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In der vorliegenden Schrift beweist der bekannte antike jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus das hohe Alter seines Volkes und die sittlich tadellose Lehre der jüdischen Religion gegen die Angriffe heidnischer Autoren, vornehmlich des Ägypters Apion. Der Stil ist ähnlich der frühen christlichen Apologien gegenüber ihren heidnischen Verleumdern, und vor allem, wenn Josephus die Lehren der Religion seines Volkes darlegt, erkennt man in bester Weise die Verwandtschaft der drei großen Buchreligionen Judentum, Christentum und Islam, denn seine Darlegungen gelten in ihrem Grunde für alle drei.
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Seitenzahl: 172
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Einleitung
Über das hohe Alter des jüdischen Volkes
Erstes Buch
Zweites Buch
S. auch Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, 1851‒ 52, S. 7‒21; 41‒56; 81‒ 98; 121‒145; 1856, S. 81‒94; 1860, S. 125‒142; 1867, S. 241 f. u. 289.
Haben wir den Josephus bisher hauptsächlich als Historiker kennengelernt, so zeigt er sich uns in der vorliegenden Schrift von einer ganz neuen Seite, indem er ‒ feinsinnig und geistvoll ‒ für sein vielfach geschmähtes und verleumdetes Volk als Apologet in die Schranken tritt. Gehässige Angriffe auf die Juden, die sich vor der Zerstörung des zweiten Tempels nach den inner-, vorder- und kleinasiatischen Landschaften, nach Ägypten, Nordafrika, Griechenland, Italien, ja bis nach Spanien, Gallien und Germanien zerstreut hatten, waren damals an der Tagesordnung: man mißgönnte ihnen die Vorrechte, die sie sich allenthalben durch Fleiß, Treue und Gewandtheit erworben hatten, und an denen trotz des heißen Kampfes in Palästina auch die römische Herrschaft nichts änderte. Dieser Neid bewirkte alsbald tätliche Angriffe und Zusammenrottungen des Pöbels gegen die jüdischen Mitbürger, und man glaubte sie um so ungescheuter belästigen zu dürfen, als die Angriffe von den Vornehmen begünstigt und von den Statthaltern unterstützt oder doch ungestraft gelassen wurden. Derartige Aufläufe fanden besonders in Antiochia und Alexandria statt.
In Alexandria hatte sich bekanntlich während der letzten Jahrhunderte vor und des ersten nach Christi Geburt hellenisches Geistesleben und hellenische Literatur zu solcher Blüte entfaltet, daß selbst Athen dadurch in den Hintergrund gedrängt worden war. Den Vergleich mit dem klassischen Hellenentum freilich konnte der alexandrinische Genius nicht aushalten; immerhin aber hatte er eine lebhafte und vielumfassende Bewegung in der Literatur hervorgebracht. An dem wissenschaftlichen Leben in Alexandria beteiligten sich nun auch die dortigen Juden in hervorragendem Maße, und so erklärt es sich, warum gerade in dieser Stadt der Haß und das Vorurteil gegen jüdisches Wesen ihren literarischen Ausdruck fanden.
Apollonios Molon, Poseidonios, Chairemon, Lysimachos und Apion waren die Hauptvertreter der judenfeindlichen Bewegung, die nichts geringeres bezweckte, als die Verhaßten recht- und schutzlos zu machen und sie dadurch der brutalen Willkür des gewalttätigen Pöbels preiszugeben. Hatten aber die früheren Widersacher weniger aus zielbewußtem Haß als aus Unkenntnis und getrübter Auffassung so ungünstig über die Juden geurteilt, so trat als eigentlicher Feind und Verfolger der letzteren mit der Absicht, sie zu kränken, verächtlich zu machen und zu verderben, zuerst Apion auf, und zwar in einer Schrift Kατά Ιουδαίων, von der es ungewiß ist, ob sie eine selbständige Abhandlung darstellte oder einen Teil des Gesamtwerkes über Ägypten ausmachte (s. Müller, Des Flavius Josephus Schrift gegen den Apion, S. 16 ). Gegen Apion erhob sich Josephus, machte dabei aber zugleich auch gegen die anderen Front, und diesem Umstand haben wir das Gedächtnis jener judenfeindlichen Literaten überhaupt zu danken, deren Schriften verloren gingen, wenn auch ihre Verleumdungen und Lügen in den späteren griechischen und römischen Schriftstellern, ja selbst noch bis in die neueste Zeit Nachhall fanden.
