem Linnen und etwas Essen und Trinken,
Um es den Armen zu spenden; denn Geben ist Sache des Reichen.
Was der Junge doch fährt! und wie er bändigt die Hengste!
Sehr gut nimmt das Kütschchen sich aus, das neue; bequemlich
Säßen viere darin und auf dem Bocke der Kutscher.
Diesmal fuhr er allein; wie rollt' es leicht um die Ecke!«
So sprach, unter dem Tore des Hauses sitzend am Markte,
Wohlbehaglich, zur Frau der Wirt zum Goldenen Löwen.
Und es versetzte darauf die kluge, verständige Hausfrau:
»Vater, nicht gerne verschenk ich die abgetragene Leinwand;
Denn sie ist zu manchem Gebrauch, und für Geld nicht zu haben,
Wenn man ihrer bedarf. Doch heute gab ich so gerne
Manches bessere Stück an Überzügen und Hemden;
Denn ich hörte von Kindern und Alten, die nackend dahergehn.
Wirst du mir aber verzeihn? denn auch dein Schrank ist geplündert
Und besonders den Schlafrock mit indianischen Blumen,
Von dem feinsten Kattun, mit feinem Flanelle gefüttert,
Gab ich hin; er ist dünn und alt und ganz aus der Mode.«
Aber es lächelte drauf der treffliche Hauswirt und sagte:
»Ungern vermiss ich ihn doch, den alten kattunenen Schlafrock,
Echt ostindischen Stoffs; so etwas kriegt man nicht wieder.
Wohl! ich trug ihn nicht mehr. Man will jetzt freilich, der Mann soll
Immer gehn im Surtout und in der Pekesche sich zeigen,
Immer gestiefelt sein; verbannt ist Pantoffel und Mütze.«
»Siehe!« versetzte die Frau, »dort kommen schon einige wieder,
Die den Zug mit gesehn; er muss doch wohl schon vorbei sein.
Seht, wie allen die Schuhe so staubig sind! wie die Gesichter
Glühen! und jeglicher führt das Schnupftuch und wischt sich den Schweiß
Möcht ich doch auch in der Hitze nach solchem Schauspiel so weit nicht
Laufen und leiden! Fürwahr, ich habe genug am Erzählten.«
Und es sagte darauf der gute Vater mit Nachdruck:
»Solch ein Wetter ist selten zu solcher Ernte gekommen,
Und wir bringen die Frucht herein, wie das Heu schon herein ist,
Trocken; der Himmel ist hell, es ist kein Wölkchen zu sehen,
Und von Morgen wehet der Wind mit lieblicher Kühlung.
Das ist beständiges Wetter! und überreif ist das Korn schon!
Morgen fangen wir an, zu schneiden die reichliche Ernte.«
Als er so sprach, vermehrten sich immer die Scharen der Männer
Und der Weiber, die über den Markt sich nach Hause begaben
Und so kam auch zurück mit seinen Töchtern gefahren
Rasch, an die andere Seite des Markts, der begüterte Nachbar,
An sein erneuertes Haus, der erste Kaufmann des Ortes,
Im geöffneten Wagen (er war in Landau verfertigt).
Lebhaft wurden die Gassen; denn wohl war bevölkert das Städtchen,
Mancher Fabriken befliss man sich da und manches Gewerbes.
Und so saß das trauliche Paar, sich unter dem Torweg
Über das wandernde Volk mit mancher Bemerkung ergötzend.
Endlich aber begann die würdige Hausfrau und sagte:
»Seht! dort kommt der Prediger her; es kommt auch der Nachbar
Apotheker mit ihm: die sollen uns alles erzählen,
Was sie draußen gesehn und was zu schauen nicht froh macht.«
Freundlich kamen heran die beiden und grüßten das Ehpaar,
Setzten sich auf die Bänke, die hölzernen, unter dem Torweg,
Staub von den Füßen schüttelnd und Luft mit dem Tuche sich fächelnd.
Da begann denn zuerst, nach wechselseitigen Grüßen,
Der Apotheker zu sprechen und sagte, beinahe verdrießlich:
»So sind die Menschen fürwahr! und einer ist doch wie der andre,
Dass er zu gaffen sich freut, wenn den Nächsten ein Unglück befället!
Läuft doch jeder, die Flamme zu sehn, die verderblich emporschlägt,
Jeder, den armen Verbrecher, der peinlich zum Tode geführt wird.
Jeder spaziert nun hinaus, zu schauen der guten Vertriebnen
Elend, und niemand bedenkt, dass ihn das ähnliche Schicksal
Auch vielleicht zunächst betreffen kann, oder doch künftig.
Unverzeihlich find ich den Leichtsinn; doch liegt er im Menschen.«
Und es sagte darauf der edle, verständige Pfarrherr,
Er, die Zierde der Stadt, ein Jüngling, näher dem Manne.
Dieser kannte das Leben und kannte der Hörer Bedürfnis,
War vom hohen Werte der heiligen Schriften durchdrungen,
Die uns der Menschen Geschick enthüllen und ihre Gesinnung;
Und so kannt er auch wohl die besten weltlichen Schriften.
Dieser sprach: »Ich tadle nicht gern, was immer dem Menschen
Für unschädliche Triebe die gute Mutter Natur gab;
Denn was Verstand und Vernunft nicht immer vermögen, vermag oft
Solch ein glücklicher Hang, der unwiderstehlich uns leitet.
