Jüdische Altertümer, Band 1 - Flavius Josephus - E-Book

Jüdische Altertümer, Band 1 E-Book

Flavius Josephus

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Beschreibung

Eines der Hauptwerke des Flavius Josephus sind seine zwanzig Bände der "Jüdischen Altertümer", die im letzten Jahr der Herrschaft des Kaisers Flavius Domitian, etwa 93 oder 94 n. Chr., fertiggestellt wurden. Indem er die jüdische Geschichte, das Gesetz und die Sitten darlegt, nimmt er Anteil an vielen philosophischen Debatten , die zu dieser Zeit in Rom geführt wurden. Wiederum bietet er eine Apologie für die Antike und die universelle Bedeutung des jüdischen Volkes. Josephus behauptet, er schreibe diese Geschichte, weil er "sah, dass andere die Wahrheit in ihren Schriften verdrehten". Zu einigen seiner Quellen sagt er, dass er aus den hebräischen Schriften schöpfte und diese auslegte, und dass er Augenzeuge der Kriege zwischen den Juden und den Römern war. Flavius skizziert die jüdische Geschichte, beginnend mit der Schöpfung, wie sie durch die jüdische historische Tradition überliefert wurde. Abraham lehrte die Ägypter die Wissenschaft, die ihrerseits die Griechen unterrichteten. Moses gründete eine senatorische Priesteraristokratie, die sich wie die römische der Monarchie widersetzte. Die großen Gestalten des Tanach werden als ideale Philosophen-Führer dargestellt. In einem autobiografischen Anhang verteidigt er sein Verhalten am Ende des Krieges, als er mit den römischen Truppen zusammenarbeitete. Der Text folgt der Übersetzung von Heinrich Clementz, die Paragraphenzählung des Benedikt Niese wurde eingearbeitet. Dies ist Band eins von zwei.

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Jüdische Altertümer

 

Band 1

 

FLAVIUS JOSEPHUS

 

 

 

 

 

 

 

Jüdische Altertümer 1, Flavius Josephus

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849662349

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Einleitung.1

Erstes Buch.5

Zweites Buch.33

Drittes Buch.63

Viertes Buch.90

Fünftes Buch.118

Sechstes Buch.148

Siebentes Buch.183

Achtes Buch.219

Neuntes Buch.255

Zehntes Buch.281

Einleitung.

Der jüdische Geschichtschreiber Flavius Josephus ist geboren zu Jerusalem im Jahre 37 n. Chr. unter der Regierung des römischen Cäsars Gajus Caligula und unter dem Landpfleger Marcellus, nachdem Pontius Pilatus eben erst, im Jahre 36, abberufen worden war. Er war der Sohn des jüdischen Priesters Matthias und mütterlicherseits mit dem Königsgeschlechte der Asmonäer verwandt. Die Juden der damaligen Zeit erzogen ihre Kinder in religiöser Hinsicht sehr gewissenhaft, und so wurde auch Josephus, der übrigens sehr begabt war, mit grosser Sorgfalt erzogen und zum Schriftgelehrten herangebildet. Mit Ausnahme einer Reise nach Rom (siehe unten) lebte er bis zu dem im Jahre 66 n. Chr. erfolgten Ausbruche des jüdischen Aufstandes gegen die Römer in Jerusalem als der Pharisäersekte angehöriger Priester. Schon als er kaum dem Knabenalter entwachsen war, zeigte sich sein freier Blick und sein hohes geistiges Streben darin, dass er sich nacheinander in die drei Sekten des damaligen Judentums, die der Pharisäer, Sadduzäer und Essener aufnehmen liess, um nach Prüfung ihrer Grundsätze der nach seiner Ansicht besten Gemeinschaft beizutreten. Nachdem er dann noch drei Jahre bei dem Einsiedler Banus zugebracht hatte, entschied er sich für die Pharisäer, denen er auch, soweit ersichtlich, bis zum Ende seines Lebens treu geblieben ist.

In seinem sechsundzwanzigsten Lebensjahre unternahm Josephus eine Reise nach Rom, wo er zu hochstehenden Personen in Beziehungen trat und namentlich auch Poppaea, der Gemahlin des Cäsars Nero, vorgestellt wurde. Bald nach seiner Rückkehr trat er dann die öffentliche Laufbahn in seinem Vaterlande an, und im Jahre 67 n. Chr., ein Jahr nach Beginn des Aufstandes, ernannten ihn die Leiter desselben zum Statthalter in Galilaea. Hier bewies er sich als tapferer Feldherr im Kampfe gegen die Römer, wurde aber nach dem Falle der Festung Jotapata, wo er sich mit Waffengefährten in einer Zisterne verborgen hatte, dem Vespasianus verraten. Dieser liess ihn in Fesseln legen, schenkte ihm jedoch das Leben, weil Josephus, mit schlauer Berechnung den Propheten spielend, ihm den Cäsarenthron verhiess. Als Vespasianus zwei Jahre später wirklich auf den Thron gelangt war, erklärte er den Josephus für seinen Freigelassenen und beschenkte ihn reichlich. Um diese Zeit scheint Josephus seinem hohen Gönner zu Ehren dessen Familiennamen Flavius angenommen zu haben. Von Alexandria aus begleitete er dann den Titus vor Jerusalem, wo er Zeuge der Belagerung seiner Vaterstadt wurde. Während derselben unternahm er es zu wiederholten Malen, seinen Landsleuten die Zwecklosigkeit ferneren Widerstandes vorzuhalten und sie zur Ergebung an die Römer aufzufordern, wurde aber von ihnen abgewiesen und für einen Verräter erklärt.

Nach der Zerstörung Jerusalems begab sich Josephus mit Titus nach Rom, wo er das römische Bürgerrecht, einen kaiserlichen Freitisch und grossen Landbesitz in Judaea erhielt. Als reicher Mann lebte er nunmehr seinen Studien, deren Ergebnisse in seinen Werken vorliegen.

Das Jahr seines Todes ist unbekannt; im Jahre 93 war er jedenfalls noch am Leben, doch scheint er die Regierungszeit des Trajanus (bis 117) nicht überlebt zu haben.

Was nun die Eigenschaften, und zwar zunächst die persönlichen, unseres Schriftstellers anlangt, so steht fest, dass er infolge seiner hohen Begabung einen hervorragenden Platz nicht nur unter den ersten Männern seines Volkes überhaupt, sondern auch unter den engherzigen und hartköpfigen Angehörigen seiner Sekte einnimmt, denen er an Elastizität des Geistes weit überlegen war. So war er nicht minder ein schriftgelehrter Pharisäer, als überhaupt einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit, und in der orientalischen wie griechischen Literatur wohl bewandert.

Einige sittliche Schwächen kann man bei Josephus nicht wegleugnen. Zunächst war er bis zur Eitelkeit selbstbewusst, sodass er zum Beispiel am Schlusse seiner „Altertümer“ behauptet, ein Werk wie dieses habe weder ein anderer Jude noch ein Nichtjude in solcher Vollendung zustande zu bringen vermocht. Eine andere Schwäche ist seine egoistische Klugheit oder vielmehr Verschlagenheit, die ihn nicht nur von seinem Volke zu den Römern übergehen lässt, als dies für ihn vorteilhafter erscheint, sondern die ihn auch geradezu zu betrügerischem Handeln verleitet. Beweis dessen ist sein Verhalten in der Zisterne zu Jotapata (siehe „Jüdischer Krieg,“ Buch III, Kapitel 8), wo er, den Trieb der Selbsterhaltung über alle anderen Rücksichten setzend, offenbar die Lose betrügerischerweise so mischte, dass seine Gefährten vor ihm dem Tode verfielen, den sie der Übereinkunft gemäss nach der Reihenfolge der Lose erleiden wollten, um nicht in die Hände der Römer zu geraten. Josephus verleugnete eben niemals den echten Pharisäer, der anderen gern alle Lasten aufbürden möchte, die er selbst zu tragen sich scheut.

Wenngleich man nun unter diesen Umständen unserem Schriftsteller ein besonders entwickeltes Nationalgefühl und opferwilligen Patriotismus zuzuerkennen nicht berechtigt ist, so muss doch immerhin zugegeben werden, dass er niemals seine Religion verleugnete und sich von kriechender Unterwürfigkeit gegen die römischen Cäsaren, die sein Volk in den Staub getreten hatten, frei hielt. Er blieb vielmehr stets ein Freund seines Volkes und leistete ihm durch seine schriftstellerische Thätigkeit grosse Dienste, was um so höher anzuschlagen ist, als die Juden im allgemeinen im römischen Reiche verachtet und gehasst wurden. Allerdings verschweigt Josephus in seinen Werken manches, was bei den Heiden Anstoss hätte erregen können, manches auch deutet er um, aber er giebt keine der grossen Wahrheiten seiner Religion preis.

Als Schriftsteller steht Josephus grossartig da. Seine Darstellung ist klar, lebendig und elegant, und er darf zu den besten nachklassischen griechischen Schriftstellern gerechnet werden. Allerdings bleibt er hinter der Einfachheit und Kraft biblischer Darstellung oft zurück, zum Teil infolge seines Bestrebens, es mit seinen heidnischen Lesern nicht zu verderben, zum Teil aber auch infolge der oft in die Geschichtserzählung eingeflochtenen langen Gespräche und Reden, die offenbar nur den Zweck haben sollen, die Juden in der Rhetorik den Griechen ebenbürtig erscheinen zu lassen. Klassisch vollendete Geschichtschreibung bietet Josephus besonders in den sechs letzten Büchern der „Altertümer,“ und dass er auch ein Meister in der Kleinmalerei ist, beweist er durch seine exakten Schilderungen der Tempelgebäude, der hohepriesterlichen Gewänder und der heiligen Geräte. Besonders erwähnenswert erscheint mir in dieser Beziehung die äusserst sorgfältige Beschreibung der Hyoscyamus- oder Bilsenkrautpflanze (III, 7, 6), die noch heute in jedem Lehrbuche der Botanik Platz finden könnte, sowie die Schilderung des goldenen, von Ptolemaeus Philadelphus den Juden für den Tempel geschenkten Tisches (XII, 2, 8 und 9). Orientalische Übertreibungen und specifische pharisäisch-philosophische Anschauungen finden sich übrigens nicht selten in Josephus’ Werken, aber er gilt doch im allgemeinen für durchaus glaubwürdig.

Die Werke des Josephus sind folgende: 1. „Archäologie“ oder „Jüdische Altertümer“ (20 Bücher); 2. „Über den jüdischen Krieg“ (7 Bücher); 3. Seine Selbstbiographie; 4. „Über die Maccabäer oder über die Herrschaft der Vernunft;“ 5. „Gegen Apion oder über das hohe Alter des jüdischen Volkes“ (2 Bücher). Am Schlusse der „Altertümer“ bekundet Josephus seine Absicht, vier Bücher von Gott und seinem Wesen sowie ein Werk über die Gesetze zu schreiben oder darüber, weshalb den Juden gewisse Handlungen erlaubt und andere verboten seien. Ob er dieses Vorhaben je verwirklicht hat, wissen wir nicht.