Die drei Alexandriner Chairemon, Lysimachos und Apion schöpften nun aus einer früheren Quelle gleichen Ursprungs, dem Werke des ägyptischen Oberpriesters Manetho aus Sebennytos. Auch dieses Werk ist verloren gegangen, und was wir davon haben, ward uns erst aus zweiter und dritter Hand überliefert. Ja, selbst die Auszüge des Julius Africanus (3. Jahrh. n. Chr.) sind uns erst durch andere übermittelt worden. Gegen Manetho als die Quelle der späteren judenfeindlichen Schriftsteller mußte also Josephus zunächst sich wenden. Was er aber mitteilt, enthält solche Widersprüche, daß es, wie Jost bemerkt, wahrscheinlich wird, Josephus selbst habe bereits einen verfälschten Manetho vor sich gehabt. Fälschungen dieser Art gehörten ja in Alexandria zu den alltäglichen Erscheinungen. Beweis dafür ist auch daß die Königslisten des Manetho überall da, wo sie mit den Inschriften auf Pyramiden, Obelisken usw. verglichen werden können, sich als ganz irrig und verworren herausstellen. Lebhaftes Interesse hat von jeher Manethos Bericht über die Hyksos oder Hirtenkönige erregt, und nicht minder oft und eingehend ist die Frage der Identifizierung der Juden mit den aussätzigen Ägyptern sowie das Verhältnis dieser Aussätzigen zu den Hyksos schriftstellerisch behandelt worden. Es ist hier nicht der Ort, die verschiedenen Ansichten darzulegen; ich verweise deshalb auf J. G. Müllers ausführlichen kritischen Exkurs (a. a. O. S. 214 ff.) und Zipsers Abhandlung über diesen Gegenstand (Zipser, Des Flavius Josephus Werk über das hohe Alter des jüdischen Volkes gegen Apion, S. 59 ff.), ferner auf die Schriften von Uhlemann (Israeliten und Hyksos in Ägypten) und De Cara (Gli Hyksos o re pastori di Egitto). Daß Josephus die Israeliten und Hyksos für identisch gehalten hat, kann jedenfalls nach neueren Untersuchungen als feststehend erachtet werden.
Der talentloseste, unselbständigste und oberflächlichste unter den Widersachern war zweifellos Apion. Trotzdem mußte er als einer der gefährlichsten gelten, denn keiner hatte soviel aus den Vorurteilen und Schwatzereien des heidnischen Pöbels geschöpft und sie für geschichtliche Wahrheit ausgegeben, wie gerade er. Daß er übrigens mit seinen Machwerken nicht nur der urteilslosen Menge imponierte, sondern auch bei ernsten Forschern Eindruck machte, beweisen einzelne Äußerungen des großen Tacitus, der, offenbar durch Apions Verunglimpfungen der jüdischen Religion veranlaßt, jüdischen Glauben und jüdische Sitte sonderbar und abstoßend fand (Histor. V, 2‒5). Dazu kommt noch ein weiteres, die Gefährlichkeit Apions kennzeichnendes Moment. Er beschränkte sich nämlich nicht auf die literarische Befehdung der Juden, sondern betätigte seinen Judenhaß auch in praktischer Weise. Denn als unter der Herrschaft Caligulas in Alexandria Unruhen gegen die Juden ausbrachen und der wackere Philo an der Spitze einer jüdischen Gesandtschaft nach Rom ging, um vom Cäsar Abhilfe zu erbitten, da ließ sich Apion mit noch einigen anderen Pöbelführern von den heidnischen Alexandrinern abordnen, um in Rom den Juden entgegenzuarbeiten (Jüd. Altert. XVIII, 8, 1; Philo, de legat. ad Gaium), und er setzte es in der Tat durch, daß der wahnwitzige Cäsar die Bittsteller mit ihrem Anliegen höhnisch abwies. Es läßt sich denken, welchen Abscheu die Juden fortan vor Apion empfunden haben mögen, und wie sein Name an erster Stelle genannt werden mußte, wenn von den Feinden des jüdischen Volkes die Rede war. Eine Schrift gegen die Widersacher des Judentums konnte sich also nicht besser einführen als dadurch, daß sie die Bezeichnung Gegen Apion trug.