Lockte die Neugier nicht den Menschen mit heftigen Reizen,
Sagt! erführ er wohl je, wie schön sich die weltlichen Dinge
Gegeneinander verhalten? Denn erst verlangt er das Neue,
Suchet das Nützliche dann mit unermüdetem Fleiße;
Endlich begehrt er das Gute, das ihn erhebet und wert macht.
In der Jugend ist ihm ein froher Gefährte der Leichtsinn,
Der die Gefahr ihm verbirgt und heilsam geschwinde die Spuren
Tilget des schmerzlichen Übels, sobald es nur irgend vorbeizog.
Freilich ist er zu preisen, der Mann, dem in reiferen Jahren
Sich der gesetzte Verstand aus solchem Frohsinn entwickelt,
Der im Glück wie im Unglück sich eifrig und tätig bestrebet;
Denn das Gute bringt er hervor und ersetzet den Schaden.«
Freundlich begann sogleich die ungeduldige Hausfrau:
»Saget uns, was ihr gesehn; denn das begehrt ich zu wissen.«
»Schwerlich«, versetzte darauf der Apotheker mit Nachdruck,
»Werd ich so bald mich freun nach dem, was ich alles erfahren.
Und wer erzählet es wohl, das mannigfaltigste Elend!
Schon von ferne sahn wir den Staub, noch eh wir die Wiesen
Abwärts kamen; der Zug war schon von Hügel zu Hügel
Unabsehlich dahin, man konnte wenig erkennen.
Als wir nun aber den Weg, der quer durchs Tal geht, erreichten,
War Gedräng und Getümmel noch groß der Wandrer und Wagen.
Leider sahen wir noch genug der Armen vorbeiziehn,
Konnten einzeln erfahren, wie bitter die schmerzliche Flucht sei
Und wie froh das Gefühl des eilig geretteten Lebens.
Traurig war es zu sehn, die mannigfaltige Habe,
Die ein Haus nur verbirgt, das wohlversehne, und die ein
Guter Wirt umher an die rechten Stellen gesetzt hat,
Immer bereit zum Gebrauche, denn alles ist nötig und nützlich,
Nun zu sehen das alles, auf mancherlei Wagen und Karren
Durcheinander geladen, mit Übereilung geflüchtet.
Über dem Schranke lieget das Sieb und die wollene Decke;
In dem Backtrog das Bett, und das Leintuch über dem Spiegel.
Ach! und es nimmt die Gefahr, wie wir beim Brande vor zwanzig
Jahren auch wohl gesehn, dem Menschen alle Besinnung,
Dass er das Unbedeutende fasst und das Teure zurücklässt.
Also führten auch hier, mit unbesonnener Sorgfalt,
Schlechte Dinge sie fort, die Ochsen und Pferde beschwerend:
Alte Bretter und Fässer, den Gänsestall und den Käfig.
Auch so keuchten die Weiber und Kinder, mit Bündeln sich schleppend,
Unter Körben und Butten voll Sachen keines Gebrauches;
Denn es verlässt der Mensch so ungern das Letzte der Habe.
Und so zog auf dem staubigen Weg der drängende Zug fort,
Ordnungslos und verwirrt. Mit schwächeren Tieren der eine
Wünschte langsam zu fahren, ein andrer emsig zu eilen.
Da entstand ein Geschrei der gequetschten Weiber und Kinder
Und ein Blöken des Viehes, dazwischen der Hunde Gebelfer,
Und ein Wehlaut der Alten und Kranken, die hoch auf dem schweren
Übergepackten Wagen auf Betten saßen und schwankten.
Aber, aus dem Gleise gedrängt, nach dem Rande des Hochwegs
Irrte das knarrende Rad; es stürzt' in den Graben das Fuhrwerk,
Umgeschlagen, und weithin entstürzten im Schwunge die Menschen
Mit entsetzlichem Schrein in das Feld hin, aber doch glücklich.
Später stürzten die Kasten und fielen näher dem Wagen.
Wahrlich, wer im Fallen sie sah, der erwartete nun sie
Unter der Last der Kisten und Schränke zerschmettert zu schauen.
Und so lag zerbrochen der Wagen, und hilflos die Menschen;
Denn die übrigen gingen und zogen eilig vorüber,
Nur sich selber bedenkend und hingerissen vom Strome.
Und wir eilten hinzu und fanden die Kranken und Alten,
Die zu Haus und im Bett schon kaum ihr dauerndes Leiden
Trügen, hier auf dem Boden, beschädigt, ächzen und jammern,
Von der Sonne verbrannt und erstickt vom wogenden Staube.«
Und es sagte darauf, gerührt, der menschliche Hauswirt:
»Möge doch Hermann sie treffen und sie erquicken und kleiden.
Ungern würd ich sie sehn; mich schmerzt der Anblick des Jammers.
Schon von dem ersten Bericht so großer Leiden gerühret,
Schickten wir eilend ein Scherflein von unserm Überfluss, dass nur
Einige würden gestärkt, und schienen uns selber beruhigt.
Aber lasst uns nicht mehr die traurigen Bilder erneuern;
Denn es beschleichet die Furcht gar bald die Herzen der Menschen,
Und die Sorge, die mehr als selbst mir das Übel verhasst ist.
Tretet herein in den hinteren Raum, das kühlere Sälchen.
Nie scheint Sonne dahin, nie dringet wärmere Luft dort
Durch die stärkeren Mauern; und Mütterchen bringt uns ein Gläschen
Dreiundachtziger her, damit wir die Grillen vertreiben.
