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Ich wusste, dieser Fall war noch nicht beendet. Mein Gefühl sagte mir, dass das Grauen, das wir in New York erlebt hatten, seinen Ursprung in Afrika hatte. Die Spur des mutierten Gorillas führte mich in den Kongo. Und in diesem mir so fremden Land bekam ich es mit etwas zu tun, das meine schlimmsten Befürchtungen noch übertraf. Denn dort erwartete mich 'Das Grauen der grünen Hölle' ...
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Seitenzahl: 147
Cover
Impressum
Das Grauen der grünen Hölle
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock/tlorna
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-1067-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Das Grauen der grünen Hölle
(2. Teil)
Timothy Stahl
Der Raum glich einem Labyrinth. Er war von der glosenden Helligkeit flackernder Feuer erfüllt. Das wabernde, blutrote Licht gaukelte Bewegung an den Wänden vor. Ein Greis schritt umher. Um ihn herum tanzten schwarze Schatten, die sich alle nur als abstrakte Schemen abzeichneten. Bis auf einen! Als der Greis diese Silhouette bemerkte, erstarrte er. Der Schatten schien ihn anzuglotzen – aus uralten Augen und mit wahrhaft bösem Blick!
Brodelnde Dämpfe, die an eine Hexenküche erinnerten, waberten träge durch die Dunkelheit.
Den Gestank, der bleischwer in der Luft hing, nahm der Greis längst nicht mehr wahr. Der Kloakengeruch, der vom Gedärm eines Ungeheuers hätte stammen können, entging ihm, weil er schon so lange hier lebte, dass es für Menschen eine Ewigkeit bedeutet hätte. Er war von jeher daran gewöhnt.
Und den Geruch nach fauligem Fisch, nach angespültem Seegras und Algen strömte er selbst aus. Nicht ohne Grund. Er war ein Alter des Meeres.
Kleidung trug er nicht, nur eine geflochtene Kette um den Hals, auf die verschieden geformte Zähne gefädelt waren. Um die Lenden und im Schritt wuchs ihm bräunlich grünes, tangartiges Haar, von dem sich in den Achselhöhlen und auf der Brust ein paar Büschel zeigten. Aus seinem schmalen Kinn sprossen nässende Barteln.
Seine Haut war stellenweise silbrig geschuppt, die Poren sekretierten zähen Schleim. Auch daher rührte seine greisenhafte Gestalt – der Schleim zehrte die Säfte seines Körpers fast schneller auf, als er sie regenerieren konnte.
Auf der grauen Wand standen sich noch immer sein Schatten und der seines Besuchers gegenüber. Nach wie vor verbarg sich der andere selbst irgendwo inmitten der monströsen Eingeweide, aus denen dieser Ort bestand.
Während der andere sich auch jetzt noch nicht rührte, geriet der Schatten des Greises wieder in Bewegung. Und er bildete nicht länger seine ausgemergelte Gestalt ab – wie sonst immer spiegelte er nun all die Kreaturen wider, die sein Hirn ohne Unterlass hervorbrachte.
Sie hätten seinen Kopf schier zum Platzen gebracht, hätte er sie kraft seiner Magie nicht immer wieder entspringen lassen und wenigstens an die Wände projiziert, wenn er sie schon nicht alle materiell erschaffen konnte.
Diejenigen aber, die er erschuf, bevölkerten wie eine eigene Welt diesen Ort, der um ein Vielfaches größer war, als das Auge erfassen konnte. Nur hinaus in die Welt durften sie nicht, konnten sie nicht. Sie waren hier gefangen, so wie der Alte selbst hierher verbannt war. Jedenfalls war das bis vor Kurzem so gewesen. Und in diesem Falle hätte »kurz« auch für einen Menschen tatsächlich nicht allzu viel Zeit bedeutet …
Doch sein Besucher hatte diesen Bann nun endlich aufgehoben. Trotzdem war seine Anwesenheit kein Anlass zur Freude. Im Gegenteil, der Alte musste fürchten, dass der Traum von der Freiheit für ihn und seine Geschöpfe schon wieder ausgeträumt war, noch ehe er sich wirklich erfüllt hatte.
Abwarten!, ermahnte er sich stumm. Noch schwammen seine Felle nicht davon. Es kam jetzt nur darauf an, auch den anderen davon zu überzeugen, dass noch lange nicht alles verloren war, mehr noch, dass er, der Alte des Meeres, alles fest im Griff hatte.