Außer dieser, seit Schedelius (15. Jahrh.) allgemein gebräuchlichen Überschrift führt nun die Abhandlung auch noch eine andere, die als eigentlicher Titel zu betrachten ist, nämlich: Über das hohe Alter des jüdischen Volkes. Mit ihr bekundet Josephus seine Absicht, den angefochtenen Adel seiner Nation zu retten und dadurch zu bewirken, daß die Geschichte und Religion des jüdischen Volkes ein Gegenstand aufmerksamerer Forschung würden; denn einem Volke, einem Staat, einer Gesetzgebung oder Religion hohes Alter absprechen heißt nach antiker Auffassung nichts geringeres, als ihnen jede höhere Berechtigung streitig machen. Diese seine Absicht hat Josephus vollkommen erreicht: es ist ihm gelungen, das hohe Alter seines Volkes zu beweisen, und die Art, wie er den Beweis führte, reiht seine Schutzschrift den besten Werken christlicher Apologeten würdig an.
Die Abfassungszeit der vorliegenden Schrift fällt, wie sich aus I, 10 ergibt, später als die der Altertümer, wahrscheinlich auch später als die der Selbstbiographie. Sie wäre mithin frühestens in das Jahr 102 n. Chr. zu verlegen.
Weil übrigens Apion bereits im Titel der Schrift eine ausgezeichnete Stelle einnimmt, sei über ihn und seinen Charakter hier das Notwendige bemerkt. ‒ Er war ein hellenisierter Ägypter und stammte aus der größeren, südlichen Oase. Da er sich aber in Alexandria unter Apollonios, Didymos und Euphranor mit griechischen Studien befaßte, galt er nach seinem eigenen Willen als Alexandriner. Nachdem er längere Zeit in der gebildeten Welt umhergereist war und sich durch seine Vorlesungen, besonders über Homer (Seneca, Epist. 88, 34 f.) das Bürgerrecht der vornehmsten Städte erworben hatte, ließ er sich in Rom als Lehrer der Grammatik und Rhetorik nieder. Infolge seiner Belesenheit in der griechischen Literatur gelangte er zu großem Ansehen und erhielt, wie Suidas berichtet, wegen seines unermüdlichen Fleißes den Beinamen Μόχϑος (labor). Indes war seine Tätigkeit von einem sehr niedrigen Geiste beseelt. Auf seinen Kunstreisen sammelt er Gunst- und Ehrenbezeugungen für sich und erwirbt sich durch seine Zungen- und Federfertigkeit den Ehrentitel der Siegreiche oder nach der anderen Lesart Kopffechter. Wie wenig aber seine Fertigkeit im Dienste der Wahrheitsliebe stand, wird am deutlichsten durch das bewiesen, was wir eben durch Josephus aus seinen Schriften erfahren. Maßlos eitel und aufgeblasen, zählt er sich ohne Bedenken den großen Männern des Altertums bei, preist die Alexandriner glücklich, daß sie einen Mitbürger wie ihn besäßen, und verspricht jedem die Unsterblichkeit, dem er seine Schriften widmen würde (Plinius, Naturgesch., Vorwort). Anspielend auf einen Ausspruch des Tiberius, der ihn Cymbalum mundi (Allerweltstrompete) genannt hatte, meint daher schon Plinius (a. a. O.), man hätte ihn eher die Posaune seines eigenen Ruhmes nennen können. Seine Schriften sind sämtlich bis auf wenige Bruchstücke, die Carl Müller (Fragm. hist, graec. 1‒14,2) herausgegeben hat, verloren gegangen. Nach Josephus (C. A. II, 13) starb er eines elenden Todes.
Vergl. über Apion noch die Artikel s. v. in den Enzyklopädien von Herzog, Pauly, Ersch u. Gruber; sodann Creuzer, Stud. u. Kritik. 1853, I, S. 80 f.; Grässe,
Literaturgesch. I, 2, S. 730; Parthey, Alexandrinisches Museum, S. 133; Schmitthenner, De rebus judaicis, I, 13.
Was die Anordnung des Stoffes betrifft, so ist die Teilung in zwei Bücher eine rein äußerliche und nur bedingt durch das Streben, jedem derselben annähernd den gleichen Umfang zu geben (I, 35 Ende). Es geht deshalb nicht an, bei der Analyse des Gedankenganges die Teilung in zwei Bücher zugrunde zu legen, wie dies Müller (a. a. O. S. 18) getan hat. Vielmehr muß nach Parets Vorgang die Schrift also zergliedert werden: Einleitung (I, 1‒11); erster, vorzugsweise abwehrender Teil (1, 12 ‒ II, 13); zweiter, positiv apologetischer und angreifender Teil (II, 14‒41). Indem ich dieser letzteren Einteilung folge, gebe ich nachstehend den Inhalt der Schrift in aller Kürze an.