Hier ist nicht freundlich zu trinken; die Fliegen umsummen die Gläser.«
Und sie gingen dahin und freuten sich alle der Kühlung.
Sorgsam brachte die Mutter des klaren, herrlichen Weines,
In geschliffener Flasche auf blankem, zinnernem Runde,
Mit den grünlichen Römern, den echten Bechern des Rheinweins. –
Und so sitzend, umgaben die drei den glänzend gebohnten,
Runden, braunen Tisch, er stand auf mächtigen Füßen.
Heiter klangen sogleich die Gläser des Wirtes und Pfarrers;
Doch unbeweglich hielt der dritte denkend das seine,
Und es fordert' ihn auf der Wirt mit freundlichen Worten:
»Frisch, Herr Nachbar, getrunken! denn noch bewahrte vor Unglück
Gott uns gnädig und wird auch künftig uns also bewahren.
Denn wer erkennt es nicht, dass seit dem schrecklichen Brande,
Da er so hart uns gestraft, er uns nun beständig erfreut hat
Und beständig beschützt, so wie der Mensch sich des Auges
Köstlichen Apfel bewahrt, der vor allen Gliedern ihm lieb ist.
Sollt er fernerhin nicht uns schützen und Hilfe bereiten?
Denn man sieht es erst recht, wie viel er vermag, in Gefahren;
Sollt er die blühende Stadt, die er erst durch fleißige Bürger
Neu aus der Asche gebaut und dann sie reichlich gesegnet,
Jetzo wieder zerstören und alle Bemühung vernichten?«
Heiter sagte darauf der treffliche Pfarrer und milde:
»Haltet am Glauben fest und fest an dieser Gesinnung;
Denn sie macht im Glücke verständig und sicher, im Unglück
Reicht sie den schönsten Trost und belebt die herrlichste Hoffnung.«
Da versetzte der Wirt mit männlichen, klugen Gedanken:
»Wie begrüßt ich so oft mit Staunen die Fluten des Rheinstroms,
Wenn ich, reisend nach meinem Geschäft, ihm wieder mich nahte
Immer schien er mir groß und erhob mir Sinn und Gemüte;
Aber ich konnte nicht denken, dass bald sein liebliches Ufer
Sollte werden ein Wall, um abzuwehren den Franken,
Und sein verbreitetes Bett ein allverhindernder Graben.
Seht, so schützt die Natur, so schützen die wackeren Deutschen,
Und so schützt uns der Herr; wer wollte töricht verzagen?
Müde schon sind die Streiter, und alles deutet auf Frieden.
Möge doch auch, wenn das Fest, das lang er wünschte, gefeiert
Wird in unserer Kirche, die Glocke dann tönt zu der Orgel
Und die Trompete schmettert, das hohe Tedeum begleitend, –
Möge mein Hermann doch auch an diesem Tage, Herr Pfarrer,
Mit der Braut, entschlossen, vor Euch am Altare sich stellen
Und das glückliche Fest, in allen den Landen begangen,
Auch mir künftig erscheinen, der häuslichen Freuden ein Jahrstag!
Aber ungern seh ich den Jüngling, der immer so tätig
Mir in dem Hause sich regt, nach außen langsam und schüchtern.
Wenig findet er Lust, sich unter Leuten zu zeigen;
Ja, er vermeidet sogar der jungen Mädchen Gesellschaft
Und den fröhlichen Tanz, den alle Jugend begehret.«
Also sprach er und horchte. Man hörte der stampfenden Pferde
Fernes Getöse sich nahn, man hörte den rollenden Wagen,
Der mit gewaltiger Eile nun donnert' unter den Torweg.
Als nun der wohlgebildete Sohn ins Zimmer hereintrat,
Schaute der Prediger ihm mit scharfen Blicken entgegen
Und betrachtete seine Gestalt und sein ganzes Benehmen
Mit dem Auge des Forschers, der leicht die Mienen enträtselt;
Lächelte dann und sprach zu ihm mit traulichen Worten:
»Kommt Ihr doch als ein veränderter Mensch! Ich habe noch niemals
Euch so munter gesehn und Eure Blicke so lebhaft.
Fröhlich kommt Ihr und heiter; man sieht, Ihr habet die Gaben
Unter die Armen verteilt und ihren Segen empfangen.«
Ruhig erwiderte drauf der Sohn mit ernstlichen Worten:
»Ob ich löblich gehandelt? ich weiß es nicht; aber mein Herz hat
Mich geheißen zu tun, so wie ich genau nun erzähle.
Mutter, Ihr kramtet so lange, die alten Stücke zu suchen
Und zu wählen; nur spät war erst das Bündel zusammen,
Auch der Wein und das Bier ward langsam, sorglich gepacket.
Als ich nun endlich vors Tor und auf die Straße hinauskam,
Strömte zurück die Menge der Bürger mit Weibern und Kindern
Mir entgegen; denn fern war schon der Zug der Vertriebnen.
Schneller hielt ich mich dran und fuhr behände dem Dorf zu,
Wo sie, wie ich gehört, heut übernachten und rasten.
Als ich nun meines Weges die neue Straße hinanfuhr,
Fiel mir ein Wagen ins Auge, von tüchtigen Bäumen gefüget,
Von zwei Ochsen gezogen, den größten und stärksten des Auslands,
Nebenher aber ging, mit starken Schritten, ein Mädchen;
Lenkte mit langem Stabe die beiden gewaltigen Tiere,
Trieb sie an und hielt sie zurück, sie leitete klüglich.