Er streifte Handschuhe aus Drachenhaut über. Dann stieß er eine Faust in ein Becken mit glühenden Kohlen und holte eine unterarmlange Figur heraus. Leise vor sich hin murmelnd verlieh er dem weichen Metall ein paar weitere Züge.
Anschließend versenkte er es wieder in der Glut. Dann erst wandte er sich um, die geschuppten Handschuhe in aller Ruhe beiseite legend, als genösse sein Besucher weit geringere Priorität.
Ein solches Machtspielchen erwartete der andere sicherlich. Doch er durfte nicht erwarten, dass er den Alten mit seinem plötzlichen Auftauchen wirklich erschrecken konnte – weil den Greis nichts Äußeres schrecken konnte. Es konnte nichts Schrecklicheres auf ihn einstürmen, als ohnehin schon in ihm tobte.
Ein paar besondere Beispiele der Schrecken, die sein Geist gebar, ließ er in rascher Folge als Schatten über den Stein huschen. Dabei erweckte er den Anschein, als stürzten die grotesken Kreaturen sich mit weit aufgerissenen Mäulern, gebleckten Zähnen und gespreizten Krallen auf die Silhouette des Besuchers.
Das wurde nun selbst dem Besucher zu arg. Seine schwarze Bocksgestalt spie echtes Feuer, das nicht nur die Schattenungeheuer ausradierte, sondern auch die Magie verbrannte, die es dem Alten erlaubte, seinen Kopfgeburten kurzfristiges Scheinleben zu verleihen.
Es dauerte nur Sekunden, bis die Macht des Alten wieder erstarkte. Aber schon in diesen wenigen Augenblicken stauten sich die Hirngespinste in seinem Schädel zu einem mörderischen Druck. Aufstöhnend presste er links und rechts seiner breiten Stirn die Hände an die Schläfen, während die fischartigen Augen noch weiter aus ihren Höhlen quollen.
Dann war es vorbei, der kurze Schlagabtausch beendet, die Rangordnung wieder zurechtgerückt. Und der Besucher zeigte sich endlich, auch wenn er sich weiterhin in den Schatten hielt. Daran herrschte an diesem labyrinthischen Ort kein Mangel.
»Du hast versagt!«, meckerte die Stimme des anderen aus jenem Schattenpfuhl, in dem sich seine Kontur tiefschwarz abzeichnete – als wäre er selbst gar nicht da, sondern als klaffte dort ein Loch in der Wirklichkeit, das seine Umrisse hatte.
Ein unverständliches Flüstern auf den feuchten Lippen, langte der Alte mit einer Hand in einen lichtlosen Winkel. Ein Knistern wie von Stroh war zu hören, und als die Hand wieder zum Vorschein kam, lag ein faustgroßes Ei darin. Die nur scheinbar kraftlosen Finger zerdrückten die granitgraue Schale.
Fünf, sechs pechschwarze Vögel mit nackten Hälsen und Sägezahnschnäbeln stoben daraus hervor, alle bereits flügge und jeder einzelne größer, als es das Ei gewesen war. Sie hatten keine Augen und flatterten zappelig wie Fledermäuse hinein in das Schattendickicht, in dem der Besucher steckte.
Der Alte konnte sehen, wie dieser die Vögel ärgerlich verscheuchte, und grinste. Gefährlich waren die Viecher nicht, das wusste der andere auch – aber er sollte sich ruhig daran erinnert fühlen, dass der Alte an diesem Ort auch Dinge ausbrütete, die nicht so harmlos waren …
»Versagt?«, fragte er, nachdem er ungebührlich viel Zeit hatte verstreichen lassen. »Wie kann ich versagt haben, wenn ich noch nicht einmal begonnen habe?«
»Du hast deine Geschöpfe ausgesandt, bevor sie bereit waren«, erklärte der andere mit seiner unangenehm tierhaften Stimme.
»Ich dachte, sie wären klug genug, zu warten, bis sie und die Zeit reif sind«, hielt der Alte dagegen.
»Sie waren zu eigenwillig!«
»Ich darf dich daran erinnern, dass du es warst«, der Alte des Meeres zeigte mit einem zweigartig dürren Finger in die Schatten und haargenau auf seinen Besucher, »der sie sich als selbstbestimmte Kreaturen wünschte.«
Seine Worte klangen wie ein Vorwurf. Er wusste, dass er es nicht zu weit treiben durfte. Aber den Spielraum, der ihm zur Verfügung stand, wollte er nutzen.