Einleitung (I, 1‒11).
Die früheren griechischen Geschichtsschreiber erwähnen das jüdische Volk nicht, und darum wird dessen hohes Alter von den Widersachern geleugnet (1). Das Stillschweigen der Griechen beweist indes nichts, weil die griechische Geschichtschreibung bei weitem nicht so ehrwürdig und unanfechtbar ist wie die orientalische überhaupt (2‒5) und die hebräische im besonderen (6‒8). Sodann betont Josephus seine eigene Glaubwürdigkeit als Geschichtsschreiber (9 f.) und gibt die drei Hauptpunkte des ersten Teiles der Schrift an (11).
Erster, vorzugsweise abwehrender Teil (1, 12 ‒ II, 13).
a. Hätten die alten griechischen Geschichtsschreiber das jüdische Volk wirklich nicht gekannt und nichts von ihm berichtet, so würde das noch keineswegs zu dem Schluß berechtigen, daß es jüngeren Ursprungs sei; denn die abgesonderte Lage Palästinas und der Umstand, daß seine Bewohner keinen Handel treiben, machen die Nichterwähnung der Juden in griechischen Geschichtswerken verständlich (12). Mit der gleichen Beweisführung könnte man der griechischen Nation ihr hohes Alter absprechen. Da sind die Zeugnisse der Nachbarvölker des jüdischen Landes denn doch gewichtiger (13).
b. Nun gibt es aber alte außerjüdische Zeugnisse für das frühe Dasein der jüdischen Nation in Hülle und Fülle, und zwar 1) nichtgriechische: bei den Ägyptern Manetho (14‒17); bei den Phönikiern staatliche Urkunden, dann Dios, Menander (17 f.); bei den Chaldäern gleichfalls staatliche Urkunden, außerdem Berossos, Philostratos, Megasthenes (19‒21); 2) griechische: Pythagoras, Herodot, Choirilos, Klearchos und Aristoteles, Hekataios, Agatharchides (22), Theophilos, Theodotos u. a. Manche Schriftsteller übrigens hätten die Juden erwähnen können, unterlassen es aber aus bösem Willen, wie Hieronymos (23).
c. Allerdings sind diese Zeugnisse, so große Beweiskraft für das hohe Alter des jüdischen Volkes sie auch besitzen, doch mit falschen und verleumderischen Angaben über die Juden durchsetzt; darum ist es notwendig, die Lügen zu entkräften. Befremdlich ist übrigens die Schmähsucht vieler griechischen Schriftsteller nicht, wenn man bedenkt, daß sie oft Gefallen daran finden, ihr eigenes Volk zu verunglimpfen (24). Nach einer allgemeinen Bemerkung über die Gehässigkeit ägyptischer Berichte inbetreff der Juden (25) werden dann mit ihren Erzählungen vom Auszug der Israeliten aus Ägypten im einzelnen widerlegt: Manetho, Chairemon und Lysimachos (26‒35); namentlich den beiden letzteren wird nachgewiesen, daß sie sich selbst und untereinander widersprechen.
Mit dem zweiten Buche wendet sich Josephus gegen den Ägypter Apion und zeigt, wie falsch dieser Grammatiker den Auszug aus Ägypten dargestellt habe, ferner wie grundlos seine Anklagen gegen die alexandrinischen Juden seien, denen er die Berechtigung, in Alexandria zu wohnen, bestreitet und die er als aufrührerisch hinstellt (II, 1‒6). Hierauf werden die von großer Verbohrtheit zeugenden Beschuldigungen widerlegt, die der nämliche Apion gegen die Juden überhaupt erhebt: sie beteten einen Eselskopf an, schlachteten Menschen zu rituellen Zwekken; müßten sich eidlich verpflichten, alle Nichtjuden und besonders die Griechen zu hassen; seien beständig vom Unglück verfolgt, weil die Götter sie nicht leiden könnten; hätten keine bedeutenden Männer aufzuweisen; opferten Tiere, äßen kein Schweinefleisch und ließen sich beschneiden (7‒13). Den Schluß des ersten Teiles bilden persönliche Bemerkungen über den Verleumder.
Zweiter, positiv apologetischer und angreifender Teil (II, 14‒41).