Als mich das Mädchen erblickte, so trat sie den Pferden gelassen
Näher und sagte zu mir: ›Nicht immer war es mit uns so
Jammervoll, als Ihr uns heut auf diesen Wegen erblicket.
Noch nicht bin ich gewohnt, vom Fremden die Gabe zu heischen,
Die er oft ungern gibt, um loszuwerden den Armen;
Aber mich dränget die Not zu reden. Hier auf dem Strohe
Liegt die erst entbundene Frau des reichen Besitzers,
Die ich mit Stieren und Wagen noch kaum, die Schwangre, gerettet.
Spät nur kommen wir nach, und kaum das Leben erhielt sie.
Nun liegt, neugeboren, das Kind ihr nackend im Arme,
Und mit wenigem nur vermögen die Unsern zu helfen,
Wenn wir im nächsten Dorf, wo wir heute zu rasten gedenken,
Auch sie finden, wiewohl ich fürchte, sie sind schon vorüber.
Wär Euch irgend von Leinwand nur was Entbehrliches, wenn Ihr
Hier aus der Nachbarschaft seid, so spendet's gütig den Armen.‹
Also sprach sie, und matt erhob sich vom Strohe die bleiche
Wöchnerin, schaute nach mir; ich aber sagte dagegen:
›Guten Menschen, fürwahr, spricht oft ein himmlischer Geist zu,
Dass sie fühlen die Not, die dem armen Bruder bevorsteht;
Denn so gab mir die Mutter, im Vorgefühle von Eurem
Jammer, ein Bündel, sogleich es der nackten Notdurft zu reichen.‹
Und ich löste die Knoten der Schnur und gab ihr den Schlafrock
Unsers Vaters dahin und gab ihr Hemden und Leintuch.
Und sie dankte mit Freuden und rief: ›Der Glückliche glaubt nicht,
Dass noch Wunder geschehn; denn nur im Elend erkennt man
Gottes Hand und Finger, der gute Menschen zum Guten
Leitet. Was er durch Euch an uns tut, tu er Euch selber.‹
Und ich sah die Wöchnerin froh die verschiedene Leinwand,
Aber besonders den weichen Flanell des Schlafrocks befühlen.
›Eilen wir‹, sagte zu ihr die Jungfrau, ›dem Dorf zu, in welchem
Unsre Gemeinde schon rastet und diese Nacht durch sich aufhält;
Dort besorg ich sogleich das Kinderzeug, alles und jedes.‹
Und sie grüßte mich noch und sprach den herzlichsten Dank aus,
Trieb die Ochsen; da ging der Wagen. Ich aber verweilte,
Hielt die Pferde noch an; denn Zwiespalt war mir im Herzen,
Ob ich mit eilenden Rossen das Dorf erreichte, die Speisen
Unter das übrige Volk zu spenden, oder sogleich hier
Alles dem Mädchen gäbe, damit sie es weislich verteilte.
Und ich entschied mich gleich in meinem Herzen und fuhr ihr
Sachte nach und erreichte sie bald und sagte behände:
›Gutes Mädchen, mir hat die Mutter nicht Leinwand alleine
Auf den Wagen gegeben, damit ich den Nackten bekleide,
Sondern sie fügte dazu noch Speis und manches Getränke,
Und es ist mir genug davon im Kasten des Wagens.
Nun bin ich aber geneigt, auch diese Gaben in deine
Hand zu legen, und so erfüll ich am besten den Auftrag;
Du verteilst sie mit Sinn, ich müsste dem Zufall gehorchen.‹
Drauf versetzte das Mädchen: ›Mit aller Treue verwend ich
Eure Gaben; der Dürftige soll sich derselben erfreuen.‹
Also sprach sie. Ich öffnete schnell die Kasten des Wagens,
Brachte die Schinken hervor, die schweren, brachte die Brote,
Flaschen Weines und Biers und reicht' ihr alles und jedes.
Gerne hätt ich noch mehr ihr gegeben; doch leer war der Kasten.
Alles packte sie drauf zu der Wöchnerin Füßen und zog so
Weiter; ich eilte zurück mit meinen Pferden der Stadt zu.«
Als nun Hermann geendet, da nahm der gesprächige Nachbar
Gleich das Wort und rief: »O glücklich, wer in den Tagen
Dieser Flucht und Verwirrung in seinem Haus nur allein lebt,
Wem nicht Frau und Kinder zur Seite bange sich schmiegen!
Glücklich fühl ich mich jetzt; ich möcht um vieles nicht heute
Vater heißen und nicht für Frau und Kinder besorgt sein.
Öfters dacht ich mir auch schon die Flucht und habe die besten
Sachen zusammengepackt, das alte Geld und die Ketten
Meiner seligen Mutter, das alles noch heilig verwahrt liegt.
Freilich bliebe noch vieles zurück, das so leicht nicht geschafft wird.
Selbst die Kräuter und Wurzeln, mit vielem Fleiße gesammelt,
Misst ich ungern, wenn auch der Wert der Ware nicht groß ist.
Bleibt der Provisor zurück, so geh ich getröstet von Hause.
Hab ich die Barschaft gerettet und meinen Körper, so hab ich
Alles gerettet; der einzelne Mann entfliehet am leichtsten.«
»Nachbar«, versetzte darauf der junge Hermann mit Nachdruck,
»Keinesweges denk ich wie Ihr und tadle die Rede.
