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Suko und ich waren auf dem Weg nach Inverness. Dort sollte es zu einer wahren Vampir-Plage gekommen sein, die unser Eingreifen erforderte.
Doch wir kamen nie in Inverness an. Denn der Zug, in dem wir saßen, fuhr plötzlich durch eine nebelige Umgebung, die anderen Fahrgäste verschwanden mehr und mehr, und das Ziel unserer Reise entpuppte sich als eine fremde, unheimliche Welt. Denn wir saßen in einem Geisterzug ins Vampirreich.
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Seitenzahl: 126
Cover
Geisterzug ins Vampirreich
Briefe aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Geisterzug ins Vampirreich
von Alfred Bekker
Er war uralt und böse. Das schwarze Gewand reichte bis zum Boden. Die bleiche pergamentartige Haut seines vollkommen haarlosen Schädels glänzte im grünlich schimmernden Licht der magischen Fackeln an den Wänden des Gewölbes. Seine Ohren waren unnatürlich groß und liefen spitz zu.
Als er den Mund öffnete, waren die langen Eckzähne zu sehen.
»Wacht auf, ihr lahmen Gebeine!«, dröhnte seine Stimme durch das Gewölbe, und seine übergroßen Ohren, die in all den Jahrhunderten, die er bereits existierte, immer noch gewachsen waren, legten sich dicht an den Schädel, wie bei einem Tier, dessen Aufmerksamkeit erregt worden war. »Ansilos ist gekommen und ruft euch, ihr untoten Blutsauger! Steht auf und nährt euch!«
Unzählige Särge stapelten sich in dem Gewölbe. Deren Deckel rutschten hin und hier, und die ersten fielen zur Seite. Schwankende, aus dem Tagschlaf langsam erwachende Körper begannen aus den hölzernen Kisten zu steigen. Sie reckten sich, bleckten die Zähne, und manche stießen zischende Laute aus oder sogen die feucht-kühle, modrige, fäulnisgeschwängerte Luft in sich ein, als wäre sie ein Lebenselixier und nicht der Hauch des Todes.
»Erhebt euch!«, rief Ansilos und breitete dabei die Arme aus wie ein dunkler Prediger, der einen finsteren Segen der Nacht spendete. »Erhebt euch und löscht euren Durst in der Stadt! Sie liegt vor euch wie ein gedeckter Tisch!« Er stieß ein grässliches Gelächter aus.
Die aus den Särgen gestiegenen Gestalten erwiderten es mit dumpfen, unartikulierten Lauten, die wie ein Fauchen und Zischeln klangen. Ihre Gesichtern zeigten blanke Gier. Es war die Gier nach Blut. Die Nasenflügel bebten.
Die scharfen, überlangen Eckzähne traten hervor, und manch einer dieser Untoten tat bereits so, als würde er diese Zähne in den Hals seines Opfers schlagen.
Die ersten Untoten begannen, sich zu verwandeln. Sie wurden innerhalb weniger Augenblicke zu fledermausartigen Kreaturen.
Noch bevor diese Verwandlung vollständig abgeschlossen war, breiteten die ersten von ihnen die lederhäutigen Flügel aus und erhoben sich in die Lüfte. Manche irrten zuerst unter der hohen Decke des Gewölbes umher, weil sie vor lauter Blutgier nicht den Weg ins Freie fanden. Dieser Weg führte durch hohe Fensteröffnungen. Als sie ihn dann endlich fanden, schien es kein Halten mehr zu geben. Ganze Schwärme bildeten sich und stoben hinaus, um über die nächtliche Stadt herzufallen.
Bis zur Morgenröte war das alles ihr Reich.
Und bis dahin würden sie reiche, blutige Beute gemacht haben.
Vampire!
Eine immer wieder aufs Neue die Menschheit heimsuchende Plage! Diese besondere Erscheinungsform des Bösen ist anscheinend einfach nicht auszurotten. Immer wieder kehren sie zurück aus ihren modrigen Gräbern und dürsten nach dem Blut der Sterblichen.