Was nun sein grösstes Werk, die vorliegenden „Jüdischen Altertümer“ betrifft, so sind dieselben zunächst von grosser Wichtigkeit für die jüdische Geschichte überhaupt. Sie ordnen nämlich den Inhalt des alten Testamentes in der Reihenfolge und in chronologischer Hinsicht, füllen Lücken in der Erzählung aus und erklären dunklere Stellen. Noch höher wird ihr Wert dadurch, dass sie für den Abschnitt der jüdischen Geschichte, der von der babylonischen Gefangenschaft bis über die ersten christlichen Jahrzehnte hinausreicht, so gut wie die einzige Quelle sind. Endlich bieten die „Altertümer“ auch Belege für geschichtliche Angaben der Evangelien wie der Apostelgeschichte und (im achtzehnten Buche) das berühmte, freilich bezüglich seiner Echtheit auch vielumstrittene Zeugnis über die Person Jesu Christi, sowie interessante Nachrichten über Joannes den Täufer und Jakobus den Jüngeren.

Die Neuherausgabe einer Übersetzung der „Jüdischen Altertümer“ bedarf wohl keiner besonderen Rechtfertigung. Ist das Werk doch ebenso ein echt volkstümliches Geschichtsbuch, als ein unschätzbares Rüstzeug in der Hand des Historikers. Nicht zum wenigsten ist für die Neuübersetzung die Erwägung massgebend gewesen, dass die Geschichte des heiligen Landes infolge der im vorigen Jahre stattgehabten Palästinareise unseres Kaisers Wilhelm II., sowie auch infolge der Vorliebe neuerer Dichter, ihre Stoffe aus der Herodianerzeit zu entnehmen (Lauff, Herodias, Hebbel, Herodes und Mariamne, Sudermann, Johannes) mehr als sonst in den Vordergrund des Interesses tritt. Wer die genannten Dichtungen recht verstehen will, kann einer genauen Darlegung der Verhältnisse am Hofe des Herodes, wie Josephus sie bietet, nicht entraten.

Möge die vorliegende Ausgabe eine Anregung sein zu weiteren fruchtbringenden Studien über den Schriftsteller Josephus, zu dessen vollem Verständnis noch manches zu thun übrig bleibt. „Die Philologen‚“ sagt Paret, „pflegen ihn als einen der Theologie angehörigen Schriftsteller zu betrachten, die Theologen umgekehrt als einen solchen, der sie nicht direkt angehe. So kam es, dass er vernachlässigt und nicht so häufig zum Gegenstande von Spezialstudien gemacht wurde, wie er wohl verdienen würde. Wie zu seinen Lebzeiten, so hat er, kann man sagen, auch jetzt noch unter seiner Zwitterstellung zwischen Jerusalem und Rom zu leiden.“

Die Übersetzung habe ich angefertigt nach der Textausgabe von Dindorf (Paris, Didot 1865) unter vergleichsweiser Heranziehung der alten, aber sehr schönen kritischen Ausgabe von Havercamp (Amsterdam 1726). Die den einzelnen Büchern vorausgeschickten Inhaltsübersichten folgen der Dindorf’schen Ausgabe, während die Überschriften der einzelnen Kapitel sich im allgemeinen an die Kapitelüberschriften der Havercamp’schen Ausgabe anlehnen (der Dindorf’sche Text weist keine Kapitelüberschriften auf). Für den Gebrauch der Übersetzung glaube ich darauf hinweisen zu müssen‚ dass die einzelnen Nummern der Inhaltsübersichten nicht den Kapitelüberschriften entsprechen.

Bei den Eigennamen habe ich die Schreibweise des Josephus durchgängig beibehalten und an den wenigen Stellen, wo die Namen allzusehr von der uns geläufigen biblischen Schreibweise abweichen, erklärende Anmerkungen zugefügt. Dass die speciell römischen Namen in der lateinischen und nicht in der griechischen Form aufgeführt sind, versteht sich ja von selbst.

Zum genussreichen Studium der Werke des Josephus, insbesondere der „Altertümer“ und des „Jüdischen Krieges‚“ bedarf es auch einiger geographischen Hilfsmittel, und zwar können zu diesem Zwecke schon alle guten Atlanten dienen, die Karten von Palästina zur Zeit der Einteilung in die zwölf Stämme und zur Zeit Christi enthalten. Gründlichere Belehrung bieten die besonderen Bibelatlanten, unter denen ich den von Riess (Freiburg, Herder) namentlich empfehlen möchte. Die Palästina-Karte des Andreeschen Handatlas weist den Vorzug auf, dass sie die neuen wie die alten Ortsbezeichnungen gleichzeitig bringt. Immerhin bleibt zu bedauern, dass nicht ein specieller Atlas zu den Werken des Josephus seinen Bearbeiter gefunden hat, und es bedarf vielleicht nur dieser Anregung, um eine geeignete Kraft zur Herausgabe eines solchen Atlas zu veranlassen.

Weitere Hilfsmittel bei der Lektüre des Josephus bieten gute Reise- und geographisch-geschichtliche Werke über Palästina, wie die von Bädeker-Socin, Robinson, v. Raumer und Schwarz. Nicht übergeben will ich endlich das mit grossem Fleisse bearbeitete „topographisch-historische Lexikon zu den Schriften des Flavius Josephus“ von Gustav Böttger, dem auch die geographischen Bemerkungen des dieser Übersetzung beigefügten Namenregisters entstammen. Diese Bemerkungen sind von mir absichtlich in dem Register untergebracht worden, um den eigentlichen Text nicht zu sehr mit Anmerkungen zu überlasten.

Die Zeichnungen zu den Illustrationen mit Ausnahme des Herodianischen Tempels sind von meinem Neffen, dem Architekten Joseph Lauff zu Köln, nach meinen Angaben und unter teilweiser Anlehnung an Abbildungen des Neumannschen Werkes „die Stiftshütte‚“ deren Benutzung der Verleger Friedrich Andreas Perthes zu Gotha mit dankenswerter Bereitwilligkeit gestattete, angefertigt worden. Massgebend war dabei hauptsächlich der Gesichtspunkt, dass die Bilder der Schilderung des Josephus möglichst getreu entsprechen müssten. Demzufolge ist z. B. beim Brandopferaltar das vielumstrittene „netzförmige Flechtwerk“ als Rost des Altares zwischen die Hörner desselben gelegt worden, da die klare Darstellung unseres Schriftstellers keine andere Deutung zulässt; ebenso sind die Cherubim auf der heiligen Lade, die Josephus „geflügelte Tiere“ nennt, unter Anlehnung an die altassyrischen Kherubsgestalten als geflügelte Mischwesen von Mensch und Stier aufgefasst werden, wie das auch Neumann in dem citierten Werke gethan hat.

Von den beiden Stammbäumen der Asmonäer und Herodianer hoffe ich, dass sie das Verständnis der betreffenden Stellen des Werkes erheblich fördern werden; namentlich bei den etwas verwickelten Verhältnissen der Familie des Herodes ist eine solche geordnete Übersicht kaum zu entbehren.

Zum Schlusse versichere ich, dass die Übersetzung durchaus wortgetreu und vollständig ist. Ob sie auch die dritte Bedingung einer guten Übersetzung erfüllt, nämlich möglichst wohllautend zu sein, das zu beurteilen, überlasse ich dem geneigten Leser.

Brauweiler, im Juli 1899.

Dr. Heinrich Clementz.

Erstes Buch.

Dieses Buch umfasst einen Zeitraum von 3833 Jahren.

Inhalt.

1. Vorwort, die Gründe für die Abfassung des Werkes enthaltend.

2. Die Einrichtung der Welt und Anordnung der Elemente.

3. Von der Nachkommenschaft Adams und den zehn Geschlechtern von ihm bis zur Sintflut.

4. Von der Sintflut, und wie Noë mit seiner Familie in der Arche gerettet wurde und dann in der Ebene Sennaar wohnte.

5. Wie der Turm, den seine Nachkommen Gott zum Trotz bauten, zusammenstürzte; wie Gott ihre Sprache verwirrte, und wie der Ort, wo dieses geschah, Babylon genannt wurde.

6. Wie Noës Nachkommen über die ganze Erde hin sich Wohnsitze gründeten.

7. Wie jedes der Völker von seinem Gründer den Namen erhielt.

8. Wie unser Vorfahre Abram aus dem Lande der Chaldäer zog und die einst Chananaea, jetzt Judaea benannte Landschaft bewohnte.

9. Wie Abram, als eine Hungersnot Chananaea bedrückte, nach Aegypten zog und, nachdem er eine Zeitlang dort sich aufgehalten, wieder zurückkehrte.

10. Niederlage der Sodomiter im Kampf gegen die Assyrier.

11. Wie Abram die Assyrier angriff, die gefangenen Sodomiter befreite und die Beute, welche jene im Stich liessen, siegreich zurückbrachte.

12. Wie Gott das Volk der Sodomiter, erzürnt über ihre Frevelthaten, vernichtete.

13. Von Ismael, dem Sohne Abrams, und seinen Nachkommen, den Arabern.

14. Von Isaak, dem rechtmässigen Sohne Abrams.

15. Von Sarra, der Gattin Abrams, und wie sie starb.

16. Wie von der dem Abram vermählten Chetura das Geschlecht der Troglodyten abstammt.

17. Vom Tode Abrams.

18. Von Isaaks Söhnen Esau und Jakob, ihrer Geburt und Erziehung.

19. Wie Jakob aus Furcht vor seinem Brüder nach Mesopotamien floh, dort ein Weib nahm, zwölf Söhne erzeugte und dann wieder nach Chananaea zurückkehrte.

20. Der Tod Isaaks und seine Bestattung in Chebron.

Vorwort.

(1.) 1 Diejenigen, welche sich der Geschichtschreibung befleissigen, tun dies nicht aus ein und denselben, sondern aus vielfachen, meist unter sich verschiedenen Beweggründen. 2 Denn einige gehen an diese Art Arbeit, um ihre Redegewandtheit leuchten zu lassen und dadurch berühmt zu werden, andere, um denen zu gefallen, über die sie schreiben. Freilich trauen sich diese Letzteren oft mehr zu, als sie vermögen. 3 Wieder andere treibt ein gewisser Zwang, die Ereignisse, deren Zeugen sie waren, schriftlich vor Vergessenheit zu bewahren; viele auch veranlasst die Erhabenheit wichtiger, im Dunkel verborgener Thatsachen, diese zum allgemeinen Besten zu erzählen. 4 Von den genannten Beweggründen sind für mich die zwei letzten in Betracht gekommen. Denn den Krieg zu beschreiben, den wir Juden mit den Römern geführt haben, dazu war ich als Mitkämpfer gewissermassen gezwungen, um diejenigen zu widerlegen, welche in ihren Schriften Falsches darüber berichtet haben.