Ist wohl der ein würdiger Mann, der im Glück und im Unglück
Sich nur allein bedenkt und Leiden und Freuden zu teilen
Nicht verstehet und nicht dazu von Herzen bewegt wird?
Lieber möcht ich, als je, mich heute zur Heirat entschließen;
Denn manch gutes Mädchen bedarf des schützenden Mannes
Und der Mann des erheiternden Weibs, wenn ihm Unglück bevorsteht.«
Lächelnd sagte darauf der Vater: »So hör ich dich gerne!
Solch ein vernünftiges Wort hast du mir selten gesprochen.«
Aber es fiel sogleich die gute Mutter behänd ein:
»Sohn, fürwahr! du hast recht; wir Eltern gaben das Beispiel.
Denn wir haben uns nicht an fröhlichen Tagen erwählet,
Und uns knüpfte vielmehr die traurigste Stunde zusammen.
Montag morgens – ich weiß es genau; denn Tages vorher war
Jener schreckliche Brand, der unser Städtchen verzehrte –
Zwanzig Jahre sind's nun; es war ein Sonntag wie heute,
Heiß und trocken die Zeit und wenig Wasser im Orte.
Alle Leute waren, spazierend in festlichen Kleidern,
Auf den Dörfern verteilt und in den Schenken und Mühlen.
Und am Ende der Stadt begann das Feuer. Der Brand lief
Eilig die Straßen hindurch, erzeugend sich selber den Zugwind.
Und es brannten die Scheunen der reichgesammelten Ernte,
Und es brannten die Straßen bis zu dem Markt, und das Haus war
Meines Vaters hierneben verzehrt und dieses zugleich mit.
Wenig flüchteten wir. Ich saß, die traurige Nacht durch,
Vor der Stadt auf dem Anger, die Kasten und Betten bewahrend;
Doch zuletzt befiel mich der Schlaf, und als nun des Morgens
Mich die Kühlung erweckte, die vor der Sonne herabfällt,
Sah ich den Rauch und die Glut und die hohlen Mauern und Essen.
Da war beklemmt mein Herz; allein die Sonne ging wieder
Herrlicher auf als je und flößte mir Mut in die Seele.
Da erhob ich mich eilend. Es trieb mich, die Stätte zu sehen,
Wo die Wohnung gestanden, und ob sich die Hühner gerettet,
Die ich besonders geliebt; denn kindisch war mein Gemüt noch.
Als ich nun über die Trümmer des Hauses und Hofes daherstieg,
Die noch rauchten, und so die Wohnung wüst und zerstört sah,
Kamst du zur andern Seite herauf und durchsuchtest die Stätte.
Dir war ein Pferd in dem Stalle verschüttet; die glimmenden Balken
Lagen darüber und Schutt, und nichts zu sehn war vom Tiere.
Also standen wir gegeneinander, bedenklich und traurig:
Denn die Wand war gefallen, die unsere Höfe geschieden.
Und du fasstest darauf mich bei der Hand an und sagtest:
›Lieschen, wie kommst du hierher? Geh weg! du verbrennest die Sohlen;
Denn der Schutt ist heiß, er sengt mir die stärkeren Stiefeln.‹
Und du hobest mich auf und trugst mich herüber, durch deinen
Hof weg. Da stand noch das Tor des Hauses mit seinem Gewölbe,
Wie es jetzt steht; es war allein von allem geblieben.
Und du setztest mich nieder und küsstest mich, und ich verwehrt es.
Aber du sagtest darauf mit freundlich bedeutenden Worten:
›Sieh, das Haus liegt nieder. Bleib hier und hilf mir es bauen,
Und ich helfe dagegen auch deinem Vater an seinem.‹
Doch ich verstand dich nicht, bis du zum Vater die Mutter
Schicktest und schnell das Gelübd' der fröhlichen Ehe vollbracht war.
Noch erinnr' ich mich heute des halbverbrannten Gebälkes
Freudig und sehe die Sonne noch immer so herrlich heraufgehn;
Denn mir gab der Tag den Gemahl, es haben die ersten
Zeiten der wilden Zerstörung den Sohn mir der Jugend gegeben.
Darum lob ich dich, Hermann, dass du mit reinem Vertrauen
Auch ein Mädchen dir denkst in diesen traurigen Zeiten
Und es wagtest, zu frein im Krieg und über den Trümmern.«
Da versetzte sogleich der Vater lebhaft und sagte:
»Die Gesinnung ist löblich, und wahr ist auch die Geschichte,
Mütterchen, die du erzählst; denn so ist alles begegnet.
Aber besser ist besser. Nicht einen jeden betrifft es,
Anzufangen von vorn sein ganzes Leben und Wesen;
Nicht soll jeder sich quälen, wie wir und andere taten,
Oh, wie glücklich ist der, dem Vater und Mutter das Haus schon
Wohlbestellt übergeben und der mit Gedeihen es ausziert!
Aller Anfang ist schwer, am schwersten der Anfang der Wirtschaft.
Mancherlei Dinge bedarf der Mensch, und alles wird täglich
Teurer; da seh er sich vor, des Geldes mehr zu erwerben.
Und so hoff ich von dir, mein Hermann, dass du mir nächstens
In das Haus die Braut mit schöner Mitgift hereinführst;
Denn ein wackerer Mann verdient ein begütertes Mädchen,
Und es behaget so wohl, wenn mit dem gewünscheten Weibchen
Auch in Körben und Kasten die nützliche Gabe hereinkommt.