Ich will nicht behaupten, dass ihre Bekämpfung für mich inzwischen Routine ist. Aber es kommt doch insgesamt relativ häufig vor, dass unsere Sonderabteilung bei Scotland Yard damit beschäftigt ist, das Grauen dieser Blutsauger wenigstens einigermaßen einzudämmen.
Diesmal hatten uns Berichte aus Inverness erreicht. Von vollkommen ausgebluteten Leichen war die Rede, die charakteristische Bisswunden aufwiesen. Und von geöffneten Gräbern. Die Indizien sprachen für sich.
Aus diesem Grund hatten mein Kollege Suko und ich den Nachtzug nach Inverness genommen, um dort zu ermitteln.
Wir ahnten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass wir Inverness nie erreichen sollten ...
Normalerweise hätten wir den Flieger nach Schottland genommen, aber der Vampir-Alarm in Inverness war zu einem ausgesprochen ungünstigen Zeitpunkt erfolgt. Auf Island hatte gerade mal wieder ein Vulkan etwas mehr Asche gespien als üblich, und die Folge war, dass ein paar Wolken aus kleinsten Glaspartikeln über Großbritannien hinwegzogen und die für die Flugsicherheit zuständigen Behörden erst mal alle Starttermine gecancelt hatten.
Wenn man den Vorhersagen Glauben schenken konnte, dann war das ganze Theater vermutlich morgen im Verlauf des Tages vorbei.
Aber dann wollten Suko und ich längst in Inverness sein und dafür sorgen, dass sich die Vampirplage nicht zu einer Bedrohung auswuchs, der man dann nur noch sehr schwer Herr werden konnte.
Je früher und entschlossener man in einem derartigen Fall vorgeht, desto besser.
Ich blickte auf mein Smartphone.
»Kein Empfang«, meinte ich.
»Und dabei haben wir London gerade erst verlassen«, stellte Suko fest. »Wahrscheinlich werden wir ein schnelles Mobilnetz auf dem Land erst erleben, wenn ...«
»Wenn was?«, fragte ich.
Suko zuckte mit den Schultern. »Wenn der letzte Vampir vernichtet ist?«
»Also nie.«
»Wenn der Ausbau in diesem Tempo weitergeht, jedenfalls nicht mehr zu unseren Lebzeiten.«
»Ich fürchte, da kann ich nicht widersprechen.«
»Eigentlich hatte ich mir gedacht, wir schauen uns die bisherigen Ermittlungsergebnisse unserer Kollegen aus Inverness noch mal genauer an«, meinte Suko. »Aber in die Online-Datenbanken von Scotland Yard kommen wir so natürlich nicht hinein.«
Um 22 Uhr 30 waren wir in den Zug gestiegen. Um 11 Uhr 30 am folgenden Tag sollte der Zug laut Plan in Inverness ankommen.
»Immer mit der Ruhe, Suko«, sagte ich und berührte dabei unwillkürlich die Stelle an meiner Brust, wo unter dem Hemd das Silberkreuz hing. Neben der Beretta mit den geweihten Silberkugeln ist es nach wie vor meine wichtigste Waffe im Kampf gegen das Böse. »Wir kämpfen ja nicht zum ersten Mal gegen Vampire.«
»Das ist richtig, John.«
»Und ich denke, wir werden in Inverness auch dann einen gewohnt guten Job machen, wenn wir jetzt mal eine halbe Stunde kein Internet haben. Daran wird unsere Ermittlungsarbeit nicht scheitern. Ruhen wir uns einfach ein bisschen aus und genießen die Fahrt. Morgen wird es mit Sicherheit anstrengend genug.«
»Ich habe vorgesorgt, John.«
»Vorgesorgt?« Ich hob die Augenbrauen.
Suko grinste, griff in die Innentasche seiner Jacke und holte ein paar zusammengefaltete Papiere hervor. »Ausdrucke der wichtigsten Zeugenaussagen aus Inverness«, erklärte er und faltete die Blätter auseinander.
»Dein Vertrauen in das mobile Netz scheint nicht besonders ausgeprägt zu sein.«
»Mit Recht, wie du gesehen hast.«
Sukos Gesicht veränderte sich, als er auf die Ausdrucke sah.
Die Blätter waren vollkommen leer!