(2.) 5 Das vorliegende Werk dagegen nahm ich in Angriff, weil ich allen Griechen damit etwas Bedeutendes bieten zu können glaubte. Es wird nämlich unsere ganze Altertumskunde und die Verfassung unseres Staates enthalten, wie ich sie aus hebräischen Schriften (ins Griechische) übertragen habe. 6 Schon früher, als ich die Geschichte des Krieges schrieb, gedachte ich auch kundzugeben den Ursprung der Juden, ihre mannigfaltigen Schicksale, wie sie unter einem grossen Gesetzgeber die Verehrung Gottes und alle übrigen Tugenden kennen lernten, welche Kriege sie im Laufe der Zeiten geführt und wie sie endlich wider ihren Willen zum letzten Kriege gegen die Römer gedrängt wurden. 7 Doch der zu grosse Umfang des Stoffes nötigte mich, die Geschicke der Juden vor dem Kriege mit den Römern von Anfang an bis zu diesem Zeitpunkte besonders zu beschreiben. Aber im Laufe der Zeit beschlich mich, da ich mich unterfangen, einen so gewaltigen Stoff in einer fremden, ungewohnten Sprache wiederzugeben, oft eine gewisse Trägheit, wie es denen gewöhnlich ergeht, die allzu Schwieriges unternehmen. 8 Indes ermunterten mich viele, das Werk fortzusetzen, in erster Reihe Epaphroditus, ein Mann, der allen Wissenschaften und besonders der Geschichte sehr zugethan war, zumal er selbst grosse Ereignisse und mancherlei Schicksale erlebt hatte, wobei er stets eine geistig hervorragende Natur und unerschütterte Wahrheitsliebe offenbarte. 9 Diesem hochherzigen Gönner aller nützlichen und ehrbaren Bestrebungen gegenüber schämte ich mich, den Anschein zu erwecken, als ob ich den Müssiggang fleissiger Arbeit vorzöge, und ich nahm daher alle meine Geisteskräfte zusammen. Dazu kam noch, dass ich immer und immer wieder erwog, wie gern unsere Vorfahren ihre Geschichte den Fremden mitzuteilen geneigt waren, und wie manche Griechen vor Eifer brannten, unsere Schicksale kennen zu lernen.

(3.) 10 Ich erfuhr besonders, dass der König Ptolemaeus II., wie er überhaupt den Wissenschaften und dem Bibliothekswesen sehr zugethan war, danach verlangte, unsere Gesetze und die Bestimmungen unserer Staatsverfassung ins Griechische übertragen zu sehen, 11 und dass Eleazar, der an Tugend keinem unserer Hohepriester nachstand, keinen Anstand nahm, dem Könige den Gebrauch derselben zu gestatten, den er doch gewiss verweigert haben würde, wenn es nicht bei uns alte Sitte gewesen wäre, Gutes und Anständiges vor niemand geheim zu halten. 12 Daher glaubte ich, dass es auch mir wohl anstehe, die Grossmut unseres Hohepriesters nachzuahmen, umso mehr, als ich überzeugt bin, dass auch heute gar viele es dem König an Wissbegierde gleich thun möchten. Doch hat der König nicht die ganze heilige Schrift erhalten können, sondern die, welche nach Alexandrien zum Zwecke der Interpretation gesandt worden waren, haben ihm nur die Gesetzbücher übergeben. 13 Es sind aber noch ausserdem unzählige andere Dinge in den heiligen Schriften aufbewahrt, die die Geschichte von 5000 Jahren mit ihren merkwürdigen Ereignissen, ihrem wechselnden Kriegsglück, ihren herrlichen Feldherrnleistungen und ihren vielen Staatsumwälzungen umfassen. 14 Im allgemeinen kann man leicht aus dieser Geschichte entnehmen, dass denjenigen, die Gottes Willen befolgen und seine wohl gemeinten Gesetze zu übertreten sich scheuen, alles wider Erwarten zum Besten gedeiht und der Lohn der Glückseligkeit Gottes winkt, dass hingegen die, welche von der treuen Beobachtung der Gesetze abweichen, das unüberwindlich finden, was sonst leicht erscheint, und das Gute, das sie zu tun unternehmen, in heillose Verwirrung umschlagen sehen.

15 Daher ermahne ich diejenigen, welche diese Bücher lesen wollen, ihren Sinn auf Gott zu richten und Acht zu haben, wie unser Gesetzgeber die Natur Gottes geziemend aufgefasst und ihm nur solche Thaten beigelegt hat, die seiner Macht würdig sind, und wie er sich fern gehalten von eitler Fabelei, 16 obgleich doch das hohe Alter der Begebenheiten ihn leicht zur Erfindung irgendwelcher Lügen hätte verleiten können. Denn er ist geboren vor 2000 Jahren, zu einer Zeit, in welche die Dichter nicht einmal den Ursprung ihrer Götter, geschweige denn Thaten oder Gesetze sterblicher Menschen zu verlegen gewagt haben. 17 Alles dieses wird im Folgenden in gebührender Ordnung dargestellt werden, denn es ist mein fester Vorsatz, in der Darstellung weder etwas wegzulassen noch hinzuzufügen.

(4.) 18 Weil im Übrigen alles der Weisheit des Gesetzgebers Moyses zuzuschreiben ist, erscheint es mir notwendig, einiges über ihn vorauszuschicken, damit es dem Leser nicht auffallend erscheine, dass, obgleich der Titel des Werkes Berichte von Gesetzen und Thaten verspricht, doch so vieles auf die Naturgeschichte Bezügliche darin enthalten ist. 19 Es ist daher notwendig zu wissen, dass jener Mann es für unumgänglich gehalten hat, dass derjenige, der sein eigenes Leben wohl einrichten oder anderen Gesetze geben will, vornehmlich die Natur Gottes zu erkennen streben und durch innige Betrachtung seiner Werke dem erhabenen Vorbilde aller nachzueifern und zu folgen versuchen müsse. 20 Denn ohne diese Erkenntnis wird weder der Gesetzgeber selbst ein gutes Gemüt haben, noch werden seine Schriften das Gemüt der Leser zur Tugend hinlenken können, wenn diese nicht vor allem das erkannt haben, dass Gott, da er aller Herr und Vater ist und alles sieht, denjenigen, die ihm gehorchen, ein glückseliges Leben verleiht, diejenigen aber, die vom Pfade der Tugend abweichen, im grössten Elend versinken lässt. 21 Moyses hat daher, um seinen Mitbürgern diese Erkenntnis beizubringen, nicht wie andere auf Satzung und Übereinkommen seine Gesetze aufgebaut, sondern er hat ihren Sinn auf Gott und die Betrachtung der Schöpfung hingelenkt und sie gelehrt, dass auf Erden wir Menschen das schönste Werk Gottes seien. Nachdem er sie so zuerst zur Religiosität erzogen, überzeugte er sie leicht von allem Übrigen. 22 Andere Gesetzgeber hielten es mit Fabeln und dichteten ihren Göttern der Menschen schändliche Laster an; so gaben sie den Gottlosen hinreichende Gründe zur Entschuldigung. 23 Moyses hingegen zeigte, dass Gott die Tugend rein und unbefleckt besitze, und lehrte die Menschen mit aller Kraft dahin streben, dass sie ihrer teilhaftig würden. Gegen die aber, welche das nicht erkannten und nicht glaubten, schritt er mit Strenge ein.

24 Von diesem Gesichtspunkte aus wolle der Leser dieses mein Werk beurteilen. Wer so denkt, wird nichts darin finden, was widersinnig oder der Majestät Gottes und seiner Liebe zu den Menschen unwürdig wäre. Denn alles ist in höchster Ordnung und naturgemäss dargestellt: einiges nach dem Sinne des Gesetzgebers nur angedeutet, anderes nur allegorisch ausgedrückt, endlich das klar und geordnet auseinander gesetzt, was eine volle Beleuchtung verdient. 25 Freilich für diejenigen, die die letzten Gründe der einzelnen Dinge erforschen wollen, würde die Betrachtung zu ausgedehnt und zu philosophisch werden müssen, weshalb ich dies auf eine andere Zeit zu verschieben mir vornehme. Gewährt mir Gott ein längeres Leben, so will ich nach Vollendung dieses Werkes auch noch an jene Arbeit herangehen. 26 Nunmehr will ich mich zur eigentlichen Erzählung wenden. Einiges über die Erschaffung der Welt werde ich nach den Worten des Moyses voranschicken. Dies fand ich in den heiligen Büchern aufgezeichnet, und es verhält sich damit also, wie folgt.

Erstes Kapitel.

Die Einrichtung der Welt und die Anordnung der Elemente.

(1.) 27 Im Anfange erschuf Gott Himmel und Erde. Da diese aber noch dem Anblicke entzogen und in tiefer Finsternis verborgen war, während der Geist über ihr schwebte, befahl Gott, dass das Licht werde. 28 Nach dessen Erschaffung betrachtete Gott die ganze Masse und schied das Licht von der Finsternis. Und die Finsternis nannte er Nacht, das Licht aber Tag, Morgen den Beginn des Lichtes, und Abend den Beginn der Ruhe. 29 Und dieses war der erste Tag. Moyses aber nannte ihn einen Tag. Den Grund hierfür könnte ich schon jetzt angeben. Weil ich jedoch versprochen habe, die Gründe aller Dinge in einem besonderen Werke zu erörtern, werde ich es bis dahin verschieben. 30 Sodann setzte Gott über das Ganze am zweiten Tage den Himmel, weil er ihn von dem Übrigen getrennt für sich angebracht wissen wollte. Und er umgab ihn mit Kristall und machte ihn feucht und wasserreich, damit Regen entstehe zur Befruchtung des Bodens. 31 Am dritten Tage erschuf er das Land und umgab es von allen Seiten mit Meer. An demselben Tage sind Pflanzen und Samen der Erde entsprossen. Am vierten Tage erleuchtete er den Himmel mit Sonne, Mond und anderen Sternen; allen wies er Bewegung und Bahn an, wodurch Zeit- und Witterungsverhältnisse entstanden. 32 Am fünften Tage entsandte er die Fische und Vögel, jene in die Tiefe, diese durch die Lüfte. Zugleich paarte er sie, damit sie sich fortpflanzten, und ihr Geschlecht wachse und sich vermehre. Am sechsten Tage aber erschuf Gott die Vierfüssler, männliche und weibliche, und an diesem bildete er auch den Menschen. 33 So ist nach Moyses die Welt mit allem, was auf ihr ist, in diesen sechs Tagen erschaffen worden. Am siebenten Tage aber habe Gott geruht und keine Arbeit verrichtet. Daher enthalten auch wir uns an diesem Tage der Arbeit und nennen ihn Sabbat, was in hebräischer Sprache „Ruhe“ bedeutet.