Nicht umsonst bereitet durch manche Jahre die Mutter
Viele Leinwand der Tochter, von feinem und starkem Gewebe;
Nicht umsonst verehren die Paten ihr Silbergeräte,
Und der Vater sondert im Pulte das seltene Goldstück:
Denn sie soll dereinst mit ihren Gütern und Gaben
Jenen Jüngling erfreun, der sie vor allen erwählt hat.
Ja, ich weiß, wie behaglich ein Weibchen im Hause sich findet,
Das ihr eignes Gerät in Küch und Zimmern erkennet
Und das Bette sich selbst und den Tisch sich selber gedeckt hat.
Nur wohl ausgestattet möcht ich im Hause die Braut sehn;
Denn die Arme wird doch nur zuletzt vom Manne verachtet,
Und er hält sie als Magd, die als Magd mit dem Bündel hereinkam.
Ungerecht bleiben die Männer, und die Zeiten der Liebe vergehen.
Ja, mein Hermann, du würdest mein Alter höchlich erfreuen,
Wenn du mir bald ins Haus ein Schwiegertöchterchen brächtest
Aus der Nachbarschaft her, aus jenem Hause, dem grünen.
Reich ist der Mann fürwahr: sein Handel und seine Fabriken
Machen ihn täglich reicher: denn wo gewinnt nicht der Kaufmann?
Nur drei Töchter sind da; sie teilen allein das Vermögen.
Schon ist die ältste bestimmt, ich weiß es; aber die zweite
Wie die dritte sind noch, und vielleicht nicht lange, zu haben.
Wär ich an deiner Statt, ich hätte bis jetzt nicht gezaudert,
Eins mir der Mädchen geholt, so wie ich das Mütterchen forttrug.«
Da versetzte der Sohn bescheiden dem dringenden Vater:
»Wirklich, mein Wille war auch, wie Eurer, eine der Töchter
Unsers Nachbars zu wählen. Wir sind zusammen erzogen,
Spielten neben dem Brunnen am Markt in früheren Zeiten,
Und ich habe sie oft vor der Knaben Wildheit beschützet.
Doch das ist lange schon her; es bleiben die wachsenden Mädchen
Endlich billig zu Haus und fliehn die wilderen Spiele.
Wohlgezogen sind sie gewiss! Ich ging auch zuzeiten
Noch aus alter Bekanntschaft, so wie Ihr es wünschtet, hinüber;
Aber ich konnte mich nie in ihrem Umgang erfreuen.
Denn sie tadelten stets an mir, das musst ich ertragen:
Gar zu lang war mein Rock, zu grob das Tuch und die Farbe
Gar zu gemein, und die Haare nicht recht gestutzt und gekräuselt.
Endlich hatt ich im Sinne, mich auch zu putzen wie jene
Handelsbübchen, die stets am Sonntag drüben sich zeigen
Und um die halbseiden im Sommer das Läppchen herumhängt.
Aber noch früh genug merkt ich: sie hatten mich immer zum Besten;
Und das war mir empfindlich, mein Stolz war beleidigt; doch mehr noch
Kränkte mich's tief, dass so sie den guten Willen verkannten,
Den ich gegen sie hegte, besonders Minchen, die jüngste.
Denn so war ich zuletzt an Ostern hinübergegangen,
Hatte den neuen Rock, der jetzt nur oben im Schrank hängt,
Angezogen und war frisiert wie die übrigen Burschen.
Als ich eintrat, kicherten sie; doch zog ich's auf mich nicht.
Minchen saß am Klavier; es war der Vater zugegen,
Hörte die Töchterchen singen und war entzückt und in Laune.
Manches verstand ich nicht, was in den Liedern gesagt war;
Aber ich hörte viel von Pamina, viel von Tamino,
Und ich wollte doch auch nicht stumm sein! Sobald sie geendet,
Fragt ich dem Texte nach und nach den beiden Personen.
Alle schwiegen darauf und lächelten; aber der Vater
Sagte: ›Nicht wahr, mein Freund, Er kennt nur Adam und Eva?‹
Niemand hielt sich alsdann, und laut auflachten die Mädchen,
Laut auflachten die Knaben, es hielt den Bauch sich der Alte.
Fallen ließ ich den Hut vor Verlegenheit, und das Gekicher
Dauerte fort und fort, soviel sie auch sangen und spielten.
Und ich eilte beschämt und verdrießlich wieder nach Hause,
Hängte den Rock in den Schrank und zog die Haare herunter
Mit den Fingern und schwur, nicht mehr zu betreten die Schwelle.
Und ich hatte wohl recht; denn eitel sind sie und lieblos,
Und ich höre, noch heiß ich bei ihnen immer Tamino.«
Da versetzte die Mutter: »Du solltest, Hermann, so lange
Mit den Kindern nicht zürnen; denn Kinder sind sie ja sämtlich.
Minchen fürwahr ist gut und war dir immer gewogen;
Neulich fragte sie noch nach dir. Die solltest du wählen!«
Da versetzte bedenklich der Sohn: »Ich weiß nicht, es prägte
Jener Verdruss sich so tief bei mir ein, ich möchte fürwahr nicht
Sie am Klaviere mehr sehn und ihre Liedchen vernehmen.«
Doch der Vater fuhr auf und sprach die zornigen Worte:
»Wenig Freud erleb ich an dir! Ich sagt es doch immer,
Als du zu Pferden nur und Lust nur bezeigtest zum Acker:
Was ein Knecht schon verrichtet des wohlbegüterten Mannes,
Tust du; indessen muss der Vater des Sohnes entbehren,
Der ihm zur Ehre doch auch vor andern Bürgern sich zeigte.