Nicht ein einziger Buchstabe stand dort.
»War nicht genug Tinte im Drucker, oder was war da los?«, fragte ich verwundert.
»Ich ... habe keine Ahnung«, murmelte mein Partner.
»Kann ich irgendetwas für Sie tun?«, fragte der wie aus dem Nichts aufgetauchte Zugbegleiter. An seiner dunkelblauen Uniformjacke befand sich ein Namensschild, auf dem ›J.A. Horwan‹ stand. Sein Gesicht war kantig und hatte eine V-förmige Form. Die Augenbrauen waren an den Seiten leicht nach innen gebogen, die Augen so dunkel, wie ich es bisher nur sehr selten bei einem Menschen gesehen hatte.
»Alles in Ordnung«, sagte ich.
»Wir liegen gut im Zeitplan und werden unser Ziel voraussichtlich pünktlich erreichen. Leider muss ich darauf hinweisen, dass das Bordrestaurant geschlossen ist.«
»Danke für den Hinweis«, gab ich zurück.
Da wir beide vor Antritt der Reise etwas gegessen hatten, bedeutete dieser Umstand für uns im Moment keinerlei Einbuße.
Der Zugbegleiter wurde durch die Frage einer Reisenden aus dem hinteren Teil des Großraumwagens abgelenkt. »Sie entschuldigen mich«, sagte er und ließ uns allein.
»Kein Restaurant, kein Netz. Die Bahn ist wirklich nicht mehr das, was sie mal war«, meinte Suko.
Mein Blick fiel auf seine Papiere.
Sie waren von oben bis unten dicht bedruckt. Das Layout entsprach der typischen Aufmachung der Scotland-Yard-Dossiers, zu denen wir über unser Datenverbundsystem Zugang hatten.
»Habe ich jetzt was mit den Augen?«, fragte ich.
Suko bemerkte es erst jetzt. Er runzelte die Stirn.
»Anscheinend wir beide«, meinte er. Er schüttelte den Kopf, starrte ungläubig auf die Blätter. »Das ist ...«
»... genau das, was du ausgedruckt hast?«
»Ja, natürlich!«
»Tja ...«
»Du hast es doch auch gesehen, John! Da war gerade nichts! Rein gar nichts! Und jetzt ...«
»Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als ...«
»Hör auf mit dem Quatsch!«, fiel mir Suko ins Wort. »Hast du die leeren Blätter gerade gesehen, oder nicht?«
»Hab ich.«
Suko atmete tief durch. »Na, da bin ich ja erleichtert.«
»Wieso?«
»Sollte ich verrückt geworden sein, dann bist du es auch.«
Manchmal glaubt man, etwas gesehen zu haben, was gar nicht da war. So etwas geschieht auch vollkommen ohne das Zutun übernatürlicher Mächte. Es kommt vor, dass man sich schlicht und einfach irrt oder einer ganz gewöhnlichen Sinnestäuschung aufgesessen ist.
Aber das, was mit Sukos Ausdrucken geschehen war, sollte der Auftakt zu etwas sehr Seltsamen sein.
Zunächst aber machten wir uns keine weiteren Gedanken darüber. Wir befassten uns stattdessen mit den Aussagen aus Inverness, überlegten, ob es vielleicht Zusammenhänge zu anderen Vampirplagen der letzten Jahre gab. Manchmal kann man charakteristische Gemeinsamkeiten feststellen, die Hinweise auf bestimmte Vampir-Arten und ihre Clans geben. Das wiederum lässt in den meisten Fällen Rückschlüsse darauf zu, wo sich die Blutsauger aufhalten und wen sie als Opfer bevorzugen. Hin und wieder stoßen wir auf diese Weise natürlich auch auf Hinweise zu einem Gegner, der uns bereits aus der Vergangenheit bekannt ist.
In diesem Fall aber waren die Informationen aus Inverness mehr oder weniger unspezifisch, was eigentlich selten der Fall ist.
»Wir kriegen sie trotzdem«, gab ich mich zuversichtlich.