(2.) 34 Bevor nun Moyses nach dem siebenten Tage in der Schilderung fortfährt, beschreibt er die Erschaffung des Menschen wie folgt. Gott bildete den Menschen, indem er Staub von der Erde nahm und diesem Geist und Seele einhauchte. Und dieser Mensch hiess Adam, das heisst in hebräischer Sprache „rot“, weil er aus roter weicher Erde gemacht ist, die die jungfräuliche und wahre Erde darstellt. 35 Gott führte alsdann dem Adam die einzelnen Tiergeschlechter zu und zeigte ihm Männchen und Weibchen; und Adam gab ihnen Namen, die sie heute noch haben. Da Gott aber sah, dass Adam der Gesellschaft und Gemeinschaft eines Weibes entbehrte (denn es war noch keines da) und sich über der anderen Lebewesen Gebaren verwunderte, nahm er ihm im Schlafe eine Rippe und bildete daraus ein Weib. 36 Und als er sie ihm zuführte, erkannte Adam, dass sie aus ihm gemacht sei. Ein Weib heisst in hebräischer Sprache Issa; sie aber wurde Eva genannt, das heisst „Mutter aller Lebendigen.“

(3.) 37 Er erzählt dann weiter, Gott habe gegen Osten einen Garten gepflanzt, prangend in mancherlei Gewächsen. Unter diesen sei ein Baum des Lebens gewesen, und ein anderer der Erkenntnis des Guten und Bösen. 38 In diesen Garten habe Gott den Adam mit seinem Weibe geführt und ihnen aufgetragen, die Gewächse zu pflegen. Bewässert aber wird dieser Garten von einem einzigen Flusse, der die ganze Landschaft umfliesst und sich in vier Arme teilt. Von diesen fliesst der Phison (das heisst „Menge“) nach Indien und ins Meer; von den Griechen wird er Ganges genannt. 39 Der Euphrat und der Tigris münden ins Rote Meer; ersterer heisst Phora (Zerstreuung oder Blume), letzterer Diglath (scharf und eng). Der Geon endlich fliesst durch Ägypten und heisst: „von Osten her uns zuströmend“; die Griechen nennen ihn Nil.

(4.) 40 Gott gestattete also dem Adam und seinem Weibe, von den übrigen Gewächsen zu kosten, von dem Baume der Erkenntnis dagegen verbot er ihnen zu essen, indem er ihnen drohte, falls sie ihn berührten, werde es ihr Verderben sein. 41 Da aber zu jener Zeit alle Tiere sich der Sprache bedienten, überredete die Schlange, die mit Adam und seinem Weibe vertraulich verkehrte und sie um ihr Glück beneidete, das sie im Gehorsam gegen Gott genossen, 42 das Weib, dass es von dem Baume der Erkenntnis koste, wohl wissend, dass die beiden in ihr Unglück stürzten, sobald sie vom Pfade des Gehorsams abwichen. Sie stellte ihr nämlich vor, an diesem Baume hänge die Unterscheidung des Guten und Bösen, und wenn sie diese erlangt hätten, würden sie ein glückseliges Leben wie Gott geniessen. 43 Und so verführte sie das Weib, Gottes Gebot zu missachten. Als Eva nun von dem Baume gekostet und sich an der Speise ergötzt hatte, beredete sie auch den Adam, davon zu essen. 44 Da aber erkannten sie, dass sie nackt seien, und voll Scham suchten sie nach Bekleidung, denn jener Baum machte sie scharfsehend und klug. Sie verhüllten sich daher mit Feigenblättern und bedeckten ihre Scham, und sie kamen sich glücklicher vor, weil sie das gefunden, was sie früher entbehrt hatten.

45 Da nun Gott in den Garten kam, verbarg sich Adam im Bewusstsein seiner Sünde, weil er doch früher vertrauten Umgang mit ihm gepflogen hatte. Gott aber forschte verwundert nach der Ursache, weshalb er sich früher an seinem Umgange erfreut habe, nun aber denselben fliehe und fürchte. 46 Und da Adam im Bewusstsein der begangenen Übertretung nichts antwortete, sprach Gott: „Ich hatte über euch beschlossen, dass ihr ein glückliches, sorgenfreies Leben führen solltet, durch kein Leid beirrt und im Genusse alles dessen, was euch durch meine Fürsorge zu Nutz und Frommen gereicht hätte, ohne jede Mühe und harte Arbeit, und dass schnelles Alter euch nicht beschieden sein, vielmehr euer Dasein sich lange hinziehen sollte. 47 Nun aber hast du mein Gebot verachtet und meinen Willen übertreten, und kein Zeichen der Tugend ist es, dass du schweigst, sondern des bösen Gewissens.“ 48 Da versuchte Adam seinen Fehltritt zu entschuldigen und bat Gott, ihm nicht zu zürnen. Sein Weib trage die Schuld und sie habe ihn zur Sünde verleitet. Das Weib seinerseits klagte die Schlange an. 49 Da strafte Gott den Adam, weil er dem Rate des Weibes gefolgt sei, indem er ihm kundthat, die Erde werde ihnen fürder nicht mehr von selbst Frucht hervorbringen, sondern trotz mühevoller Arbeit werde sie ihnen nur einiges gewähren, anderes dagegen versagen. Die Eva aber strafte er mit Geburtsschmerzen‚ weil sie den Adam mit in das ihr von der Schlange bereitete Verderben verwickelt habe. 50 Dann nahm er der Schlange die Sprache, erzürnt über ihr boshaftes Verhalten gegen Adam, und ihrer Zunge gab er Gift, erklärte sie für den Feind des Menschengeschlechtes und verhiess ihr, dass ihr Kopf zerschlagen werden solle, teils weil in ihm der Menschen Verderben beruhe, teils weil sie so am leichtesten getötet werden könne. Endlich beraubte er sie der Füsse und hiess sie sich im Staube der Erde fortwälzen. 51 Nachdem Gott diese Strafen verhängt hatte, verwies er Adam und Eva an einen anderen Ort.

Zweites Kapitel.

Von der Nachkommenschaft Adams und den zehn Geschlechtern von ihm bis zur Sintflut.

(1.) 52 Adam und Eva erzeugten zwei Söhne, von denen der ältere Kaïs, das ist „Besitzung“ hiess, der jüngere aber Abel, das ist „Trauer.“ Auch Töchter wurden ihnen geboren. 53 Die Brüder nun hatten verschiedene Neigungen. Abel, der jüngere, pflegte die Gerechtigkeit, und da er Gott bei all seinem Thun gegenwärtig glaubte, lebte er tugendhaft als Hirt. Kaïs aber, in hohem Grade gottlos und nur auf Gewinn bedacht, pflügte zuerst die Erde und tötete seinen Bruder aus folgender Veranlassung. 54 Da sie beide Gott opfern wollten, brachte Kaïs von den Früchten des Feldes und der Bäume dar, Abel aber Milch und Erstgeburt der Herde. An diesem Opfer der freigebigen Natur nun hatte Gott mehr Gefallen als an dem, was der habgierige Mensch mit seiner Kraft hervorgebracht. 55 Kaïs aber ergrimmte über diese Bevorzugung seines Bruders, tötete Abel und verbarg seinen Leichnam in dem Wahne, die That werde so geheim bleiben. Doch Gott erkannte den Frevel, kam zu Kaïs und forschte, wo sein Bruder sei, den er nun schon tagelang nicht gesehen, obgleich er doch früher immer mit ihm verkehrt habe. 56 Kaïs aber, tückischen Gemütes und ausser stande, Gott zu antworten, behauptete, auch er sei in Ängsten über den Verbleib seines Bruders. Als nun Gott beharrlich in ihn drang, entgegnete er trotzig, er sei nicht der Hüter und Wächter seines Bruders, und dessen Angelegenheiten kümmerten ihn nicht. 57 Da beschuldigte Gott ihn offen des an Abel verübten Totschlages und sprach: „Ich wundere mich, dass du nicht wissen willst, was deinem Bruder zugestossen ist, da du ihn doch selbst getötet hast.“ 58 Durch ein Opfer des Kaïs und sein Flehen um Verzeihung wurde nun Gott zwar bewogen, ihm die Strafe für den Totschlag zu erlassen, aber er verfluchte ihn und verkündete ihm, dass er seine Nachkommen bis ins siebente Glied züchtigen wolle. Dann vertrieb er ihn samt seinem Weibe aus dem Lande. 59 Da aber Kaïs die Befürchtung aussprach, er möchte beim Umherirren auf der Erde eine Beute wilder Tiere werden, hiess ihn Gott nichts dergleichen besorgen, denn es werde ihm kein Übel von wilden Tieren zustossen, und er werde furchtlos auf Erden wandern können. Jedoch drückte Gott ihm ein Zeichen auf, an dem er erkannt werden könnte, und hiess ihn dann sich aus seinen Blicken wenden.

(2.) 60 Kaïs aber durchzog mit seinem Weibe viele Länder und kam endlich nach Naïda, wo er zu wohnen beschloss und Kinder erzeugte. Übrigens liess er sich seine Strafe keineswegs zur Warnung dienen, sondern steigerte seine Bosheit mehr und mehr. Denn er ging jeder Art von Lüsten nach, wenn er sie auch nur durch Benachteiligung seiner Gefährten erreichen konnte. 61 Sein Vermögen vermehrte er durch Raub und Gewaltthätigkeit, verleitete seine Genossen zu Schwelgerei und Räuberei und unterrichtete sie in allen Schlechtigkeiten. Die bisherige Einfachheit der Lebensweise veränderte er durch Erfindung von Mass und Gewicht und verkehrte die Unschuld und Arglosigkeit des Wandels, sowie den Adel des Geistes in Verschlagenheit und Pfiffigkeit. 62 Er war der erste, der der Feldmark Grenzen setzte, eine Stadt erbaute, sie mit Mauern befestigte und die Hausgenossen zwang, zusammen zu wohnen. Diese Stadt nannte er nach Anoch, seinem ältesten Sohne, Anocha. 63 Anoch hatte einen Sohn Jared, und von diesem stammte Manuel, dessen Sohn Mathusala war. Der letztere zeugte den Lamech, der von zwei Weibern, der Sella und Ada, siebenundsiebzig Söhne hatte. Von diesen errichtete Jobel, der Sohn der Ada, Zelte und betrieb Viehzucht. 64 Sein Bruder Jubal übte die Musik und erfand das Psalter- und Harfenspiel. Thobel aber, ein Sohn des anderen Weibes, der an Körperkraft alle überragte, verlegte sich auf die Kriegskunst und verschaffte sich dadurch das, was körperlicher Lust dienen konnte. Auch erfand er die Schmiedekunst. 65 Lamech hatte auch eine Tochter, mit Namen Noëma. Da er übrigens Sehergabe besass, konnte es ihm nicht entgehen, dass auch er dem Strafurteile aus dem Brudermorde des Kaïs unterworfen sei, woraus er auch seinen Weibern gegenüber kein Hehl machte. 66 Des Kaïs Nachkommenschaft aber wurde noch bei Lebzeiten Adams überaus frevelhaft; in der Schlechtigkeit folgte der eine dem anderen, und so wurde das Geschlecht immer verderbter. Zu Krieg und Räubereien waren sie über die Massen geneigt, und war auch vielleicht einer zu Mordthaten weniger fähig, so that er sich sicher um so mehr in sinnloser Verkehrtheit, Übermut und Ungerechtigkeit hervor.