Der Verfasser geht nunmehr, nachdem er sich im ersten Teil die Zurückweisung einzelner Anklagen und Verleumdungen hat angelegen sein lassen, zu einer allgemeinen Darstellung der jüdischen Religionsverfassung über, weil er auf diese Weise am sichersten die abfälligen Urteile über das Wesen der hebräischen Theokratie und das religiöse Leben der Juden, die vornehmlich von Apollonios Molon ausgingen, widerlegen zu können glaubt. Aus dieser Darstellung werde sich ergeben, daß das mosaische Gesetz nicht zur Gottlosigkeit und zum Menschenhaß, sondern zur Frömmigkeit, Nächstenliebe und Sittlichkeit erziehe (14).
a. Zunächst wird, wie dies bereits I, 31 geschehen ist, Moyses nochmals als ältester Gesetzgeber hingestellt und hervorgehoben, daß er sich durch Reinheit der Sitten ausgezeichnet habe (15 f.).
b. Dann folgt eine allgemeine Schilderung seines Werkes, der Gesetzgebung, mit der er die theokratische Verfassung der Juden begründete. Die Gotteserkenntnis machte er zum Gemeingut des Volkes; alle Verhältnisse des Lebens sollten auf Frömmigkeit begründet sein, alle bürgerlichen Pflichten von den Pflichten gegen Gott sich herleiten. Auch sorgte er im Gegensatz zu anderen Gesetzgebern dafür, daß theoretische Unterweisung in den Gesetzesvorschriften und praktische Betätigung derselben Hand in Hand gingen (16 f.). Zu dem Zweck muß jeder Jude mit den Bestimmungen des Gesetzes bis ins kleinste vertraut sein (17 f.). Die hierdurch bewirkte Einheit des Glaubens erklärt das feste Zusammenhalten der Israeliten (19) und den Mangel an genialen Männern (20 f.). Wie die Verfassung Gottherrschaft (Theokratie), so ist das gesamte Leben der Juden ein einziger feierlicher Gottesdienst (21 f.).
c. Hierauf wird das mosaische Gesetz im einzelnen besprochen: Gott und seine Werke (22); Tempel, Priester, Opfer, Gebete und Reinigungen (23); Bestimmungen über Ehe und Geschlechtsverkehr (24), Kindererziehung (25), Totenbestattung (26); das pflichtmäßige Verhalten gegen Eltern und Greise; Gesetze über Freundschaft, Rechtsprechung, Eigentum (27); Benehmen gegen Fremde und Andersgläubige (28), Feinde und Tiere (29). ‒ Der fromme Israelit verlangt für seine Gesetzestreue keine materielle Belohnung, sondern begnügt sich mit dem Zeugnis, das sein gutes Gewissen ihm erteilt (30). Überhaupt steht das Gesetz auf einer idealen Höhe, die selbst Plato in seiner Politeia bei weitem nicht erreicht; nie wurde es verändert (31), und das Volk hängt an ihm mit einer Liebe, die alles Ungemach erträgt und selbst den Bekennertod nicht scheut (32).
d. Hatte Josephus bisher schon einige kritische Bemerkungen über außerjüdische Gesetzgebungen einfließen lassen, so unternimmt er jetzt, nicht ohne vorgängige Entschuldigung (33), einen Angriff auf die griechische Götterlehre (33 f.) und äußert sich mißbilligend über solche Gesetzgeber, die der Religion keine Bedeutung im Staate beimaßen, sie vielmehr den Dichtern und Künstlern überließen (35). Es folgen einige weitere Bemerkungen über Apollonios Molon, dem die echten griechischen Philosophen und besonders Plato, letzterer als Nachahmer des Moyses, gegenübergestellt werden (36). Sodann weist der Verfasser darauf hin, daß die Abneigung gegen den Verkehr mit Fremden und überhaupt die Unduldsamkeit, die man den Juden zum Vorwurf mache, weit mehr eine Eigentümlichkeit der besten griechischen Gesetzgebungen als der jüdischen seien (36 f.), daß die Israeliten lediglich die Reinerhaltung ihres Gesetzes im Auge hätten (38), aber auch bereitwillig Fremde in ihre religiöse Gemeinschaft aufnähmen, und daß der jüdische Glaube bei Griechen und Barbaren stets größere Anerkennung und Verbreitung finde, woraus die Vortrefflichkeit des Gesetzes sich aufs klarste ergebe (39). Endlich faßt er die Hauptpunkte der Schrift nochmals kurz zusammen, kommt zu dem Ergebnis, daß die Verleumder wirkungsvoll abgetan seien, und schließt mit der Widmung an Epaphroditos (40 f.)