Mir war aufgefallen, dass es inzwischen vollkommen ruhig in unserem Großraumwagen geworden war. Von Anfang an war der Nachtzug nach Inverness nicht sehr stark frequentiert gewesen, worüber ich mir allerdings bisher keine Gedanken gemacht hatte. Hin und wieder hatte man eine Frau etwas schrill lachen hören, und jemand anderes hatte regelmäßig gehustet. Jetzt war da kein Laut mehr.
Ich nahm zunächst an, dass alle Mitreisenden nach und nach eingeschlafen waren, der Frau mit der schrillen Stimme niemand mehr etwas Witziges erzählt und der Hustende vielleicht endlich Lutschbonbon bekommen hatte.
Der Rhythmus der Schienenschwellen bildete ein einschläferndes klangliches Fundament. Draußen war es so dunkel, dass man nicht erkennen konnte, wo wir waren. Irgendwann, dachte ich, müssten die Lichter einer größeren Stadt auftauchen.
Schließlich befanden wir uns ja immer noch in der Nähe Londons und nicht in irgendeiner kaum bevölkerten Region Schottlands.
»Weißt du, wann der nächste Halt ist?«, fragte ich Suko.
Dieser schüttelte den Kopf. »Habe ich nicht mehr in Erinnerung. Es dürften etwa sechshundert Meilen bis Inverness sein, das heißt, ich rechne damit, dass der Zug sechs- bis siebenmal unterwegs hält.«
Die Anzeige, die die nächste Station hätte aufführen müssen, war nicht in Betrieb. Vermutlich defekt. Und eine Broschüre, die die Stationen mit ihrer jeweiligen planmäßigen Ankunfts- und Abfahrtszeit aufführte, war weder an unserem Platz noch bei den Nachbarplätzen zu finden.
Ich sah noch mal auf mein Handy, um zu kontrollieren, ob vielleicht inzwischen wieder ein mobiles Netz zur Verfügung stand.
Fehlanzeige.
Das Funkloch, in das wir geraten waren, erschien mir inzwischen außergewöhnlich groß zu sein. Selbst für ländliche Verhältnisse. Andererseits befanden wir uns im Augenblick mit Sicherheit nicht in der Nähe irgendeiner dichteren Besiedlung, denn dann wären draußen Lichter zu sehen gewesen.
Etwas später ging Suko zur Bordtoilette. Als er zurückkehrte, wies er mich darauf hin, dass wir allein im Waggon waren.
»Soll das ein Witz sein?
»Nein, John. Die haben offenbar alle das Weite gesucht, weil sie sich unsere Unterhaltung über ausgeblutete Leichen und Vampire nicht anhören wollten.« Er zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich haben die uns für Gothic-Spinner gehalten. Aber es ist ja anscheinend Platz genug im Zug. Schottland scheint gerade kein begehrtes Reiseziel zu sein.«
»Wundert mich eigentlich«, sagte ich.
»Wieso? Nebel und Nässe sind nicht jedermanns Sache, würde ich sagen. Dass jemand von einem Ort wie Inverness aus nach London will, um dort Geschäfte zu tätigen, kann ich gut nachvollziehen. Aber umgekehrt ...«
»Aber es hat doch jetzt diese Störungen im Flugverkehr durch den Vulkanausbruch auf Island gegeben.«
»Richtig.«
»Und das bedeutet, dass jetzt viele Leute, die dringend Richtung Norden müssen, plötzlich nicht fliegen können. Eigentlich müsste man doch erwarten, dass die alle auf die Bahn ausweichen – so wie wir.«
»Ja, eigentlich ...«, gab er zu.
»Dass der Zug nach Inverness unter diesen Umständen so leer ist, ist schon ... merkwürdig.«
»Stimmt. Ich will ehrlich sein, John. Mir kommt es vor, als stimmt hier irgendetwas nicht. Es ist nur ein Gefühl, und wahrscheinlich ist es völlig unbegründet, aber ...«
Das Kreuz, das auf meiner Brust lag, hatte sich nicht erwärmt. Das bedeutete zwar nicht unbedingt, dass hier keine übernatürlichen Mächte am Werk waren, aber es beruhigte mich trotzdem.
»Ist dir eigentlich aufgefallen, dass der Schaffner nicht einmal unsere Fahrausweise kontrolliert hat?«, fragte Suko.