Und so täuschte mich früh mit leerer Hoffnung die Mutter,
Wenn in der Schule das Lesen und Schreiben und Lernen dir niemals
Wie den andern gelang und du immer der Unterste saßest.
Freilich! das kommt daher, wenn Ehrgefühl nicht im Busen
Eines Jünglinges lebt und wenn er nicht höher hinauf will.
Hätte mein Vater gesorgt für mich, so wie ich für dich tat,
Mich zur Schule gesendet und mir die Lehrer gehalten,
Ja, ich wäre was anders als Wirt zum Goldenen Löwen.«
Aber der Sohn stand auf und nahte sich schweigend der Türe,
Langsam und ohne Geräusch; allein der Vater, entrüstet,
Rief ihm nach: »So gehe nur hin! ich kenne den Trotzkopf!
Geh und führe fortan die Wirtschaft, dass ich nicht schelte;
Aber denke nur nicht, du wollest ein bäurisches Mädchen
Je mir bringen ins Haus, als Schwiegertochter, die Trulle!
Lange hab ich gelebt und weiß mit Menschen zu handeln,
Weiß zu bewirten die Herren und Frauen, dass sie zufrieden
Von mir weggehn; weiß den Fremden gefällig zu schmeicheln.
Aber so soll mir denn auch ein Schwiegertöchterchen endlich
Wiederbegegnen und so mir die viele Mühe versüßen;
Spielen soll sie mir auch das Klavier, es sollen die schönsten,
Besten Leute der Stadt sich mit Vergnügen versammeln,
Wie es sonntags geschieht im Hause des Nachbars.« Da drückte
Leise der Sohn auf die Klinke, und so verließ er die Stube.
Also entwich der bescheidene Sohn der heftigen Rede;
Aber der Vater fuhr in der Art fort, wie er begonnen:
»Was im Menschen nicht ist, kommt auch nicht aus ihm, und schwerlich
Wird mich des herzlichsten Wunsches Erfüllung jemals erfreuen,
Dass der Sohn dem Vater nicht gleich sei, sondern ein Bessrer.
Denn was wäre das Haus, was wäre die Stadt, wenn nicht immer
Jeder gedächte mit Lust zu erhalten und zu erneuen
Und zu verbessern auch, wie die Zeit uns lehrt und das Ausland!
Soll doch nicht als ein Pilz der Mensch dem Boden entwachsen
Und verfaulen geschwind an dem Platze, der ihn erzeugt hat,
Keine Spur nachlassend von seiner lebendigen Wirkung!
Sieht man am Hause doch gleich so deutlich, wes Sinnes der Herr sei,
Wie man, das Städtchen betretend, die Obrigkeiten beurteilt.
Denn wo die Türme verfallen und Mauern, wo in den Gräben
Unrat sich häufet und Unrat auf allen Gassen herumliegt,
Wo der Stein aus der Fuge sich rückt und nicht wieder gesetzt wird,
Wo der Balken verfault und das Haus vergeblich die neue
Unterstützung erwartet: der Ort ist übel regieret.
Denn wo nicht immer von oben die Ordnung und Reinlichkeit wirket,
Da gewöhnet sich leicht der Bürger zu schmutzigem Saumsal,
Wie der Bettler sich auch an lumpige Kleider gewöhnet.
Darum hab ich gewünscht, es solle sich Hermann auf Reisen
Bald begeben und sehn zum wenigsten Straßburg und Frankfurt
Und das freundliche Mannheim das gleich und heiter gebaut ist.
Denn wer die Städte gesehn, die großen und reinlichen, ruht nicht,
Künftig die Vaterstadt selbst, so klein sie auch sei, zu verzieren.
Lobt nicht der Fremde bei uns die ausgebesserten Tore
Und den geweißten Turm und die wohlerneuerte Kirche?
Rühmt nicht jeder das Pflaster? die wasserreichen, verdeckten,
Wohlverteilten Kanäle, die Nutzen und Sicherheit bringen,
Dass dem Feuer sogleich beim ersten Ausbruch gewehrt sei,
Ist das nicht alles geschehn seit jenem schrecklichen Brande?
Bauherr war ich sechsmal im Rat und habe mir Beifall,
Habe mir herzlichen Dank von guten Bürgern verdienet,
Was ich angab, emsig betrieben und so auch die Anstalt
Redlicher Männer vollführt, die sie unvollendet verließen.
So kam endlich die Lust in jedes Mitglied des Rates.
Alle bestreben sich jetzt, und schon ist der neue Chausseebau
Fest beschlossen, der uns mit der großen Straße verbindet.
Aber ich fürchte nur sehr, so wird die Jugend nicht handeln!
Denn die einen, sie denken auf Lust und vergänglichen Putz nur;
Andere hocken zu Haus und brüten hinter dem Ofen.
Und das fürcht ich: ein solcher wird Hermann immer mir bleiben.«
Und es versetzte sogleich die gute, verständige Mutter:
»Immer bist du doch, Vater, so ungerecht gegen den Sohn! und
So wird am wenigsten dir dein Wunsch des Guten erfüllet.