(3.) 67 Nach Abels Ermordung und Kaïs’ Flucht hatte nun Adam (um auf diesen zurückzukommen) den sehnlichen Wunsch, weitere Nachkommen zu erhalten, obgleich er schon zweihundertunddreissig Jahre alt war. Er lebte dann noch siebenhundert Jahre. 68 Da es aber zu weit führen würde, von allen Söhnen Adams zu reden, so werde ich nur von Seth und seinen Nachkommen erzählen. Seth zeichnete sich, als er zu den Jahren der Unterscheidung gekommen war, durch tugendhaftes Streben aus, und wie er selbst ein vortrefflicher Mann war, hinterliess er auch ebensolche Söhne. 69 Sie alle lebten einträchtigen Gemütes und glücklich in einem und demselben Lande, ohne dass sie während ihres ganzen Lebens ein Unheil traf. 70 Sie erfanden die Sternkunde, und damit ihre Erfindungen nicht verloren gingen und vernichtet würden, ehe sie zu allgemeiner Kenntnis gelangten (denn Adam hatte den Untergang aller Dinge teils durch Feuer, teils durch heftige Überschwemmungen vorhergesagt), so errichteten sie zwei Säulen, die eine aus Ziegeln, die andere aus Stein, und schrieben das von ihnen Erfundene auf beiden ein, 71 damit, wenn die Säule aus Ziegeln durch Wasserflut vernichtet werden sollte, die steinerne wenigstens noch erhalten bleibe und den Menschen ihre astronomischen Inschriften und zugleich auch die Thatsache kundthun könne, dass ausser ihr auch eine Ziegelsäule errichtet worden sei. Die steinerne Säule steht übrigens noch heute in Syrien.

Drittes Kapitel.

Von der Sintflut, und wie Noë mit seiner Familie in der Arche gerettet wurde und dann in der Ebene Sennaar wohnte.

(1.) 72 In diesem Zustande blieben die Nachkommen Seths sieben Geschlechter hindurch, verehrten Gott als den Herrn des Weltalls und lebten tugendhaft. Im Laufe der Zeit aber wandten sie sich von den Gebräuchen der Väter ab und dem Bösen zu, versagten Gott die schuldige Verehrung und übten Ungerechtigkeit gegen die Menschen. Und wie sie früher tugendhaften Wandel gepflegt, so warfen sie sich jetzt mit doppeltem Eifer auf Schlechtigkeit, wodurch sie Gottes Feindschaft sich zuzogen. 73 Denn es verkehrten viele Engel Gottes mit Weibern und erzeugten ruchlose Söhne, die im Vertrauen auf ihre Kraft alles Gute verachteten und gleich den Giganten der Griechen in Frevelthaten sich auszeichneten. 74 Noë, über ihr Treiben entrüstet‚ riet ihnen eindringlich zur Umkehr. Da er aber sah, dass sie ihm nicht gehorchten und ganz in Laster versunken waren, fürchtete er, mit Weib und Kind von ihnen getötet zu werden, und verliess deshalb das Land.

(2.) 75 Gott aber liebte den Noë wegen seiner Gerechtigkeit; jene anderen hingegen verdammte er nicht allein um ihrer Bosheit Willen, sondern er beschloss auch, das ganze Menschengeschlecht zu vertilgen und ein anderes, sündenreines an seine Stelle zu setzen. Vorher noch kürzte er die Lebenszeit ab, die sieh nicht mehr über hundertundzwanzig Jahre ausdehnen sollte. Dann überschwemmte er das feste Land mit Wasser, das alle Menschen zu Grunde richtete. 76 Noë allein wurde gerettet, da Gott selbst ihm Mittel und Wege dazu offenbarte. 77 Noë erbaute nämlich eine Arche mit vier Abteilungen, dreihundert Ellen lang, fünfzig Ellen breit und dreissig Ellen hoch. In diese ging er mit seinem Weibe, seinen Söhnen und deren Weibern und nahm das zum Lebensunterhalt Notwendige mit, ferner von allen Tieren je sieben Paare, damit sie nicht ausstürben. 78 Die Arche aber hatte starke Wände und Fugen und ein kräftiges Dach, sodass sie dem Anprall der Wogen wohl widerstehen konnte. So wurde Noë mit den Seinigen errettet. 79 Er war der zehnte von Adam an als Sohn des Lamech, dessen Vater Mathusala war. Dieser aber stammte von Anoch ab, dem Sohne des Jared. Des letztem Vater war Maluel, der nebst mehreren Schwestern von Kainas abstammte, dem Sohne des Enos. Enos aber war ein Sohn des Seth, welcher den Adam zum Vater hatte.

(3.) 80 Die Überschwemmung ereignete sich im sechshundertsten Lebensjahre Noës, im zweiten Monat, der von den Mazedoniern Dios, von den Hebräern aber Marsuane genannt wird; denn so wurde in Ägypten das Jahr eingeteilt. 81 Moyses aber setzte für die Einrichtung der Festtage als ersten Monat den Nisan oder Xanthikos fest, weil er in diesem die Hebräer aus Ägypten geführt hatte. Auch bei allem auf den Gottesdienst Bezüglichen nahm er diesen Monat als Ausgangspunkt, wogegen er für Käufe und Verkäufe sowie die übrigen Einrichtungen die frühere Ordnung beibehielt. Nach Moyses begann die Überflutung am siebenundzwanzigsten des vorgenannten Monats. 82 Von Adam an aber war eine Zeit von zweitausendsechshundertsechsundfünfzig Jahren verflossen; diese Zeit ist in den heiligen Büchern vermerkt, da man damals überhaupt sehr sorgfältig den Anfang und das Ende des Lebens berühmter Männer zu verzeichnen pflegte.

(4.) 83 Dem Adam nämlich wurde Seth geboren, als er zweihundertunddreissig Jahre alt war, und Adam lebte im ganzen neunhundertunddreissig Jahre. Seth aber zeugte im Alter von zweihundertundfünf Jahren den Enos, der, neunhundertundzwölf Jahre alt, seinem Sohne Kainas die Verwaltung übergab, den er in seinem hundertundneunzigsten Jahre gezeugt hatte. Enos aber lebte neunhundertundfünfzig Jahre 84 und Kainas neunhundertundzehn Jahre, nachdem ihm in seinem hundertundsiebzigsten Lebensjahre Maluel geboren worden war. Maluel wurde achthundertfünfundneunzig Jahre alt und hinterliess den Jared, den er in seinem einhundertfünfundsechzigeten Lebensjahre zeugte. 85 Diesem folgte, als er neunhundertzweiundsechzig Jahre gelebt hatte, sein Sohn Anoch, geboren im einhundertzweiundsechzigsten Lebensjahre seines Vaters. Anoch aber ging in seinem dreihundertfünfundsechzigsten Lebensjahre zu Gott ab, weshalb man über das Ende seines Lebens nichts verzeichnet findet. 86 Mathusala, der dem Anoch in seinem einhundertfünfundsechzigsten Jahre geboren wurde, erhielt den Lamech in seinem einhundertsiebenundachtzigsten Jahre und übergab diesem die Herrschaft, als er sie selbst neunhundertneunundsechzig Jahre innegehabt hatte. 87 Lamech herrschte siebenhundertsiebenundsiebzig Jahre, und es folgte ihm dann sein Sohn Noë, den er in seinem einhundertzweiundachtzigsten Jahre erhielt. 88 Noë aber herrschte neunhundertfünfzig Jahre. Alle diese Jahre zusammengenommen ergeben die oben genannte Summe. Niemand aber darf das Todesjahr dieser Männer erforschen wollen, denn ihr Leben erstreckte sich über Kinder und Kindeskinder hinaus, sondern man wolle bei der Zählung der Jahre nur darauf achten, wann sie geboren sind.

(5.) 89 Nachdem nun Gott die Menschen durch Zeichen gewarnt hatte, fing es an zu regnen, und es fiel anhaltend vierzig Tage lang so viel Wasser vom Himmel, dass dasselbe fünfzehn Ellen über der Erde stand. So fanden die meisten Menschen jeden Ausweg zur Rettung versperrt. 90 Und erst hundertfünfzig Tage nach dem Aufhören des Regens fing das Wasser endlich am siebenten Tage des siebenten Monats an zu sinken. Als dann die Arche in Armenien auf dem Gipfel eines Berges stehen geblieben war, öffnete Noë dieselbe und schöpfte, da er einiges Land sah, daraus neue Hoffnung. 91 Und da nach einigen Tagen das Wasser noch mehr gefallen war, liess er einen Raben fliegen. Denn er wünschte zu wissen, ob noch weiteres Land trocken geworden sei, damit er sich hinauswagen könne. Aber der Rabe kehrte, weil er noch alles vom Wasser bedeckt fand, zu Noë zurück. 92 Dann liess Noë nach Verlauf von sieben Tagen eine Taube los, um den Zustand der Erde zu erforschen, und da diese mit schmutzigen Füssen und einem Ölzweige zurückkehrte, erkannte er, dass das Land vom Wasser frei sei. Und nachdem er dann noch sieben Tage gewartet, liess er die Tiere aus der Arche hinaus und folgte selbst mit den Seinen voll Dank gegen Gott. Diesen Ort nennen die Armenier Apobaterion, das heisst „Ort des Ausganges,“ und man zeigt heute dort noch Reste der Arche.