1. Bereits in dem Werke über die Altertümer, welches die Geschichte von 5000 Jahren umfaßt und aufgrund unserer heiligen Bücher von mir in griechischer Sprache geschrieben wurde, habe ich, trefflicher Epaphroditos, die Leser desselben meiner Meinung nach hinreichend davon überzeugt, daß unser, der Juden Volk das älteste ist, daß es am ehesten ein selbständiges Dasein erlangte, und wie es in dem Lande, welches wir jetzt bewohnen, sich ansiedelte. Da ich aber sehe, daß gar viele den böswilligen Verdächtigungen gewisser Menschen Glauben schenken, meinen Ausführungen in der Schrift über die Altertümer nicht trauen und die spätere Entstehung unseres Volkes aus dem Umstand herzuleiten suchen, daß es von den berühmten griechischen Geschichtsschreibern keiner Erwähnung für wert gehalten wurde, so glaubte ich über alle diese Punkte eine kurze Abhandlung schreiben zu müssen, einmal um die geflissentliche Verdrehung der Tatsachen seitens der Lästerer und die Böswilligkeit jener Leute zu kennzeichnen, dann aber auch um die Unwissenheit der anderen zu belehren und allen, die die Wahrheit zu erfahren wünschen, das hohe Alter unseres Volkes zu beweisen. Als Zeugen für meine Behauptungen werde ich diejenigen anführen, die, was Kenntnis des Altertums überhaupt betrifft, bei den Griechen als besonders glaubwürdig gelten; solche aber, deren Schriften über uns von Verleumdungen und Lügen wimmeln, will ich sich selbst widerlegen lassen. Auch werde ich versuchen, die Gründe anzugeben, weshalb so wenige Griechen in ihren Geschichtsswerken unseres Volkes Erwähnung getan, anderseits aber auch zu Nutz und Frommen derer, die es nicht wissen oder sich stellen, als wüßten sie es nicht, diejenigen Männer namhaft machen, die unsere Geschichte nicht übergangen haben.
2. Zunächst muß ich mich lebhaft über diejenigen verwundern, die da meinen, man dürfe in Bezug auf die ältesten Begebenheiten sich nur an die Griechen halten und bei ihnen allein die Wahrheit suchen, während wir und die anderen Menschen keinen Glauben verdienten. Sehe ich doch, daß das gerade Gegenteil davon zutrifft, wofern man überhaupt den Tatsachen gemäß urteilen und nicht etwa von leeren Einbildungen sich leiten lassen will. Bei den Griechen nämlich ist, wie du finden wirst, alles neu und sozusagen erst gestern und vorgestern geschehen: die Gründung der Städte, die Erfindung der Künste und die Aufzeichnung der Gesetze; fast das allerneueste aber ist bei ihnen die Pflege der Geschichtsschreibung. Anderseits gibt es, wie sie selbst gestehen, die älteste und stetigste Überlieferung bei den Ägyptern, Chaldäern und Phönikiern; uns nämlich will ich für jetzt noch nicht mit diesen zusammen erwähnen. Alle jene Völkerschaften wohnen ja in Gegenden, welche am wenigsten den aus umliegenden Ländern kommenden Verderbnissen ausgesetzt sind, und sie haben von jeher eine besondere Sorgfalt darauf verwendet, daß die bei ihnen sich abspielenden Vorgänge nicht der Vergessenheit anheimfallen möchten, sondern stets von den weisesten Männern in öffentlichen Urkunden niedergelegt würden. Griechenland dagegen war in seiner ganzen Ausdehnung von tausendfältigen Drangsalen heimgesucht, welche die Erinnerung an die Vergangenheit verwischten, und weil das Leben immer wieder auf neuen Grundlagen sich vollzog, so glaubte jedes Zeitalter, das, womit es selbst begann, sei überhaupt der Anfang gewesen. Auch lernten die Griechen erst spät und unzureichend die Buchstabenschrift: denn selbst die, welche den Gebrauch der Schrift am weitesten in die Vorzeit zurückversetzen, können nichts anderes zu ihren Gunsten anführen, als daß ihnen dieselbe von den Phönikiern und von Kadmos überkommen ist, und auch aus dieser Zeit vermag niemand ein Schriftstück aufzuweisen, das sich in Tempeloder Staatsarchiven erhalten hätte. Ja, es ist sogar recht fraglich, ob auch nur die, welche um vieles später den Feldzug nach Troja unternahmen, sich der Schrift bedient haben; kommt doch als die richtigere Ansicht mehr und mehr diejenige zur Geltung, daß ihnen die jetzt übliche Buchstabenschrift unbekannt war.1 Überhaupt findet sich