»Suko, genau das ist der Stoff, aus dem für gewöhnlich haltlose Verschwörungstheorien gemacht sind«, hielt ich ihm entgegen. »Man nimmt ein paar Versatzstücke, die irgendeinen realen Bezug haben, mischt sie mit Vorfällen, deren Ursache man nicht kennt, und redet sich ein, das alles hätte einen verborgenen Sinn und würde einem geheimen Plan dienen.«
»Meistens ist das alles nur Unsinn, John, da gebe ich dir recht ...«
Ich hob die Augenbrauen. »Meistens?«
»Du verstehst, was ich meine.«
O ja, ich verstand.
Es wunderte mich auch, dass erstens der Handy-Empfang immer noch nicht wieder vorhanden und zweitens durch das Fenster nicht ein einziges Licht in der Dunkelheit auszumachen war. So ländlich war das Gebiet nördlich von London nun eigentlich nicht.
Vielleicht hatte Suko recht. Vielleicht waren das alles Hinweise auf eine düstere Verschwörung ...
Die Stunden verstrichen. Ich konnte ein Gähnen nicht unterdrücken.
Noch immer schien es so, als würden wir durch eine völlig menschenleere Ödnis fahren. Hin und wieder war der Mond zu sehen. Er schimmerte als verwaschener Fleck von einem dunstigen Himmel herab – fahl und bleich.
Ich sah in seinem Schimmer dunkle Schatten, die wie ausgedehnte Wälder wirkten. Wälder, die es in diesen Ausmaßen auf den gesamten britischen Inseln seit dem Mittelalter nicht mehr gibt. Dafür haben Generationen von Schiffs- und Flottenbauern unserer einst stolzen Seefahrernation gesorgt.
»Fragst du dich auch, wann der nächste Bahnhof kommt, an dem der Zug hält?«, fragte Suko. »Dass man nonstop von London nach Inverness fährt, wäre mir jedenfalls neu. Zumindest auf der Schiene.«
»Ich frage mich, wann überhaupt mal wieder ein Bahnhof, ein Ort oder irgendetwas anderes kommt, was nach menschlicher Besiedlung aussieht«, meinte ich. Selbst für einen Bahnhof, durch den der Zug einfach nur durchraste, wäre ich in diesem Augenblick dankbar gewesen. Das hätte mich ein wenig beruhigt und mir das Gefühl gegeben, mich noch in der realen Welt zu befinden.
Irgendwann musste ich ebenfalls die Toilette aufsuchen. Danach fasste ich den Entschluss, mich kurz im Nachbarwaggon umzuschauen.
Auch dort war nicht ein einziger Fahrgast, wie ich überrascht feststellte. Ich ging durch den Waggon und erreichte schließlich die Schiebetür, die ihn vom Waggon davor trennte.
Sie ließ sich nicht öffnen. Hier war also erst mal Endstation für mich.
Ich versuchte es noch mal, weil ich erst dachte, dass ich vielleicht die Funktionsweise der automatischen Schließvorrichtung nicht richtig begriff. Aber das führte zu nichts. Die Tür war tatsächlich verschlossen und ließ sich einfach nicht öffnen. In dem Wagen, der sich weiter vorne befand, war nicht mal Licht, soweit ich das sehen konnte. Hatte das irgendetwas damit zu tun, dass ja auch das Bordrestaurant außer Betrieb war, wie uns der Schaffner namens J.A. Horwan zu Beginn unserer Reise eröffnet hatte?
Spekulationen führten in diesem Fall wohl zu nichts.
Ich ging zurück zu meinem Platz – und zu Suko, der mich kaum beachtete. Sein Blick war erneut auf seine Ausdrucke gerichtet. »Sieh dir das an, John! Leide ich jetzt allein unter Wahnvorstellungen, oder sind wir zu zweit?«
Er zeigte mir die Blätter. Sie waren wieder vollkommen leer.
»Eine Illusion«, schloss ich.
»Die Frage ist, was für eine übernatürliche Macht dahintersteckt.«
»Ist dir eigentlich aufgefallen, dass dieser Zug nirgends eine Notbremse hat?«