»Selbstbestimmt, ja«, entgegnete die Gestalt im Dunkeln, »aber nicht unbesonnen!«
Der Greis hob die mageren Schultern. »Sie sind wie Kinder. Man kann ihnen mitgeben, was man will, was sie daraus machen, liegt in ihrer Hand.«
Er wisperte etwas und fasste nach oben. Seine Hand verschwand in einer Rauchschwade. Dann zog er sie wieder heraus und hielt sie sich zur Faust geballt vors Gesicht. Er öffnete sie und blies mit stinkendem Atem hinweg, was er aus dem Dampf gefangen hatte – irrlichternde Fliegenwesen, die den gleichen Weg nahmen wie die schwarzen Vögel. Nur war ihre Zahl ungleich größer.
Wie eine funkelnde Hülse wollten sie sich um die finstere Gestalt im Schatten schließen und sie dem Dunkel entreißen – wären sie nicht zuvor im jähen Aufblitzen eines kalten Flammenkranzes zu flockigem Staub zerpulvert, der verglühend zu Boden schwebte.
»Lass den Unsinn, sonst lernst du mich kennen!«, zischte es von dort, wo sich die Finsternis wieder schloss.
»Darauf verzichte ich gern. Ich wollte dich nur sehen, wenn ich schon mit dir reden muss.«
»Wem ich mich wann zeige, entscheide ich selbst. Dir muss es genügen, zu wissen, wer ich bin, was ich dir bieten und was ich dir antun kann!«
»Um das zu erfahren, hatte ich wahrlich genug Zeit«, grummelte der Alte.
»Vielleicht auch nicht«, meinte der Besucher. »Sonst hättest du dir sicher mehr Mühe gegeben.«
»Mühe ist die geringste Zutat bei dem, was ich tue.«
Ein feuriges Schnauben zerriss kurz das Dunkel. Fauliger Gestank, zigmal schlimmer als der Fischgeruch des Alten, wölkte hervor.
»Schluss mit dem Gerede«, verlangte der fast Unsichtbare. »Ich bin auch nicht hier, um dich zu maßregeln oder gar zu strafen.« Eine genau bemessene Pause folgte, dann fügte er hinzu: »Diesmal nicht.«
Der Alte ließ sich dennoch nicht einschüchtern. Dazu war er zu … alt. Auch wenn er im Vergleich zu seinem Besucher jung sein mochte.
»Weshalb bist du dann gekommen?«, fragte er. »Um mir auf die Finger zu schauen?«
»Nein.«
Ein Wort wie ein Peitschenknall, und der Greis ertappte sich dabei, dass er tatsächlich zusammenzuckte. Bei den Göttern! Dieser elende Dämon war ihm überlegen, und sei es auch nur in entscheidenden Momenten, so zum Beispiel, als er ihn mit einem Fluch hier festgesetzt hatte – vor Urzeiten und in ebenso weiser wie weiter Voraussicht, wie sich jetzt erwies …
»Ich bin hier, um dich zu warnen.« Auch diese Worte wurden wie mit physischer Kraft abgeschossen und saßen wie treffsichere Hiebe.
»Warnen?«, fragte der Alte voller Argwohn. »Wovor?«
»Vor John Sinclair!«
Das Grinsen spielte wieder um die grauen Lippen des Greises. Er musste an sich halten, um sich die Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Wenn der andere weiter nichts im Sinn hatte …
»Vor diesem …«, der Alte lachte fast auf, »Geisterjäger?«
»Du unterschätzt ihn. Obgleich du, wie ich annehme, sehr gut weißt, was er getan hat.«
Der Alte winkte ab. »Was hat er denn groß getan? Ich hatte den Affen schon verloren gegeben, als der Afrikaner ihn niederstreckte. Was danach aus ihm wurde …« Ein Schulterzucken. »Egal.«
»Es geht nicht um diesen einen Affen, du alter Narr!« Die Schatten, die den anderen umgaben, schienen zu kochen.
»Sondern?« Der Alte fluchte innerlich. Hatte seine Stimme eben nicht ein bisschen zaghafter geklungen als beabsichtigt?
»Sinclair wird sich mit der Vernichtung dieses einen Affen nicht zufriedengeben. Er wird vermuten, dass mehr dahintersteckt, und er wird herkommen.«
»Das soll er nur versuchen.«
»Das wird er nicht nur versuchen. Rechne damit, dass es ihm gelingt.«
Der Alte äugte durch ein Loch in ein Gebilde hinein, das aussah wie ein Bienenkorb aus Stein. Darin rumorte es. Das war gut so. Er flüsterte dem Blick ein Wort hinterher und steckte einen Pfropfen ins Loch.