(6.) 93 Der Sintflut und der Arche thun übrigens auch die Schriftsteller anderer Völker Erwähnung, so Berosus der Chaldäer, der ungefähr so von der Flut berichtet: „Es heisst, dass noch jetzt in Armenien auf dem Kordyäergebirge ein Teil jenes Fahrzeuges vorhanden sei, und dass manche Harz davon entnehmen, um sich desselben als Zaubermittels gegen drohende Übel zu bedienen.“ 94 Ferner spricht davon Hieronymus der Ägyptier, der die Geschichte der Phoeniker geschrieben, ebenso Mnaseas und andere. Nikolaus von Damaskus sagt in seinem sechsundneunzigsten Buche also: 95 „Oberhalb Minyas in Armenien liegt ein gewaltiger Berg, Baris genannt, auf den viele zur Zeit der grossen Flut geflohen sein sollen, wodurch sie gerettet wurden. Einer soll in einer Arche gefahren und auf dem Gipfel des Berges gelandet sein, und es sollen sich lange Zeit Überreste des Schiffsholzes dort erhalten haben. Vielleicht ist das derselbe, von dem Moyses, der jüdische Gesetzgeber, berichtet hat.“

(7.) 96 Noë aber besorgte, Gott möchte jedes Jahr zur Vertilgung der Menschen solche Wasserfluten schicken. Daher brachte er ein Brandopfer dar und flehte zu Gott, er möge die frühere Weltordnung wieder einführen und keine solche Flut, die allem Lebendigen den Untergang drohe, wieder zulassen, sondern er möge die Bösen bestrafen, der Guten aber sich erbarmen und sie vor so kläglichem Unheil bewahren. 97 Denn diese seien noch unglücklicher als die Bösen, wenn sie nicht vor neuen Fluten sicher seien, einmal weil sie den Schrecken der früheren Überschwemmung erfahren hätten, dann aber auch, weil sie in der späteren Flut doch untergehen müssten. 98 Er hat also Gott, sein Opfer mit gnädiger Huld anzunehmen und nicht wieder solchen Schrecken der Erde zu senden, damit sie dieselbe fleissig bebauen, Städte errichten und ein glückseliges Leben führen könnten. Auch möge er ihnen alles Gute, wie vor der Flut, wieder gewähren und ihnen, wie ihren Vorfahren, ein langes Leben verleihen.

(8.) 99 Als Noë diese Bitten ausgesprochen, verhiess ihm Gott deren Erfüllung, weil er ihn seiner Gerechtigkeit wegen liebte, indem er hinzufügte, nicht er habe die in der Flut Umgekommenen ins Verderben gestürzt, sondern sie hätten nur die Strafe für ihre Frevel erlitten. Denn er würde sie nicht ins Leben gerufen haben, wenn er sie später hätte zu Grunde richten wollen, 100 da es besser sei, das Leben überhaupt nicht zu geben, als es später wieder zu vernichten. „Aber,“ sprach Gott, „weil sie mir durch ihre Sünden solche Schmach angethan, haben sie mich zu diesen Strafen herausgefordert. 101 Übrigens will ich sie nicht mehr mit solcher Wucht züchtigen, um so mehr, da du für sie bittest. Darum, wenn ich wieder ungewöhnliches Unwetter errege, braucht ihr der Regengüsse Gewalt nicht mehr zu fürchten, denn ich werde den Erdkreis nicht mehr überschwemmen. 102 Ich befehle euch aber, euch der Vergiessung von Menschenblut zu enthalten und den Totschlag zu scheuen; wer aber solches thut, den sollt ihr bestrafen. Hingegen gestatte ich euch den Gebrauch aller Tiere zu eurem Vergnügen und nach Belieben. Denn ich habe euch über alle Tiere gesetzt, die auf der Erde, im Wasser und in der Luft leben. Doch geniesset nicht mit dem Fleische zugleich das Blut, denn in ihm ist die Seele. 103 Und zum Zeichen meiner Huld soll euch der Bogen dienen (das ist der Regenbogen, denn dieser wird von den Juden für den [Streit-]Bogen Gottes gehalten).“ Nachdem Gott dies verheissen und verkündet, verliess er den Noë.

(9.) 104 Noë nun lebte nach der Sintflut noch dreihundertundfünfzig Jahre glücklich und starb dann im Alter von neunhundertundfünfzig Jahren. 105 Niemand aber, der das heutige kurze Leben mit dem unserer Vorfahren vergleicht, möge die Berichte über dieselben für unwahr halten in dem Glauben, es müsse, da die Menschen jetzt nicht mehr so lange leben, auch ihnen kein so langes Leben beschieden gewesen sein. 106 Denn jene Menschen waren Lieblinge Gottes, von ihm selbst direkt geschaffen, und sie bedienten sich auch einer zwecksmässigeren Nahrung. Übrigens gab ihnen Gott auch deshalb ein längeres Leben, damit sie eifriger die Tugend üben und ihre Erfindungen in der Sternkunde und Geometrie durch Gebrauch und Erfahrung mehr ausnützen könnten. Denn wenn sie nicht wenigstens sechshundert Jahre gelebt hätten, so hätten sie nichts Sicheres ermitteln können, da das sogenannte grosse Jahr aus so vielen Jahren besteht. 107 Ich beziehe mich ausserdem auf das Zeugnis griechischer und fremder Schriftsteller, so des ägyptischen Geschichtschreibers Manetho, des chaldaeischen Berosus, des Mochus, Hestiaeus und des Ägyptiers Hieronymus, die der Phoeniker Geschichte geschrieben haben und die mit mir übereinstimmen. 108 Hesiod, Hekataeus, Hellanikus, Akusilaus, Ephorus und Nikolaus berichten sogar, dass die Alten tausend Jahre gelebt hätten. Hierüber mag indessen jeder denken, wie es ihm gut scheint.

Viertes Kapitel.

Vom babylonischen Turm und der Sprachenverwirrung.

(1.) 109 Noë hatte drei Söhne, Sem, Japheth und Chamas, die hundert Jahre vor der grossen Flut geboren waren. Sie stiegen zuerst vom Gebirge in die Ebene hinab, beschlossen da zu wohnen und beredeten auch andere, die aus Furcht vor der Flut die Ebenen mieden und ungern die Gebirge verliessen, ihnen vertrauensvoll zu folgen. 110 Die Ebene, wo sie dieselben zuerst hinführten, heisst Sennaar. Obgleich nun Gott ihnen befahl, um der Vermehrung der Menschen willen sich in anderen Gegenden anzusiedeln, damit sie nicht unter einander in Streit gerieten und durch Bebauung grösserer Flächen reichere Ernten erzielten, gehorchten sie ihm in ihrem Unverstande nicht und gerieten ins Elend. 111 Und als sich ihre Jugend sehr vermehrte, gab ihnen Gott wiederum den Rat, sie in Kolonien zu verpflanzen. Sie aber, im Glauben, den Genuss des Lebensglückes nicht Gottes Güte, sondern eigener Kraft zu verdanken, gehorchten Gott wiederum nicht. 112 Ja, sie wähnten sogar, er wolle sie nur darum in andere Wohnsitze locken, um sie zerstreuen und leichter unterdrücken zu können.

(2.) 113 Zu dieser Verachtung und Verhöhnung Gottes verleitete sie Nebrod, der Enkel Chamas’, des Sohnes Noës, denn er war kühn, und seiner Hände Kraft gross. Dieser überredete sie zu dem Wahn, nicht von Gott komme ihr Glück, sondern ihre eigene Tüchtigkeit sei die Ursache ihres Wohlstandes. 114 Und allmählich verkehrte er sein Benehmen in Tyrannei, weil er die Menschen um so eher von Gott abzuwenden gedachte, wenn sie der eigenen Kraft hartnäckig vertrauten. Er wolle, sagte er, sich an Gott rächen, falls er mit erneuter Flut die Erde bedränge, und er wolle einen Turm bauen, so hoch, dass die Wasserflut ihn nicht übersteigen könne. So werde er für den Untergang seiner Vorfahren Vergeltung üben.

(3.) 115 Die Menge pflichtete den Absichten Nebrods bereitwillig bei, da sie es für Feigheit hielt, Gott noch zu gehorchen. Und so machten sie sich an die Erbauung des Turmes, der bei unverdrossener Arbeit und den vielen Arbeitskräften schnell in die Höhe wuchs. 116 Da er aber sehr breit war, fiel seine Höhe minder auf. Gebaut wurde er aus Ziegeln, die mit heissem Harz zusammengekittet waren zum Schutze gegen das andrängende Wasser. Obgleich nun Gott ihr unsinniges Benehmen sah, wollte er sie doch nicht vertilgen, wiewohl sie durch Erinnerung an die Sintflut eigentlich auf bessere Gedanken hätten kommen müssen 117 und also eine solche Strafe wohl verdienten, sondern er verwirrte ihre Sprache und entzweite sie so, dass der eine den anderen nicht verstehen konnte. Der Ort des Turmbaues aber wird wegen der Verwirrung der Sprache, die früher bei allen dieselbe war, Babylon genannt, denn auf Hebraeisch heisst Babel „Verwirrung.“ 118 Des Turmbaues und der Sprachenverwirrung gedenkt auch Sibylla mit folgenden Worten: „Da alle Menschen eine und dieselbe Sprache redeten, begannen sie einen sehr hohen Turm zu bauen, als wollten sie auf ihm in den Himmel steigen. Die Götter aber erregten einen Sturm, der den Turm umstürzte, und gaben jedem eine besondere Sprache, woher die Stadt Babylon ihren Namen hat.“ 119 Die Ebene Sennaar erwähnt Hestiaeus: „Die geretteten Priester kamen mit den Heiligtümern des Zeus Enyalios nach Sennaar in Babylonien.“

Fünftes Kapitel.

Wie Noës Nachkommen über die ganze Erde hin sich Wohnsitze gründeten.

120 Also zerstreuten sie sich der Verschiedenheit der Sprache halber. Die einen nahmen dieses Land in Besitz, die anderen jenes, wie Gott sie führte, so dass das ganze Festland, Binnenland sowohl wie Küste, von ihnen bevölkert wurde. Einige auch setzten auf Schiffen nach den Inseln über. 121 Dabei behielten die Völker zum Teil die ihnen von ihren Gründern beigelegten Namen, zum Teil veränderten sie dieselben, zum Teil auch nahmen sie solche Namen an, die ihren Nachbarn geläufiger waren. Letzteres veranlassten besonders die Griechen, die, nachdem sie die Macht erlangt, ruhmsüchtig wie sie waren, anderen Völkern mit ihrer Staatsverfassung auch den Namen aufdrängten.

Sechstes Kapitel.

Wie die einzelnen Völker von ihren Gründern Namen erhielten.

(1.) 122 Noës Söhne hatten wieder Söhne, denen zu Ehren die Völker, sobald sie ein Land in Besitz genommen hatten, genannt wurden. Japheth, der Sohn Noës, hatte sieben Söhne, deren Landbesitz von den Bergen Taurus und Amanus in Asien bis zum Flusse Tanaïs, in Europa bis nach Gadira reichte. Da diese Landstriche bis dahin unbewohnt waren, so gaben sie den dort sich niederlassenden Völkern ihre Namen. 123 So hiessen die jetzigen Galater einst Gomarenser, da sie von Gomar stammten, und die jetzigen Skythen Magoger von ihrem Stammvater Magog. 124 Von den anderen Söhnen Japheths, Jovanus und Mades, stammten ab: von letzterem die Madäer, die die Griechen Meder nennen, von ersterem die Ionier und Griechen. Den Thobelern, die heute Iberer genannt werden, gab Thobel den Namen, 125 den Mosochenern, die jetzt Kappadozier heissen, Mosoch. Doch ist noch eine Spur des alten Namens erhalten, da ihre Stadt Mazaka an denselben erinnert. Von ihrem Herrscher Thiras nannten sich die Thirer, die Thraker der Griechen. 126 Das sind die von Japheth abstammenden Völkerschaften.