Denn wir können die Kinder nach unserem Sinne nicht formen;
So wie Gott sie uns gab, so muss man sie haben und lieben,
Sie erziehen aufs Beste und jeglichen lassen gewähren.
Denn der eine hat die, die anderen andere Gaben;
Jeder braucht sie, und jeder ist doch nur auf eigene Weise
Gut und glücklich. Ich lasse mir meinen Hermann nicht schelten;
Denn, ich weiß es, er ist der Güter, die er dereinst erbt,
Wert und ein trefflicher Wirt, ein Muster Bürgern und Bauern,
Und im Rate gewiss, ich seh es voraus, nicht der Letzte.
Aber täglich mit Schelten und Tadeln hemmst du dem Armen
Allen Mut in der Brust, so wie du es heute getan hast.«
Und sie verließ die Stube sogleich und eilte dem Sohn nach,
Dass sie ihn irgendwo fänd und ihn mit gütigen Worten
Wieder erfreute; denn er, der treffliche Sohn, er verdient' es.
Lächelnd sagte darauf, sobald sie hinweg war, der Vater:
»Sind doch ein wunderlich Volk die Weiber, so wie die Kinder!
Jedes lebet so gern nach seinem eignen Belieben,
Und man sollte hernach nur immer loben und streicheln.
Einmal für allemal gilt das wahre Sprüchlein der Alten:
Wer nicht vorwärts geht, der kommt zurücke! So bleibt es.«
Und es versetzte darauf der Apotheker bedächtig:
»Gerne geb ich es zu, Herr Nachbar, und sehe mich immer
Selbst nach dem Besseren um, wofern es nicht teuer, doch neu ist;
Aber hilft es fürwahr, wenn man nicht die Fülle des Gelds hat,
Tätig und rührig zu sein und innen und außen zu bessern?
Nur zu sehr ist der Bürger beschränkt; das Gute vermag er
Nicht zu erlangen, wenn er es kennt. Zu schwach ist sein Beutel,
Das Bedürfnis zu groß; so wird er immer gehindert.
Manches hätt ich getan; allein wer scheut nicht die Kosten
Solcher Verändrung, besonders in diesen gefährlichen Zeiten!
Lange lachte mir schon mein Haus im modischen Kleidchen,
Lange glänzten durchaus mit großen Scheiben die Fenster;
Aber wer tut dem Kaufmann es nach, der bei seinem Vermögen
Auch die Wege noch kennt, auf welchen das Beste zu haben?
Seht nur das Haus an da drüben, das neue! Wie prächtig in grünen
Feldern die Stukkatur der weißen Schnörkel sich ausnimmt!
Groß sind die Tafeln der Fenster; wie glänzen und spiegeln die Scheiben,
Dass verdunkelt stehn die übrigen Häuser des Marktes!
Und doch waren die unsern gleich nach dem Brande die schönsten,
Die Apotheke zum Engel so wie der Goldene Löwe.
So war mein Garten auch in der ganzen Gegend berühmt, und
Jeder Reisende stand und sah durch die roten Staketen
Nach den Bettlern von Stein und nach den farbigen Zwergen.
Wem ich den Kaffee dann gar in dem herrlichen Grottenwerk reichte,
Das nun freilich verstaubt und halb verfallen mir dasteht,
Der erfreute sich hoch des farbig schimmernden Lichtes
Schöngeordneter Muscheln; und mit geblendetem Auge
Schaute der Kenner selbst den Bleiglanz und die Korallen.
Ebenso ward in dem Saale die Malerei auch bewundert,
Wo die geputzten Herren und Damen im Garten spazieren
Und mit spitzigen Fingern die Blumen reichen und halten.
Ja, wer sähe das jetzt nur noch an! Ich gehe verdrießlich
Kaum mehr hinaus; denn alles soll anders sein und geschmackvoll,
Wie sie's heißen, und weiß die Latten und hölzernen Bänke.
Alles ist einfach und glatt; nicht Schnitzwerk oder Vergoldung
Will man mehr, und es kostet das fremde Holz nun am meisten.
Nun, ich wär es zufrieden, mir auch was Neues zu schaffen;
Auch zu gehn mit der Zeit und oft zu verändern den Hausrat;
Aber es fürchtet sich jeder, auch nur zu rücken das Kleinste,
Denn wer vermöchte wohl jetzt die Arbeitsleute zu zahlen?
Neulich kam mir's in Sinn, den Engel Michael wieder,
Der mir die Offizin bezeichnet, vergolden zu lassen
Und den gräulichen Drachen, der ihm zu Füßen sich windet;
Aber ich ließ ihn verbräunt, wie er ist; mich schreckte die Fordrung.«
Also sprachen die Männer, sich unterhaltend. Die Mutter
Ging indessen, den Sohn erst vor dem Hause zu suchen,
Auf der steinernen Bank, wo sein gewöhnlicher Sitz war.
Als sie daselbst ihn nicht fand, so ging sie, im Stalle zu schauen,
Ob er die herrlichen Pferde, die Hengste, selber besorgte,
Die er als Fohlen gekauft und die er niemand vertraute.
Und es sagte der Knecht: »Er ist in den Garten gegangen.«
Da durchschritt sie behände die langen, doppelten Höfe,
Ließ die Ställe zurück und die wohlgezimmerten Scheunen,
Trat in den Garten, der weit bis an die Mauern des Städtchens
Reichte, schritt ihn hindurch und freute sich jeglichen Wachstums,