»Mach dir wegen diesem Sinclair keine Sorgen«, sagte er dann leichthin über die Schulter.
»Besser, du begreifst, dass du es bist, der Grund zur Sorge hat!«
Die Schatten bauschten sich wie Unwetterwolken. Ein feuriges Fauchen riss sie auseinander, ein tiefer, lauter Atemzug ballte sie wieder zusammen.
»Aber nein«, wiegelte der Alte ab und blickte vor sich hin flüsternd zu einer anderen Stelle seines verwinkelten und verschlungenen Domizils. Auch an jener anderen Stelle, die außerhalb des Blickfelds seines Besuchers lag, tat sich etwas in den Schatten, und versonnen ergänzte der Alte: »Ich habe stets ein Auge auf diesen Geisterjäger.«
***
»John, Sie müssen Geduld haben!«
Ich musste mir das Smartphone regelrecht ans Ohr pressen, um die Stimme meines Vorgesetzten bei Scotland Yard, Sir James Powell, verstehen zu können.
Ich stand in dem Gang vor den Toiletten, in dem der Lärm aus dem Restaurant noch lauter widerhallte, als er dort wirklich war. Der Gang war schmal, und ich musste mich immer wieder an die Wand drücken, um Leute vorbeizulassen. Dabei kassierte ich manch tadelnden Blick, der fragte: »Müssen Sie ausgerechnet hier telefonieren?«
Ich konnte nur entschuldigend lächeln, während mich Sir James auf den neuesten Stand brachte – der noch ganz dem alten entsprach: Ich wartete hier in New York, er zog drüben in London die Strippen, aber vorangegangen war noch nichts.
»Sir, mir brennt eben die Zeit unter den Nägeln, das verstehen Sie doch sicher!« Ich schrie beinahe ins Telefon, sonst hätte ich bei dem Lärm meine eigene Stimme nicht gehört.
Sir James wusste das nicht und tadelte mich: »John, ich bin nicht taub!«
»Ich weiß, Sir. Tut mir leid. Aber …« Wieder quetschte sich eine Dame an mir vorbei, die mal für kleine Mädchen musste. Ich rang mir ein »Verzeihung, Ma’am« ab, das mein Chef mit einem »Ma’am? Sind Sie betrunken, John?« quittierte.
»Nicht Sie, Sir. Es war nur … ach, vergessen Sie’s.«
»Wo stecken Sie eigentlich? Doch nicht in Ihrem Hotel? Bei Ihnen geht’s ja offenbar zu wie auf dem Bahnhof zur Rushhour.«
»Das können Sie nicht nur, das müssen Sie sogar laut sagen, Sir.«
»Wie bitte?«
»Schon gut.« Ich seufzte. »Ich bin in einem Restaurant …«
»Auf Spesen des Yards?«
»Nein, das FBI zahlt.« Ich winkte meinem Freund und Kollegen, Special Agent Abe Douglas, zu, der im Lokal saß und mich mit einer Geste zur Eile antrieb. Unser Essen wurde gerade serviert.
»Ah, gut«, sagte Sir James, und ich wusste wieder einmal nicht, ob er scherzte oder wirklich froh war, dass ich dem Yard ein paar läppische Pfund sparte.
»Wann rechnen Sie mit Neuigkeiten, Sir?«, fragte ich, um das Gespräch abzuschließen. Abe gab ich derweil zu verstehen, dass ich gleich käme.
Jetzt war es mein Chef, der seufzte, und ich hörte es so laut, als stünde er direkt neben mir – anstelle des dicken Italieners, der dort gerade Posten bezog und darauf wartete, dass die Toilette frei wurde. Ich rückte ein Stück von dem schwitzenden Mann ab und bedachte auch ihn mit einem Lächeln, als wollte ich mich dafür entschuldigen, dass ich hier telefonierte. In Wirklichkeit wurde mir allerdings fast schlecht von den Gerüchen, die er ausdünstete und von denen der nach Knoblauch noch der appetitlichste war.
»John? Sind Sie noch da?«, hatte ich meinen Chef im Ohr.