Von den Söhnen des Gomar war Aschanaxes der Stammvater der Aschanaxer, die jetzt von den Griechen Rheginer genannt werden. Von Riphates stammten die Riphatäer, jetzt Paphlagoner, und von Thorgames die Thorgamäer, jetzt Phryger genannt.

 Auch Jovanus hatte drei Söhne, Elysas, Stammvater der Elysäer, jetzigen Aeoler, Tharsus der Tharsenser, jetzigen Cilicier. Von letzterem hat ihre berühmte Hauptstadt Tarsus offenbar den Namen, wenn auch das Theta in Tau umgeändert ist. 128 Chetimus endlich nahm die Insel Chetima, die heutige Cyprus, in Besitz, und es werden deshalb von den Hebräern alle Inseln und die meisten Küstenorte Chethim genannt. Zum Beweise dessen dient eine Stadt auf Cyprus, die zufällig ihren Namen noch bis heute bewahrt hat, denn sie heisst auf Griechisch Kition, was von Chetim nicht besonders abweicht.

129 Übrigens möchte ich hier, bevor ich fortfahre, eine Bemerkung einschalten, die den Griechen vielleicht weniger bekannt ist. Die Namen sind nämlich zur Ergötzung der Leser von den Griechen ihrer zierlichen Sprache gemäss geändert worden, während die Unseren diese Formen nicht gebrauchen, vielmehr Form und Endung unverändert lassen. So heisst Noëos bei uns Noë, und es bleibt diese Form stets unverändert.

(2.) 130 Des Chamas Söhne nahmen das Land in Besitz, welches sich von Syrien und den Bergen Amanus und Libanon bis ans Meer und den Ocean erstreckte. Doch sind deren Namen teils verloren gegangen, teils stark verändert und in andere verwandelt, sodass man sie schwerlich wiedererkennen kann, und nur wenige sind unversehrt erhalten. 131 Von den vier Söhnen des Chamas hat die Zeit dem Chus nicht geschadet, denn noch jetzt werden die Aethioper, deren Herrscher er war, sowohl von sich selbst, als auch von allen Asiaten Chusäer genannt. 132 Auch die Mesträer haben ihren Namen bewahrt, denn die Unseren nennen Aegypten Mestre und die Aegyptier Mesträer. Nach Libyen führte Phutes Kolonisten und nannte sie nach seinem Namen Phuter. 133 Auch giebt es im Maurenlande einen Fluss dieses Namens, den samt dem benachbarten Lande Phute auch viele griechische Geschichtschreiber erwähnen. Seinen jetzigen Namen hat Libyen von Libys, einem der Söhne des Mestraïm; später werde ich die Ursache angeben, weshalb es auch Afrika heisst. 134 Chanaan endlich, der vierte Sohn des Chamas, bewohnte das jetzige Judaea und nannte es von sich Chananaea. Die Söhne des Chamas hatten wieder Söhne, und zwar hatte Chus deren sechs, von denen Sabas der Sabäer, Evilas der Eviläer (jetzt Gaetuler), Sabathes der Sabathener (griechisch Astabarer), 135 Sabaktes der Sabaktener, Regmus endlich der Regmäer Stammvater war. Der letztere hatte zwei Söhne: Judadas, von dem die in West-Aethiopien wohnenden Judadäer, und Sabaeus, von dem die Sabäer abstammten. Nebrod, ebenfalls ein Sohn des Chus, blieb bei den Babyloniern und beherrschte diese, wie schon oben mitgeteilt wurde. 136 Mestraïm ferner hatte acht Söhne, die das Land von Gaza bis nach Aegypten in Besitz nahmen. Jedoch hat die Gegend nur den Namen des Philistin behalten, und die Griechen nennen einen Teil derselben Palaestina. 137 Von den übrigen, Ludiim, Enemim, Labim (der allein Kolonisten nach Libyen führte und diesem Lande den Namen gab), Nedem, Phethrosim, Chesloem und Chephthorim, wissen wir ausser den Namen fast nichts. Denn im aethiopischen Kriege, von dem ich später erzählen werde, sind ihre Städte zerstört worden. 138 Chanaan aber hatte folgende Söhne: Sidon, der eine Stadt seines Namens in Phoenizien erbaute, die auch die Griechen noch so nennen, Amathius, der Amathine bewohnte, das noch heute steht und von seinen Bewohnern Amathe genannt wird, während die Mazedonier es nach einem der Nachfolger Alexanders Epiphania nennen, ferner Aradaeus, der die Insel Aradus bewohnte, und endlich Arukaeus, der die im Libanon gelegene Stadt Arke besass. 139 Von den übrigen sieben ist ausser den Namen Chettaeus, Jebusaeus, Amorrhaeus‚ Gergesaeus, Eudaeus, Sinaeus, Samaraeus nichts in den heiligen Büchern zu finden, denn die Hebräer haben deren Städte zerstört.

(3.) 140 Als nun nach der Sintflut die Erde ihr früheres Aussehen wiedererlangt hatte, betrieb Noë den Ackerbau. Auch pflanzte er Weinstöcke, las zur Zeit der Reife die Trauben, bereitete Wein und genoss davon, nachdem er vorher geopfert hatte. 141 Da er aber berauscht wurde, fiel er in Schlaf und lag nackt und unwürdig da. Der jüngste Sohn, der ihn so sah, zeigte ihn spöttelnd seinen Brüdern; diese aber bedeckten des Vaters Scham. 142 Als Noë das erfuhr, segnete er die anderen Söhne, die Nachkommen des Chamas aber verfluchte er, obgleich er ihn selbst als nahen Blutsverwandten mit dem Fluche verschonte. Daher verfolgte die göttliche Rache Chanaans Nachkommen, wovon ich weiter unten noch reden werde.

(4.) 143 Sem, der dritte Sohn Noës, hatte fünf Söhne, die Asien bis zum Indischen Ocean vom Euphrat an bewohnten. Elams Nachkommen waren die Elamäer, von denen die Perser stammen. Asuras aber erbaute die Stadt Ninus und unterjochte die Assyrier, die er nach seinem Namen nannte. Diese glänzten durch Kriegsruhm. 144 Arphaxades gab denen, die jetzt Chaldäer heissen, den Namen. Von Aram stammen die Aramäer, von den Griechen Syrer genannt, von Lud die Luder, die jetzt Lyder heissen. 145 Aram aber hatte wieder vier Söhne, von denen Usus Trachonitis und Damaskus gründete, welche zwischen Palaestina und Coelesyrien in der Mitte liegen. Ulus beherrschte Armenien, Gatherus die Baktrianer, Mesas die Mesanäer, in deren Land Spasini Charax liegt. 146 Von Arphaxades stammte Sales, von diesem Heber, nach welchem die Juden anfangs Hebräer hiessen. Heber zeugte Juktas und Phalek. Letzterer hiess so, weil er zur Zeit der Verteilung der Wohnplätze geboren wurde, denn Phalek bedeutet bei den Hebräern „Verteilung.“ 147 Juktas aber hatte folgende Söhne: Elmodad, Saleph, Azermoth, Eiraës, Edoram, Aëzel, Deklas, Ebal, Abimaël, Sabeus, Opheires, Evilates, Jobab. Diese wohnten bei dem indischen Flusse Kophene und in dem nahe dabei liegenden Arien. So viel von Sems Nachkommen.

148 (5.) Ich komme jetzt zu den Hebräern. Von Phalek, dem Sohne Hebers, stammte Ragav, von diesem Serug, dessen Sohn Nachor, der Vater des Tharrus, war. Der letztere aber war der Vater Abrams, des zehnten nach Noë. Abram war im zweihundertzweiundneunzigsten Jahre nach der Sintflut geboren. 149 Denn Tharrus zeugte in seinem siebzigsten Jahre den Abram, Nachor aber in seinem hundertzwanzigsten Jahre den Tharrus. Den Nachor wieder zeugte Serug in seinem hundertzweiunddreissigsten Jahre, und Ragav erhielt den Serug, als er hundertdreissig Jahre alt war. In demselben Alter zeugte Phalek den Ragav, 150 Heber aber, hundertvierunddreissig Jahre alt, den Phalek, während Heber von Sales gezeugt wurde, als dieser hundertdreissig Jahre zählte. Den Sales zeugte Arphaxades in seinem hundertfünfunddreissigsten Lebensjahre, und letzterer war zwölf Jahre nach der Sintflut geboren. 151 Abram aber hatte zwei Brüder, Nachor und Aran. Letzterer hinterliess einen Sohn Lot sowie zwei Töchter, Sarra und Melcha, und starb zu Ur in Chaldaea, wo bis heute noch sein Grab gezeigt wird. Melcha nun wurde von Nachor, Sarra von Abram zum Weihe genommen. 152 Da aber Tharrus sehr um Aran trauerte und deshalb des Aufenthaltes in Chaldaea überdrüssig wurde, zogen sie alle zusammen nach Charra in Mesopotamien. Hier starb Tharrus und ward auch daselbst bestattet, nachdem er zweihundertfünf Jahre gelebt hatte. Allmählich nämlich verkürzte sich das Leben der Menschen mehr und mehr bis zur Geburt des Moyses. Von da an wurde dasselbe von Gott auf hundertzwanzig Jahre festgesetzt, welches Alter auch Moyses erreichte. 153 Dem Nachor und der Melcha aber wurden acht Söhne geboren: Uxus, Bauxus, Kamuel, Chazad, Azav, Pheldas, Jadelphas und Bathuel. Das waren Nachors rechtmässige Söhne, denn Tabaeus, Gaamus, Tavaus und Machaus gebar ihm sein Kebsweib Ruma. Bathuel aber, einer von den rechtmässigen Söhnen, hatte eine Tochter Rebekka und einen Sohn Laban.

Siebentes Kapitel.

Wie unser Stammvater Abram aus Chaldaea auszog und eine Zeitlang in Chananaea wohnte, welches jetzt Judaea heisst.

(1.) 154 Abram aber nahm seinen Neffen Lot, den Bruder seiner Gattin Sarra an Kindesstatt an, weil er wenig Hoffnung auf Nachkommenschaft hatte, und zog in seinem fünfundsiebzigsten Lebensjahre auf Gottes Befehl aus Chaldaea nach Chananaea, das er selbst bewohnte und seinen Nachkommen hinterliess. Er besass einen scharfen Blick, grosse Überredungsgabe und selten irrende Urteilskraft, und da er auch tugendhaft war und im Ansehen eines weisen Mannes stand, beschloss er, die hergebrachten falschen Ansichten von Gott in richtige umzuwandeln. 155 Daher erklärte er zunächst, dass es nur einen Gott gebe, den Schöpfer aller Dinge, und dass dieser alles, was zum Glücke diene, gewähre, während der Mensch aus eigener Kraft dies nicht erlangen könne. 156 Das schloss er aus den Vorgängen auf dem Lande und dem Meere, an der Sonne und dem Monde, und aus den Veränderungen am Himmelsgewölbe. Denn, so sagte er, läge die Kraft in der Schöpfung selbst, so würde sie auch selbst für ihre Erhaltung sorgen. Dass dies aber nicht der Fall sei, liege auf der Hand. Deshalb trage sie auch nicht aus eigener Kraft zu unserem Nutzen bei, sondern sie sei abhängig von der Macht eines höheren Wesens, dem allein Dank und Ehre gebühre. 157 Als nun darauf die Chaldäer und andere Bewohner Mesopotamiens den Aufruhr gegen ihn schürten, hielt er es für das beste, auszuwandern, und nahm mit Willen und Hilfe Gottes das Land Chananaea in Besitz. Dort angelangt, errichtete er einen Altar und opferte Gott.

(2.) 158 Auch Berosus erwähnt unsern Vater Abram, allerdings ohne seinen Namen zu nennen, mit folgenden Worten: „Im zehnten Geschlechte nach der Sintflut gab es bei den Chaldäern einen gerechten und hervorragenden Mann, der in der Himmelskunde erfahren war.“ 159 Hekataeus aber gedenkt seiner nicht nur oberflächlich, sondern er hat ein ansehnliches Schriftstück über ihn hinterlassen. Nikolaus von Damaskus sagt im vierten Buche seiner Geschichte also: „Zu Damaskus regierte Abram, der mit einem Heere aus dem oberhalb Babylon gelegenen Lande der Chaldäer dorthin gekommen sein soll. 160 Und nicht lange nachher wanderte er mit seinem Volke von dort wieder aus nach Chananaea, welches jetzt Judaea heisst und wo sich die Seinen stark vermehrten. Hiervon werde ich in einem anderen Buche erzählen.“ Abrams Name ist auch jetzt noch im Damaszenerlande berühmt, und man zeigt dort ein Dorf, das nach ihm Abramsheim genannt wird.

Achtes Kapitel.

Wie Abram infolge einer Hungersnot in Chananaea nach Aegypten zog, dort eine Zeitlang sich aufhielt und dann zurückkehrte.

(1.) 161 Als aber eine Hungersnot über Chananaea hereingebrochen war und Abram von der Aegyptier Wohlstand hörte, begab er sich freudig dorthin, um von ihrem Überflusse zu geniessen und die Meinung ihrer Priester über die Götter zu vernehmen. Wenn dieselben Besseres lehrten, wollte er ihnen folgen, andernfalls versuchen, sie eines besseren zu belehren. 162 Da er nun auch die Sarra mitnahm und bei dem bekannten Hang der Aegyptier zu Ausschweifungen fürchtete, der König möchte ihn wegen der Schönheit seiner Gattin töten lassen, so erfand er die List, sich für ihren Bruder auszugeben und ermahnte Sarra, sich danach zu richten, da es in ihrem beiderseitigen Interesse liege. 163 Als sie nun nach Aegypten gekommen, traf es sich, wie Abram gefürchtet; denn überallhin verbreitete sich der Ruf von Sarras Schönheit. Und so wurde der König Pharao, der, mit dem Gehörten nicht zufrieden, sie zu sehen heftig verlangte, von dem Wunsche erfüllt, sich ihrer zu bemächtigen. 164 Gott aber vereitelte sein unreines Begehren, indem er pestartige Krankheit und Verwirrung über ihn verhängte. Und als er die Priester befragte, was er zur Abwendung des Unheils thun müsse, das Gott ihm geschickt, antworteten diese, er habe gegen die Gattin eines Fremdlings Gewalt brauchen wollen. 165 Erschreckt hierüber erforschte er von Sarra, wer sie und ihr Begleiter seien, und da er den Sachverhalt vernahm, entschuldigte er sich bei Abram: er habe sie für seine Schwester, nicht für seine Gattin gehalten, und er habe nur seine Verwandtschaft gesucht, nicht aber vorgehabt, ihr Unrecht zuzufügen. Dann beschenkte er ihn reichlich und ermöglichte ihm den Umgang mit den gebildetsten Aegyptiern; infolge davon verbreitete sich der Ruf seiner Tugend mehr und mehr.

(2.) 166 Da nämlich die Aegyptier verschiedene Gebräuche hatten, die sie sich gegenseitig verächtlich zu machen suchten, so hielt er mit den einzelnen Unterredungen ab, wies ihre Einwürfe zurück und zeigte, dass diese schal und gehaltlos seien. 167 Deshalb wurde er von ihnen bewundert und für höchst weise gehalten, weil er mit scharfem Verstande und mächtiger Überzeugungsgabe ausgestattet sei. 168 Er unterrichtete sie in der Arithmetik und der Sternkunde, Wissenschaften, die vor seiner Ankunft ihnen völlig fremd waren; denn sie gelangten von den Chaldäern zu den Aegyptiern und von da zu den Griechen.

(3.) 169 Als nun Abram nach Chananaea zurückgekehrt war, teilte er das Land mit Lot, da unter ihren Hirten Streit wegen der Weideplätze entstanden war; dabei liess er dem Lot völlig freie Wahl. 170 Er selbst nahm die von Lot verlassene Gegend nahe dem Gebirge ein und wohnte in der Stadt Chebron, die sieben Jahre älter ist als Tanis in Aegypten. Lot hingegen bewohnte die Ebene am Flusse Jordan nahe bei Sodom, welche damals noch gottesfürchtig war, jetzt aber infolge des göttlichen Zornes verschwunden ist. Die Ursache hiervon werde ich an geeigneter Stelle darlegen.

Neuntes Kapitel.

Niederlage der Sodomiter im Kampf mit den Assyriern.

171 Zur Zeit der Herrschaft der Assyrier in Asien blühte Sodom sehr; sein Reichtum vergrösserte sich mehr und mehr, und es wies eine zahlreiche Jugend auf. Die Sodomiter wurden von fünf Königen beherrscht: Ballas, Barsas, Senabares, Symoborus und dem Könige der Balener, von denen jeder sein Gebiet hatte. 172 Da überzogen die Assyrier sie mit Krieg; mit einem in vier Abteilungen unter je einem Anführer geteilten Heere belagerten sie die Sodomiter, besiegten sie in einer Schlacht und legten den Königen Tribut auf. 173 Nachdem die Sodomiter zwölf Jahre lang dienstbar gewesen waren und den auferlegten Tribut entrichtet hatten, fielen sie ab, weshalb die Assyrier von neuem gegen sie zogen unter Führung des Amraphel, Ariuch, Chodollamor und Thadal. 174 Diese plünderten ganz Syrien und rotteten das gewaltige Geschlecht aus. Dann kamen sie ins Land der Sodomiter und schlugen ihr Lager in einem „Harzbrunnen“ genannten Thale auf. Zu jener Zeit nämlich gab es dort viele Brunnen; doch jetzt befindet sich an der Stelle, wo einst Sodom stand, ein See, Asphaltsee genannt. 175 Über diesen See werde ich noch weiter unten berichten. Als nun die Sodomiter mit den Assyriern in heisser Schlacht zusammentrafen, fielen eine Menge von ihnen, die übrigen aber wurden in die Gefangenschaft geführt, unter ihnen auch Lot, der den Sodomitern zu Hilfe geeilt war.

Zehntes Kapitel.

Abram zieht gegen die Assyrier, bleibt Sieger und führt die gefangenen Sodomiter nebst der im Stich gelassenen Beute wieder zurück.

(1.) 176 Als Abram von ihrem Unglück hörte, beschloss er in Sorge um seinen Vetter Lot und voll Mitleid mit den Sodomitern, seinen Freunden und Nachbarn, 177 diesen zu Hilfe zu kommen, und brach ungesäumt mit den Seinen auf. In der fünften Nacht ereilte er die Assyrier bei Danus, der einen Quelle des Jordan, griff sie unversehens an und tötete die einen in ihren Betten; die anderen, die noch nicht eingeschlafen waren und unfähig zum Kampfe umhertaumelten, schlug er in die Flucht. 178 Dann verfolgte er sie und zwang sie am anderen Tage, sich in die Stadt Hoba im Damaszener-Gebiet zurückzuziehen. Hierdurch bewies er, dass der Sieg nicht auf der Menge der Krieger, sondern auf ihrer Rüstigkeit und Tapferkeit beruhe. Denn mit dreihundertzwölf Mann der Seinen und mit drei Freunden hatte er ein so gewaltiges Heer geschlagen. Und was von Feinden seiner Hand entgangen war, musste sich schmachbedeckt zurückziehen.

(2.) 179 Abram brachte nun die gefangenen Sodomiter und seinen Vetter Lot in Sicherheit und kehrte in Frieden heim. Und es kam ihm der König der Sodomiter entgegen bis zu einem „Königsfeld“ genannten Orte; dort wurde er von Melchisedek, dem Könige von Solyma, empfangen. 180 Melchisedek heisst der gerechte König, und das war er nach allgemeinem Urteil, weshalb er auch zum Priester Gottes bestellt wurde. Solyma ist das spätere Jerusalem. 181 Dieser Melchisedek bewirtete die Krieger Abrams gebührend und gewährte ihnen alle Lebensbedürfnisse reichlich, und beim Mahle begann er den Abram zu loben und Gott zu danken, weil er die Feinde in seine Hand gegeben. Abram dagegen gab ihm von der Beute den Zehnten, den Melchisedek als Geschenk annahm. 182 Als nun der König der Sodomiter den Abram bat, die Beute für sich zu behalten und ihm nur die befreiten Sodomiter auszuliefern, erklärte Abram, er könne diese Bedingung nicht annehmen; von der Beute wolle er nur das nehmen, was seine Leute zum Lebensunterhalt gebrauchten, wie auch ein Teil seinen befreundeten Mitkämpfern gebühre, nämlich dem Escholes, Enner und Mambres.

(3.) 183 Gott aber gefiel dieses tugendhafte Benehmen Abrams, und er versprach ihm Lohn für seine Ruhmesthaten. Dieser aber meinte, wozu ihm der Lohn dienen solle, da er doch keine Nachkommen habe (bis dahin nämlich war er ohne Kinder). Da verhiess ihm Gott einen Sohn, und sein Geschlecht solle zahlreich werden wie die Sterne des Himmels. 184