»Ja, Sir, natürlich. Wie gesagt, wann …«
Er unterbrach mich: »Ich hoffe jede Minute auf Neuigkeiten, John. Aber es kann auch noch eine Weile dauern.«
»Und eine Weile wäre wie lang, Sir?«
Ich konnte ihn fast mit den Schultern zucken hören. »Das weiß ich nicht, John. Im günstigsten Fall ein paar Stunden, aber es kann auch noch einen Tag dauern. Oder … länger.«
Nun war ich wieder mit Seufzen dran. »Meine Güte, ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig ist, kurzfristig in den Kongo zu reisen.«
»Das ist es für gewöhnlich auch nicht«, erklärte Sir James. »Zwar ist eine Einreise in die Demokratische Republik Kongo ohne Visum ausgeschlossen, aber das lässt sich nötigenfalls relativ kurzfristig besorgen. Aber Sie, John, sind ein etwas schwierigerer Fall …«
»Ich weiß. Aber ich kann nun mal nicht ohne meine Waffen reisen. Das wäre Selbstmord.«
»Wenn die Gefahr, die Sie dort vermuten, wirklich existiert«, schränkte Sir James ein.
»Dieser Gorilla, den Farley Dighton nach New York bringen ließ, war nicht der Einzige seiner Art. Davon bin ich überzeugt, Sir. Und auch Anne Dighton, seine Witwe, ist sicher, dass das Tier zu einer Population gehörte, die anstelle der Spezies auftauchte, die ursprünglich dort lebte und als ausgestorben galt.«
»Ich zweifle ja nicht daran, dass Sie richtig liegen. Ich will Sie nur daran erinnern, dass noch nichts bewiesen ist.«
»Um diese Beweise zu erbringen, muss ich ja dorthin. Dringend.«
»Und ich habe alle Register gezogen und sämtliche Beziehungen spielen lassen, um die Sache voranzutreiben. Aber in diesem Fall mahlen die Mühlen nun mal langsam, und daran kann nicht einmal ich oder irgendjemand, der mir noch einen Gefallen schuldet, etwas ändern.« Mein Chef brummte noch etwas hinterher, das ich nicht verstand, was aber womöglich auch gut so war.
»Allein dass diese Gorillas einfach so auftauchten, das finde ich ja schon seltsam, Sir«, versuchte ich, noch etwas Druck zu machen, obgleich ich wusste, dass Sir Powell schon sein Möglichstes tat.
Aber, verdammt, mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich allen Grund zur Eile hatte. Und nach all den Jahren in diesem Job vertraute ich diesem Gefühl blind. Zu oft hatte es mir das Leben gerettet oder mich wenigstens auf eine richtige Spur geführt.
»Auch in dem Punkt gebe ich Ihnen recht, John. Wie gesagt, ich glaube ja auch, dass es Grund genug gibt, Sie nach Afrika zu schicken. Sogar mehr als das, sonst hätte ich ja nicht eingewilligt, auch …«
Zwei schnatternde Ladies drängten sich an mir vorbei und verschwanden um die Ecke, vielleicht um im Hof hinter dem Lokal eine zu rauchen. Jedenfalls ging, was Sir James noch sagte, im Gequassel der beiden Frauen unter.
»… die Zeitverschiebung spielt eine Rolle«, vernahm ich seine Stimme dann wieder, »ebenso die Tatsache, dass die Zuständigkeiten, was die Demokratische Republik Kongo angeht, ständig wechseln. Und interne Machtproben bremsen die bürokratischen Abläufe mitunter bis zum Stillstand. Dazu kommt noch die Ebola-Gefahr …«
»Ich weiß, Sir. Entschuldigen Sie, wenn ich Sie so dränge. Aber …«
»Ist schon gut, John. Ich melde mich umgehend bei Ihnen, sobald ich irgendetwas Neues erfahre, ja?«
»Alles klar, Sir.« Ich warf einen Blick auf die Uhr. Hier in New York war der Abend noch jung, in London herrschte längst tiefe Nacht. »Schlafen Sie gut, Sir.«
»Ich werde froh sein, wenn ich überhaupt ein Auge zutun kann«, murrte mein Chef, bedankte sich aber trotzdem und wünschte uns noch einen schönen Abend. »Und achten Sie nicht auf die Preise, John – gönnen Sie sich was Gutes, wenn unsere amerikanischen Freunde schon mal die Spendierhosen anhaben.«
»Ist das ein dienstlicher Befehl, Sir?«
»Natürlich, was denn sonst? Gute Nacht, John.«
»Gute Nacht, Sir.«
Im Slalom schlängelte ich mich zwischen den voll besetzten Tischen hindurch zu dem, den Abe Douglas für uns reserviert hatte. Uns, das waren nicht nur er und ich, sondern auch Anne Dighton, die Witwe des berühmten Gorillaforschers Dr. Farley Dighton, der vorgestern auf tragische Weise ums Leben gekommen war.